OGH 5Ob133/15t

OGH5Ob133/15t22.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ing. H***** H*****, 2. F***** H*****, beide vertreten durch Dr. Sebastian Schumacher, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei V***** e.Gen., *****, vertreten durch die Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1. (eingeschränkt) 63.185,18 EUR sA, 2. Feststellung (Streitwert 4.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Mai 2015, GZ 1 R 43/15y‑15, mit dem das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Handelsgericht vom 22. Jänner 2015, GZ 2 Cg 105/14p‑11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00133.15T.0322.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Zwischenurteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass der im Punkt 1a des Spruchs genannte Betrag nicht „65.067,-- EUR“ sondern „63.185,18 EUR“ lautet.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 3.123,63 EUR (darin 520,60 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 5.245,66 EUR (darin 374,87 EUR Umsatzsteuer und 2.996,40 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Kläger erwarben am 18. 5. 2006 über Vermittlung der Beklagten unter der Produktbezeichnung „H*****“ Kommanditbeteiligungen an verschiedenen Schifffahrtsgesellschaften. Diese Kommanditbeteiligungen werden für die Kläger treuhänderisch von der H***** GmbH (in der Folge: „Treuhänderin“) gehalten. Die Kläger zahlten dafür den Ankaufspreis von 65.000 EUR zuzüglich eines Agios von 3.250 EUR.

In dem (einzigen) Beratungsgespräch, das dieser Veranlagung vorausging, erklärte die Veranlagungsexpertin der Beklagten (in der Folge: „Beraterin“) den Klägern, dass es sich bei der Veranlagungsform um einen geschlossenen Fonds handle, wobei die Kläger hinsichtlich der einzelnen Fondsgesellschaften die Stellung von Kommanditisten haben würden; welche Folgen dies insbesondere für die Haftung der Kläger im Einzelnen haben könnte, teilte sie nicht mit. Die Beraterin präsentierte den Klägern die in der „Vorabinformation (vorläufige Kalkulation)“ der Emittentin für den Zeitraum von 2006 bis 2020 prognostizierten jährlichen Ausschüttungen zwischen 8 und 14 % (22 % für das Jahr 2019 wegen des projektierten Verkaufs eines der Schiffe). Diese jährlichen Ausschüttungen entsprachen dem Anlageziel der Kläger. Die Beraterin erklärte dazu eher allgemein, dass die konkreten Ausschüttungen dann von der entsprechenden Marktlage für Charterschiffe abhängig sei; sie wies die Kläger nicht darauf hin, dass es sich bei den Ausschüttungen um keine bereits erwirtschafteten Erträge, sondern lediglich um Teilrückzahlungen der Einlage handle, die etwa im Insolvenzfall zurückzuzahlen seien. Die Beraterin erwähnte das Risiko des Totalverlusts zwar, stellte es aufgrund der damals vermeintlich noch guten Wirtschaftslage aber als eher theoretisch dar. Im Anschluss an das Gespräch füllte die Beraterin entsprechend den Angaben der Kläger die Anlegerprofile aus und kreuzte unter anderem an, dass sich die Kläger über das unternehmerische Risiko, insbesondere des Totalverlusts bewusst seien und dass sie bereit seien, eine Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft einzugehen.

In den ersten Jahren nach Beginn der Veranlagung erhielten die Kläger jährliche Ausschüttungen in der bei Vertragsabschluss prognostizierten Höhe. Erstmals im Jahr 2009 erhielten die Kläger keine solche Ausschüttung mehr; dafür allerdings ein Schreiben der Treuhänderin vom 30. 6. 2009, mit dem die Kläger ‑ wie alle anderen Anleger auch ‑ über die angespannte Liquiditätslage einer der Fondsgesellschaften informiert wurden. Diese Fondsgesellschaft sei ohne Bereitstellung von Liquidität durch die Banken oder neuem Eigenkapital durch die Gesellschafter faktisch zahlungsunfähig. Da sich der Eigenkapitalanteil dieser Fondsgesellschaft am Fonds auf 21,1 % belaufe, könne sich die Insolvenz mit maximal diesem Anteil an dem von den Klägern gezeichneten Nominalkapital auswirken. Dem möglichen Teilverlust stehe aber insofern ein positiver Verlauf der Beteiligung gegenüber, als bisher Ausschüttungen von insgesamt 26 % der Nominalbeteiligung erfolgt sei. Da alle Fondsgesellschaften von den Auswirkungen der Wirtschafts‑ und Finanzkrise betroffen seien, werde im laufenden und wohl auch im kommenden Jahr keine oder nur geringfügige Liquidität für Ausschüttungen erwirtschaftet werden können. In einem weiteren Schreiben vom 17. 7. 2009 informierte die Treuhänderin die Kläger darüber, dass die Insolvenz der einen Fondsgesellschaft nicht abgewendet habe werden können. Vor dem Hintergrund der schwierigen Chartermärkte könnte es weiterhin auch zu negativen Auswirkungen auf die Einnahmensituation der anderen Fondsgesellschaften kommen. Mit Schreiben vom 24. 9. 2009 stellte die Treuhänderin den Klägern die weiter verschärfte prekäre Lage der Fondsgesellschaften dar und verwies darauf, dass weitere Ausschüttungen aus der laufenden Geschäftstätigkeit nach derzeitigem Kenntnisstand nicht vorgesehen seien.

Bis zum Jahr 2008 erhielten die Kläger Ausschüttungen von (steuerbereinigt) 16.900 EUR; am 30. 7. 2009 erhielten sie eine Ausschüttung in Höhe von 650 EUR und am 10. 5. 2014 eine in Höhe von 255,35 EUR.

Mit ihrer am 30. 7. 2014 bei Gericht eingelangten Klage begehrten die Kläger (1.) die schadenersatzrechtliche Naturalrestitution durch Zahlung von (zuletzt) 63.185,18 EUR samt 4 % Zinsen seit 6. 6. 2014 Zug um Zug gegen die Abgabe des Angebots, der Beklagten ihre Ansprüche betreffend die Kommanditanteile abzutreten, und (2.) die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Ansprüche, die im Zusammenhang mit der Beteiligung an dem Fonds gegenüber den Klägern geltend gemacht würden; in eventu zu 1. und 2. begehrten die Kläger die Feststellung, dass die Beklagte den Klägern für jeden Schaden hafte, welcher ihnen aus der Vermittlung, der fehlerhaften Beratung und dem Erwerb der Kommanditanteile entstehe.

Zur Begründung brachten die Kläger zusammengefasst vor, dass die Beklagte den Klägern die Fondsbeteiligung als eine vergleichsweise sichere und ertragreiche Veranlagung empfohlen hätte. Abgesehen davon, dass die Beklagte den Klägern erläutert habe, dass das Veranlagungsmodell so konzipiert sei, dass die Anleger an den Erträgen der Fondsgesellschaft durch Ausschüttungen beteiligt seien und nach dem Ende der „Laufzeit“ des Fonds ihr eingesetztes Kapital zurück erhalten würden, seien den Mitarbeitern der Beklagten zahlreiche weitere Aufklärungs‑und Beratungsfehler unterlaufen. Die Beklagte habe insbesondere das bestehende Totalverlustrisisko als „rein theoretisch“ abgetan, verschwiegen, dass die jährlichen Auszahlungen gewinnunabhängige Liquiditätsausschüttungen und damit nichts anderes als Teilrückzahlungen der Kommanditeinlage seien, fälschlich dargestellt, dass die Fondsschiffe jedes Jahr hohe Erträge durch Charterraten erzielen und diese Erträge an die Anleger ausbezahlt würden und nicht darüber aufgeklärt, dass diese Art der Ausschüttung zu einem Aufleben der Kommanditistenhaftung führen könne. Die Kenntnis eines jeden einzelnen der Beratungs‑ und Aufklärungsfehler für sich allein hätte die Kläger dazu veranlasst, die gegenständliche Beteiligung nicht zu zeichnen.

Der „Schaden“ der Kläger errechne sich aus dem Ankaufspreis und dem Agio abzüglich aller bis zur Klagseinbringung erhaltenen Ausschüttungen zuzüglich des entgangenen Zinsgewinns einer alternativen Veranlagung. Das Feststellungsbegehren beruhe auf dem Umstand, dass die Kläger aufgrund des Erhalts gewinnunabhängiger Ausschüttungen der Gefahr einer Inanspruchnahme durch Drittgläubiger der Gesellschaft und/oder von Mitgesellschaftern ausgesetzt seien.

Die Ansprüche seien nicht verjährt, weil die Kläger in mehreren entscheidungswesentlichen Punkten falsch beraten worden seien. Von dieser umfassenden Fehlberatung hätten die Kläger erst im Laufe des Jahres 2013 aufgrund diverser Medienberichte sowie der Aufklärung ihres Rechtsvertreters Kenntnis gehabt. Eine umfassende Erkundigungspflicht der Kläger habe nicht bestanden. Hinsichtlich des Verjährungsbeginns sei nach den verschiedenen Beratungsfehlern zu differenzieren. Ein einheitlicher Verjährungsbeginn sei abzulehnen, wenn unterschiedliche Beratungsfehler vorlägen und ein geschädigter Anleger zu unterschiedlichen Zeitpunkten von den Fehlern Kenntnis nehme. Selbst wenn die Geltendmachung eines Beratungsfehlers verjährt sein sollte, könnten andere erst später erkannte Verletzungen des Beratungsvertrags erfolgreich geltend gemacht werden.

Die Beklagte bestritt und beantragte Klagsabweisung. Der Beklagten seien keine Aufklärungs‑ und Beratungsfehler unterlaufen, zwischen allfällig unzureichenden Informationen und dem nunmehr behaupteten Schaden bestehe kein Kausal‑ und kein Rechtswidrigkeitszusammenhang. Gegebenenfalls treffe die Kläger ein überwiegendes Mitverschulden am Schadenseintritt. Allfällige Schadenersatzansprüche seien jedenfalls verjährt. Entgegen den hohen Gewinnerwartungen der Kläger und den im Informationsfolder dargestellten Ausschüttungsprognosen seien ab dem Jahr 2009 Ausschüttungen ausgeblieben. In Verbindung mit den Schreiben der Treuhänderin über die wirtschaftliche Situation der Fondsgesellschaften hätten die Kläger bei sorgfaltsgemäß einzuholenden Erkundigungen den Eintritt des Primärschadens schon damals erkennen können.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren infolge Verjährung ab. Für Beginn und Lauf der Verjährungsfrist sei die Kenntnis des Primärschadens maßgeblich. Dieser Schaden sei bereits zu dem Zeitpunkt eingetreten, in dem sich für die Kläger herausgestellt habe, dass ihre Veranlagung nicht die von ihnen gewünschten risikolosen werterhaltenden Eigenschaften erfülle. Die Ansicht der Kläger, die Kenntnis jedes einzelnen Beratungsfehlers löse eine neue Verjährungsfrist aus, sei abzulehnen. Es sei faktisch nahezu unmöglich, Beratungsfehler hinsichtlich einzelner, bei Gesamtbetrachtung in einem wirtschaftlichen Wirkungszusammenhang stehender Produkteigenschaften zu isolieren und voneinander abzugrenzen. Dadurch würde der dem Verjährungsrecht innewohnende Gedanke der Schaffung von Rechtssicherheit konterkariert. Die Kläger hätten ‑ ohne dass es weiterer Erkundigungen überhaupt bedurft hätte ‑ bereits im Jahr 2009 aus dem klaren Wortlaut der damals erhaltenen Mitteilungen erkennen können, dass sie nicht jene Veranlagung erworben hätten, die allenfalls ihren Vorstellungen entsprochen habe. Doch selbst wenn die Kläger die Bedeutung der oben angeführten Schreiben aus dem Jahr 2009 nicht erfasst hätten, wäre ihnen die Einholung weiterer Erkundigungen oblegen. Allfällige Schadenersatzansprüche wären daher verjährt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil in ein die Verjährung des Klagebegehrens verneinendes Zwischenurteil nach § 393a ZPO ab. Den Klägern sei dadurch, dass sie eine entgegen ihren Wünschen geartete Veranlagung getätigt hätten, ein Schaden entstanden. Die Veranlagung sei nicht nur risikoreich statt risikolos; vielmehr sei sie auch eine solche, welche nicht regelmäßige Erträge bringe, sondern rückforderbare Rückzahlungen der Kommanditeinlage ausschütte. Über solche Umstände wäre aufzuklären gewesen.

Die Verjährung beziehe sich auf den jeweils geltend gemachten Anspruch; dieser wiederum werde durch die zu seiner Begründung vorgebrachten Tatsachen konkretisiert. Stütze der Kläger sein Begehren alternativ auf verschiedene Sachverhaltsvarianten, lägen in Wahrheit mehrere Ansprüche vor, die auch verjährungsrechtlich getrennt zu beurteilen seien. Die Behauptung fehlerhafter Beratung über verschiedene Produkteigenschaften könne als Geltendmachung zweier verschiedener miteinander alternativ konkurrierender Anspruchsgrundlagen betrachtet werden, die auf dieselbe Leistungspflicht zielten, nämlich die schadenersatzrechtliche Naturalrestitution. Der behauptete „Primärschaden“ bestehe nicht bloß darin, eine risikobehaftete Veranlagung erhalten zu haben, sondern ebenso darin, eine Veranlagung erhalten zu haben, welche nicht Erträge ausschütte, sondern rückforderbare Einlagerückzahlungen. Das „richtige“ Anlageprodukt sei aus dem jeweiligen Blickwinkel ein jeweils anderes, sodass sowohl die schädigenden Handlungen (fehlerhafte bzw fehlende Aufklärung in Bezug auf jeweils andere Eigenschaften der Anlage) als auch der „Primärschaden“ (die jeweilige Abweichung vom gewünschten Produkt) sich verschieden darstellen würden. Aus diesem Blickwinkel sei es nicht nachvollziehbar, warum die Aufklärung über Schaden, Schädiger und Schadensursache in Bezug auf eine Produkteigenschaft auch den Beginn der Verjährung für andere Produkteigenschaften betreffende Beratungsfehler markieren sollte. Es sei daher sachgerecht, die Verjährung jedes einzelnen behaupteten schadensauslösenden Beratungsfehlers gesondert zu prüfen.

Die Beklagte habe hier dem Vorbringen der Kläger, sie hätten von der Fehlberatung in allen ihren Aspekten aufgrund von Medienberichten und Aufklärungen durch ihren Rechtsvertreter erst 2013 erfahren, im Kern bloß die Informationsschreiben im Jahr 2009 entgegen gehalten. Jedenfalls in Bezug auf den Beratungsfehler betreffend „die Haftung der Kläger, insbesondere die Rückzahlbarkeit der Ausschüttungen“ sei aus dem festgestellten Sachverhalt nicht erkennbar, inwieweit diese Schadensumstände durch den Schriftverkehr aus 2009 aufgeklärt worden wären. Weder die Einladung zum Nachschuss noch die Mitteilung der Insolvenz einer KG habe diesbezüglich Klarheit geschaffen, zumal im Gegenzug gerade auf die erfolgten Ausschüttungen hingewiesen worden sei. Der Wissensstand der Kläger im Jahr 2009 habe keine Schlüsse darauf nahegelegt, dass die Anlage in Bezug auf die rechtliche Qualität ihrer Haftung und insbesondere der Ausschüttungen von ihren Vorstellungen abgewichen sei. Die Unterlassung diesbezüglicher Erkundigungen sei den Klägern daher nicht vorwerfbar.

Es sei daher mit Zwischenurteil gemäß § 393a ZPO auszusprechen, dass der Klagsanspruch nicht verjährt sei. Zu beurteilen sei in diesem Rahmen nur die Verjährung des Anspruchs, nicht jedoch die Frage, ob der behauptete Beratungsfehler letztlich auch tatsächlich vorliege. Insofern würden daher auch weder die von den Klägern noch die von der Beklagten gerügten rechtlichen Feststellungsmängel vorliegen.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens mit dem Antrag, diese dahin abzuändern, dass die Klage zur Gänze in eventu hinsichtlich des Geldleistungsbegehrens abgewiesen wird. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs‑ und Zurückverweisungsantrag.

Die Kläger beantragen in der ihnen vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

1. Die dreijährige Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen so weit kennt, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (RIS‑Justiz RS0034524, RS0034374, RS0034951). Dem Geschädigten müssen dabei alle für das Entstehen des Anspruchs maßgebenden Tatumstände objektiv bekannt sein (RIS‑Justiz RS0034547). Der Geschädigte darf sich allerdings nicht einfach passiv verhalten. Wenn er die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann, gilt die Kenntnisnahme schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre (RIS‑Justiz RS0034327, RS0034335, RS0065360). Dabei sind jeweils die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgeblich (RIS‑Justiz RS0034327, RS0113916). Derjenige, der die Verjährung einwendet, hat jene Tatsachen, die seine Einrede zunächst einmal schlüssig begründen, vorzubringen und zu beweisen (

RIS‑Justiz RS0034198 [T2]). Der Beklagte ist insbesondere auch für den Beginn der Verjährungsfrist beweispflichtig

(RIS‑Justiz

RS0034456 [T1, T3, T4]).

2. Die Verjährungsfrist beginnt grundsätzlich mit Kenntnis des Primärschadens, auch wenn der Geschädigte die Höhe des Schadens noch nicht beziffern kann, ihm nicht alle Schadensfolgen bekannt oder diese noch nicht zur Gänze eingetreten sind. Der drohenden Verjährung muss der Geschädigte mit einer Feststellungsklage begegnen (RIS‑Justiz RS0087615, RS0097976). Im Fall einer fehlerhaften Anlageberatung liegt der Primärschaden bereits darin, dass sich das Vermögen des Anlegers wegen einer Fehlinformation des Schädigers anders zusammensetzt, als es bei pflichtgemäßem Verhalten des Beraters der Fall wäre. Ein Schaden aus einer fehlerhaften Anlageberatung ist also schon durch den Erwerb des in Wahrheit nicht gewollten Finanzprodukts eingetreten (RIS‑Justiz RS0022537 [T22, T24], RS0129706). In einem solchen Fall hat der Anleger einen ‑ vereinfacht als Naturalrestitution bezeichneten ‑ Anspruch auf Ersatz des Kaufpreises Zug um Zug gegen einen Bereicherungsausgleich durch Übertragung des noch vorhandenen Finanzprodukts an den Schädiger (RIS‑Justiz RS0120784 [T22]; RS0129706 [T2]).

3.1 Die Verjährung bezieht sich auf den jeweils geltend gemachten Anspruch. Ein Anspruch wird ‑ wie der Streitgegenstand ‑ durch die zu seiner Begründung vorgebrachten Tatsachen konkretisiert. Stützt daher der Kläger sein Begehren alternativ auf verschiedene Sachverhaltsvarianten, liegen in Wahrheit zwei Ansprüche vor, die auch verjährungsrechtlich getrennt zu beurteilen sind (RIS‑Justiz RS0039255 [T8]: 4 Ob 144/11x [Arzthaftung], 3 Ob 112/15i [Anlageberatung]).

3.2 Diesen Grundsatz hat der Oberste Gerichtshof auch auf die Geltendmachung verschiedener Beratungsfehler in Bezug auf ein und dasselbe Veranlagungsprodukt übertragen. In dem der Entscheidung 4 Ob 102/13y zugrunde liegenden Verfahren bezogen sich die geltend gemachten Beratungsfehler einerseits auf den Umstand, dass ein durch Kreditaufnahme „gehebeltes“ Anlagemodell aufgrund seiner Konstruktion von vornherein nicht geeignet war, zum Ende der Laufzeit (wenigstens) 105 % des eingesetzten Kapitals zu garantieren, und andererseits auf das Erfordernis von Nachzahlungen (teilweise Tilgung des Kredits) während der Laufzeit. Der Senat 4 führte aus, dass der allein auf die Unkenntnis der Nachzahlungserfordernisse gestützte Anspruch zwar verjährt wäre. Allerdings beschränke sich das Klagsvorbringen zum Primärschaden nicht auf diesen Umstand, sondern gehe durch die Behauptung, das Anlagemodell sei von vornherein nicht zur Erhaltung des Kapitals geeignet gewesen, entscheidend darüber hinaus. Das Verlangen einer Nachzahlung durch den Kreditgeber bewirke daher nicht Kenntnis des gesamten nach dem Klagevorbringen anspruchsbegründenden Sachverhalts. Es könne dem dortigen Kläger nicht zur Last fallen, wenn er sich in (nicht vorwerfbarer) Unkenntnis der grundlegenden Mängel der Anlage (fehlende Eignung zum Kapitalerhalt) mit bestimmten Nachteilen abgefunden habe, die ihm als bloße Formalität dargestellt worden seien. Der Senat 4 hat demnach die jeweiligen Beratungsfehler verjährungsrechtlich getrennt beurteilt (aA Graf, Zum Beginn der subjektiven Verjährungsfrist bei mehrfach fehlerhafter Anlageberatung, ÖBA 2015, 624 [629 f]).

Gleiches gilt für die im Zusammenhang mit Fremdwährungskrediten ergangene Entscheidung 6 Ob 

153/15s

(vgl RIS-Justiz RS0050355 [T8]).Bei Anlegerschäden aufgrund einer Fehlberatung in mehreren Punkten gehe es nicht darum, dass verschiedene Schäden vorlägen, sondern darum, dass die Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB beginne, wenn dem Kläger der anspruchsbegründende Sachverhalt bekannt geworden sei. Der Kläger könne sich aussuchen, auf welche Pflichtverletzung er sich stütze. Dieser Gesichtspunkt könne beim Fremdwährungskredit Bedeutung erlangen, weil hier mehrere spezifische Risiken (Wechselkurs, Zinsentwicklung, Entwicklung des Tilgungsträgers) und in der Regel mehrere Verträge (Kreditvertrag und mindestens ein Tilgungsträger) bestünden, hinsichtlich derer jeweils eine Verletzung von Aufklärungspflichten in Betracht komme. Im konkreten Fall bedürfe es jedoch keiner abschließenden Klärung dieser Frage, weil die vom Kläger konkret behaupteten weiteren Beratungsfehler nicht geeignet seien, einen selbständigen Lauf der Verjährungsfrist zu begründen. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen sei nämlich eine ausführliche Aufklärung des Klägers über das Währungs‑ und Zinsrisiko und das Risiko der Entwicklung (Performance) des gewählten Ansparplans erfolgt. Ein eigenständiges Risiko des „Zusammenwirkens des Risikos von Zinsänderungen und Währungsschwankungen“ neben den dem Kläger ohnedies bereits bekannten Zins‑ und Wechselkursrisiken, auf das der Kläger gesondert hinzuweisen wäre, sodass die Unterlassung eines diesbezüglichen Hinweises allenfalls eine gesonderte Verjährungsfrist auslösen könnte, sei nicht anzuerkennen.

Der Entscheidung 3 Ob 112/15i lag ein ‑ mit dem hier zu beurteilenden vergleichbarer ‑ Sachverhalt im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Kommanditbeteiligung an einer Schifffahrtsgesellschaft zu Grunde. Der Senat 3 wies darauf hin, dass dann, wenn der Kläger sein Begehren alternativ auf verschiedene Sachverhaltsvarianten stütze, in Wahrheit zwei Ansprüche vorlägen, die auch verjährungsrechtlich getrennt zu beurteilen seien. Das gelte auch für den Fall, dass der Kläger sein auf Naturalrestitution gerichtetes Leistungsbegehren ‑ ebenfalls alternativ ‑ auf mehrere Beratungsfehler des Beklagten gestützt habe. Die Verjährung des auf einen Beratungsfehler [dort „Kapitalverlustrisiko“] gestützten Ersatzanspruchs führe also nicht dazu, dass bei Bejahung eines anderen, für sich genommen noch nicht verjährten Beratungsfehlers [dort „Ausschüttungsschwindel“] die Stattgebung des Leistungsbegehrens ausgeschlossen wäre.

Auch der Entscheidung 6 Ob 90/15a lag offenbar ein mit dem hier zu beurteilenden vergleichbarer Sachverhalt im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Kommanditbeteiligung an einer Schifffahrtsgesellschaft zu Grunde. Der Senat 6 wies die außerordentliche Revision des Klägers zurück. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung zum Beginn der Verjährungsfrist bei ‑ entgegen der Zusage ‑nicht risikolosen Anlageformen bereits mit Kenntnis der den Primärschaden bildenden Risikoträchtigkeit hätten die Vorinstanzen in vertretbarer Weise die Verjährung der Ansprüche des Klägers angenommen. Aus der kurzen Begründung dieser Entscheidunggeht allerdings nicht hervor, ob dieser Beurteilung der Verjährungsfrage die Behauptung mehrerer selbständiger Beratungsfehler zu Grunde lag oder nicht (vgl Klausberger/Lenz, Anmerkung zu 6 Ob 90/15a und 3 Ob 112/15i, ÖBA 2016/2195).

3.3 Der deutsche Bundesgerichtshof vertritt in mittlerweile wohl ständiger Rechtsprechung (III ZR 149/14 mwN), dass im Fall eines Schadenersatzanspruchs eines Anlegers, der sich auf verschiedene Aufklärungs‑ und Beratungsfehler stützt, die Verjährung nicht einheitlich beginnt, sondern jede Pflichtverletzung selbständig zu behandeln ist.

3.4 Im Schrifttum vertreten diese als Trennungstheorie oder Trennungsthese bezeichnete Auffassung, dass verschiedene Beratungsfehler verjährungsrechtlich getrennt zu beurteilen sind,

Leupold

,Fehlberatung bei Fremdwährungskredit und Verjährung, VbR 2013/41, Leitner,Schiffs‑ und Immobilienfonds: Verjährung bei mehreren Beratungsfehlern, ecolex 2015, 452 [453 f], und Wilhelm,Schiffsfonds: Verjährt oder nicht verjährt, ist das nur noch die Frage?, ecolex 2015, 925. Anderer Auffassung sind hingegen Graf,Zum Beginn der subjektiven Verjährungsfrist bei mehrfach fehlerhafter Anlageberatung, ÖBA 2015, 624, und ihm folgend Klausberger/Lenz,Anmerkung zu 6 Ob 90/15a und 3 Ob 112/15i, ÖBA 2016/2195. Mit ausführlicher Begründung vertritt Graf (aaO) die Auffassung, dass mehrere Beratungsfehler hinsichtlich ein und derselben Vermögensanlage nicht zu unterschiedlichen schadenersatzrechtlichen Verjährungsfristen führen. Die abweichende Lösung des deutschen Bundesgerichtshofs entbehre einer Begründung und sei für den Bereich des ABGB abzulehnen. Der durch eine fehlerhafte Anlageberatung verursachte Schaden bestehe im Erwerb einer nicht gewollten Vermögensanlage und nicht in den Eigenschaften der Veranlagung, hinsichtlich derer der Anleger nicht korrekt aufgeklärt worden sei. Sobald dem Anleger die grundsätzliche Fehlerhaftigkeit der Anlageberatung sowie der Umstand, aufgrund dieser Fehlerhaftigkeit eine nicht gewollte Vermögensanlage erworben zu haben, bekannt seien, beginne die subjektive dreijährige Verjährungsfrist zu laufen. Jede andere Lösung wäre mit dem in § 1489 ABGB umgesetzten Regelungsziel des Gesetzgebers unvereinbar. Die Erlangung der Kenntnis von weiteren Beratungsfehlern könne nur dann Auswirkungen haben, wenn es erst diese Kenntnis sei, welche es dem Geschädigten ermögliche, eine Klage mit Aussicht auf Erfolg zu erheben; dies wäre dann der Fall, wenn der zweite Beratungsfehler viel schwerer wiege als der erste Beratungsfehler, weil der erste für den Vertragsabschluss beispielsweise gar nicht kausal gewesen sei. Die Kenntnisnahme von einem schadenskausalen Aspekt der fehlerhaften Beratung ausreichen zu lassen, sei auch deswegen angezeigt, weil die Beratung durch den Anlageberater einen einheitlichen Lebensvorgang und somit eine einheitliche schädigende Handlung darstelle. Eine einheitliche verjährungsrechtliche Anknüpfung entspreche der von der Rechtsordnung in vergleichbaren, auch einen einheitlichen Lebenssachverhalt darstellenden Konstellationen gewählten Vorgangsweise. Eine andere Beurteilung könne nur in solchen Fällen greifen, in denen ein und derselbe Schaden durch mehrere verschiedene, wirklich selbständige Handlungen verursacht werde.

4.1 Der Grundsatz, dass dann, wenn der Kläger sein Begehren alternativ auf verschiedene Sachverhaltsvarianten stützt, in Wahrheit selbständige Ansprüche vorliegen, die auch verjährungsrechtlich getrennt zu beurteilen sind, gilt als solcher zweifellos auch für Ansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung. Im Zuge der dabei vorzunehmenden Abgrenzung ist allerdings auf die vom Gesetzgeber mit der kurzen Verjährung nach § 1489 ABGB verfolgten Regelungsziele Bedacht zu nehmen. Voraussetzung für eine solche gesonderte verjährungsrechtliche Anknüpfung eines von mehreren Beratungsfehlern ist daher, dass der behauptete Beratungsfehler tatsächlich als eine eigenständige den geltend gemachten Anspruch begründende Pflichtverletzung zu qualifizieren ist. Die Beurteilung, ob die mangelhafte oder fehlende Aufklärung über einen Umstand eine eigenständige, von anderen abgrenzbare Pflichtverletzung oder bloß ein Aspekt und unselbständiger Bestandteil einer einzigen Pflichtverletzung ist, hat in erster Linie nach inhaltlichen Gesichtspunkten zu erfolgen. Weist die unterbliebene Aufklärung über einen Umstand einen engen inhaltlichen Bezug zu einer ebenfalls unterbliebenen oder fehlerhaften Aufklärung über einen anderen Umstand auf, rechtfertigt es dieser Zusammenhang, beide Aufklärungsfehler zu einem einheitlichen Beratungsfehler zusammenzufassen. Es liegen dann nicht mehrere getrennte, sondern nur ein einheitlicher Beratungsfehler mit einzelnen verschiedenen Aspekten vor. Die Eigenständigkeit einer Pflichtverletzung kann sich (aber auch) aus den äußeren Umständen ergeben, wenn die fehlerhafte Beratung auf mehreren selbständigen Handlungen beruht und daher nicht mehr als ein einheitlicher Lebensvorgang anzusehen ist.

4.2 Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist etwa für die Frage der Verjährung von Ansprüchen aus Beratungsfehlern bei Veranlagungs‑ und/oder Finanzierungskonzepten, die eine Kombination von Fremdwährungskrediten mit verschiedenen Tilgungsträgern vorsehen, entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Geschädigte erkennt, dass das Gesamtkonzept ‑ entgegen den Zusicherungen ‑ nicht oder nicht im zugesagten Ausmaß risikolos ist (5 Ob 177/15p mwN). Maßgeblich für den Verjährungsbeginn ist also die Kenntnis der Risikoträchtigkeit des gesamten Modells. Die spezifischen Risiken, die diese Risikoträchtigkeit bedingen (Wechselkurs, Zinsentwicklung, Entwicklung des Tilgungsträgers), stehen nach der Interessenlage eines durchschnittlichen Anlegers in einem derart engen Zusammenhang, dass die unterbliebene oder fehlerhafte Aufklärung über die einzelnen Teilaspekte verjährungsrechtlich jeweils als unselbständige Bestandteile eines einheitlichen Beratungsfehler zu qualifizieren sind.

5.1 Für die von den Klägern behaupteten Pflichtverletzungen vor dem 1. 11. 2007 sind (noch) § 13 Z 3 und 4 WAG 1996 anzuwenden, die die schon zuvor von Rechtsprechung und Lehre insbesondere aus culpa in contrahendo, positiver Forderungsverletzung und dem Beratungsvertragsverhältnis abgeleiteten Aufklärungs‑ und Beratungspflichten festgeschrieben haben (RIS‑Justiz RS0119752). Die Informationserteilung hat demnach dem Gebot vollständiger, richtiger und rechtzeitiger Beratung zu genügen, durch die der Kunde in den Stand versetzt werden muss, die Auswirkungen seiner Anlageentscheidung zu erkennen. Die konkrete Ausgestaltung und der Umfang der Beratung sind dabei einzelfallbezogen von einer Reihe von Faktoren abhängig, die sich einerseits auf die Person des Kunden und andererseits auf das Anlageprodukt beziehen (RIS‑Justiz RS0119752 [T6]). Die Beratungs‑ und Aufklärungspflichten sind daher grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls. Dies gilt auch für eine stille Beteiligung an einem Unternehmen (10 Ob 28/15p mwN, 6 Ob 193/15y).

5.2 Aufzuklären ist über einen Umstand, der für den durchschnittlichen Anleger für seine Anlageentscheidung von erheblicher Bedeutung und typischerweise ein wesentliches Element seiner Investitionsentscheidung ist. Die Kläger haben in ihrer Berufung nur mehr die (selbständige) Aufklärungspflicht über die rechtliche Qualität der Ausschüttungen (zusammengefasst als „Risiko der Rückforderbarkeit der Ausschüttungen“) geltend gemacht und die anderen in erster Instanz behaupteten Beratungs‑ und Aufklärungsfehler nicht mehr thematisiert. Bezieht sich die Rechtsrüge nur auf eine von mehreren Einwendungen, die aus unterschiedlichen rechtserzeugenden Tatsachen abgeleitet wurden, dann sind die im Rechtsmittelverfahren nicht mehr aufrecht erhaltenen Einwendungen außer Betracht zu lassen (vgl RIS‑Justiz RS0043352 [T23, T30, T31]).

5.3 Dieses Risiko der Rückforderbarkeit der Ausschüttungen ist nach der typischen Interessenlage des durchschnittlichen Anlegers zwar ein Teilaspekt des Sicherheitsrisikos, aber bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise im Verhältnis zum Risiko eines gänzlichen Kapitalverlusts nicht von erheblicher gesonderter Bedeutung für seine Anlageentscheidung. Das Unterbleiben der Aufklärung über diese Ausprägungen des Totalverlusts ist daher ‑ im Sinne der zu 4.1 dargestellten Beurteilungskriterien ‑ grundsätzlich nicht als eigener abgrenzbarer Aufklärungsfehler zu qualifizieren. In diesem Sinn hat schon der Senat 6 in seiner Entscheidung 6 Ob 193/15y es als jedenfalls vertretbar bezeichnet, die Pflicht zur gesonderten Aufklärung über die Möglichkeit einer Rückforderung bezogener Ausschüttungen und der Außenhaftung als Kommanditist zu verneinen. Da ein Rückforderungsanspruch gegenüber den Kommanditisten immer voraussetze, dass entgegen den Bestimmungen des ‑ dort wie auch hier maßgeblichen ‑ deutschen Handelsgesetzbuchs (§§ 169 ff dHGB) eine Ausschüttung „aus der Substanz“ erfolgt sei, sei eine allfällige Rückzahlungsverpflichtung als von der Belehrung über das Totalverlustrisiko umfasst anzusehen. Denn nehme der Anleger einen Totalverlust in Kauf, so wisse er, dass seine gesamte Substanz, die er investiert habe, verloren gehen könne. Die Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft weise in diesem Zusammenhang zwar (nur) die Besonderheit auf, dass sich das Totalverlustrisiko auch auf bestimmte „rechtswidrige“ Ausschüttungen beziehe, wenn der Anleger dadurch Teile der Substanz zwischenzeitig zurückerhalten haben sollte. Die Auffassung der Vorinstanzen, dass darüber nicht gesondert aufgeklärt zu werden brauche, sei aber jedenfalls dann vertretbar, wenn dem Anleger ‑ anders als in dem der Entscheidung 3 Ob 112/15i zugrunde liegenden Fall ‑ in Bezug auf Rechtsnatur und Herkunft der Ausschüttungen nicht die Vorstellung vermittelt worden sei, dass es sich dabei um eine „Verzinsung des Kapitals“ handeln sollte.

5.4 Ein solcher Ausnahmefall liegt auch hier nicht vor. Nach dem festgestellten Sachverhalt unterschieden sich die Interessen der Kläger nicht von jenen eines durchschnittlichen Anlegers. Auch den Klägern ging es darum, „einigermaßen risikolos Ausschüttungen lukrieren zu können“. Dass die Rechtsnatur und Herkunft der Ausschüttungen losgelöst von dem Anlagerisiko für die Investitionsentscheidung der Kläger von erheblicher Bedeutung war, ist dieser und den sonstigen Feststellungen nicht zu entnehmen. Das (allein) geltend gemachte Aufklärungsdefizit in Bezug auf die rechtliche Qualität der Ausschüttungen ist daher nicht als eigenständiger, von der Aufklärung über das Risiko des Totalverlusts unabhängiger Beratungsfehler zu qualifizieren, der allenfalls eine gesonderte Verjährungsfrist auslösen könnte. Damit erübrigt sich auch eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob den Klägern hier im Falle einer getrennten verjährungsrechtlichen Anknüpfung im Hinblick auf den dargestellten inhaltlichen Zusammenhang der Aufklärungsgegenstände eine Verletzung der Erkundigungsobliegenheit zum Vorwurf zu machen wäre (vgl Graf,Zum Beginn der subjektiven Verjährungsfrist bei mehrfach fehlerhafter Anlageberatung, ÖBA 2015, 624 [630]).

6.1 Der Revision war daher Folge zu geben und das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen. Das allerdings in berichtigter Form, weil das Erstgericht (ebenso wie das Berufungsgericht) in seinem Spruch die Einschränkung des Leistungsbegehrens auf 63.185,18 EUR nicht berücksichtigt und diese erkennbar übersehen hat. Gemäß § 419 Abs 3 ZPO kann die Urteilsberichtigung auch in höherer Instanz angeordnet werden.

6.2 Die Entscheidung über die Prozesskosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf die §§ 41 Abs 1 und 50 Abs 1 ZPO.

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