Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der Vater Leo B***** schloss bei der R***** AG (im Folgenden Versicherer) zwei Unfallversicherungsverträge „Familienunfall Variante A mit Gefahrenklasse I (II)" ab, wobei er jeweils Versicherungsnehmer und „Hauptversicherter" ist, während seine Ehefrau und „jedes Kind bis zur Vollendung des 19. Lebensjahres" mitversichert sind. Das Bezugsrecht ist in beiden Versicherungsverträgen in der Weise geregelt, dass alle Versicherungsleistungen an die jeweils betroffene versicherte Person auszuzahlen sind. Beide Verträge enthalten jedoch „Besondere Vertragsbedingungen" mit jeweils das Bezugsrecht ändernden Klauseln im Wesentlichen folgenden Inhaltes:
Vertrag 1:
„Der Versicherer nimmt zur Kenntnis, dass der (die) Versicherungsnehmer alle Ansprüche .... aus dem Versicherungsvertrag rechtsverbindlich zu Gunsten der R***** regGmbH ***** ... verpfändet und auf die Ausübung des Kündigungsrechtes auf die Dauer der Verpfändung verzichtet hat (haben). Für die Dauer der Verpfändung ist das Bezugsrecht zu Gunsten des Pfandgläubigers abgeändert."
Vertrag 2:
„Es gilt als vereinbart, dass das Bezugsrecht für die Dauer der Vormerkung zu Gunsten der R***** AG ***** ... geändert ist und zusätzlich eine Auszahlungssperre der Versicherungsleistung zu Gunsten des oben genannten Kreditgebers angemerkt ist.
...
Die R***** AG ist angewiesen, in jedem Leistungsfall die entsprechende Versicherungsleistung dem vom oben genannten Kreditgeber angegebenen Kreditkonto gutzubringen. Für den die Forderungen des Kreditgebers übersteigenden Teil der Versicherungsleistung tritt das Bezugsrecht laut Vertragsunterlagen (Antrag bzw. spätere Änderung) in Kraft."
Der am 2. 4. 1989 geborene Sohn des Versicherungsnehmers Roland verlor am 9. 9. 2000 durch einen Unfall ein Auge. Die betreffenden Versicherungsleistungen von EUR 33.574,85 und EUR 18.894,94, zusammen EUR 52.4689,79, wurden vom Versicherer unter Hinweis auf die zum Unfallszeitpunkt bestandene Verpfändung der Ansprüche an die R***** (im Folgenden Kreditgeberin) überwiesen.
Am 15. 9. 2006 beantragte der Minderjährige beim Erstgericht die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung einer Klage gegen den Versicherer auf Zahlung von EUR 52.469,79 sA. Sein Anspruch gegen den Versicherer stütze sich auf seine sich aus den Versicherungsverträgen ergebende Bezugsberechtigung. Bei den Unfallversicherungen handle es sich um eine Versicherung für fremde Rechnung, bei der der Vater als Versicherungsnehmer zwar das formelle Verfügungsrecht über die sachlich ihm als Versicherten zustehende Forderung habe, nach Eintritt des Versicherungsfalles aber er als Versicherter aktiv klagslegitimiert sei. Es handle sich um einen Vertrag zu Gunsten Dritter, bei dem der Versicherungsnehmer Vertragspartei sei, was aber nichts daran ändere, dass der Versicherte Inhaber der Ansprüche sei. Ungeachtet des formellen Verfügungsrechtes des Versicherungsnehmers sei auch im Versicherungsrecht § 21 ABGB als lex specialis vorrangig. Der Versicherer dürfe daher niemals mit dem Versicherungsnehmer Vereinbarungen treffen, die im Ergebnis bewirkten, dass dem Minderjährigen als Versicherten direkt zustehende Ansprüche nicht liquidiert würden. Eine Klagsführung gegen den Versicherungsnehmer als Bereicherten sei unzumutbar, weil dieser nach intensiven Scheidungsstreitigkeiten überschuldet sei und die Ansprüche gegen ihn nicht einbringlich seien.
Das Erstgericht wies den Antrag auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Klagsführung ab. Auf Grund der vom Versicherungsnehmer vorgenommenen Vinkulierung und Verpfändung der Versicherungsleistungen zu Gunsten der Kreditgeberin habe der Versicherer nicht an den Minderjährigen, sondern an die Pfandgläubigerin geleistet. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Versicherungsnehmer diese Vereinbarung habe abschließen dürfen; jedenfalls sei aber dem Versicherer kein Fehlverhalten vorzuwerfen. Das Prozessrisiko für den Minderjährigen erscheine daher zu hoch, um eine Klagsführung zu genehmigen, da er im Fall des Unterliegens mit erheblichen Prozesskosten belastet würde, zumal keine Rechtsschutzversicherung oder eine sonstige Zusage der Schad- oder Klagloshaltung bestehe. Die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Klagsführung sei daher nicht zu erteilen.
Das vom Minderjährigen angerufene Rekursgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. Mit den beiden Unfallversicherungsverträgen sollten zwar auch den Mitversicherten Rechte verschafft werden; dennoch lägen keine echten Verträge zu Gunsten Dritter im Sinne des § 881 ABGB vor. Dem Versicherungsnehmer müsse daher bis zum Eintritt des Versicherungsfalles mangels gegenteiliger Vereinbarung eine Änderung oder Einschränkung der Rechtsposition der mitversicherten Dritten möglich sein, die demnach die vom Versicherungsnehmer gesetzten Beschränkungen ihrer erst im Versicherungsfall entstehenden Rechte hinzunehmen hätten. Der Versicherungsnehmer könne seine Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis insbesondere rechtswirksam verpfänden. Dies bedeute grundsätzlich den Widerruf des Bezugsrechtes und habe jedenfalls zur Folge, dass dem Pfandgläubiger ein Vorrecht vor dem Bezugsberechtigten eingeräumt werde. Für die vom Versicherungsnehmer vorgenommene Verpfändung bzw Änderung des Bezugsrechtes zu Gunsten der Pfandgläubigerin sei daher eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung im Sinne des § 154 Abs 3 ABGB nicht erforderlich gewesen. Die bei der Beurteilung der Frage der Erteilung oder der Versagung der Genehmigung der Prozessführung vorzunehmende grobe Vorprüfung der Erfolgsaussichten des beabsichtigten Rechtsstreites führe daher zu dem Ergebnis, dass wegen des zu großen Risikos eines Prozessverlustes und der dadurch den Minderjährigen treffenden Belastung mit nicht unerheblichen Prozesskosten die beantragte pflegschaftsgerichtliche Genehmigung nicht zu erteilen sei.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 62 Abs 1 AußStrG zulässig sei. Es habe sich insbesondere zur Frage, ob im Fall der vorliegenden Mitversicherung der Kinder des Versicherungsnehmers eine Verpfändung sämtlicher Ansprüche aus der Versicherung durch den Versicherungsnehmer einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurft hätte, auf keine oberstgerichtliche Judikatur stützen können. Dieser Rechtsfrage komme auch über den Einzelfall hinaus Bedeutung zu.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Minderjährigen, der unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, den angefochtenen Beschluss im Sinne einer Stattgebung des Antrages auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung abzuändern.
Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Rechtshandlungen eines Pflegebefohlenen - wie hier die beabsichtigte Klagsführung durch den (im maßgebenden Zeitpunkt der Entscheidung über die beantragte Genehmigung der Klagsführung noch) minderjährigen Roland - sind nach § 132 AußStrG nur dann gemäß § 154 Abs 3 ABGB pflegschaftsgerichtlich zu genehmigen, wenn sie in dessen Interesse liegen und dessen Wohl entsprechen (Zankl/Mondel in Rechberger, AußStrG Vor § 132 Rz 2 mwN aus der Rsp ua). Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Prüfung der Genehmigung einer Klage vom Pflegschaftsgericht die Erfolgsaussichten, das Risiko des angestrebten Prozesses zu beurteilen. Maßgebend ist, ob in vergleichbaren Fällen ein verantwortungsbewusster gesetzlicher Vertreter („bonus pater familias") den Klageweg beschreiten würde (6 Ob 319/99a, EFSlg 93.030; Hopf in KBB, § 154 Rz 11). Dies ist jedenfalls dann nicht anzunehmen, wenn die Erfolgsaussichten gering sind und deshalb ein erheblicher Vermögensnachteil des Pflegebefohlenen durch die Belastung mit Prozesskosten droht.
Der Minderjährige tritt im Revisionsrekurs der Ansicht der Vorinstanzen entgegen, die Erfolgsaussichten der von ihm beabsichtigten Klage seien so gering, dass die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung dafür im Hinblick auf die zu befürchtende erhebliche Belastung mit Prozesskosten versagt werden müsse. Sei der Mitversicherte in der Unfallversicherung - wie hier - minderjährig, stehe § 21 ABGB einem Widerruf seines Bezugsrechtes durch den Versicherungsnehmer entgegen. Daran ändere der Umstand, dass das Recht des (Mit-)Versicherten erst im Versicherungsfall entstehe, nichts. Der Versicherer dürfe mit dem Versicherungsnehmer in der Unfallversicherung keine Vereinbarungen treffen, die im Ergebnis bewirkten, dass Ansprüche eines minderjährigen Versicherten nicht liquidiert würden. Während in der Lebensversicherung nach § 166 VersVG die Namhaftmachung eines Bezugsberechtigten und die Befugnis des Versicherungsnehmers, einen anderen an die Stelle des bezugsberechtigten Dritten zu setzen, vorgesehen seien, sei die Verpfändung von Ansprüchen Minderjähriger im Bereich der Unfallversicherung unwirksam.
Der Senat hat dazu erwogen:
Gerade die Unfallversicherung kann auch als Versicherung für fremde Rechnung genommen werden (§ 179 Abs 2 VersVG). Eine solche liegt immer dann vor, wenn ein Versicherungsnehmer im eigenen Namen mit einem Versicherer einen Vertrag schließt, der fremdes Interesse zum Gegenstand hat (SZ 59/220; 7 Ob 74/05s; 7 Ob 260/05v ua). Schauer (Versicherungsvertragsrecht3 164) nennt als Beispiel dafür den hier vorliegenden Fall, dass ein Elternteil für alle Familienmitglieder eine Unfallversicherung abschließt. Es liegt dann jeweils ein einziges Versicherungsverhältnis vor, aus dem mehrere Personen begünstigt werden, wobei der einzelne Versicherte im Versicherungsvertrag - wie im vorliegenden Fall der minderjährige Roland - nicht namentlich genannt sein muss (Schauer aaO 165). Die Unfallversicherung für fremde Rechnung unterliegt den allgemeinen Vorschriften nach §§ 75 bis 79 VersVG. Das bedeutet, dass der Versicherungsnehmer Vertragspartner des Versicherers ist (Schauer aaO 501). Der Vertrag kommt auch ohne Einwilligung des Versicherten zustande; dieser muss davon nicht einmal Kenntnis haben (Schauer aaO 167 mwN). Deshalb kann nur der Versicherungsnehmer die Erklärungen abgeben, die sich auf den Versicherungsvertrag beziehen; so kann zum Beispiel nur er den Vertrag kündigen oder anfechten (SZ 59/220 = JBl 1987, 585 = RdW 1987, 320 = VR 1987/75 = VersR 1988, 502 = VersE 1304). Die Pflichten aus dem Vertrag treffen nur den Versicherungsnehmer; er allein schuldet die Prämie (Schauer aaO 167). Die Rechte aus dem Vertrag werden vom Gesetz zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherten verteilt. Zwar stehen dem Versicherten nach der Generalklausel des § 75 Abs 1 VersVG alle Rechte aus dem Vertrag - mit Ausnahme des Rechtes auf Aushändigung des Versicherungsscheines - zu; die Verfügung über diese Rechte steht jedoch grundsätzlich nicht dem Versicherten, sondern dem Versicherungsnehmer zu (7 Ob 74/05s; 7 Ob 260/05v, RIS-Justiz RS0017123 [T3]; 7 Ob 290/06g; RIS-Justiz RS0080863 und RS0080792). Die Versicherung für fremde Rechnung entspricht damit eher dem Modell eines unechten Vertrages zu Gunsten Dritter. Diese Spaltung der Rechtsposition zwischen materieller Rechtsträgerschaft und formeller Verfügungsberechtigung dient vor allem dem Schutz des Versicherers: Für ihn soll klargestellt sein, dass er sich in allen Angelegenheiten des Versicherungsfalles nur mit dem Versicherungsnehmer und nicht mit dem - ihm vielleicht namentlich gar nicht bekannten - Versicherten auseinandersetzen muss (Schauer aaO 168 mwN). Diese Grundsätze gelten auch für einen durch eine von einem Elternteil abgeschlossene Unfallversicherung für fremde Rechnung nach § 176 Abs 2 VersVG (mit-)versicherten Minderjährigen; für diesen als „Gefahrperson" bestehen entgegen der Ansicht des Revisionsrekurses bei einer Versicherung für fremde Rechnung keine Besonderheiten (Knappmann in Prölss/Martin VVG27 § 179 Rn 6).
Der Versicherungsnehmer ist also bei einer Versicherung für fremde Rechnung gegenüber dem Versicherer im eigenen Namen allein verfügungsberechtigt. Als Verfügung im Sinne des § 76 Abs 1 VersVG ist jeder Rechtsakt anzusehen, durch den unmittelbar oder mittelbar auf den Bestand oder die Ausgestaltung der Forderung eingewirkt wird (Hübsch in Berliner Komm § 75 Rn 12; 7 Ob 74/05s). Auch in der Versicherung für fremde Rechnung kann der Versicherungsnehmer daher einem Kreditgeber seinen Anspruch gegen den Versicherer verpfänden, zur Sicherung abtreten oder - in der Lebens- und Unfallversicherung - seinen Gläubiger auch als Begünstigten (Bezugsberechtigten) einsetzen (7 Ob 304/99b, SZ 73/19 = RdW 2000/531 = JBl 2000, 583 = VR 2001, 62 = VersR 2002, 733). Weil Versicherer, wie bereits erläutert, an eine solche Verfügung des Versicherungsnehmers (auch zu ihrem eigenen Schutz) gebunden sind, muss der Einwand des Revisionsrekurswerbers, der Versicherer hätte im vorliegenden Fall die Verpfändung beziehungsweise die vom Versicherungsnehmer angeordnete Änderung des Bezugsberechtigten ignorieren und dem Kreditgeber des Versicherungsnehmers die Auszahlung der Versicherungsleistung verweigern müssen, ins Leere gehen.
Demnach haben die Vorinstanzen die Erfolgsaussichten der vom Revisionsrekurswerber beabsichtigten Klagsführung gegen den Versicherer zutreffend negativ beurteilt. Da die beabsichtigte Prozessführung deshalb nicht im Interesse des Minderjährigen liegt, wurde die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung dazu zu Recht verweigert.
Der Revision muss daher ein Erfolg versagt bleiben.
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