OGH 20Os6/15f

OGH20Os6/15f14.4.2015

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 14. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellinger als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Mörth und Dr. Rothner als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Moelle als Schriftführer/in in der Disziplinarsache gegen Dr. *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufungen des Disziplinarbeschuldigten und des Kammeranwalts der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 24. März 2014, AZ D 10/13 (DV 28/13, TZ 24), nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer und des Kammeranwalts Mag. Lughofer LL.M. zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0200OS00006.15F.0414.000

 

Spruch:

Der Berufung des Disziplinarbeschuldigten wird Folge gegeben, das angefochtene Erkenntnis, das in seinem Punkt 1. unberührt bleibt, im Schuldspruch 2. und demnach im Strafausspruch aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Der Disziplinarbeschuldigte Dr. ***** wird von dem wider ihn erhobenen Vorwurf, entgegen der im Tauschvertrag vom 12. Dezember 2011 in Punkt VI. getroffenen Vereinbarung, dass „auf jeden der Vertragsteile ¼ der angefallenen Kosten und Gebühren entfällt“, seine Honorarforderung nicht anteilig gegenüber allen vier Vertragsparteien angesprochen, sondern nur gegenüber Editha R***** und Mag. Ingrid E***** verrechnet und dann den auf die Ehegatten L***** entfallenden Teil der Vertragserrichtungskosten gegen Editha R***** und Mag. Ingrid E***** eingeklagt zu haben,

freigesprochen.

Aufgrund des Schuldspruchs 1. wird über den Disziplinarbeschuldigten eine Geldbuße von 2.500 Euro verhängt.

Mit ihren Berufungen wegen Strafe werden der Disziplinarbeschuldigte und der Kammeranwalt auf die Strafneubemessung verwiesen.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Disziplinarbeschuldigte Rechtsanwalt Dr. ***** (richtig:) der Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 DStG und § 10 Abs 2 RAO schuldig erkannt.

Danach hat er

1./ im Zuge der Errichtung eines Tauschvertrags hinsichtlich zweier Grundstücke im Ausmaß von 116 m² bzw 113 m², weiters für das Verfassen einer Freilassungserklärung sowie einer Vertragsvereinbarung hinsichtlich einer Abbruchverpflichtung anstelle des angemessenen Honorars von 1.328,72 Euro seinen Mandantinnen 11.072,22 Euro in Rechnung gestellt und dadurch maßlos überhöht abgerechnet;

2./ entgegen der im Tauschvertrag vom 12. Dezember 2011 im Punkt VI. getroffenen Vereinbarung, wonach „auf jeden der Vertragsteile ¼ der angefallenen Kosten und Gebühren entfällt“, seine (überhöhte) Honorarforderung nicht anteilig gegenüber allen vier Vertragsparteien angesprochen, sondern nur gegenüber Editha R***** und Mag. Ingrid E***** verrechnet und dann den auf die Ehegatten L***** entfallenden Teil der Vertragserrichtungskosten gegen Editha R***** und Mag. Ingrid E***** eingeklagt.

Der Disziplinarbeschuldigte wurde hiefür gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer Geldbuße von 1.500 Euro verurteilt.

Gegen den Schuldspruch 2./ richtet sich die wegen „unrichtiger Feststellungen“, „Widersprüchlichkeit“ (Z 5 dritter Fall) und „unrichtiger rechtlicher Beurteilung“ (Z 9 lit a) erhobene Berufung des Disziplinarbeschuldigten (der auf eine Teilnahme am Gerichtstag vor dem Obersten Gerichtshof ausdrücklich verzichtete); die verhängte Sanktion wird sowohl vom Disziplinarbeschuldigten als auch vom Kammeranwalt jeweils mit Strafberufung angefochten.

Der Disziplinarbeschuldigte sieht eine Widersprüchlichkeit (Z 5 dritter Fall) der Begründung darin, dass der Disziplinarrat auf S 4 seines Erkenntnisses feststellt, er wäre von Editha R***** und Mag. Ingrid E***** mit Erstellung des Tauschvertrags beauftragt worden, während er andererseits auf S 7 unterstellt, auch die Ehegatten L***** seien Auftraggeber gewesen. Damit zeigt der Disziplinarbeschuldigte aber keine im Widerspruch zueinander stehenden Feststellungen über entscheidende Tatsachen auf. Dass die ursprünglichen Auftraggeber nur eine Vertragsseite repräsentieren, sagt noch nichts darüber aus, dass ihn letztlich beide Vertragsparteien beauftragten. Eine solche beiderseitige Beauftragung folgt nämlich unzweideutig aus Punkt VIII. des Vertrags (ES 5), wonach die Vertragsteile den Disziplinarbeschuldigten sowohl mit der Errichtung des Kontrakts als auch mit dessen grundbücherlicher Durchführung betrauten.

Die Rechtsrüge des Disziplinarbeschuldigten (Z 9 lit a) ist berechtigt.

Nach § 891 ABGB haftet jede einzelne Person für das Ganze, wenn mehrere Personen ein und dasselbe Ganze zur ungeteilten Hand dergestalt versprechen, dass sich einer für alle und alle für einen ausdrücklich verpflichten. Entgegen der vom Gesetz im Zweifel angeordneten Anteilshaftung nimmt allerdings die Rechtsprechung eine Solidarverpflichtung auch ohne besondere Vereinbarung oder gesetzliche Anordnung immer dann an, wenn dies der Parteiabsicht oder der Verkehrssitte entspricht oder in der Natur des Geschäfts begründet ist (Gamerith in Rummel³ § 891 Rz 4). Auch hinsichtlich der Anwaltskosten entspricht es der herrschenden Meinung, dass von einer Solidarverpflichtung der beauftragten Parteien immer dann auszugehen ist, wenn sie nicht ausdrücklich oder durch konkludente Handlungen ausgeschlossen wurde (RIS‑Justiz RS0017356; Gamerith in Rummel³ § 891 Rz 7; Kodek in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.01 § 891 Rz 8 mwN in FN 21 zur Beauftragung eines Rechtsanwalts).

Tatsächlich lässt sich ein derartiger Ausschluss der solidarischen Haftung der Auftraggeber entweder durch ausdrückliche Vereinbarung mit dem Disziplinarbeschuldigten oder durch konkludente Handlungen aus den Feststellungen des Disziplinarrats nicht ableiten. Da alle Vertragspartner als Auftraggeber des Disziplinarbeschuldigten angesehen werden müssen, haften sie grundsätzlich solidarisch für das Honorar des Beauftragten. In diesem Sinne wurde in Punkt VI. des Tauschvertrags (ES 4) vereinbart, dass die Vertragsteile „sämtliche Kosten und Gebühren, welche mit der Errichtung und grundbücherlichen Durchführung dieses Vertrages anfallen, gemeinsam tragen“. Ein gegenteiliger Konsens kann aus der in diesen Vertragspunkt weiters aufgenommenen Bestimmung, dass „auf jeden Vertragsteil ¼ der anfallenden Kosten und Gebühren entfällt“, im Sinne der Rechtsprechung nicht gesehen werden, weil diese Vereinbarung nur das Innenverhältnis zwischen den Vertragspartnern, nicht aber gegenüber dem Disziplinarbeschuldigten betrifft (vgl AnwBl 1970/31, 196; MietSlg 33.118; WoBl 1995/39, 90; 10 Ob 1619/95 ua; RIS‑Justiz RS0017356; RS0024113; auch RS0017332; jüngst 9 Ob 14/11s). Damit bestand eine Solidarhaftung der Auftraggeber gegenüber dem Disziplinarbeschuldigten und stand es diesem frei, welchen der Auftraggeber er zur Zahlung seines Honorars in Anspruch nimmt (Kodek in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.01 § 891 Rz 17; RIS‑Justiz RS0017435).

Mangels eines Fehlverhaltens war daher (ohne weiter auf die Berufung des Disziplinarbeschuldigten eingehen zu müssen) im Umfang des Schuldspruchs 2. ‑ und somit im Strafausspruch ‑ mit Aufhebung vorzugehen, in der Sache selbst auf einen (Teil‑)Freispruch zu erkennen und die Strafe für den Schuldspruch 1. neu zu bemessen.

Dabei war mildernd die bisherige disziplinäre Unbescholtenheit, erschwerend die Überschreitung des angemessenen Anwaltshonorars um ein Vielfaches (nämlich mehr als das 8‑fache ‑ ES 6 [vgl RIS‑Justiz RS0055112]).

Der Meinung des Disziplinarbeschuldigten zuwider stellt sein Geständnis des Inhalts, er habe „aufgrund der Ausführungen der Kammer davon auszugehen, dass er [zu 1./] falsch abgerechnet hat“ (ES 8), keinen Milderungsgrund her (RIS‑Justiz RS0091585). Im bloßen Zugestehen bereits objektivierter Umstände ist auch kein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung im Sinn des § 34 Abs 1 Z 17 StGB zu erblicken (vgl RIS‑Justiz RS0091512).

Die Behauptung des Disziplinarbeschuldigten, dass das ihm angelastete Verhalten „im Endeffekt keinen Schaden herbeigeführt hat“, geht an der Tatsache vorbei, dass das schutzwürdige Vertrauen der Rechtssuchenden in den Anwaltsstand durch die Verrechnung eines krass überhöhten Anwaltshonorars massiven Schaden erleidet. Zieht man überdies in Betracht, dass der Disziplinarbeschuldigte die vielfache Überschreitung des angemessenen Honorars durch das Anbieten einer (noch immer unangemessenen) „Pauschalierung nach unten“ verschleiern wollte, kann ‑ auch wenn der Schuldspruch Punkt 2. weggefallen ist ‑ mit der bislang verhängten Geldbuße nicht mehr das Auslangen gefunden werden.

Sie wäre schuld‑ und unrechtsangemessen mit 3.500 Euro zu bemessen gewesen. Zufolge der Vorlage der Disziplinarakten an den Obersten Gerichtshof erst am 27. Jänner 2015 war zum Ausgleich der unverhältnismäßigen Dauer des Rechtsmittelverfahrens eine Reduktion auf 2.500 Euro vorzunehmen (§ 34 Abs 2 StGB; RIS‑Justiz RS0114926).

Mit ihren Berufungen wegen Strafe waren die Rechtsmittelwerber auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 54 Abs 5 DSt iVm § 41 DSt.

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