OGH 2Ob207/14a

OGH2Ob207/14a19.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger sowie die Hofrätinnen Dr. E. Solé und Dr. Weixelbraun-Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** M*****, vertreten durch Dr. Friedrich Krall, Rechtsanwalt in Kufstein, gegen die beklagten Parteien 1. P***** R*****, und 2. Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs, Schwarzenbergplatz 7, 1030 Wien, beide vertreten durch Dr. Bernhard Haid, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 39.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 30. September 2014, GZ 4 R 130/14w‑80, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 4. Juni 2014, GZ 6 Cg 183/10p‑75, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0020OB00207.14A.1119.000

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Parteien wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Am 16. 1. 2003 ereignete sich ein Verkehrsunfall, bei dem der Kläger schwer verletzt wurde. Die Haftung der beklagten Parteien zu 75 % wurde in einem Vorprozess beim Landesgericht Innsbruck zu 12 Cg 98/04y rechtskräftig festgestellt (2 Ob 23/07g).

Mit seiner am 4. 11. 2010 eingebrachtenKlage begehrte der Kläger zunächst 135.000 EUR sA, später (ON 7) eingeschränkt auf 58.200 EUR sA an Verdienstentgang für die Monate 11/2007 bis 12/2009 unter Berücksichtigung der 75%igen Haftung mit der Begründung, er könne aufgrund der Verletzung seine (nebenberufliche) Tätigkeit als lizenzierter Fußballtrainer nicht mehr ausüben. Aufgrund seiner Bundesligaerfahrung als Trainer des SV W***** hätte er ab 1. 1. 2005 ein durchschnittliches zu versteuerndes Einkommen von zumindest 3.000 EUR monatlich erzielen können, sodass sich für die Monate 11/2007 bis 12/2009 unter Berücksichtigung der Haftung der Beklagten zu 75 % die Klagsforderung ergebe. Res iudicata liege nicht vor, weil im Vorverfahren der Verdienstentgang aus der Trainertätigkeit nur bis 31. 12. 2004 geltend gemacht worden sei. Für die Tätigkeit als Fußballtrainer bestehe keine kongruente Versicherungsleistungsverpflichtung eines Sozial-versicherungsträgers, weshalb auch kein Quotenvorrecht zu berücksichtigen sei.

Die beklagten Parteien wandten einerseits res iudicata im Hinblick auf das Vorverfahren ein, in dem der Kläger grundsätzlich Ansprüche aus seiner nebenberuflichen Tätigkeit als Fußballtrainer für die nächsten zehn Jahre angesprochen habe. Das Landesgericht Innsbruck habe Verdienstentgang aber nur bis zum Ende der Fußballsaison 2003/2004 zugesprochen. Ein Anspruch auf Ersatz des Verdienstentgangs bestehe auch deshalb nicht, weil ‑ im Hinblick auf die Kurzlebigkeit im Fußballgeschäft ‑ eine rein hypothetische Möglichkeit als Trainer zu arbeiten, viel zu unbestimmt sei und sich nicht mit der notwendigen Sicherheit ableiten lasse. Der Kläger beziehe eine Versehrtenrente im Ausmaß von 45 %, weshalb das Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers zu berücksichtigen sei. Die AUVA habe auch bereits Regressansprüche gestellt, was eingewendet werde.

Das Erstgericht sprach im dritten Rechtsgang den bis dahin verbliebenen Restverdienstentgangsanspruch von 39.000 EUR sA vollinhaltlich zu (das Mehrbegehren von 19.200 EUR sA war bereits im 2. Rechtsgang rechtskräftig abgewiesen worden).

Es stellte fest, dass der Kläger im Vorverfahren einen Verdienstentgang von 60.000 EUR bezogen auf seine nebenberufliche Tätigkeit als Fußballtrainer beim SV W***** bis 31. 12. 2004 geltend gemacht habe. Er sei Lizenztrainer der Leistungsstufe A und erfülle auch die Voraussetzungen für die Trainertätigkeit bei internationalen Mannschaften. Mit 30. 6. 2002 habe seine Trainertätigkeit beim SV W***** infolge dessen finanzieller Schwierigkeiten geendet. Im Dezember 2002 sei ihm von Seiten des SV W***** angeboten worden, wieder als Trainer mit einer monatlichen Entlohnung von ca 2.000 EUR zu arbeiten. Am 16. 1. 2003 sei es dann zum Verkehrsunfall gekommen. Seitdem sei der Kläger verletzungsbedingt nicht mehr in der Lage, als Fußballtrainer zu arbeiten. Er habe als solcher aber einen ausgezeichneten Ruf gehabt, sodass davon ausgegangen werden könne, dass der Kläger „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ auch im Zeitraum 1. 11. 2007 bis 31. 12. 2009 eine nebenberufliche Beschäftigung als Fußballtrainer gefunden hätte. Nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge hätte er in dieser Zeit 26 nebenberufliche Beschäftigungsmonate erzielen können und ein Jahreseinkommen bezogen, das mit einer realistischen durchschnittlichen Höhe von je 2.000 EUR pro Monat anzusetzen sei. Daraus errechne sich unter Berücksichtigung der Haftung der Beklagten für 75 % der Verdienstentgang des Klägers in Höhe von 39.000 EUR.

Die AUVA habe für den Kläger nachstehende Leistungen erbracht:

1. vom 28. 4. 2003 bis 31. 12. 2006:

Zahnersatz 1.980 EUR

45 % Versehrtenrente inklusive Sonderzahlungen 45.518,52 EUR

2. vom 1. 1. 2007 bis 31. 12. 2009:

Kuraufenthalt 153,40 EUR

35 % bzw 40 % Versehrtenrente inklusive Sonderzahlungen 38.191,88 EUR

3. vom 1. 1. 2010 bis 31. 12. 2011:

für Schuhe 239,16 EUR

40 % Versehrtenrente inklusive Sonderzahlungen 27.988,80 EUR

Der Kläger sei im Zeitraum 1. 1. 2002 bis 31. 12. 2002 nicht der Pflichtversicherung nach dem GSVG unterlegen, es habe somit auch keine Beitragsentrichtung stattgefunden.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen festgestellten Sachverhalt dahingehend, dass der Verdienstentgangsanspruch dem Ausgleich des durch die Schadenszufügung verminderten Erwerbseinkommens diene. Hätte der Kläger die unfallskausalen Verletzungen nicht erlitten, hätte er nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge im Zeitraum 1. 11. 2007 bis 31. 12. 2009 einen Verdienst von 52.000 EUR erreicht; unter Berücksichtigung der Haftungsquote der Beklagten stehe ihm daher ein Verdienstentgang von 39.000 EUR zu. Da der Kläger im Jahr 2002 aufgrund seiner nebenberuflichen Tätigkeit als Fußballtrainer keine Unfallversicherungsbeiträge geleistet habe, sodass auch keine Erhöhung der Bemessungsgrundlage eingetreten sei, komme eine Anwendung des Quotenvorrechts des Sozialversicherungsträgers nicht in Betracht.

Das von den beklagten Parteien angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach Verwerfung der Beweisrüge verneinte es den Einwand der res iudicata. Insofern liege ein abschließend erledigter Streitpunkt vor. Da hier der Kläger Verdienstentgang für einen lange vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz liegenden Zeitraum geltend mache, seien die Berufungsausführungen dahingehend, dass der Kläger lediglich eine abstrakte Rente geltend machen könne, nicht nachvollziehbar. Die konkrete Berechnung des Verdienstentgangs für die Vergangenheit erfolge nach der Differenzmethode. Es stehe fest, dass der Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit im Klagszeitraum eine nebenberufliche Beschäftigung als Fußballtrainer gefunden hätte. Soweit die Berufungswerber meinten, dass dieser Annahme jegliche Grundlage fehle, gingen sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

In Ansehung des strittigen Quotenvorrechts des Sozialversicherungsträgers sei das Berufungsgericht an die im früheren Rechtsgang vertretene Rechtsmeinung, dass dieses nicht in Betracht komme, wenn für das Jahr 2002 keine Unfallversicherungsbeiträge geleistet worden seien, gebunden. Diese überbundene Rechtsmeinung stehe in Übereinstimmung mit (zumindest) einem Teil der Lehre, wonach Ansprüche auf Ersatz des Verdienstentgangs in Bezug auf das Einkommen, das aus nicht sozialversicherten Tätigkeiten resultiere, von einer Legalzession nicht erfasst seien, weil die Sozialversicherungsleistungen keinen derartigen Verdienstentgang ersetzten. Ein Versicherungsfall nach der gesetzlichen Unfallversicherung sei dann anzunehmen, wenn zumindest eine Ursache des Unfalls auf die versicherte Erwerbstätigkeit zurückzuführen sei.

Da Rechtsfragen von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung nicht zu lösen gewesen seien, wurde die ordentliche Revision nicht zugelassen.

Die beklagten Parteien verweisen in ihrer außerordentlichen Revision darauf, dass 1. res iudicata vorliege; meinen weiter, dass 2. nicht konkreter Verdienstentgang, sondern eine „Rente wegen Erwerbsminderung“ hätte begehrt werden müssen sowie, dass 3. das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Quotenvorrecht abgewichen sei. Der Kläger habe nach den Feststellungen für seine Tätigkeit als Fußballtrainer im Jahr 2002 keine Sozialversicherungsbeiträge geleistet, es liege daher ein Einkommen als „Schwarzarbeiter“ vor, das nach der ständigen Rechtsprechung als Verdienstentgang zu werten und zu berücksichtigen sei (2 Ob 289/97g). Die Versehrtenrente solle einen Verdienstentgang durch die Einschränkung am allgemeinen Arbeitsmarkt abgelten. Die Frage, ob Unfallversicherungsbeiträge geleistet worden seien oder nicht, spiele bei der Frage des Deckungsfonds und der Kongruenz keine Rolle. Die Entscheidung des Berufungsgerichts widerspreche auch 2 Ob 269/04d. Es bestehe Kongruenz zwischen der dem Verletzten gewährten Invaliditätsrente und seinem Schadenersatzanspruch wegen Beeinträchtigung der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit.

Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision nicht zuzulassen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Parteien ist zulässig, weil die Vorinstanzen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur sachlichen Kongruenz von Versehrtenrente und Verdienstentgang abgewichen sind; sie ist auch berechtigt im Sinne des eventualiter gestellten Aufhebungsantrags.

Vorauszuschicken ist allerdings, dass die Bekämpfung (angeblich) unrichtiger Tatsachenfeststellungen (Pkt V der Revision) nicht zu den taxaktiv (RIS‑Justiz RS0042903; 10 ObS 90/15f) aufgezählten Revisionsgründen des § 503 ZPO zählt und das Rechtsmittel daher insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt ist.

1. Zum Vorliegen von res iudicata:

Die Rechtskraftwirkung setzt Identität der Parteien, des geltend gemachten Anspruchs und des rechtserzeugenden Sachverhalts voraus (RIS‑Justiz RS0108828). Der gleiche Streitgegenstand liegt daher nur vor, wenn der in der neuen Klage geltend gemachte prozessuale Anspruch sowohl hinsichtlich des Begehrens als auch des rechtserzeugenden Sachverhalts, also des Klagsgrundes, ident mit jenem des Vorprozesses ist (RIS‑Justiz RS0039347; RS0041229). Dies ist hier im Hinblick auf das Verdienstentgangsbegehren für die nebenberufliche Fußballtrainertätigkeit im ersten Prozess bis 31. 12. 2004 und dem nunmehr eingeklagten Zeitraum 2007 bis 2009 nicht gegeben, auch wenn der Kläger im Vorprozess dargelegt hat, dass er „für die nächsten zehn Jahre“ nebenberuflich Fußballtrainer geblieben wäre.

Die im Vorprozess „beginnend mit 1. 1. 2004“ begehrte monatliche Rente bezog sich auf seine hauptberufliche Tätigkeit.

2. Zur „Rente wegen Erwerbsminderung“:

Nach den Feststellungen des Erstgerichts hat der Kläger im maßgeblichen Zeitraum 2007 bis 2009 durch den Verkehrsunfall einen realen Verdienstentgang erlitten, weil er in dieser Zeit aufgrund der Verletzungen beim Unfall keinen entsprechenden Verdienst aus seiner nebenberuflichen Trainertätigkeit erzielen konnte.

Weshalb er für diese in der Vergangenheit (näher hin vor Schluss der Verhandlung erster Instanz am 28. 4. 2014: ON 72 in Band II) liegende Einbuße „statt eines konkreten Verdienstentgangs eine Rente wegen Erwerbsminderung“ hätte begehren müssen und nicht den angesprochenen Kapitalbetrag, ist ‑ wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausführte (Seite 10 seines Urteils) ‑ „nicht nachvollziehbar“. Soweit die Revisionswerberinnen sich damit auf die Rechtsprechung zur „abstrakten Rente“ beziehen sollten, kann eine solche ‑ abgesehen von ihrer Stellung als Ausnahme für Härtefälle (vgl RIS‑Justiz RS0030747) ‑ zwar tatsächlich nur für künftige Zeiträume nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zugesprochen werden (vgl RIS‑Justiz RS0030734), allerdings nur, wenn der Verletzte trotz seines körperlichen Dauerschadens zufällig und vorläufig keinen ziffernmäßig erfassbaren Verdienstausfall erleiden würde (RIS‑Justiz RS0030747), was hier gerade nicht der Fall ist.

3. Zur Kongruenzfrage:

3.1. Die Beklagten haben dem Verdienstentgangs-begehren des Klägers auch entgegengehalten, dass in Bezug auf die Versehrtenrente das „Quotenvorrecht des Sozialversicherers“ und die Stellung von Regressforderungen durch die AUVA zu berücksichtigen sei.

Die Vorinstanzen haben die Rechtsansicht vertreten, dass das Einkommen aus der Fußballtrainertätigkeit nicht aus einer sozialversicherten Tätigkeit resultiere und nicht von der Legalzession umfasst sei.

3.2. Der Anspruch des Verletzten gegen den Schädiger nach bürgerlichem Recht geht nach dem Grundsatz der kongruenten Deckung bereits mit dem Eintritt des Versicherungsfalls insoweit auf den Sozialversicherungsträger über, als dieser an den Verletzten Leistungen zu erbringen hat, und verbleibt niemals beim Geschädigten (RIS‑Justiz RS0030708; RS0113644; vgl auch RS0045190). Durch die Legalzession wird der Schadenersatzanspruch in zwei Teile geteilt, nämlich den von der Legalzession nicht erfassten Teil (der zB Schmerzengeld, Sachschäden etc umfasst) und jenen, der nach Wirksamkeit der Legalzession den Deckungsfonds für die kongruenten Leistungen der Sozialversicherung an den Geschädigten bildet (RIS‑Justiz RS0085002). Insoweit verliert der Geschädigte die Aktivlegitimation gegen den Schädiger (RIS‑Justiz RS0035295).

Der Umfang des Forderungsübergangs und damit der Regressanspruch des Sozialversicherungsträgers ist in zwei Dimensionen begrenzt, nämlich einerseits mit der Höhe des Schadenersatzanspruchs des Geschädigten und andererseits mit dem Anspruch des Geschädigten auf Leistungen gegenüber dem Sozialversicherungsträger (RIS‑Justiz RS0030708 [T5]).

3.3. Die Ansprüche, die dem Verletzten einerseits gegen den Versicherungsträger, andererseits gegen den Haftpflichtigen zustehen, müssen ihrer Art nach gleich sein (RIS‑Justiz RS0085405). Die sachliche Kongruenz ist daher zu bejahen, wenn der Ausgleichszweck des Sozialversicherungsanspruchs und des Schadenersatz-anspruchs identisch sind; die sachliche Kongruenz dieser beiden Ansprüche besteht, wenn sie darauf abzielen, denselben Schaden zu decken (RIS‑Justiz RS0085343).

3.4. Der Schadenersatzanspruch auf Ersatz von Verdienstentgang dient nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats dem gleichen Zweck wie der Anspruch gegen den Sozialversicherungsträger auf Leistung einer Versehrtenrente, nämlich dem Ausgleich des durch die Schadenszufügung verminderten oder nur unter erschwerten Voraussetzungen erzielbaren Erwerbseinkommens (RIS‑Justiz RS0031026). Es besteht daher sachliche Kongruenz von Versehrtenrente und Verdienstentgangsanspruch (RIS‑Justiz RS0031026 [T2]; zuletzt 2 Ob 134/14s = ZVR 2015/127).

3.5. Auch alle Einnahmen, die dem Verletzten aus seiner Tätigkeit aus einer Nebenbeschäftigung zufließen, dienen begrifflich der Deckung des Lebensunterhalts (RIS‑Justiz RS0030697; 2 Ob 2187/96y, 2 Ob 22/84 ZVR 1985/39). Sie sind daher nach der Judikatur ebenso wie Nebeneinkommen aus „Pfuscharbeit“ (vgl RIS‑Justiz RS0030938) oder der Schadenersatzanspruch eines verletzten Zahlkellners auf Entgang des Trinkgeldes (vgl RIS‑Justiz RS0119943) als sachlich kongruent einzubeziehen.

3.6. Lediglich wenn der Sozial-versicherungsträger im Rahmen einer bestimmten Schadensart nur bestimmte (aber nicht alle im Zuge des Schadensausgleichs anfallenden) Sachleistungen erbringt, wird der kongruente Deckungsfonds nur aus jenem Teil schadensartbezogener Ersatzansprüche gebildet, die den vom Sozialversicherungsträger zu erbringenden Sachleistungen entsprechen. Unter diesem Gesichtspunkt gehen etwa Schadenersatzansprüche des Versicherten auf Ersatz von Medikamenten, die im Leistungsprogramm des Sozialversicherungsträgers nicht enthalten sind, oder Ansprüche auf Ersatz der von der Sozialversicherung nicht gewährten Pflegegebühren der Sonderklasse auf die Sozialversicherungsträger nicht über (RIS‑Justiz RS0085193; RS0085015).

3.7. Die Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in den Deckungsfonds wird in der Literatur teilweise kritisiert (vgl Mayer in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 332 ASVG Rz 64; Neumayr in Schwimann ABGB³ § 332 ASVG Rz 66; Krejci/Böhler in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, 3.2.3.).

Diese Kritik geht zurück auf Krejci, Kongruenzlehre und Quotenvorrecht nach § 332 ASVG und § 1542 RVO, ZAS 1974, 5 ff, wiederholt in Krejci, Bemerkungen zum Rückgriffsrecht der Sozialversicherungsträger gegenüber haftpflichtigen Schädigern, VersRdSch 1978, 345 ff [358], aufbauend allerdings auf der BGH-Entscheidung vom 20. 3. 1973, VI ZR 19/72, die zu Pflegegebühren während Anstaltspflege, also einer Sachleistung, ergangen ist und insofern ohnehin auch der österreichischen Judikatur (s Pkt 3.6.) entspricht. Krejci meint, dass es das Prinzip der Kongruenz erfordere, eine möglichst präzise Konkretisierung durchzuführen. Stelle eine Sozialversicherung für eine bestimmte Schadensart nicht global eine Summe zur Verfügung, sondern erbringe sie nur bestimmte aber nicht alle im Zuge des Schadensausgleichs anfallenden Sachleistungen, werde der kongruente Deckungsfonds nur aus jenem Teil schadensbezogener Ersatzansprüche gebildet, die den von der Sozialversicherung zu erbringenden Sachleistungen entsprächen. Krejci legt weiter dar, dass diese Konkretisierung auch für die Schadensart Verdienstentgang zu erwägen sei, insbesondere wenn jemand sein Einkommen nicht nur aus sozialversicherungspflichtiger Arbeit schöpfe, weil die Leistung des Sozialversicherers nur dem Ausgleich jenes Verdienstes diene, den der Verletzte durch sozialversicherungspflichtige Tätigkeit erworben habe. So könne dem Quotenvorrecht des Sozialversicherers „einiges von jener Schärfe genommen werden, welche die Gegner des Instituts nicht ruhen“ lasse.

3.8. Dem Quotenvorrecht der Sozial-versicherungsträger (das in der BRD bereits 1983 mit der Einführung des § 116 Abs 2 SGB X zugunsten eines Quotenvorrechts des Geschädigten geändert wurde [vgl Waltermann in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht³ § 116 SGB X 100 Rn 62]), seine „Schärfe“ zu nehmen, ist aber in erster Linie eine rechtspolitische Frage und damit Aufgabe des Gesetzgebers und nicht Sache der Rechtsprechung (vgl RIS‑Justiz RS0009099, RS0008880). Auch stellt der Sozialversicherer beim Verdienstentgang mit der Versehrtenrente ‑ im Gegensatz zu den dargelegten Fällen bei Sachleistungen ‑ gerade global eine Summe zur Verfügung, die zwar gemäß § 205 iVm § 178 ASVG der Höhe nach begrenzt ist, aber im Gegensatz zum Sachleistungsfall nicht nur bestimmte Teile einer Schadensart decken soll. Alleine dass die Höhe der sozialversicherungsrechtlichen Versehrtenrente nicht die Höhe des gesamten schadenersatzrechtlichen Verdienstentgangs erreichen mag, kann die sachliche Kongruenz per se nicht verhindern, knüpfen doch die sozialversicherungsrechtlichen Tatbestände (die Versicherungsfälle) grundsätzlich nicht am zivilrechtlichen Schadensbegriff an, sondern wählen eigene Fallbeschreibungen und gewähren Leistungen in unterschiedlicher Höhe (Neumayr, Rechtsfragen an der Schnittstelle von Sozialversicherungs- und Schadenersatzrecht, RZ 2010, 161 ff [165]; Krejci‑Böhler in Tomandl, System, 3.2.3.3.5.). Das Zivilrecht ist vom Grundsatz der individuellen Schadloshaltung bestimmt, das Sozialversicherungsrecht dagegen bietet eine Grundversorgung aus einer typisierten Massenversicherung (Neumayr, aaO). So wird die Versehrtenrente nach § 205 ASVG nach dem Grad der erlittenen Minderung der Erwerbsfähigkeit in objektiv-abstrakter Betrachtung aufgrund eines ärztlichen Gutachtens über die Unfallfolgen bemessen (vgl Fellinger in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm, § 205 ASVG Rz 4 ff) und hängt weder vom Eintritt noch von der Höhe eines zivilrechtlichen Verdienstentgangs ab. Dies wird gerade im vorliegenden Fall deutlich, hat doch der Kläger unbestritten in seinem Hauptberuf keine Einkommenseinbuße erlitten und erhielt dennoch eine Versehrtenrente.

3.9. Auch im von Krejci herangezogenen deutschen Rechtsbereich wird in der Schadensgruppe des Erwerbsschadens bei der sachlichen Kongruenz zB zur Rente wegen Erwerbsminderung ‑ im Gegensatz zu den Sachleistungen ‑ nicht weiter differenziert (vgl Waltermann in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht³ § 116 SGB X 100 Rn 39 und 42 f; Wussow, Unfallhaftpflichtrecht12, Kap 74 Rn 64 ff; von Maydell/Ruland/Becker, Sozialrechtshandbuch5 § 9 Rn 8 ff).

3.10. Der erkennende Senat sieht sich daher insgesamt nicht veranlasst von seiner ständigen Judikatur zur grundsätzlichen sachlichen Kongruenz von Verdienstentgang aus Nebenbeschäftigung und sozialversicherungsrechtlicher Versehrtenrente abzugehen. Einer näheren Prüfung der (in der Revisionsbeantwortung dahingestellt gelassenen) Frage, ob die Nebenbeschäftigung des Klägers, die nach den erstgerichtlichen Feststellungen nach dem GSVG nicht versicherungspflichtig war, allenfalls dennoch unfallversicherungspflichtig war, bedarf es daher nicht mehr.

3.11. Ein sachlich und zeitlich kongruenter Schadenersatzanspruch des Verletzten geht allerdings auch nur in dem Umfang auf den Sozialversicherungsträger über, als dieser Leistungen zu erbringen hat. Ein darüber hinausgehender Schadenersatzanspruch verbleibt dagegen beim Verletzten. Er ist also (nur) im Umfang der Differenz zwischen dem zuzusprechenden Verdienstentgang und den Sozialleistungen des Sozialversicherungsträgers aktiv legitimiert (RIS‑Justiz RS0087557).

Hier haben die Vorinstanzen aufgrund ihrer abweichenden Rechtsansicht im Sinne der ebenfalls notwendigen zeitlichen Kongruenz (vgl RIS‑Justiz RS0085396; Mayer in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV‑Komm § 332 ASVG Rz 96 ff; Neumayr in Schwimann ABGB³ § 332 ASVG Rz 71 ff) aber keine Feststellungen zur im Klagszeitraum 11/2007 bis 12/2009 zu leistenden Versehrtenrente getroffen. Bei der im Zeitraum 1. 1. 2007 bis 31. 12. 2009 weiters festgestellten Leistung für einen Kuraufenthalt ist sowohl die zeitliche als auch die sachliche Kongruenz fraglich. Sachliche Kongruenz könnte bestehen, wenn der Zweck des Kuraufenthalts die Ermöglichung der Fortsetzung der Erwerbstätigkeit (berufliche Reha ‑ vgl allgemein zur Kongruenz von Rehabilitationsmaßnahmen RIS‑Justiz RS0084899) war, ansonsten wäre er nur kongruent zu Heilungskosten (vgl Mayer in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV‑Komm § 332 ASVG Rz 57, 59).

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren ausreichende Feststellungen zum Umfang der Leistungen an Versehrtenrente im Klagszeitraum bzw im gerade aufgezeigten Sinn zum Kuraufenthalt zu treffen haben, um eine abschließende rechtliche Beurteilung der Sache zu ermöglichen. Soweit sich darauf aufbauend ein den Kläger zustehender Anspruch ergibt, wird dann gegebenenfalls auf das Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers (vgl zur Berechnung RIS-Justiz RS0027370) Bedacht zu nehmen sein.

4.  Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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