OGH 20Os8/15z

OGH20Os8/15z6.10.2015

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 6. Oktober 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellinger als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Mörth und Dr. Rothner als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Weißnar als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen Mag. ***** und andere Rechtsanwälte in ***** wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes über die den Disziplinarbeschuldigten Mag. ***** betreffende Berufung des Kammeranwalts der OÖ Rechtsanwaltskammer gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der OÖ Rechtsanwaltskammer vom 16. Dezember 2013, AZ D 35/13 (Dv 29/13), TZ 27, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Knibbe, des Kammeranwalts der OÖ Rechtsanwaltskammer Mag. Lughofer LL.M und des Disziplinarbeschuldigten Mag. ***** zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0200OS00008.15Z.1006.000

 

Spruch:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Erkenntnis, das hinsichtlich der Freisprüche der Disziplinarbeschuldigten Dr. ***** und Mag. ***** unberührt bleibt, aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Mag. ***** ist schuldig, er hat im April 2013 bei Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (mit weiteren Rechtsanwälten) in einer Einladung des Ö***** zur Maibaumfeier ***** für den 1. Mai 2013 entgegen der Bestimmungen des § 1b RAO und des § 9 RL‑BA die Kurzbezeichnung „die ***** Rechtsanwälte“ geführt und dadurch die Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten sowie der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes begangen.

Über ihn wird die Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises verhängt.

Ihm fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen, im Übrigen die unbekämpft gebliebenen Freisprüche der Disziplinarbeschuldigten Dr. ***** und Mag. ***** enthaltenden, Erkenntnis wurde der Disziplinarbeschuldigte Mag. ***** gemäß § 3 DSt von dem gegen ihn erhobenen Vorwurf, er habe (dadurch Berufspflichten verletzt sowie Ehre und Ansehen des Standes beeinträchtigt, dass er) im April 2013 bei Ausübung des Rechtsanwaltsberufs als Mitglied einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts die unzulässige Kurzbezeichnung „die ***** Rechtsanwälte“ insbesondere in einer Einladung des Ö***** zur Maibaumfeier ***** für den 1. Mai 2013 führte und dadurch gegen die Bestimmungen des § 1b RAO und des § 9 RL‑BA verstoßen, freigesprochen.

Dies bekämpft der Kammeranwalt der OÖ Rechtsanwaltskammer mit einer Berufung, in der er die Verhängung einer Disziplinarstrafe begehrt.

Rechtliche Beurteilung

Dem angefochtenen Erkenntnis ist mit hinreichender Deutlichkeit (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19) ‑ und vom Disziplinarbeschuldigten unbeanstandet (RIS‑Justiz RS0114638; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 415, § 285 Rz 14) ‑ zu entnehmen, dass es Rechtsanwalt Mag. ***** als für den „Außenauftritt“ der Anwaltsgesellschaft Zuständiger fahrlässig unterließ, den Inhalt eines ihm angetragenen Inserats für die Societät auf die Vereinbarkeit mit einschlägigen Vorschriften zu überprüfen.

Die Berufung (dSn § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) macht zutreffend geltend, dass der Disziplinarrat die Voraussetzungen für die Anwendung des § 3 DSt zu Unrecht angenommen hat.

Danach ist ein Disziplinarvergehen dann nicht zu verfolgen, wenn das Verschulden des Rechtsanwalts geringfügig ist und sein Verhalten keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat. Die Strafwürdigkeit fehlt nur dann, wenn alle Voraussetzungen kumulativ vorliegen. Zu einer Verfahrenseinstellung nach § 3 DSt genügt es daher nicht, dass den Täter bloß kein schweres Verschulden trifft, vielmehr muss eine Sorgfaltsverletzung vorliegen, deren Gewicht im Vergleich zu den Durchschnittsfällen der Deliktsverwirklichung deutlich abfällt (Feil/Wennig, Anwaltsrecht8 883 mwN).

Der Disziplinarrat hat das Vorliegen eines nur geringfügigen Verschuldens des Disziplinarbeschuldigten darauf gestützt, diesem könne als einziges angelastet werden, dass er nach Auftragserteilung und Verlangen nach einem Bürstenabzug dessen Übersendung nicht mehr nachverfolgt habe (ES 7). Dabei wurde allerdings übersehen, dass es sich dabei nicht um das erste Inserat mit der inkriminierten Kurzbezeichnung „die ***** Rechtsanwälte“ handelte, von dem der Disziplinarbeschuldigte Kenntnis hatte. Schon im Jahre 1997/1998 war nämlich ein derartiges Inserat mit der Kurzbezeichnung „die ***** Rechtsanwälte“ erschienen (ES 4). Überdies hätte er durch die in Folge dargestellte (wenngleich bloß erstinstanzliche) Verurteilung sensibilisiert werden müssen.

Ausgehend davon ist das Verschulden des Disziplinarbeschuldigten (zur Rechtsfrage ausführlich 20 Os 2/14s) nicht ‑ wie von § 3 DSt gefordert ‑ als bloß geringfügig zu beurteilen. Der Berufung des Kammeranwaltes war daher Folge zu geben.

Der Disziplinarbeschuldigte war bereits zu AZ D 60/10 (DV 21/11) am 28. Februar 2013 schuldig erkannt worden, Berufspflichten verletzt und gegen Ehre und Ansehen des Standes dadurch verstoßen zu haben, dass er bei der Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Kurzbezeichnung „***** Rechtsanwälte“ verwendete (bestätigt mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 11. November 2014, AZ 20 Os 2/14s). Da der Deliktszeitraum gegenständlich nach der Entscheidung 1. Instanz im Vorverfahren liegt, sind die §§ 31, 40 StGB nicht anzuwenden und für die nun vorgeworfene Handlung eine gesonderte Strafe auszusprechen (vgl RIS‑Justiz RS0090964).

Nach § 34 Abs 2 StGB stellt es einen Milderungsgrund dar, wenn das gegen den Täter geführte Verfahren aus einem nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lang gedauert hat.

Die Zustellung des Erkenntnisses erster Instanz vom 16. Dezember 2013 ist erst am 12. September 2014 erfolgt, die Berufung vom 16. Oktober 2014 wurde erst Anfang Februar 2015 vorgelegt. Die sohin insgesamt unverhältnismäßig lange Dauer des Disziplinarverfahrens bewirkte einen Grundrechtsverstoß (RIS‑Justiz RS0120138), was im konkreten Fall dazu führt, dass anstelle einer an sich angemessenen Geldbuße (die Anwendung des § 39 DSt scheiterte aus spezialpräventiven Gründen) ein Verweis zu verhängen war (13 Bkd 4/13; 25 Os 6/14s; 20 Os 5/15h; 20 Os 6/15f).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 54 Abs 5 DSt.

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