OGH 20Ds13/20x

OGH20Ds13/20x18.5.2021

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 18. Mai 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Rothner und Dr. Hofer als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Csencsits als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen ***** B***** S*****, ***** M*****, ***** W***** und ***** M***** S*****, Rechtsanwälte in *****, wegen des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung der Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Oberösterreich vom 24. August 2020, AZ D 35/19 (10 DV 10/20), TZ 39, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Schneider LL.M., des Kammeranwalts Mag. Kammler und der Disziplinarbeschuldigten mit Ausnahme des ***** M***** zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0200DS00013.20X.0518.000

 

Spruch:

 

Der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld wird nicht Folge gegeben.

In teilweiser Stattgebung der Berufung wegen Strafe werden die Geldbuße bei ***** B***** S***** mit 1.000 Euro, bei ***** M***** mit 3.000 Euro, bei ***** W***** mit 750 Euro und bei ***** M***** S***** mit 500 Euro bestimmt.

Den Disziplinarbeschuldigten fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 24. August 2020, AZ D 35/19 (10 DV 10/20), TZ 39, wurden die Beschuldigten ***** B***** S*****, ***** M*****, ***** W***** und ***** M***** S*****, Rechtsanwälte in *****, jeweils des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 2. Fall DSt schuldig erkannt, weil sie bei der Ausübung des Rechtsanwaltsberufes als Gesellschafter einer Rechtsanwaltsgesellschaft bürgerlichen Rechts in Werbeeinschaltungen in den Broschüren „Blickpunkt *****“ vom 10. Mai 2019 und der Sonderbeilage der OÖ Nachrichten „Anwälte und Notare in L***** und Umgebung“ vom April 2019 entgegen den Erfordernissen des § 28 Abs 2 RL‑BA 2015 und § 1b RAO ihre Vor- und Zunamen sowie die Berufsbezeichnung nicht anführten.

[2] Über die Beschuldigten wurden Geldbußen in Höhe von 3.000 Euro (***** B***** S*****), 3.500 Euro (***** M*****), 1.500 Euro (***** W*****) und 1.000 Euro (***** M***** S*****) verhängt.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die gemeinsam ausgeführte Berufung der Beschuldigten wegen Schuld und Strafe, in der sie auch die Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a, lit b sowie Z 11 StPO geltend machen (RIS‑Justiz RS0128656 [T1]). Der Kammeranwalt der OÖ Rechtsanwaltskammer beantragte in seiner dazu erstatteten Gegenausführung, den Berufungen nicht Folge zu geben.

[4] Das erstmals in der Berufungsverhandlung erstattete Vorbringen in Richtung § 281 Abs 1 Z 8 StPO war prozessual verspätet und somit unbeachtlich.

[5] Nach § 1a Abs 1 RAO kann die Rechtsanwaltschaft unter anderem durch eine Rechtsanwalts-Gesellschaft in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesbR) ausgeübt werden. Deren Gesellschafter sind, auch wenn die Gesellschaft keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, berechtigt, für ihren Außenauftritt eine gemeinsame Bezeichnung zu verwenden (§ 1177 Abs 1 ABGB). Das gilt auch für Rechtsanwälte, die sich in der Rechtsform der GesbR zusammengefunden haben, allerdings darf die (gemeinsame) Bezeichnung nach § 1b Abs 1 RAO nur die Namen eines oder mehrerer der folgenden Personen enthalten: eines Gesellschafters, der Rechtsanwalt iSd § 21c Z 1 lit a (RAO) ist, oder eines ehemaligen Rechtsanwalts, der auf die Rechtsanwaltschaft verzichtet hat, und im Zeitpunkt der Verzichtsleistung Gesellschafter war, oder dessen als Rechtsanwalts-Gesellschaft oder Einzelunternehmen geführte Kanzlei von der Gesellschaft fortgeführt wird. Dazu sind neben dem Sachbestandsteil, der auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft hinweist, noch weitere Zusätze zulässig, diese dürfen allerdings nicht irreführend sein und auch nicht den Eindruck einer fachlichen oder örtlichen Alleinstellung bewirken.

[6] Es entspricht der allgemeinen Standesauffassung, dass das anwaltliche Sondergesellschaftsrecht sowie die damit in Zusammenhang stehenden firmenrechtlichen Sonderbestimmungen erforderlich sind, um die Grundprinzipien der Rechtsanwaltschaft zu sichern (Murko, AnwBl 2020/165). Auch nach der ständigen Rechtsprechung (OGH 4 Ob 189/98t; VfSlg 18.062/2007; 18.921/2009) ist der mit diesen Sonderregeln verbundene Eingriff in die Erwerbs- und Informationsfreiheit des Rechtsanwalts durch das öffentliche Interesse an der Wahrung des Ansehens des Anwaltsstandes gerechtfertigt. Dies überdies vor dem Hintergrund, dass dem Normsetzer bei der Regelung der Berufsausübung ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen steht als bei Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf (also den Erwerbsantritt) beschränken. Durch solche die Ausübung einer Erwerbstätigkeit regelnden Vorschriften ist der Eingriff in die verfassungsgesetzlich geschützte Rechtssphäre nämlich weniger gravierend als durch Vorschriften, die den Zugang zum Beruf überhaupt behindern (zusammenfassend: VfSlg 13.704/1994; weiters VfSlg 16.024/2000 und 16.734/2002). Bei der Ausübung des Rechtsanwaltsberufes kommt es dieser Rechtsprechung zufolge namentlich – neben dem Verbot marktschreierischen Auftretens – entscheidend darauf an, gegenüber der Öffentlichkeit klar zu machen, wer zur Ausübung der Rechtsanwaltstätigkeit konkret befähigt ist.

[7] Nach § 1177 Abs 2 ABGB hat, wer in Angelegenheiten der Gesellschaft (und damit für alle Gesellschafter) nach außen auftritt, die Identität und die Anschrift der Gesellschafter jedem offenzulegen, der ein rechtliches Interesse daran hat. Dieses Erfordernis ergibt sich zum einen daraus, dass die GesbR selbst nicht rechtsfähig ist, weshalb die Gesellschafter als die Rechtsträger der gesellschaftsbezogenen Rechte und Pflichten fungieren. Zum anderen werden die Gesellschafter bei der GesbR naturgemäß nicht in das Firmenbuch eingetragen, sodass sich der Geschäftsverkehr daraus keine Informationen besorgen kann. Die in dieser Bestimmung normierte Pflicht soll damit für die Offenlegung der Rechtsträger, die sich hinter dem gemeinsamen Gesellschaftsnamen verbergen, sorgen und damit die fehlende Firmenbuchpublizität substituieren (Rauter in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1174 Rz 3 mwN). Für Rechtsanwaltsgesellschaften bürgerlichen Rechts ordnet § 28 Abs 2 RL‑BA 2015 darüber hinaus – aber durchaus vor diesem Hintergrund – generell für jeden Außenauftritt der Gesellschaft an, die Vor- und Zunamen und die Berufsbezeichnung eines jeden Rechtsanwalts anzuführen.

[8] Bei allen Außenauftritten einer Rechtsanwalts-Gesellschaft in Form der GesbR ist daher – unabhängig davon, ob die Gesellschaft auch eine gemeinsame Bezeichnung oder Kurzbezeichnung (§ 28 Abs 5 RL‑BA 2015) führt – verpflichtend der Vor- und Zuname sowie die Berufsbezeichnung eines jeden Rechtsanwalts anzugeben (Engelhart in Engelhart et al, RAO10 § 28 RL‑BA 2015 Rz 3, 14; in diesem Sinn auch bereits 4 Ob 189/98t). Dass § 28 Abs 2 RL‑BA 2015, bei der Verwendung einer gemeinsamen Bezeichnung oder einer Kurzbezeichnung die Angabe der Vor- und Zunamen eines jeden einzelnen Gesellschafters verlangt, erklärt sich – wie allgemein zur GesbR vertreten (s o) – einerseits daraus, dass bei Rechtsanwalts-Gesellschaften in der Rechtsform einer GesbR mangels deren Rechtspersönlichkeit der einzelne Rechtsanwalt der Träger der Rechte und Pflichten bleibt, und andererseits daraus, dass die Gesellschafter nicht – wie bei Rechtsanwalts-Gesellschaften, die im Firmenbuch eingetragen sind – aus einem öffentlichen Register ersichtlich sind.

[9] Die beiden Werbeeinschaltungen verstießen also gegen § 28 Abs 2 RL‑BA 2015, weil sie – entgegen den Vorgaben – diese Angaben eben nicht enthielten. Entgegen der rabulistisch anmutenden Rechtsansicht der Beschuldigten (Z 9 lit a) handelt es sich bei den (entgeltlichen) Werbeinseraten um einen Außenauftritt ihrer Gesellschaft iSd § 28 Abs 2 Satz 3 RL‑BA 2015. Darunter ist nämlich jedes erdenkliche Kommunikationsmittel zu verstehen, mit dem eine Rechtsanwaltskanzlei nach außen in Erscheinung tritt (vgl die von der Vertreterversammlung des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags zu den Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes [RL‑BA 2015], für §§ 28 bis 31 [S 9] genannten und mit dem Verweis „uä“ – also nicht taxativ – verwendeten Beispiele), demnach auch das Werbemittel des Inserats (Engelhart in Engelhart et al, RAO10 § 28 RL‑BA 2015 Rz 4 und 8, § 47 RL‑BA 2015 Rz 11); auch in 20 Os 8/15z war bereits im Zusammenhang mit einer Werbeeinschaltung der Gesellschaft von einem „Außenauftritt“ die Rede.

[10] Ebenso fehl geht der Einwand der Beschuldigten (deren Anregung auf Verordnungsprüfung die seit 2015 geltende Rechtslage außer Acht lässt – RIS‑Justiz RS0130514), § 28 Abs 2 RL‑BA 2015 entbehre der gesetzlichen Grundlage und verstoße in diesem Zusammenhang weiters gegen das Bestimmtheitsgebot des Art 18 B‑VG. Die genannte Bestimmung, die nur der GesbR die Angabe aller Gesellschafter vorschreibt, wäre darüber hinaus als gleichheitswidrig aufzuheben (Art 89 B‑VG iVm Art 139 B‑VG).

[11] Tatsächlich sind nach der ständigen Rechtsprechung zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbstätigkeit gesetzliche, die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkende Regelungen (aufgrund des diesem Grundrecht angefügten Gesetzesvorbehalts) nur dann zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind (VfSlg 16.120/2001, 16.734/2002 und 17.392/2006 ua). Für Verordnungen, die auf Grundlage eines im Schutzbereich des Grundrechts erlassenen Gesetzes ergangen sind, gilt sinngemäß dasselbe. Sie sind gesetzlos, wenn sie bei verfassungskonformer, die Schranken der Erwerbsausübungsfreiheit wahrender Auslegung in der Verordnungsermächtigung keine gesetzliche Deckung finden (VfSlg 19.033/2010; 19.624/2012). Wie schon oben gesagt, steht einem Verordnungsgeber allerdings bei der Regelung der Berufsausübung ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen als bei Regelungen, die den Zugang zum Beruf beschränken (zuletzt etwa im Zusammenhang mit den Richtlinien der Rechtsanwaltschaft: V99/2015).

[12] Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind die vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag erlassenen Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes grundsätzlich durch die Verordnungsermächtigung des § 37 Abs 1 RAO und insbesondere (aber nicht nur: VfSlg 16.324/2001) den II. Abschnitt der Rechtsanwaltsordnung sowie durch § 1 Abs 1 DSt 1990 hinreichend determiniert (VfSlg 16.265/2001; 19.296/2011; V99/2015). Angesichts dessen besitzt § 28 Abs 2 RL‑BA 2015 jedenfalls eine ausreichende gesetzliche Grundlage, seine Auslegung ist mit Blick auf die bereits vorhandene Rechtsprechung zur im wesentlich identen Vorgängerbestimmung des § 9 Abs 3 RL‑BA 1977 ausreichend determiniert (zur Bedeutung der Rechtsprechung zu § 1 DSt, was die Auslegung von Verordnungsbestimmungen betrifft, siehe VfSlg 19.296/2011; 16.482/2002). Auch gibt es, wie die Neuregelung des § 1177 ABGB durch die GesbR‑Reform (BGBl I 83/2014) zeigt, ausreichende Gründe, die eine unterschiedliche Behandlung von im Firmenbuch eingetragenen Personengesellschaften und der GesbR nahelegen. Letztlich kann allerdings die Frage, ob es nicht bestimmte Außenauftritte gibt, die es rechtfertigen könnten, sich mit dem Namen eines Gesellschafters und dem Rechtsformzusatz GesbR zu begnügen (vgl VfSlg 16.324/2001), deshalb dahingestellt bleiben, weil www.*****.at nicht einmal die Erfordernisse des § 1b RAO erfüllt, sodass gegenständlich die Anwendung des § 28 Abs 2 RL‑BA 2015 nicht präjudiziell wäre (zur Notwendigkeit der, wenn auch „großzügig“ auszulegenden Präjudizialität [VfSlg 15.199/1998; 16.073/2001 ua]).

[13] Auch der gegen den Disziplinarrat gerichtete Vorwurf, verkannt zu haben, dass – wie im konkreten Fall – bei Werbeeinschaltungen § 47 RL‑BA 2015 als speziellere Regelung den § 28 RL‑BA 2015 verdrängt, ist nicht berechtigt. Während nämlich § 28 RL‑BA 2015 normiert, welche verpflichtenden Angaben bei jedem Außenauftritt eines Rechtsanwalts bzw einer Rechtsanwalts-Gesellschaft zu machen sind, bestimmt § 47 RL‑BA 2015 im Sinne des Wahrheits- und Sachlichkeitsgebots die sonstigen Grenzen von Werbeauftritten (Engelhart in Engelhart et al, RAO10 § 47 RL‑BA 2015 Rz 11). Die beiden Bestimmungen haben danach einen unterschiedlichen Regelungsgehalt, sodass sie nicht in einem Spezialitätsverhältnis stehen.

[14] Funktion des § 1 DSt ist die (disziplinar-)rechtliche Absicherung des in § 10 Abs 2 RAO angeordneten Gebots, wonach der Rechtsanwalt verpflichtet ist, durch Redlichkeit und Ehrenhaftigkeit in seinem Benehmen die Ehre und die Würde des Standes zu wahren (noch näher konkretisierend: § 1 RL‑BA 2015). Jedes schuldhafte Verhalten, das geeignet ist, das Ansehen zu gefährden, das der Stand und seine Mitglieder genießen, beeinträchtigt somit Ehre und Ansehen des Standes. Eines Nachweises, dass tatsächlich eine Verschlechterung des Ansehens eingetreten ist, bedarf es nicht, weil bereits die Eignung zur Gefährdung ausreicht (Lehner in Engelhart et al RAO10 § 1 DSt Rz 10 f [12]). Einer der Maßstäbe ist die strikte Beachtung gesetzlicher Gebote und Verbote (im materiellen Sinn) durch den einzelnen Rechtsanwalt. Der (bewusste) Verstoß – wie hier – gegen die in der Rechtsanwaltsordnung (§ 1b RAO) kodifizierten Verhaltensregeln (§ 28 Abs 2 RL‑BA 2015) beim Außenauftritt ist vor diesem Hintergrund jedenfalls geeignet, das Ansehen des Rechtsanwaltsberufes zu gefährden: Schon aufgrund des Zwecks, den Werbeeinschaltungen haben, gelangen sie regelmäßig einem größeren (berufsfremden) Personenkreis zur Kenntnis, sodass die Gefahr der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes auf der Hand liegt.

[15] § 3 DSt, dessen Nichtanwendung die Beschuldigten rügen (Z 9 lit b), setzt voraus, dass bei einem tatsächlich vorliegenden Verstoß gegen die standesrechtlichen Vorschriften das Verschulden im Vergleich zu typischen Fällen der Deliktsverwirklichung nur gering ist; es muss also erheblich hinter jener typischer Fälle solcher Verstöße zurückbleiben (RIS‑Justiz RS0101393; Lehner in Engelhart et al, RAO10 § 3 DSt Rz 1 ff). www.*****.at diente in den Werbeinseraten Identifikationszwecken und erfüllte damit Namensfunktion für die Rechtsanwalts-Gesellschaft der Beschuldigten (vgl bereits 20 Os 2/14s); es sollte ja geradezu Klienten auf die Gesellschaft hinführen. Das war für die Beschuldigten ebenso offensichtlich wie die Nichtbeachtung der – entgegen der Berufung – klaren und eindeutigen Vorgaben des § 28 Abs 2 RL‑BA 2015. Der Einwand, auch andere Rechtsanwalts-Gesellschaften würden bei Werbeauftritten ihrerseits gegen die Richtlinien verstoßen, führt nicht zum Erfolg: Abgesehen davon, dass die Verletzung gesetzlicher Vorgaben – und in concreto von Standesregeln – durch andere weder einen Schuldausschließungs-, geschweige denn einen Rechtfertigungsgrund darstellen kann (vgl etwa VfSlg 11.512/1987), sind die Beispiele der Berufungswerber auch nicht vergleichbar. Bei diesen entsprach der Firmenkern nämlich durchgehend den gesetzlichen Vorgaben, wenn auch– unzulässig – der Rechtsformzusatz „GmbH“ gefehlt hat. Mit der (alleinigen) Verwendung von www.*****.at für ihre Rechtsanwalts-Gesellschaft fehlte aber überhaupt alles, was eine gesetzeskonforme Bezeichnung hätte darstellen können. In Ansehung des Beschuldigten ***** M***** war zusätzlich darauf Bedacht zu nehmen, dass er im Zusammenhang mit der Verletzung dieser standesrechtlichen Vorschriften bereits zwei Mal – und damit wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden disziplinären Verfehlungen – verurteilt worden ist.

[16] Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 3. Fall) liegt kein unvertretbarer Verstoß gegen die Bestimmungen über die Strafbemessung vor. Die Sicherstellung einer angemessenen Strafe, sohin die Relevierung der Gewichtung von Strafzumessungsgründen ist nur Gegenstand der Strafberufung (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 6; Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 § 281 Rz 98). Die Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO kann – der Berufung zuwider – auch nur aus einem Vergleich der im Urteil festgestellten Strafzumessungstatsachen und sonstigen für die Strafbemessung herangezogenen Kriterien mit dem Gesetz gewonnen, nicht aber durch einen Vergleich mit einem (ähnlich gelagerten) eines anderen Urteils zur Darstellung gebracht werden, sodass die diesbezüglichen Vergleiche der Beschuldigten versagen (RIS‑Justiz RS0099929).

[17] Dem abschließenden Einwand zuwider (der Sache nach Z 11 2. Fall) war zum Zeitpunkt der Fällung des Erkenntnisses (am 24. August 2020) die Vor-Verurteilung des Beschuldigten ***** B. S***** mit Erkenntnisdes Disziplinarrats der OÖ Rechtsanwaltskammer vom 28. Februar 2013, AZ D 60/10 (rechtskräftig seit 11. November 2014 [20 Os 2/14s]), aufgrund des Beginns der fünfjährigen Frist des § 74 Z 2 DSt am 28. Oktober 2015 (vgl TZ 27) (noch) nicht getilgt. Der Umstand zwischenzeitiger Tilgung ist im Rahmen der Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe zu berücksichtigen (vgl RIS‑Justiz RS0106650 [T1]; Kert, WK‑StPO TilgG § 1 Rz 34).

[18] Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld weckt keine (erheblichen) Bedenken an den Feststellungen des Disziplinarrats. Die Frage, ob die Inserate der Beschuldigten als Außenauftritte unter § 28 Abs 2 letzter Satz RL‑BA 2015 zu subsumieren waren, betrifft nicht die Sachverhaltsannahmen, sondern ist ausschließlich eine Frage der rechtlichen Beurteilung.

[19] In Übereinstimmung mit dem Croquis, aber entgegen der dazu erstatteten Äußerung der Beschuldigten war der bisher erörterten Berufung der Erfolg zu versagen.

Nach § 16 Abs 6 DSt ist bei der Verhängung der Strafe auf die Größe des Verschuldens der Beschuldigten, aber auch auf die daraus entstandenen Nachteile vor allem für die rechtssuchende Bevölkerung, im Rahmen der Bemessung der Geldbuße, auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse Bedacht zu nehmen (Lehner in Engelhart et al, RAO10 § 16 Rz 17 mwN; 27 Ds 1/17d; 20 Os 16/16b). Aus den ebenfalls anzuwendenden Bestimmungen der §§ 32 ff StGB wiederum gilt es zu berücksichtigen, ob die Tat auf einer gegenüber den rechtlich geschützten Werten ablehnenden oder gleichgültigen Einstellung des Täters beruht oder ob sie auf äußere Umstände und Beweggründe zurückzuführen ist, durch die auch ein mit den rechtlichen geschützten Werten verbundener Mensch straffällig werden könnte (Ebner in WK‑StGB § 32 Rz 7 ff).

[20] Der Außenauftritt unter www.*****.at als Kennzeichen für die gemeinsame Gesellschaft gegenüber Dritten war – ebenso wie in der Vergangenheit – bewusst gewählt und zeigt eine unverständliche Resistenz gegenüber früheren Judikaten.

Allerdings stellt der Umstand, dass (aus damaliger Sicht des Disziplinarrats) sowohl ***** M***** als auch ***** B***** S***** nicht unbescholten waren, schon per se keinen Erschwerungsgrund dar (RIS‑Justiz RS0091561). Neben der inzwischen eingetretenen Unbescholtenheit des ***** B***** S***** (RIS‑Justiz RS0106650) waren die Unerfahrenheit des ***** M***** S***** und dessen Unbescholtenheit sowie die des ***** W*****, weiters deren geringerer Einfluss auf den Außenauftritt zusätzlich als mildernd zu berücksichtigen. Entgegen der Berufung kann angesichts der einzelnen Verfahrensschritte im Gegenstand nicht von einer überlangen Verfahrensdauer (§ 34 Abs 2 StGB) gesprochen werden, genausowenig vom längeren Zurückliegen der Taten. ***** M***** muss sich erschwerend vorhalten lassen, dass er kanzleiintern primär für den Außenauftritt zuständig ist (ES 4) und zwei auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende (noch nicht getilgte – vgl § 75 DSt) disziplinäre Vorverurteilungen (Erkenntnisse des Disziplinarrats der OÖ Rechtsanwaltskammer vom 28. Februar 2013, AZ D 60/10 [20 Os 2/14s], und vom 16. Dezember 2013, AZ D 35/13 [20 Os 8/15z]) aufweist (vgl TZ 27; ES 3, 9), ohne dass dem Milderungsgründe entgegen stehen. Die Tatsache, dass kein erkennbarer Schaden eingetreten ist, stellt bei einem Disziplinarvergehen, für das es auf den Eintritt eines Schadens nicht ankommt, keinen Milderungsgrund dar (RIS‑Justiz RS0091022).

[21] Aus Sicht des Senats ist für die Strafhöhe aber dennoch ausschlaggebend, dass sich ein möglicher Ansehensverlust des Standes die inkriminierte Verletzung der Standesrichtlinie für die rechtssuchende Bevölkerung in Grenzen hielt. Der damit doch deutlich reduzierte Unrechtsgehalt der Tat an sich (wenn auch nicht der persönlichen Schuld) rechtfertigt unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes in der Öffentlichkeit eine Reduzierung der Geldbußen.

[22] Demgegenüber hat der Disziplinarrat im Ergebnis zu Recht das Vorliegen eines Verstoßes verneint, dessen Gewicht im Vergleich zu den Durchschnittsfällen der Deliktsverwirklichung deutlich abgefallen wäre. Der schriftliche Verweis, wie ihn die Beschuldigten in ihrer Strafberufung begehren, soll lediglich bei ganz geringen disziplinären Vergehen verhängt werden (RIS‑Justiz RS0075487 [T1], RS0115711 [T1], 25 Os 4/14x).

[23] Die nunmehr abgestuft zugemessenen Geldbußen spiegeln die jeweiligen Tatschuldgehalte wider und berücksichtigen die Sorgepflichten von ***** W***** (zwei) und von ***** M***** S***** (vier).

[24] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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