OGH 4Ob102/13y

OGH4Ob102/13y27.8.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Partei R***** H*****, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagten Parteien 1. W***** D*****, vertreten durch Achammer & Mennel Rechtsanwälte OG in Feldkirch, 2. MMag. Dr. T***** G***** als Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der I***** GmbH, *****, vertreten durch Sutterlüty Klagian Brändle Lercher Rechtsanwälte Partnerschaft in Dornbirn, wegen (ausgedehnt und eingeschränkt) 127.162,61 EUR sA, über die außerordentlichen Revisionen der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 23. April 2013, GZ 4 R 49/13g‑26, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Vorinstanzen haben in einem Zwischenurteil nach § 393a ABGB die Verjährung des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs verneint. Mit einem solchen Urteil wird ‑ aus prozessökonomischen Erwägungen ‑ nur die vom Beklagten eingewendete Verjährung beurteilt. Dabei ist in Bezug auf den Anspruch von den Klagebehauptungen auszugehen; ob sie zutreffen, ist im fortgesetzten Verfahren zu klären (RIS-Justiz RS0127852).

2. Das Berufungsgericht hat die Rechtsprechung zum Beginn der Verjährung nach § 1489 Satz 1 ABGB richtig wiedergegeben: Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem dem Geschädigten sowohl der Schaden und die Person des Schädigers als auch die Schadensursache bekannt geworden ist (RIS-Justiz RS0034951), wenn also die Kenntnis des Geschädigten über den Schadenseintritt, die Person des Schädigers und den Ursachenzusammenhang zwischen dem Schaden und dem schadenstiftenden Verhalten einen solchen Grad erreichte, dass mit Aussicht auf Erfolg geklagt werden kann (RIS-Justiz RS0034366; RS0034524 ua). Dem Geschädigten müssen dabei alle für das Entstehen des Anspruchs maßgebenden Tatumstände objektiv bekannt sein (RIS-Justiz RS0034547). Zwar darf sich der Geschädigte nicht einfach passiv verhalten, wenn er die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann (RIS-Justiz RS0065360, RS0034327 ua). Erkundigungsobliegenheiten dürfen dabei aber nicht überspannt werden (RIS-Justiz RS0034327). Maßgebend ist die Kenntnis des Primärschadens (RIS-Justiz RS0097976), der bei mangelhafter Anlageberatung in der Wahl einer (so) nicht gewollten Veranlagung liegt (RIS‑Justiz RS0022537 [T12, T22]).

3. Diese Rechtsprechung hat das Berufungsgericht in vertretbarer Weise auf den vorliegenden Fall angewendet.

3.1. Der „Primärschaden“ liegt hier nach dem Klagevorbringen (auch) darin, dass der Kläger aufgrund der Beratung durch den Erstbeklagten ein durch Kreditaufnahme „gehebeltes“ Anlagemodell wählte, das aufgrund seiner Konstruktion von vornherein nicht geeignet war, zum Ende der Laufzeit (wenigstens) 105 % des eingesetzten Kapitals zu garantieren. Kenntnis von diesem Umstand hatte der Kläger nach den Feststellungen des Erstgerichts erst aufgrund einer Anfrage im November 2009. Geht man von diesem Zeitpunkt aus, war die im Mai 2011 eingebrachte Klage jedenfalls rechtzeitig.

3.2. Zwar verlangte der Kreditgeber schon 2006 teilweise Tilgung oder weitere Sicherheiten für den Kredit, weil das verpfändete Anlageprodukt keine ausreichende Deckung mehr biete. Allerdings erklärte der Erstbeklagte ‑ der damals noch für die nun vom Zweitbeklagten vertretene Gemeinschuldnerin handelte ‑ dem Kläger, dass dies darauf beruhe, dass der Kreditgeber die zum Ende des Veranlagungszeitraums bestehende Garantie nicht berücksichtige. Dabei stellte er das Erfordernis einer Teilrückzahlung oder weiteren Besicherung als bloße Formalität dar. Unter diesen besonderen Umständen musste der Kläger ‑ anders als die Klägerin in 7 Ob 18/13t ‑ aus der Forderung des Kreditgebers noch nicht auf das Vorliegen einer nicht 105 % des eingesetzten Kapitals garantierenden Anlage schließen. Die Auffassung der Vorinstanzen, dass die Beschwichtigung des Erstbeklagten schon auf der Tatsachenebene Kenntnis iSv § 1489 ABGB ausschloss (9 Ob 17/07a; 6 Ob 103/08b; 1 Ob 12/13s), ist unter diesen Umständen jedenfalls vertretbar. Auf die Dauer der beschwichtigungsbedingten Hemmung einer bereits in Lauf gesetzten Verjährungsfrist (6 Ob 103/08b mwN) und auf die vom Zweitbeklagten für die Zeit ab 2007 relevierte Zurechnungsproblematik kommt es unter diesen Umständen nicht an. Auch weitere Forderungen des Kreditgebers auf Erhöhung der Sicherheiten konnten wegen des vom Erstbeklagten schon 2006 verursachten Eindrucks, es handle sich dabei um eine die Garantie nicht beeinträchtigende Formalität, den Lauf der Verjährungsfrist nicht auslösen.

3.3. Richtig ist, dass der Kläger nach den ‑ von seinem Vorbringen gedeckten ‑ Feststellungen des Erstgerichts die Anlage schon dann nicht gewählt hätte, wenn er gewusst hätte, dass während der Laufzeit Nachzahlungen (dh eine teilweise Tilgung des Kredits) erforderlich würde. Ein allein darauf gestützter Anspruch wäre tatsächlich verjährt, weil der Kläger schon 2006 mit einer solchen Forderung des Kreditgebers konfrontiert war. Allerdings beschränkt sich sein Vorbringen zum Primärschaden nicht auf diesen Umstand, sondern geht durch die Behauptung, das Anlagemodell sei von vornherein nicht zur Erhaltung des Kapitals geeignet gewesen, entscheidend darüber hinaus. Das Verlangen des Kreditgebers bewirkte daher nicht Kenntnis des gesamten (RIS-Justiz RS0034547) nach dem Klagevorbringen anspruchsbegründenden Sachverhalts. Anders gewendet: Es kann dem Kläger nicht zur Last fallen, wenn er sich in (nicht vorwerfbarer) Unkenntnis der grundlegenden Mängel der Anlage (fehlende Eignung zum Kapitalerhalt) mit bestimmten Nachteilen abfand, die ihm als bloße Formalität dargestellt wurden (weitere Besicherung oder Tilgung des Kredits).

4. Aus diesen Gründen sind die außerordentlichen Revisionen der Beklagten wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen. Mangels zulässigen Rechtsmittels ist nicht zu prüfen, ob der Rechtsweg für das gegen den zweitbeklagten Insolvenzverwalter erhobene Hauptbegehren, das auf Zahlung ohne Beschränkung der Vollstreckung auf den vom Kläger behaupteten Deckungsanspruch gegen den Haftpflichtversicherer (§ 157 VersVG) zielt, überhaupt zulässig ist (vgl dazu 4 Ob 125/12d mwN).

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