OGH 7Ob147/03y

OGH7Ob147/03y5.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Daniela W*****, vertreten durch Stampfer, Orgler & Partner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Peter G*****, vertreten durch Dr. Michael Zsizsik, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wegen EUR 10.1745,20 sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 18. März 2003, GZ 5 R 20/03f-27, womit das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 4. Oktober 2002, GZ 7 Cg 245/01k-21, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin und der Beklagte führten eine Lebensgemeinschaft, der zwei Kinder entstammen. Im August 1998 mieteten die Streitteile gemeinsam eine Wohnung, in welche die Klägerin verschiedene - es steht nicht fest wie viele und in welchem Wert -, in ihrem Eigentum stehende Möbel einbrachte. Im Dezember 1998 schloss der Beklagte eine (allein auf ihn lautende) Haushaltsversicherung für die gemeinsame Wohnung ab. Durch einen Brand am 30. 1. 2000, bei dem die beiden Kinder der Streitteile tragisch ums Leben kamen, wurde diese Wohnung völlig zerstört. Der Beklagte erhielt als Versicherungsnehmer von der A***** Versicherung nach dem Brand einen Betrag von S 630.000 ausbezahlt.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung von S 140.000 sA = EUR 10.174,20 sA als Ersatz für die von ihr eingebrachte Wohnungseinrichtung, ihre Bekleidung und ihre persönlichen Fahrnisse. Sie habe zumindest diesen Schaden erlitten, weil die gesamte Wohnungseinrichtung mit Ausnahme der Schlafzimmereinrichtung in ihrem Eigentum gestanden sei. Da ihre Fahrnisse in der Sachversicherung mitversichert gewesen seien, habe sie Anspruch auf einen Teil der Versicherungsleistung; andernfalls wäre der Beklagte ungerechtfertigt bereichert. Außerdem sei die Versicherungsleistung überhöht, was sich nur dadurch erklären lasse, dass der Versicherer sowohl der Klägerin als auch dem Beklagten zusätzlich zum Ersatz des eingetretenen Schadens eine Art Startkapital für das künftige Leben habe zukommen lassen wollen.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Die Klägerin habe nur wenige, näher bezeichnete Einrichtungsgegenstände eingebracht; alle übrigen seien im Alleineigentum des Beklagten gestanden, der auch die zu Beginn des Mietvertrages erlegte Inventarablöse bezahlt habe. Er habe die Klägerin nach dem Brand beim Kauf der Einrichtung für ihre neue Wohnung und bei der Anschaffung neuer Kleidung finanziell unterstützt. Außerdem habe er der Klägerin sämtliche Spendengelder aus dem Hilfeaufruf in den Medien überlassen. Seine Leistungen überstiegen daher - auch unter Berücksichtigung der bereits erfolgen Aufteilung einer Ablösezahlung der Vermieters nach Beendigung der Mietvertrages - den Sachwert der von ihr eingebrachten Möbel bei weitem, sodass er nicht bereichert sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, der Beklagte habe durch die Annahme der gesamten Versicherungsleistung, diese zu seinem Nutzen verwendet und sei in dem Umfang bereichert, als die Versicherungsleistung Sachen betreffe, die nicht in seinem Eigentum standen. Der begehrte Betrag von S 140.000 entspreche dem Teil der Versicherungsleistung, deren Auszahlung nur deshalb erfolgt sei, weil auch die der Klägerin gehörenden Sachen mitversichert seien. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Versicherung bei der Festsetzung der Versicherungsleistung einen großzügigen Standpunkt eingenommen und auf den Nachweis der Wiederbeschaffung verzichtet habe. Es sei daher angemessen, dass die Klägerin einen Verwendungsanspruch von etwa einem Viertel der ausbezahlten Versicherungsleistung habe.

Das Berufungsgericht hob über Berufung des Beklagten das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Nach § 85 VersVG erstrecke sich die (Feuer-)Versicherung, die für einen Inbegriff von Sachen genommen wurde, auch auf die Sachen der zur Familie der Versicherungsnehmer gehörenden Personen, sofern diese Personen mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft leben. Die Versicherung gelte insoweit als für fremde Rechnung genommen. Zunächst bestimme § 76 Abs 1 VersVG, dass der Versicherungsnehmer über die Rechte, welche dem Versicherten aus dem Versicherungsvertrag zustehen, im eigenen Namen verfügen könne. Dabei habe der Versicherungsnehmer das formelle Verfügungsrecht über die sachlich dem Versicherten zustehende Forderung und es handle sich dabei um eine Art gesetzliches Treuhandverhältnis, wobei es in der Schadensversicherung gegen das Bereicherungsverbot verstieße, wenn der Versicherungsnehmer die Entschädigung behalten dürfte. Der Beklagte habe für die Ansprüche der Klägerin gegenüber dem Versicherer als Treuhänder fungiert, sodass er die Versicherungssumme, "die auf die" (gemeint: für die) im Eigentum der Klägerin gestanden und beim Brand zerstörten Fahrnisse, der Klägerin zu überlassen habe. Dabei gelte gemäß § 86 VersVG als Versicherungswert (dieser sei nach § 51 Abs 1 VersVG der Wert des versicherten Interesses) bei Haushaltsgegenständen und sonstigen Gebrauchsgegenständen derjenige Betrag, welcher erforderlich sei, um Sachen gleicher Art anzuschaffen, unter Berücksichtigung des aus dem Unterschied zwischen alt und neu sich ergebenden Minderwertes.

Das Ersturteil sei mangelhaft iSd § 496 Abs 1 Z 3 ZPO, weil Feststellungen darüber fehlten, was überhaupt versichert gewesen sei. Im fortgesetzten Verfahren müssten daher - auch im Hinblick auf das klägerische Vorbringen, die ausbezahlte Versicherungsleistung sei überhöht gewesen - Feststellungen darüber getroffen werden, welchen Versicherungswert die von beiden Streitteilen selbst oder im Zuge der festgestellten Ablöse durch den Beklagten gegenüber dem Vormieter eingebrachten Gegenstände, soweit sie dem Versicherungsvertrag unterlagen, gehabt hätten. Allenfalls werde zur jeweiligen Höhe im Rahmen der rechtlichen Beurteilung auf die Bestimmung des § 273 ZPO zurückzugreifen sein.

Erst dann könne beurteilt werden, ob die Versicherungsleistung der Höhe nach sachlich gerechtfertigt oder aufgrund der besonderen tragischen Umstände eine Kulanzlösung darstelle. Im letzteren Fall stelle sich die Frage, ob die Klägerin an einer großzügigen und kulant vorgenommenen Schadensliquidierung partizipiere, was zu bejahen sei. Es liege hier nämlich eine eigennützige Treuhand vor, weil auch der Beklagte bestrebt gewesen sei, seine eigenen Interessen entsprechend wahrzunehmen. Wenn er nun tatsächlich eine Versicherungsleistung erhalten habe, die höher gewesen sei, als dies sachlich gerechtfertigt wäre, verstieße es gegen Treu und Glauben, wenn die Klägerin an diesem Teil der Versicherungsleistung nicht partizipieren könne. Außerdem sei zu beachten, dass die Streitteile auch noch einige Zeit nach Abschluss des Versicherungsvertrages durch den Beklagten eine Lebensgemeinschaft geführt hätten, woraus ebenfalls abzuleiten sei, dass die Klägerin an eine "erhöhten" Versicherungsleistung teilhaben solle.

Es werde auch erforderlich sein, im fortgesetzten Verfahren konkrete Feststellungen über die Höhe der sogenannten Spendengelder und deren Aufteilung zwischen den Streitteilen zu treffen, weil der Beklagte eingewendet habe, dass er sämtliche Spendengelder der Klägerin überlassen hätte. Abschließend wies das Berufungsgericht noch darauf hin, dass die Feststellungen des Erstgerichtes auch dazu nicht ausreichten, um unter Heranziehung des § 273 ZPO den zuerkannten Anspruch nachvollziehbar zu begründen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO zulässig sei, weil - soweit überblickbar - zur Frage, inwiefern ein "Mitversicherter" an einer auf besonderen Umständen beruhenden höheren Versicherungsleistung als sachlich gerechtfertigt partizipiert oder nicht, eine oberstgerichtliche Judikatur fehle.

Nur gegen die Begründung dieses Beschlusses richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die Überbindung der Rechtsansicht, die Klägerin könne an einer "erhöhten" Versicherungsleistung partizipieren, ersatzlos behoben und ausgesprochen werde, dass der Klägerin diesbezüglich kein Ausgleich zustehe, in eventu, den angefochtenen Beschluss im Umfang der Anfechtung aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufzutragen.

Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig aber nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass eine Kulanzzahlung des Versicherers auch dann, wenn sie weder einen Vergleich noch ein Anerkenntnis zur Grundlage hat, kein "Geschenk" iSd § 938 ABGB ist. Wenn ein Versicherer auf Verlangen eine Zahlung leistet, so tut sie dies nämlich aus geschäftlichen Gründen und nicht aus Freigebigkeit (RIS-Justiz RS0038312 [T1]; ZVR 1999/124 mwN). Auch dann, wenn einen Versicherer aus irgendeinem Grund keine rechtliche Zahlungsverpflichtung trifft, stellt eine Kulanzzahlung einer Versicherungsgesellschaft stets eine Leistung aus einem bestimmten Versicherungsvertrag dar. Die Kulanzzahlung tritt, soweit sie reicht, an die Stelle der Versicherungssumme und hat dieselbe Bestimmung wie diese (stRsp; RIS-Justiz RS0038312; zuletzt: 7 Ob 157/98h). Mit der Zustimmung des Versicherers zur Leistung einer Kulanzzahlung erwächst dem Versicherungsnehmer auch ein Anspruch auf diese Leistung (ZVR 1999/124).

Bei Sachwertversicherungen, wie zB der Feuerversicherung, ist grundsätzlich das Eigentümerinteresse als versichert anzusehen (7 Ob 1048/94 mwN; RIS-Justiz RS0080528 [T1]; RS0080806). Dabei ist es dem Versicherer regelmäßig gleichgültig, wessen Interesse versichert sein soll, weshalb in einem derartigen Fall - soweit es sich wie hier um von der Klägerin in die Wohnung eingebrachte Fahrnisse handelt, die in ihrem Eigentum standen - die Versicherung als für fremde Rechnung (dh auch zu Gunsten der Klägerin) genommen anzusehen ist (RIS-Justiz RS0080806; Heiss/Lorenz VersVG² Rz 1 zu § 85).

Nach ständiger - auch in der Lehre gebilligter - Rechtsprechung ist bei der Versicherung für fremde Rechnung die Rechtsbeziehung zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherten im Hinblick auf die Verfügungsmacht des Versicherungsnehmers als eine Art gesetzliches Treuhandverhältnis anzusehen (SZ 67/88; SZ 67/213; RIS-Justiz RS0080862; RS0080863; RS0080792; Schauer, Das österreichische Versicherungsrecht³ 170; Heiss/Lorenz aaO Rz 6a zu § 75 VersVG; Prölss/Martin VVG26 897 Rn 10 zu § 179 dVVG; Hübsch in Honsell [Hrsg.] Berliner Kommentar 1295 § 77 VVG Rn 1), aus dem der Versicherte - wie der Oberste Gerichtshof erst jüngst ausgesprochen hat - grundsätzlich berechtigt ist, den von der Versicherung an den Versicherungsnehmer bezahlten Betrag "herauszuverlangen" (E v 12. 4. 2002, 9 ObA 178/02w). Davon sind aber - iSd eingangs wiedergegeben Grundsätze und entgegen der im Rekurs vertretenen Auffassung - auch Kulanzzahlungen betroffen (ZVR 1999/124). Im Innenverhältnis ist der Versicherungsnehmer bei der Fremdversicherung daher aufgrund des gesetzlichen Treuhandverhältnisses auch zur Herausgabe kulanzweise erlangter Versicherungsleistungen an den Versicherten verpflichtet (Prölss/Martin aaO mwN).

Die Rechtsansicht des Rekurswerbers, dass der Versicherungsnehmer nur hinsichtlich des Anspruches auf den Versicherungswert nach § 86 VersVG als Treuhänder fungiere, sodass ihn hinsichtlich des diesen Wert übersteigenden Betrages keine Treuepflichten gegenüber der Versicherten träfen, weil ein Treuhänder nicht verpflichtet sei, einen Vorteil herauszugeben, den er "bei Gelegenheit des Auftrages" erlangt und für dessen Erzielung er eigene Mittel (hier: die stets vom ihm bezahlten Versicherungsprämien) eingesetzt habe, widerspricht der oben dargelegten Grundsätzen.

Der im Rekurs zuletzt angesprochenen Frage des genauen Zeitpunktes der Beendigung der Lebensgemeinschaft zwischen der Klägerin und dem Beklagten kommt hingegen keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Abgesehen davon, dass im Rahmen der Haushaltsversicherung ohnehin die gesamten Wohnungseinrichtungen unabhängig von den Eigentumsverhältnissen der beiden Mieter (ohne Rücksicht darauf, ob sie der Klägerin oder dem Beklagten gehörten) auch feuerversichert waren, ist im Rechtsmittelverfahren ohnehin nicht strittig, dass die Klägerin einige ihn gehörige Gegenstände in die Wohnung eingebrachte, die mitversichert waren (Seite 5 der Berufungsentscheidung). Da der Versicherungsnehmer aber iSd dargestellten Grundsätze bei der Fremdversicherung verpflichtet ist, die erlangte, ihm nicht zustehende Versicherungsleistung an den Versicherten herauszugeben, ergibt sich der Anspruch der Klägerin auf die anteilige (Kulanz-)Zahlung des Versicherers (im Innenverhältnis zwischen den Streitteilen) bereits daraus, dass der Beklagte die gegenständliche Versicherungsleistung zum Teil auch für die im Eigentum der Klägerin stehenden, beim Brand vernichteten Fahrnisse erlangt hat: Wird - wie hier - neben dem fremden auch eigenes Interesse durch den Versicherer gedeckt, hat der Versicherungsnehmer nämlich den Bruchteil der Entschädigungssumme an den Versicherten herauszugeben, der demjenigen des Schadens des Versicherten am Gesamtschaden entspricht (Hübsch in Honsell [Hrsg.] Berliner Kommentar § 77 VVG Rn 6 mwN). Dementsprechend wird im fortzusetzenden Verfahren vom Erstgericht zu erheben sein, welche Gegenstände von der Klägerin in die versicherte Wohnung eingebracht worden sind, wie sich ihr Wert zu jenem vom Beklagten eingebrachten Gegenständen verhält um daraus errechnen zu können, welcher Anteil der Versicherungsleistung auf die von der Klägerin eingebrachten Gegenstände fällt. Allenfalls werden Absprachen im Zusammenhang über die den Streitteilen zugekommenen Spenden dahin zu überprüfen sein, ob damit der Anteil der Klägerin an der Versicherungsentschädigung abgegolten werden sollte.

Dem unberechtigten Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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