OGH 7Ob24/08t

OGH7Ob24/08t9.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard H*****, vertreten durch Dr. Günther Loibner, Rechtsanwalt in Wien, und des Nebenintervenienten Dr. Alexander N*****, gegen die beklagte Partei N***** AG, (vormals E*****aktiengesellschaft), *****, vertreten durch Walch & Zehetbauer Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen 39.418,09 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 12. Oktober 2007, GZ 5 R 160/07x-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 8. Juni 2007, GZ 20 Cg 163/05g-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1.) Die Bezeichnung der beklagten Partei wird von „E*****aktiengesellschaft" auf „N***** AG" richtig gestellt.

2.) Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Zu 1.):

Die Richtigstellung der Parteienbezeichnung beruht auf dem aktuellen Stand des offenen Firmenbuchs (FN 100888s; § 235 Abs 5 ZPO).

Zu 2.):

Der - inzwischen volljährige - Kläger wurde am 7. 3. 1987 geboren. Die Ehe seiner Eltern wurde 1995 einvernehmlich nach § 55a EheG geschieden. Im Scheidungsvergleich wurde die Obsorge über den damals minderjährigen Kläger seinem gleichnamigen, am 8. 3. 1947 geborenen Vater übertragen.

Zur Polizze Nr 7.***** hatte dieser als Versicherungsnehmer bei der Beklagten als Versicherer eine „Startversicherung Optimal" mit einer Versicherungsdauer vom 7. 3. 2003 bis 7. 3. 2006, jeweils 12.00 Uhr abgeschlossen. Diese Versicherung beinhaltete die Sparten Haushalt, Unfall und Rechtsschutz. Versichert hinsichtlich der Unfallversicherung war der Kläger mit einer Versicherungssumme bis 90.000 EUR für den Fall dauernder Invalidität; versichert hinsichtlich der Rechtsschutzversicherung war ebenfalls der Kläger. Für das Unfallmoped bestand bei der Beklagten eine Kasko-Versicherung.

Am 24. 9. 2003 erlitt der Kläger mit diesem Moped einen Verkehrsunfall, seit dem er querschnittgelähmt ist.

Am 30. 9. 2003 erstattete der Vater im Namen des Klägers eine Schadensanzeige, in der als Versicherungsnehmer und als versicherte Person namens- und adressengleich der Vater und der Kläger angeführt waren. Unter „Angaben zum Unfall" wurde die Frage: „An wen soll die Entschädigung überwiesen werden?" durch den unterfertigenden Vater beantwortet mit: „Kontoinhaber Gerhard H*****, Bank A*****, Kontonummer 7*****, BLZ 1*****." Bei dieser Kontoverbindung handelte es sich um eine solche des Vaters. Die andere, ursprünglich angeführte und letztlich durchgestrichene Kontonummer 5***** war jene des Klägers.

Vor der Auszahlung der Versicherungssumme unterfertigte der Vater am 24. 5. 2004 im Hinblick auf eine Entschädigung von 86.000 EUR aus dem Titel der Dauerinvalidität eine Abfindungserklärung. Als Empfänger wurde darin wiederum „H***** Gerhard" mit der Bankverbindung und dem Konto des Vaters angeführt.

Dem Kläger standen aus dem Unfallversicherungsvertrag eine Versicherungssumme von 93.180 EUR und aus dem Kaskoversicherungsvertrag eine Versicherungssumme von 2.600 EUR zu. Beide Beträge überwies die Beklagte auf das ihr bekanntgegebene Konto des Vaters. Die Überweisung erfolgte in mehreren Etappen zwischen dem 30. 9. 2003 und dem 3. 11. 2004, somit während einer Zeit, als der Kläger das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.

Der Kläger begehrt die Zahlung von 39.418,09 EUR sA im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dass ihm dieser Betrag nicht zugute gekommen sei. Der Vater habe nur einen Teil des von der Beklagten zur Auszahlung gebrachten Betrags, nämlich 70.063,41 EUR zugunsten des Klägers aufgewendet. Weder für die Beauftragung des Nebenintervenienten (vormaliger Rechtsanwalt des Klägers) noch für die Auszahlung der Versicherungssumme an den Vater sei eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung eingeholt worden. Die Beklagte habe Schutz- und Sorgfaltspflichten verletzt. Der Klagsbetrag entspreche dem nicht zugunsten des Klägers aufgewendeten Teil der ihm zustehenden Versicherungssumme. Eine Betreibung dieser Restforderung gegen seinen Vater sei wegen dessen Alkoholismus und mangels eines verwertbaren Einkommens und Vermögens „wenig aussichtsreich".

Die Beklagte beantragt Klageabweisung und wendet im Wesentlichen ein, der Kläger habe die gesamte ihm zustehende Versicherungssumme erhalten. Einer pflegschaftsbehördlichen Genehmigung habe es nicht bedurft. Sie verkündete dem Vater des Klägers und dem vormaligen Rechtsvertreter Dr. Alexander N***** den Streit und forderte diese auf, auf ihrer Seite dem Rechtsstreit als Nebenintervenienten beizutreten. Lediglich der genannte Rechtsanwalt ist in der Folge dem Verfahren, allerdings auf Seiten der klagenden Partei, als Nebenintervenient beigetreten.

Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers ab. Aus der Schadensanzeige ergebe sich, dass die Versicherungsleistung vom minderjährigen Kläger selbst, vertreten durch seinen obsorgeberechtigten Vater, begehrt worden sei. Die Überweisung der Versicherungssumme auf das in der Schadensanzeige angegebene Konto erweise sich somit als Zahlung der Beklagten an den Kläger, und zwar unabhängig davon, ob es sich beim angegebenen Konto um eines des Vaters oder des Klägers gehandelt habe. § 1424 zweiter Satz ABGB beziehe sich nur auf Fälle, in denen direkt an einen nicht voll Geschäftsfähigen geleistet werde. Im vorliegenden Fall sei es allerdings zur Auszahlung der Versicherungssumme durch die Beklagte an den Kläger „über seinen Vater als gesetzlichen Vertreter" gekommen. Schäden aufgrund von Malversationen eines rechtswirksam bestellten Vertreters fielen nicht in den Schutzbereich des § 1424 ABGB. Unter die Bestimmung des § 234 ABGB seien Elternteile nicht zu subsumieren. Schließlich falle die Entgegennahme von Zahlungen nicht unter § 154 Abs 3 ABGB. Es habe daher keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung für die Entgegennahme der Versicherungssumme durch den gesetzlichen Vertreter des Klägers bedurft.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge; es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und schloss sich auch dessen rechtlicher Beurteilung an. Die vom Kläger vertretene Auffassung, die Entgegennahme einer Zahlung von 95.780 EUR durch seinen Vater des Klägers gehöre nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb eines Minderjährigen, sodass es der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung gemäß § 154 Abs 3 ABGB oder § 234 ABGB bedurft hätte, wurde abgelehnt. Zutreffend habe schon das Erstgericht aufgezeigt, dass die Bestimmung des § 234 ABGB nicht für Eltern eines ehelichen Kindes gelte, sodass diese nicht der gerichtlichen Genehmigung zur Empfangnahme von Kapital für das Kind bedürften. Die dem entgegenstehende Meinung von Weitzenböck (in Schwimann, ABGB3) samt einer Entscheidung des Landesgerichts St. Pölten sei vereinzelt geblieben und stehe mit der „Gesetzesstruktur" nicht in Einklang. § 154 Abs 3 ABGB wiederum betreffe - wie das Erstgericht ebenfalls zutreffend aufgezeigt habe - nicht die bloße Entgegennahme von Zahlungen. Entgegen den Ausführungen des Berufungswerbers sei daher im vorliegenden Fall, in dem die gesamte Versicherungssumme ausbezahlt worden sei, keine pflegschaftsbehördliche Genehmigung erforderlich gewesen. Schließlich habe es sich bei der Zahlung an den Vater des Klägers durchaus um eine schuldbefreiende Zahlung an einen „zum Empfang geeigneten Machthaber" im Sinn des § 1424 erster Satz ABGB gehandelt.

Gründe, wonach für die Beklagte im Zeitpunkt der Zahlung ersichtlich gewesen wäre, dass der Vater nicht in der Lage oder willens gewesen wäre, dem Minderjährigen die Versicherungssumme zukommen zu lassen, seien nicht ersichtlich und nicht behauptet worden; auch nach den Ausführungen in der Klage sei schließlich ein Teilbetrag von 50.063,41 EUR zugunsten des Klägers aufgewendet worden. Eine schuldhafte Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten könne daher in der Auszahlung der Versicherungssumme an den in Vertretung des Minderjährigen auftretenden gesetzlichen Vertreter nicht erkannt werden. Schäden aufgrund von Malversationen eines rechtswirksam bestellten Vertreters fielen auch nicht in den Schutzbereich des § 1424 ABGB.

Die Revision wurde für zulässig erklärt, da zur Frage des Erfordernisses einer pflegschaftsbehördlichen Genehmigung von (Versicherungs-)Zahlungen an den zur gesetzlichen Vertretung berufenen Elternteil eines Minderjährigen keine höchstgerichtlichen Entscheidungen vorlägen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung dahin abzuändern, dass sein Anspruch mit Zwischenurteil dem Grund nach zuerkannt werde; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher primär beantragt wird, das gegnerische Rechtsmittel wegen fehlender erheblicher Rechtsfrage als unzulässig zurückzuweisen; hilfsweise, diesem keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht formulierten Grund zulässig und auch im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

Der Revisionswerber vertritt auch in seinem Rechtsmittel den Standpunkt, dass für die von der Beklagten geleistete Zahlung eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung auf Grundlage des § 154 oder § 234 ABGB einzuholen gewesen wäre. Die Annahme des Berufungsgerichts, § 234 ABGB sei nicht auf Eltern anzuwenden, verstoße gegen die Auslegungsgrundsätze des § 6 ABGB, speziell gegen den Grundsatz der grammatikalischen Interpretation, da der Begriff des „gesetzlichen Vertreters" im ABGB nicht näher definiert werde und daher auch Eltern darunter zu subsumieren seien. Sollte die Bestimmung des § 234 ABGB nicht zur Anwendung gelangen, werde auch die Auffassung weiter aufrecht erhalten, dass die von der Beklagten an den Vater des Klägers geleistete Zahlung gemäß § 154 Abs 3 ABGB als nicht zum ordentlichen Geschäftsbetrieb gehörende Vermögensangelegenheit nach dieser Bestimmung der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurft hätte.

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof Folgendes erwogen:

Nach dem durch das KindRÄG 2001 BGBl I 2001/135 (Art I Z 55) neu gefassten § 234 ABGB (in der hier maßgeblichen Fassung des Art 35 Z 2 des 1. Euro-Umstellungsgesetzes - Bund BGBl I 2001/98 [2. Euro-JuBeG]) „kann der gesetzliche Vertreter 10.000 Euro übersteigende Zahlungen an das minderjährige Kind nur entgegennehmen und darüber quittieren, wenn er dazu vom Gericht im Einzelfall oder allgemein ermächtigt wurde. Fehlt eine solche Ermächtigung, so wird der Schuldner durch Zahlung an den Vertreter von seiner Schuld nur befreit, wenn das Gezahlte noch im Vermögen des minderjährigen Kindes vorhanden ist oder für seine Zwecke verwendet wurde". Nach Hopf (in KBB, ABGB2 [2007] § 234 Rz 1), Stabentheiner (in Rummel, ABGB3, 1. ErgBd 3 [2003] § 234 Rz 4), Koziol/Welser (Bürgerliches Recht I13 564) und Dullinger/Kerschner (in Loderbauer, Kinder- und Jugendrecht3 [2004] 5 f Rz 23 ff) soll diese Bestimmung nicht für Eltern als Obsorgeträger gelten, da sich die Verweisung des § 149 Abs 1 letzter Halbsatz ABGB („Geld ist nach den Vorschriften über die Anlegung von Mündelgeld anzulegen") nicht - auch - auf § 234 beziehe und § 234 ABGB aufgrund seiner systematischen Einordnung im Vierten Hauptstück des ABGB „Von der Obsorge einer anderen Person" (als Eltern, Großeltern oder Pflegeeltern: § 187 erster Halbsatz ABGB) auf diese Personengruppe nicht zur Anwendung komme. Die genannten Autoren stützen sich dabei auf den in den Gesetzesmaterialien, nämlich im Justizausschussbericht (587 BlgNR 14. GP, 10) wiedergegebenen Willen des Gesetzgebers, woraus folgere, dass unter anderem Eltern für die Entgegennahme und Quittierung von Zahlungen über 10.000 EUR nur bei Maßnahmen im Rahmen des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs der Genehmigung der Gerichte bedürften (Hopf aaO).

Tatsächlich heißt es in diesem Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (60 der Beilagen) zu einem Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsstellung des ehelichen Kindes und über die Regierungsvorlage (73 der Beilagen) zu einem Bundesgesetz über die Anlegung von Mündelgeld:

„Der Unterausschuß hat auch erörtert, ob künftig noch Bestimmungen des Vierten Hauptstücks des Ersten Teiles des ABGB ('Von den Vormundschaften und Kuratelen') auf die Eltern ehelicher Kinder angewendet werden dürfen, wie dies nach dem geltenden Recht, besonders bezüglich des § 233 ABGB aF, gehandhabt worden ist. Der Justizausschuß verneint eine solche rechtliche Möglichkeit für die Zukunft, weil das neue Recht die Rechte und Pflichten der Eltern ehelicher Kinder abschließend regelt, soweit nicht ausdrücklich auf Bestimmungen des Vormundschaftsrechts verwiesen wird; das ist nur bezüglich der Anlegung von Geld der Fall (§ 149 Abs 1 letzter Halbsatz ABGB idF Entwurf verweist auf die Vorschriften über die Anlegung von Mündelgeld; s §§ 230 ff ABGB idF Entwurf). Daraus ergibt sich, dass andere Bestimmungen über die Vermögensverwaltung des Vormundes nicht auch für die Eltern eines ehelichen Kindes gelten; sie bedürfen zB nicht der gerichtlichen Genehmigung zur Empfangnahme von Kapital für das Kind im Sinn des § 234 ABGB. Das hat besonders Bedeutung in den zahlreichen Fällen, in denen Eltern namens des Kindes Bausparverträge schließen, Spargeld einzahlen und nach Ablauf der Vertragsdauer das angesparte Kapital (samt Zinsen und Prämien) beheben."

Dieser Auffassung hält Weitzenböck (in Schwimann ABGB3 Vor §§ 230 bis 234 Rz 1) entgegen, dass seit dem KindRÄG 2001 der mit § 230 beginnende Abschnitt über die „Anlegung von Mündelgeld" eine einheitliche Überschrift aufweise: § 231 ABGB regle, welche Teile des beweglichen Vermögens zu verwerten (also zu Geld zu machen und nach §§ 230a bis 230e ABGB anzulegen) seien; § 232 ABGB bestimme, dass unbewegliches Vermögen nur im Notfall oder zum offenbaren Vorteil des minderjährigen Kindes mit gerichtlicher Genehmigung veräußert werden dürfe und § 234 ABGB schließlich regle die Fähigkeit des „gesetzlichen Vertreters" (ohne die Einschränkung auf eine „andere Person", wie sie § 216 ABGB kenne), bestimmte Zahlungen an das Kind (mit schuldbefreiender Wirkung für den Gläubiger) entgegenzunehmen; nach Auffassung des genannten Autors seien daher die §§ 230 bis 234 ABGB als „Vorschriften über die Anlegung von Mündelgeld" zu verstehen und würden daher auch für Personen, die die Obsorge nach dem Dritten Hauptstück ausübten, gelten. Weitzenböck vertritt daher - konsequenterweise - auch in seiner weiteren Kommentierung zu § 234 ABGB (aaO Rz 2) die Auffassung, dass vor diesem Hintergrund „alle gesetzlichen Vertreter der Ermächtigung" (durch das Gericht) bedürften.

Fucik in Ferrari/Hopf, Reform des Kindschaftsrechts (2001), 50 sowie Dullinger, Die Geschäftsfähigkeit Minderjähriger, ÖJZ 1987, 33 (38) sprechen - soweit sie in ihren jeweiligen Abhandlungen auf § 234 ABGB Bezug nehmen - nur allgemein jeweils vom „gesetzlichen Vertreter", ohne zu differenzieren, und scheinen so (auch) sämtliche darunter fallende Personengruppen zu verstehen.

In der in EFSlg 96.758 veröffentlichten Entscheidung 37 R 362/01p des Landesgerichts St. Pölten heißt es, dass „die Bausparkasse völlig korrekt gehandelt hat, als sie die Eltern vor der Auszahlung bzw Neuveranlagung des Guthabens [des minderjährigen Kindes aus dem Bausparvertrag in einer 10.000 EUR übersteigenden Höhe] an das Pflegschaftsgericht verwies". Da außer diesem Rechtssatz keine weitergehende Veröffentlichung vorliegt, sind allerdings keine weitergehenden Rückschlüsse auf die rechtliche Ableitung dieser rekursgerichtlichen Entscheidung möglich.

Die wiedergegebenen Gesetzesmaterialien (Justizausschussbericht 587 BlgNR 14. GP) tragen zwar die vom überwiegenden Teil der Lehre vertretene Auffassung. Der erkennende Senat vermag ihr aber nach Abwägung sowohl des Wortlauts des § 234 ABGB und der Systematik der einschlägigen Bestimmungen als auch des Zwecks des Minderjährigenschutzes nicht zu folgen:

Entstehungsgeschichte und Gesetzesmaterialien sind für die Auslegung nur dann maßgeblich, wenn die Ausdrucksweise des Gesetzes zweifelhaft ist (4 Ob 361/86 = JBl 1987, 647; 4 Ob 50/00g = SZ 73/46; 7 Ob 189/05b; RIS-Justiz RS0008800); ansonsten ist ein kundgemachtes Gesetz aus sich selbst auszulegen (RIS-Justiz RS0008806); eine historische Auslegung im Sinn der Feststellung des Willens des historischen Gesetzgebers anhand der Materialien bedarf besonderer Vorsicht, weil diese nicht Gesetz geworden sind und mit dem wahren Willen des Gesetzgebers nicht übereinstimmen müssen (RIS-Justiz RS0008776; RS0008799). Die Norm selbst mit ihrem Wortlaut, mit ihrer Systematik und in ihrem Zusammenhang mit anderen Normen steht insoweit über der Meinung der (Gesetzes-)Redaktoren (4 Ob 50/00g).

§ 149 Abs 1 letzter Satz ABGB verknüpft die Pflicht der Eltern (eines minderjährigen Kindes) hinsichtlich des Kindesvermögens mit den Vorschriften „über die Anlegung von Mündelgeld", also mit den §§ 230 ff ABGB („Anlegung von Mündelgeld") schlechthin und damit auch mit § 234 ABGB, ohne gerade diese letztgenannte Gesetzesstelle auszuschließen. „Nach den Vorschriften über die Anlegung von Mündelgeld" (und damit auch nach der Vorschrift über die Rechtswirksamkeit von über dem Schwellenwert des § 234 ABGB liegenden Zahlungen an gesetzliche Vertreter eines Minderjährigen ohne diesbezügliche gerichtliche „Ermächtigung") ist daher - auch nach dem im Vordergrund stehenden Schutzgedanken des § 21 Abs 1 ABGB - im Sinn einer generellen Verweisung auf sämtliche unter den Abschnitt „Anlegung von Mündelgeld" im Vierten Hauptstück des Ersten Teils des ABGB fallende Bestimmungen einschließlich des § 234 ABGB zu lesen (vgl auch Pichler in Klang, ABGB3 § 149 Rz 2). In diesem Sinn ist daher der vom Gesetzgeber des KindRÄG 2001 gewählte Ausdruck „der gesetzliche Vertreter" in § 234 ABGB nicht eng (unter Ausklammerung der Eltern, Groß- und Pflegeeltern), sondern weit - sohin diese Personengruppe mitumfassend - auszulegen; dies folgt auch aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in der bis dahin geltenden Vorgängerfassung den (engeren) Begriff des „Vormunds", in der novellierten Neufassung hingegen den (unstrittig weiteren) Begriff des „gesetzlichen Vertreters" gewählt hat.

Eine solche § 234 ABGB miteinschließende Verweisung hat der Gesetzgeber übrigens - insoweit klarer als in § 149 Abs 1 letzter Satz ABGB - auch an anderer Stelle, nämlich in § 275 Abs 3 ABGB über die Rechte und Pflichten von Sachwaltern (Kuratoren) idF Art I Z 9 SWRÄG 2006 BGBl I 2006/92 vorgenommen. Schließlich entspricht diese Auslegung auch der Intention des Gesetzgebers, hat er doch in § 133 Abs 2 AußStrG eine auf die Wertgrenze von 10.000 EUR Bezug nehmende Überwachungspflicht des Pflegschaftsgerichts auch für Eltern, Großeltern und Pflegeeltern statuiert, die jedoch nur dann auch wahrgenommen und effektiv ausgeübt werden kann, wenn das Gericht zuvor im Sinn seiner umfassenden pflegschaftsgerichtlichen Rechtsfürsorgepflicht (siehe Erl zur RV mwN, abgedruckt in Fucik/Kloiber, AußStrG 400) vom Vorliegen eines derartigen Vermögenswerts überhaupt erfährt. § 234 ABGB bildet dafür Grundlage und stellt die korrespondierende materiellrechtliche Norm dar.

Demnach hätte der Vater den von der Beklagten ausgezahlten, insgesamt 10.000 EUR bei weitem übersteigenden Kapitalbetrag nach den Grundsätzen des § 149 Abs 1 letzter Satz in Verbindung mit § 234 ABGB nur mit Ermächtigung des Pflegschaftsgerichts entgegen nehmen dürfen. Durch das Unterbleiben einer solchen hat die Beklagte an den Vater grundsätzlich nicht schuldbefreiend geleistet (§ 234 zweiter Satz ABGB).

Da zur Höhe der vom Kläger geltend gemachten Forderung von den Vorinstanzen keine Feststellungen getroffen wurden und von der Beklagten das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach bestritten wurde, wird das Erstgericht - unter Überbindung der vorstehenden rechtlichen Beurteilung (§ 511 Abs 1 ZPO) - hierüber Beweis aufzunehmen und entsprechende Feststellungen zu treffen haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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