OGH 10Ob28/15p

OGH10Ob28/15p28.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Christandl Rechtsanwalt GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei L***** AG, *****, vertreten durch Dr. Michael Drexel ua Rechtsanwälte in Graz, wegen 10.005,23 EUR sA und Feststellung (Streitwert 1.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 7. Oktober 2014, GZ 6 R 94/14h‑19, womit das Urteil des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 31. März 2014, GZ 204 C 289/13a‑14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 768,04 EUR (darin enthalten 128,04 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu Handen des Beklagtenvertreters zu ersetzen.

Begründung

Der Kläger erwarb über Beratung des bei der beklagten L***** angestellten Anlageberaters Karl P***** mit Beitrittserklärung vom 30. 1. 2007 eine Kommanditbeteiligung an der E***** Schifffahrtsgesellschaft M***** S***** mbH & Co KG (im Folgenden nur: „Gesellschaft“) zum Nominale von 10.000 EUR zuzüglich 5 % Agio (somit 10.500 EUR) mit einer Laufzeit bis 31. 12. 2017. Die Gesellschaft hat ihren Sitz in Bremen (Bundesrepublik Deutschland) und betreibt ein Vollcontainerschiff.

Mit Schreiben vom 31. 3. 2008 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass die von der Geschäftsführung der Gesellschaft in Abstimmung mit dem Beirat vorgeschlagene Liquiditätsausschüttung für das Geschäftsjahr 2007 in Höhe von 7 % auf das Kommanditkapital ausbezahlt wurde und der Betrag in Höhe von 700 EUR an ihn überwiesen werde. Weitere Ausschüttungen erfolgten nicht.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 1. 9. 2012 wurde über die Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet und festgehalten, dass Masseunzulänglichkeit vorliege. Gemäß einer an den Kläger gerichteten Mitteilung vom 27. 9. 2012 werden keine weiteren Auszahlungen an die Gesellschafter erfolgen.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage 10.005,23 EUR samt Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung an der Gesellschaft (erstes Hauptbegehren) sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche weitere Schäden, die aufgrund entgehender Auszahlungen und drohender Rückforderungsansprüche bzw (nur) aufgrund drohender Rückforderungsansprüche bis zur Übertragung der Beteiligung an der Gesellschaft an die Beklagte entstehen (zweites bzw drittes Hauptbegehren). Weiters erhebt er mehrere Eventualbegehren.

Soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich, brachte der Kläger vor, der Beklagten sei eine massive Fehlberatung vorzuwerfen. Obwohl er eine sichere Veranlagung ohne Verlustrisikos angestrebt habe, habe er eine spekulative Veranlagung in Form einer Unternehmensbeteiligung an einer Kommanditgesellschaft erworben, die mit unternehmerischen Risiken und der Gefahr von Rückforderungsansprüchen (hinsichtlich bereits erfolgter Ausschüttungen) verbunden sei. Dies sowie der Umstand, dass es sich bei den Ausschüttungen um Kapitalrückführungen handle, sei ihm bis zum Erhalt des Schreibens über die Insolvenzeröffnung nicht klar gewesen. Insbesondere sei er nicht über das Risiko eines Totalverlusts aufgeklärt worden. Es sei ernsthaft zu befürchten, dass er das eingesetzte Kapital sowie die von ihm für die Erstellung von Steuererklärungen in der Bundesrepublik Deutschland entrichteten Beträge nicht mehr zurückerhalten werde, sodass sich abzüglich der ausgeschütteten 700 EUR der Klagsbetrag ergebe. Darüber hinaus sei zu befürchten, dass ihm weitere Ausschüttungen entgehen und er im Zuge von Rückforderungsansprüchen in Anspruch genommen werde.

Die Beklagte bestritt das Vorliegen einer Beratungs‑ und Aufklärungspflichtenverletzung.

Aus den vom Erstgericht über den eingangs festgestellten Sachverhalt hinaus getroffenen Feststellungen sind ‑ soweit für das Revisionsverfahren wesentlich ‑ folgende Feststellungen hervorzuheben:

„Der Kläger ist Einzelunternehmer. Er äußerte gegenüber Karl P***** sein Vorhaben, insgesamt 36.000 EUR zu veranlagen, wobei seinem Wunsch nach die Veranlagung mehr abwerfen sollte, als ein Sparbuch oder ein Rentenfonds. Bei dem ersten Beratungsgespräch am l6. 1. 2007 kreuzte der Anlageberater im Anlegerprofil als Anlageziel 'sehr hohe Ertragschancen unter Inkaufnahme des Verlusts eines Teils oder des gesamten eingesetzten Kapitals ...' an. Im Zuge dieses Beratungsgesprächs erwarb der Kläger vorerst eher risikogeneigte Fonds und Aktien im Gegenwert von 26.000 EUR. Für sein restliches Kapital wollte er eine Veranlagungform wählen, aus welcher er eine jährliche Ausschüttung erhalte. Beim zweiten Beratungsgespräch am 30. 1. 2007 wurde über die Beteiligung an der E***** Schifffahrtsgesellschaft M***** S***** mbH & Co KG gesprochen. Der Anlageberater erklärte, dass es sich um eine Beteiligung an einem Schifffahrtsunternehmen handle, legte das Finanzierungskonzept dar und wies auf das gegebene Unternehmerrisiko hin sowie darauf, dass es zu Verlusten kommen könne. Er besprach mit dem Kläger auch die 20‑seitige Produktbroschüre durch, in der ua die Gesellschaftsform der Kommanditgesellschaft beschrieben und über das Schiff und dessen Alter informiert wird. Bestandteil der Produktbroschüre ist weiters eine Beitrittserklärung sowie ein Anlegerprofil für die Zeichnung von mitunternehmerschaftlichen Beteiligungen, die der Anlageberater nach den Angaben des Klägers ausfüllte. In der Beitrittserklärung wird darauf hingewiesen, dass der wirtschaftliche Verlauf einer derartigen Kommanditbeteiligung von verschiedenen, in der Zukunft liegenden Ereignissen abhängt und dass der Anleger ein wirtschaftliches Risiko trage, das im ungünstigsten Fall auch zu einem Totalverlust des eingesetzten Kapitals führen kann. Im Anschluss an das Gespräch händigte der Anlageberater dem Kläger die Produktbroschüre aus. Den einundachtzig Seiten umfassenden Kapitalmarktprospekt übergab der Anlageberater dem Kläger nicht, informierte ihn aber darüber, unter welcher Internetadresse er einzusehen sei. Der Kapitalmarktprospekt enthält u.a. Angaben über die Rechtsform der Veranlagung sowie Definitionen der Begriffe 'Beteiligung' und 'Kommanditist'. Weiter sind darin detaillierte Risikohinweise enthalten sowie der ausdrückliche Hinweis darauf, dass ein gänzlicher Verlust des Kapitals nicht auszuschließen ist. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger bei tatsächlichem Erhalt des Kapitalmarktprospekts die verfahrensgegenständliche Veranlagungsform nicht gewählt hätte.“

Eine positive oder negative Feststellung dazu, ob der Anlageberater den Kläger im Zuge des Beratungsgesprächs auch über das Risiko der etwaigen Rückführung bereits ausgeschütteter Beträge an die Gesellschaft (§§ 169 f dHGB) aufgeklärt hat, ist im Ersturteil nicht enthalten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Rechtlich ging es davon aus, dass die Beklagte keine Schutz‑ und Sorgfaltspflichten verletzt habe. Es sei von einer ausreichenden und umfassenden Beratung und Aufklärung auszugehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Rechtlich teilte es die Ansicht des Erstgerichts. Der Anlageberater habe vor der Anlageentscheidung des Klägers zunächst am 16. 1. 2007 dessen Veranlagungsziele und ‑wünsche durch Erstellen eines Anlegerprofils ermittelt. Daraus und aus dem zuvor mündlich geäußerten Wunsch des Klägers nach einer möglichst ertragreichen Veranlagung, die nicht in Form sicherer Veranlagungen wie Sparbücher, Anleihen und Rentenfonds erfolgen sollte, ergebe sich, dass der Kläger im Gegenzug zur Erzielung des gewünschten hohen Ertrags bereit war, ein höheres Risiko einzugehen und den Verlust eines Teils oder des gesamten eingesetzten Kapitals hinzunehmen. Der Anlageberater habe den Kläger darüber informiert, dass es sich um eine Unternehmensbeteiligung an einer Schifffahrtsgesellschaft handle und dass mit dieser Veranlagung ein entsprechendes Unternehmerrisiko verbunden sei und auch Verluste erlitten werden können. Der Anlageberater habe mit dem Kläger darüberhinaus die 20‑seitige Produktbroschüre durchbesprochen. Am 30. 1. 2007 habe er gemeinsam mit dem Kläger ein weiteres Anlegeprofil ausgefüllt, aus dem sich eindeutige Risikohinweise und der Hinweis auf einen möglichen Totalverlust des eingesetzten Kapitals ergeben haben. Damit habe er die mit der Investition in Form einer Kommanditbeteiligung an einer Schifffahrtsgesellschaft verbundenen wesentlichen Risiken angesprochen. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger keine sichere, sondern zwecks Erzielung höherer Erträge eine riskante Veranlagung angestrebt habe, er selbst Einzelunternehmer sei und daher Kenntnis davon haben müsse, dass ein Unternehmen insolvent werden könne, sei dies als ausreichende Aufklärung anzusehen. Eine Haftung scheide auch aus dem Grund aus, dass dem Kläger kein Schaden entstanden sei, weil er ein Produkt erhalten habe, das seinen zuvor geäußerten Veranlagungswünschen entsprochen habe.

Das Berufungsgericht änderte über Antrag des Klägers seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision dahin ab, dass es die ordentliche Revision doch für zulässig erklärte. Es habe auf das bereits in erster Instanz erstattete Vorbringen des Klägers nicht ausreichend Bedacht genommen, wonach dieser vom Anlageberater nicht auf das Risiko etwaiger Rückforderungsansprüche hinsichtlich erfolgter Ausschüttungen hingewiesen worden sei. Zur Frage, ob ein risikobereiter Anleger im Fall des Erwerbs einer Kommanditbeteiligung nicht nur über die Gefahr des Verlusts des eingesetzten Kapitals, sondern auch über das (gesonderte) Risiko einer Verpflichtung zur Rückzahlung bereits erfolgter Ausschüttungen aufzuklären sei, fehle oberstgerichtliche Rechtsprechung.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger erhobene Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Der Revisionswerber macht zusammengefasst geltend, er sei nicht darüber aufgeklärt worden, dass er eine Anlage erworben habe, die anstatt einer Dividende oder Verzinsung (die er jedenfalls behalten hätte können) Ausschüttungen in Form von Kapitalrückführungen abwerfe, welche ein Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung (Rückzahlung von Ausschüttungen) bewirken können. Dabei handle es sich um ein selbstständiges Risiko, über das gesondert ‑ zusätzlich zum Totalverlustrisiko ‑ aufzuklären gewesen wäre.

Dazu ist auszuführen:

1. Der ‑ für Pflichtverletzungen vor dem 1. 11. 2007 noch anzuwendende ‑ § 13 Z 3 und 4 WAG 1996 (8 Ob 107/11k) hat die schon zuvor von Rechtsprechung und Lehre insbesondere aus culpa in contrahendo, positiver Forderungsverletzung und dem Beratungsvertragsverhältnis abgeleiteten Aufklärungs‑ und Beratungspflichten festgeschrieben (RIS‑Justiz RS0119752). Die Informationserteilung hat dem Gebot vollständiger, richtiger und rechtzeitiger Beratung zu genügen, durch die der Kunde in den Stand versetzt werden muss, die Auswirkungen seiner Anlageentscheidung zu erkennen (3 Ob 241/11d).

2. Die konkrete Ausgestaltung und der Umfang der Beratung sind dabei einzelfallbezogen von einer Reihe von Faktoren abhängig, die sich einerseits auf die Person des Kunden und andererseits auf das Anlageprodukt beziehen (RIS‑Justiz RS0119752 [T6]). Die Beratungs‑ und Aufklärungspflichten sind daher grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls. Dies gilt auch für eine stille Beteiligung an einem Unternehmen (2 Ob 2107/96h). Gegenteiliges trifft nur dann zu, wenn eine grobe Fehlbeurteilung vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (RIS‑Justiz RS0029601 [T9]; RS0106373).

Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung zeigt der Revisionswerber mit seinen Ausführungen nicht auf:

3.1 Dem Kommanditisten steht nach § 169 Abs 1 Satz 2 dHGB ein Anspruch auf Auszahlung des ihm zukommenden Gewinns zu. Besteht ein Gewinnanspruch, darf eine Auszahlung nur erfolgen, wenn die auf die Pflichteinlage des Kommanditisten erbrachte Einlage ungeschmälert durch Verluste vorhanden ist und auch durch die Entnahme selbst nicht geschmälert wird (Heybrock in Haag/Löffler, HGB2 § 169 Rz 4, 5). Treten später Verluste ein, ist der Kommanditist nicht verpflichtet, den bezogenen Gewinn wieder zurückzuzahlen (§ 169 Abs 2 dHGB). Sollte der Kommanditist aber Gewinne unter Verletzung des § 169 Abs 1 Satz 2 dHGB bezogen haben, etwa wenn der Gewinn unrichtig ermittelt wurde, die Bilanz später berichtigt werden musste oder der Gewinnanteil sonst falsch errechnet wurde, gilt die Befreiung von der Rückzahlungsverpflichtung nicht. In diesen Fällen hat die Kommanditgesellschaft einen Bereicherungsanspruch nach den §§ 812 ff BGB gegen den Kommanditisten (Heybrock in Haag/Löffler, HGB2,, § 169 Rz 8).

3.2.1 Wie bereits festgehalten wurde, sind im vorliegenden Fall keine positiven oder negativen Feststellungen dazu vorhanden, ob der Anlageberater den Kläger über das Risiko einer etwaigen Rückzahlung von ‑ unter Verletzung des § 169 Abs 1 Satz 2 dHGB ‑ ausgeschütteten Beträgen aufgeklärt hat oder dies nicht der Fall war. Zwar hat der Kläger in seinem erstinstanzlichen Vorbringen die mangelnde Aufklärung über die Gefahr von Rückforderungsansprüchen behauptet, dieses Vorbringen hat aber in den Feststellungen keinen Niederschlag gefunden.

3.2.2 Wie die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend aufzeigt, hat der Kläger in der Rechtsrüge seiner Berufung die Frage der (gesonderten) Aufklärung über das Risiko der etwaigen Rückforderung der Ausschüttungen nicht thematisiert und das Fehlen von Feststellungen in dieser Richtung nicht als rechtlichen Feststellungsmangel geltend gemacht. Da das Erstgericht auf Grundlage der vorhandenen Feststellungen eine anlage- und anlegergerechte Aufklärung iSd WAG 1996 angenommen hat, ist davon auszugehen, dass der Kläger damit sein erstinstanzliches Vorbringen zu einer gesonderten ‑ und wie er in der Revision mehrfach betont ‑ über das Totalverlustrisiko hinausgehenden zusätzlichen Aufklärungspflicht über die etwaige Rückforderbarkeit der erhaltenen Ausschüttungen nicht zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht hat.

3.2.3 Daraus folgt, dass das Berufungsgericht zu dieser Frage nicht Stellung nehmen musste. Eine unrichtige rechtliche Beurteilung kann dem Berufungsgericht in diesem Punkt nicht vorgeworfen werden. Der dennoch erfolgte diesbezügliche Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts gründet sich zudem auf Umstände, die gar nicht feststehen.

3.3. In dieser Verfahrenssituation ist dem Obersten Gerichtshof das Eingehen auf die vom Berufungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage verwehrt, weil sich die allseitige Überprüfung der rechtlichen Beurteilung des Berufungsurteils durch den Obersten Gerichtshof auf jene Umstände zu beschränken hat, die Gegenstand des Berufungsverfahrens gewesen sind. Andere Punkte können in der Revision nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0043573 [T31, T36, T41, T42]), sodass insoweit auch keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vorliegen kann.

Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung die Unzulässigkeit der Revision aufgezeigt, weshalb ihr Kostenersatz gebührt.

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