OGH 6Ob193/15y

OGH6Ob193/15y26.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DDr. C***** K*****, vertreten durch Benedikt Wallner Rechtsanwalt Gesellschaft mbH in Wien, gegen die beklagte Partei Bank ***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Mag. Dr. Erhard Buder und DDr. Gabriele Herberstein, Rechtsanwälte in Wien, und deren Nebenintervenientinnen 1. C***** GmbH in Liqu., *****, 2. M***** AG, *****, Deutschland, beide vertreten durch Dr. Georg Eckert, Rechtsanwalt in Wien, wegen 175.374,33 EUR sA und Feststellung (Streitwert 1.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. August 2015, GZ 2 R 25/15h‑25, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Der Kläger hat nach Beratung durch die Beklagte, wobei allerdings ein Vermögensverwaltungsvertrag nicht abgeschlossen worden war, unter anderem folgende Vermögensveranlagungen getätigt:

• am 27. 9. 2004 30.000 EUR samt 1.500 EUR an 5%igem Agio in die Anteil Austria an der „Miro Star“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co KG;

• am 21. 4. 2005 30.000 EUR samt 1.500 EUR an 5%igem Agio in die „Mahler Star“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co KG;

• am 22. 6. 2006 20.000 EUR samt 800 EUR an 4%igem Agio in die „Beteiligungsgesellschaft Reefer Flottenfonds mbH & Co KG“ (Reefer Flottenfonds);

• am 21. 9. 2006 40.000 EUR samt 1.200 EUR an 3%igem Agio in den „Macquarie Infrastruktgesellschaft Nr 3 mbH & Co KG“;

• am 14. 6. 2007 45.000 EUR samt 1.500 EUR an 3%igem Agio in die „Neunte Global Equity GmbH & Co KG“.

Er begehrt die Rückzahlung der veranlagten Beträge zuzüglich der Agii und kapitalisierter Zinsen Zug um Zug gegen die Rückübertragung der Veranlagungen sowie die Feststellung, dass die Beklagte für jeden weiteren Schaden hafte, welcher dem Kläger aus der fehlerhaften Beratung im Zusammenhang mit der Vermittlung der Beteiligungen entstehen sollte.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

1. Auch wenn den Feststellungen der Vorinstanzen nicht entnommen werden kann, ob sich beim Kläger aufgrund der getätigten Veranlagungen tatsächlich ein Schaden verwirklicht hat, nimmt ihm dies grundsätzlich nicht die Sachlegitimation. Der Kläger beruft sich darauf, dass er infolge Verletzung von Beratungspflichten durch die Beklagte Beteiligungen erworben habe, die er gar nicht habe erwerben wollen. Tatsächlich tritt nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bei einer fehlerhaften Anlageberatung der (reale) Schaden des Anlegers bereits durch den Erwerb der nicht gewünschten Vermögenswerte ein; dem Anleger gebührt dann grundsätzlich ein Anspruch auf Naturalersatz in der Form, dass ihm Zug um Zug gegen Übertragung der Wertpapiere der zu deren Erwerb gezahlte Kaufpreis zu ersetzen ist (vgl etwa 8 Ob 66/14k mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

2. Angesichts der jeweiligen Zeitpunkte des Erwerbs der Beteiligungen durch den Kläger ist es zwischen den Parteien nicht strittig ‑ und sind auch die Vorinstanzen davon ausgegangen ‑, dass es hinsichtlich der von der Beklagten zu beachtenden Beratungs‑ und Aufklärungspflichten auf die einschlägigen Bestimmungen des Wertpapieraufsichtsgesetzes 1996 ankommt. Dabei sind für den Umfang und die konkrete Ausgestaltung dieser Beratungs‑ und Aufklärungspflichten grundsätzlich die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und stellt deren Beurteilung regelmäßig keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS‑Justiz RS0119752, vgl auch RS0111165, RS0029601 [T9]). Dies gilt etwa auch für eine (stille) Beteiligung an einem Unternehmen (2 Ob 2107/96h; 10 Ob 28/15p zu Beteiligungen wie den hier zu beurteilenden). Gegenteiliges gilt hingegen nur dann, wenn eine grobe Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (RIS‑Justiz RS0106373). Auch eine Vielzahl an Geschädigten ändert nichts daran, dass die Frage, wie weit jeweils Beratungs‑ und Aufklärungspflichten gehen, dennoch stets von den ganz konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt, wie etwa der Risikobereitschaft des Anlegers, der Höhe der zu veranlagenden Geldsumme, der Renditeerwartung des Anlegers und vieles andere mehr (RIS‑Justiz RS0029601 [T17], RS0106373 [T12], RS0119752 [T9]).

3. In seiner außerordentlichen Revision wirft der Kläger der Beklagten eine mangelnde Beratung (noch) hinsichtlich folgender Umstände vor:

3.1. Möglichkeit einer Rückforderung bezogener Ausschüttungen, Außenhaftung als Kommanditist

3.1.1. Nach den ‑ hier unstrittig maßgeblichen ‑ Bestimmungen des deutschen Handelsgesetzbuchs (§§ 169 ff) kann ein Kommanditist grundsätzlich nur die Auszahlung seines Gewinns fordern, es sei denn, sein Kapitalanteil ist durch Verluste unter den auf die Einlage geleisteten Betrag herabgemindert oder würde durch eine Auszahlung unter diesen Betrag herabgemindert werden. Bezieht der Kommanditist Gewinne und stellt sich der Jahresabschluss später als unrichtig heraus oder wird eine Ausschüttung entgegen § 169 dHGB vorgenommen, so ist der Kommanditist zur Rückzahlung verpflichtet (Oetker, Handelsgesetzbuch § 169 Rn 26 [beck-online 13. 10. 2015] mwN; ebenso Heybrock in Haag/Löffler, HGB [2013] § 169 Rn 4 ff); er hat ja in diesem Fall eine Zahlung empfangen, die er eigentlich nicht hätte erhalten dürfen, sodass ein Bereicherungsanspruch der Gesellschaft entsteht (10 Ob 28/15p).

§§ 171 f dHGB bestimmen, dass eine unmittelbare Haftung des Gesellschafters gegenüber den Gesellschaftsgläubigern nur insoweit besteht, als der Gesellschafter seine Einlage nicht geleistet hat oder sie ihm zurückgezahlt wurde, etwa weil er Gewinnanteile entnommen hat, obwohl dies nicht zulässig gewesen wäre (§ 172 Abs 4 dHGB). § 172 Abs 5 dHGB besagt aber, dass ein Kommanditist in keinem Fall zurückzahlen muss, was er aufgrund einer im guten Glauben errichteten Bilanz in gutem Glauben als Gewinn bezogen hat (vgl Oetker aaO § 172 Rz 45 ff; Haag/Löffler aaO § 172 Rz 12).

Aus dieser (deutschen) Rechtslage ergibt sich somit zusammengefasst, dass der Kläger nach vollständiger Leistung seiner Einlage keine über deren Totalverlust hinausgehende finanzielle Einbußen zu befürchten hat. Die Haftung des Kommanditisten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern ist mit der Höhe der Haftsumme beschränkt. Über die Einlage (Haftsumme) hinausgehende Zahlungen der Gesellschaft an den Kommanditisten lassen ihn nicht höher haften. Auch in der Gesellschaftsinsolvenz schuldet der Kommanditist nur jenen Betrag, mit dem er haftet (Roth in Baumbach/Hopt, HGB36 [2014] § 172 HGB Rz 5).

3.1.2. Da ein Rückforderungsanspruch gegenüber dem Kläger als Kommanditist immer voraussetzt, dass entgegen den Bestimmungen des deutschen Handelsgesetzbuchs eine Ausschüttung „aus der Substanz“ erfolgt ist, ist eine allfällige Rückzahlungsverpflichtung als von der Belehrung über das Totalverlustrisiko bei einer Unternehmensbeteiligung umfasst anzusehen. Denn nimmt der Anleger einen Totalverlust in Kauf, so weiß er, dass seine gesamte Substanz, die er investiert, verloren gehen kann; dies gesteht der Kläger in seiner außerordentlichen Revision ja gerade selbst ein, wenn er ausführt, „mithin [sei] das Risiko einer Außenhaftung gleichbedeutend mit einem Fehlschlag des getätigten Investments“. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde der Kläger auf die Möglichkeit eines Totalverlusts seiner Veranlagung aber hingewiesen; ihm waren die Möglichkeit einer Insolvenz und eines Totalverlusts auch durchaus bewusst. Im Zusammenhang mit § 172 Abs 5 dHGB ist dabei auch festzuhalten, dass keine generelle gesetzliche Pflicht besteht, Anleger auf das allgemeine Risiko von Malversationen eines Emittenten oder sonstiger Beteiligter hinzuweisen (zum insoweit vergleichbaren Insolvenzrisiko RIS-Justiz RS0119752 [T10]).

Die Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft weist in diesem Zusammenhang zwar (nur) die Besonderheit auf, dass sich das Totalverlustrisiko auch auf bestimmte „rechtswidrige“ Ausschüttungen bezieht, wenn der Anleger dadurch Teile der Substanz zwischenzeitig zurückerhalten haben sollte. Die Auffassung der Vorinstanzen, dass darüber nicht gesondert aufgeklärt zu werden braucht, ist aber jedenfalls dann vertretbar, wenn dem Anleger ‑ anders als in dem der Entscheidung 3 Ob 112/15i zugrunde liegenden Fall ‑ in Bezug auf Rechtsnatur und Herkunft der Ausschüttungen nicht die Vorstellung vermittelt wurde, dass es sich dabei um eine „Verzinsung des Kapitals“ handeln sollte; ein solcher (Ausnahme‑)Fall liegt hier aber nicht vor. Damit vermag aber ‑ jedenfalls im hier gegebenen Kontext ‑ die Auffassung des deutschen Bundesgerichtshofs (III ZR 82/14), die Aufklärungspflicht im Hinblick auf das Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung nach § 172 Abs 4 dHGB sei darin begründet, „dass die an den Anleger erfolgte Auszahlung durch den Fonds nicht sicher ist, sondern gegebenenfalls zurückbezahlt werden muss“, nicht zu überzeugen: Der Anleger muss nicht „erfolgte Auszahlungen“ generell zurückzahlen, sondern lediglich solche, die rechtswidrig waren, weil sie seine Einlage schmälerten (§ 172 Abs 4 dHGB). Mit dem Verlust seiner Einlage hat sich der Kläger hier aber abgefunden.

Im Übrigen war dem Kläger bewusst, dass es sich bei seinen Veranlagungen um Unternehmensbeteiligungen handelte.

3.2. Kick-back-Zahlungen an die Beklagte

Der Oberste Gerichtshof hat zwar bereits in der Entscheidung 6 Ob 110/07f (ZFR 2008/32 [Knobl/Janovsky, 68] = ÖBA 2008/1486 [Koch, 475]) klargestellt, dass dem Kunden allfällig bestehende Kick‑Back‑Vereinbarungen offenzulegen sind; die durch eine Retrozessionsvereinbarung (Synonym für Kick‑Back‑Vereinbarung) geschaffene Gefährdung der Kundeninteressen bestehe darin, dass (etwa für die Bank) ein Anreiz geschaffen wird, nicht allein das Interesse des Kunden, sondern auch das eigene Interesse an möglichst umfangreichen Vergütungen zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht jedoch (wenn auch im Rahmen seiner Beweiswürdigung) die ausdrückliche Feststellung getroffen, dass der Kläger die Veranlagungen auch bei entsprechendem Wissen über die der Beklagten zustehenden Provisionen erworben hätte.

3.3. „Weichkosten“

Der Begriff „Weichkosten“ stammt aus dem Gebiet der geschlossenen Fonds und bezeichnet dort die Kosten, die während der Auflegung eines Fonds und dessen Vertrieb anfallen (http://www.kreditlexikon.com/kreditlexikon/weichkosten.html ). Allgemein werden darunter diejenigen Kosten verstanden, die in der Investitionszeit anfallen. Die „Weichkosten“ stehen in keinem direkten Zusammenhang mit dem jeweiligen Investitionsobjekt des geschlossenen Fonds, wie zum Beispiel dem Flugzeug oder der Immobilie, die die Fondsgesellschaft kaufen möchte beziehungsweise bereits gekauft hat. Zu den „Weichkosten“ gehören vor allem Vertriebs‑ und Marketingkosten, also Kosten für die Aktivitäten in diesen Bereichen. In der außerordentlichen Revision führt der Kläger in diesem Zusammenhang ausdrücklich Vertriebs-, Spesen-, Werbungs- und Provisionszahlungen an, wobei er sich hinsichtlich letzterer ganz offensichtlich auf die Kick-back-Zahlungen bezieht.

Die Vorinstanzen haben in diesem Zusammenhang lediglich die Feststellung getroffen, der Kläger habe dem Mitarbeiter der Beklagten gegenüber nicht geäußert, dass er ein „schlankes“ Produkt mit wenig Spesen erwerben wolle; hätte der Kläger diesen Wunsch geäußert, hätte man ihm andere Veranlagungsformen empfohlen. Wenn der Kläger deshalb in seiner außerordentlichen Revision nunmehr von „bis zu 28 % Weichkosten“ spricht, lässt sich dies den Feststellungen nicht entnehmen; der Kläger ist vielmehr den Beweis der tatsächlich angefallenen „Weichkosten“ schuldig geblieben.

3.4. Kapitalmarktprospekt

Der Kläger sieht eine Pflichtverletzung der Beklagten darin, dass ihm kein Kapitalmarktprospekt übergeben worden sei. Allerdings bestimmte § 17 Abs 3 Z 1 WAG 1996 nur, dass dem Anleger „auf seinen Wunsch der Prospekt“ kostenlos zur Verfügung zu stellen ist; dass der Kläger einen solchen Wunsch geäußert hatte, behauptet er nicht einmal selbst.

Vor allem legt der Kläger in seiner außerordentlichen Revision nicht dar, welche Information oder Aufklärung er aufgrund des Nichterhaltens des Prospekts nicht bekommen habe, er legt also die Kausalität zwischen Nichtübergabe des Prospekts und seiner Anlageentscheidungen nicht dar. Wenn der Kläger in der außerordentlichen Revision meint, er habe „dazu ausführlich in seinem Schriftsatz über viele Seiten hinweg dargelegt“, ist ihm entgegenzuhalten, dass ein Verweis auf andere Schriftsätze in der Revision nicht zulässig ist (RIS-Justiz RS0043616).

3.5. „Klumpenrisiko“

Der Kläger meint unter Hinweis auf die Entscheidung 5 Ob 246/10b (die sich allerdings mit Fragen der Diversifizierung beziehungsweise Streuung oder eines „Klumpenrisikos“ nicht befasst), die Beklagte hätte ihn darauf hinweisen müssen, dass durch das wiederholte Investment in Schiffsbeteiligungen ein „Klumpenrisiko“ entstehe und eine Diversifizierung sinnvoll wäre. Allerdings hat das Erstgericht zum einen festgestellt, dass zwischen den Parteien ein umfassender Vermögensverwaltungsvertrag nicht vereinbart worden war. Zum anderen war dem Kläger jeweils bewusst, dass es sich um Unternehmensbeteiligungen handelte, die mit dem Risiko eines Totalverlusts verbunden waren.

4. Mit seiner Verfahrensrüge wendet sich der Kläger in der außerordentlichen Revision inhaltlich gegen die Erledigung seiner Beweisrügen durch das Berufungsgericht. Insoweit ist jedoch eine Mangelhaftigkeit nicht erkennbar (§ 510 Abs 3 ZPO).

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