Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S
7.605 (darin S 1.267,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger begehrte von der Beklagten, die sich auch mit Vermögensberatung beschäftigt, Schadenersatz für seinen Kapitalverlust von insgesamt S 107.644,80, weil sie eine entsprechende Aufklärung und Beratung über das Anlageprodukt (stille Beteiligung an einem Schweizer Unternehmen), das sich in der Folge als großangelegter Betrug herausstellte, unterlassen habe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im zweiten Rechtsgang statt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten in der Hauptsache nicht Folge und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil die bisher ergangenen OGH-Entscheidungen zur Anlageberaterhaftung anders gelagerte Sachverhalte zum Gegenstand gehabt hätten.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten gegen diese Berufungsentscheidung ist unzulässig.
Die Zulässigkeit der Revision hängt vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ab. Bei Prüfung der Zulässigkeit der Revision ist das Revisionsgericht an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht gebunden (§ 508 a Abs 1 ZPO). Ist eine ordentliche Revision - wie hier - wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig und daher zurückzuweisen, so kann sich der Oberste Gerichtshof auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Daß ein gleichgelagerter Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof in seiner Judikatur zur Haftung des Anlageberaters noch nicht beurteilt wurde, begründet entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes die Zulässigkeit der ordentlichen Revision noch nicht. Bewegt sich nämlich das Berufungsgericht im Rahmen der Grundsätze einer ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und trifft es seine Entscheidung ohne krasse Fehlbeurteilung aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles, so liegt eine erhebliche Rechtsfrage nicht vor (vgl Kodek in Rechberger § 502 ZPO Rz 3 mwN).
Der Oberste Gerichtshof hat sich in jüngster Zeit mehrfach mit Fragen
der Anlageberaterhaftung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften
befaßt (4 Ob 516/93 = RdW 1993, 331 = ecolex 1993, 669 = ÖBA 1993,
987; 7 Ob 575/93 = ÖBA 1994, 156 [Iro] = ecolex 1994, 15 = WBl 1994,
28; 1 Ob 632/94 = ecolex 1995, 171 = RdW 1995, 136 = ÖBA 1995, 317 =
EvBl 1995/65 = WBl 1995, 207; 6 Ob 518/95 = ecolex 1995, 797 = ÖBA
1995, 990; vgl auch Welser, Rechtsgrundlagen des Anlegerschutzes,
ecolex 1995, 79; Tutsch, Umfang der Aufklärungs- und
Beratungspflicht, ecolex 1995, 84). Er hat aber auch schon dargelegt,
daß die - hier vom Kläger eingegangene - stille Beteiligung an einem
Unternehmen in aller Regel ein risikoträchtiges Geschäft ist, bei dem
im Falle der Anlageberatung eine Aufklärungspflicht besteht (1 Ob
569/88 = SZ 61/148 = JBl 1988, 723 = RdW 1988, 419 = ÖBA 1989, 901
[Aicher]; 1 Ob 599/93 = SZ 67/54 = RdW 1995, 11 = ÖBA 1994, 558
[Apathy] = ecolex 1994, 460 = WBl 1994, 273 [Hammerer] = EvBl
1994/137). Der Anlageberater hat seinen Kunden somit grundsätzlich über die Risikoträchtigkeit einer stillen Beteiligung aufzuklären. Welche konkreten Verhaltenspflichten ihn hiebei treffen, ist eine Frage des Einzelfalles (vgl Welser aaO; Tutsch aaO).
Im vorliegenden Fall hat der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger gegenüber nach den Feststellungen der Vorinstanzen des öfteren erwähnt, daß es sich um ein sicheres Geschäft handle; der dadurch beim Kläger hervorgerufene Eindruck einer sicheren Geldanlage veranlaßte ihn zur Zeichnung, andernfalls hätte er sich zum Abschluß einer solchen Beteiligung nicht entschlossen. Der Anlageberater hat somit ein typisches Risikogeschäft als sichere Anlageform dargestellt. Wäre die Aufklärung pflichtgemäß unter Darlegung des Risikocharakters der Anlage erfolgt, so hätte der Kläger nicht kontrahiert (vgl 1 Ob 599/93). Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen die Haftung der Beklagten gemäß § 1299 ABGB bejaht hat, so ist hierin keine vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende Verkennung der Rechtslage gelegen. Vielmehr hat das Berufungsgericht den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum damit nicht überschritten.
Auch in der Revision wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt:
Eine Aktenwidrigkeit liegt schon deshalb nicht vor, weil das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung im zweiten Rechtsgang nicht von der Bezeichnung der Geldanlage als "bombensicher", sondern als "sicher" ausging. Es hat seiner rechtlichen Beurteilung somit keine vom erstgerichtlichen Urteil abweichenden Feststellungen zugrunde gelegt (vgl Kodek aaO § 503 ZPO Rz 4). Im übrigen besteht zwischen den beiden genannten Bezeichnungen kein entscheidungswesentlicher Unterschied.
Richtig ist, daß dem Kläger bei der ersten seiner beiden Zeichnungen der (im Zeichnungsschein angeführte) Beteiligungsvertrag ausgehändigt wurde, in dem die Möglichkeit des Kapitalverlustes erwähnt wird. Mit dem Hinweis auf den Inhalt des Beteiligungsvertrages kann sich die Beklagte aber der Verantwortung für die Einhaltung ihrer Beraterpflichten nicht entledigen. Bei unrichtiger Anlageberatung kann zwar ein Mitverschulden des Kunden in Betracht kommen, das die Schadenersatzpflicht des Anlageberaters mindert, etwa dann, wenn der Kunde selbst auf dem Anlagesektor hervorragende Kenntnisse besitzt und ihm daher die Unrichtigkeit der Anlageberatung hätte auffallen müssen (vgl Welser aaO). Im vorliegenden Fall fehlten dem Kläger aber solche Kenntnisse jedenfalls für Risikobeteiligungen, obwohl er in früheren Jahren selbst für die Beklagte nebenberuflich den Abschluß von Bausparverträgen, KFZ- und Lebensversicherungen vermittelt hatte. Die Beklagte durfte nicht darauf vertrauen, der Kläger wisse auch über riskantere Anlageformen hinreichend Bescheid. Es ist auch nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht die Nichtbeachtung von im Beteiligungsvertrag enthaltenen Klauseln durch den Kläger im Hinblick auf die mündliche Beratung der Beklagten über die Sicherheit der Anlage nicht als relevantes - ins Gewicht fallendes - Mitverschulden des Klägers angesehen hat.
Der Ansicht der Rechtsmittelwerberin, dem Kläger wäre lediglich die Anfechtung des Vertrages wegen Irrtums offengestanden, ist entgegenzuhalten, daß der Kläger nicht die Auflösung des Beteiligungsvertrages mit dem Schweizer Unternehmen, sondern Schadenersatz aus dem mit der Beklagten zumindest schlüssig geschlossenen Beratungsvertrag begehrt.
Auch aus der Argumentation der Rechtsmittelwerberin, sie habe das Anlageprodukt hinreichend geprüft und sei von seiner Seriosität selbst überzeugt gewesen, ist für sie nichts zu gewinnen, weil sie selbst dann ein typisches Risikogeschäft nicht ohne weiteres als sichere Anlageform hätte anpreisen dürfen.
Warum es im vorliegenden Fall am Rechtswidrigkeitszusammenhang fehlen soll, ist für den erkennenden Senat nicht verständlich. Es besteht kein überzeugender Grund dafür, Betrugsfälle vom Zweck der Darlegung des Risikocharakters einer stillen Beteiligung auszunehmen.
Zur Haftung der Beklagten für die Folgen der zweiten Zeichnung des Klägers hat das Berufungsgericht schließlich ausgeführt, daß auch dieser Schaden als durch die schuldhaft fehlerhafte Beratung beim ersten Vertragsabschluß adäquat verursacht anzusehen sei; die Beklagte hätte im übrigen bei der zweiten Zeichnung Gelegenheit gehabt, die versäumte Aufklärung nachzuholen. Die Richtigkeit dieser Ansicht wird durch den Hinweis der Rechtsmittelwerberin, die Initiative zur zweiten Zeichnung sei vom Kläger ausgegangen, er habe hiebei keine (weitere) Beratung in Anspruch genommen, nicht widerlegt. Auch insoweit bedurfte es nicht der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO.
Die Revision war daher ungeachtet des Zulässigkeitsausspruches des Berufungsgerichtes zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO; der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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