OGH 2Ob289/97g

OGH2Ob289/97g25.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Werner K*****, vertreten durch Dr. Reinhard Neureiter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei ***** AG, ***** vertreten durch Dr. Ferdinand Neundlinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 228.089 sA (Revisionsinteresse S 73.392,25), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 18. Juni 1997, GZ 17 R 122/97d-72, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 14. März 1997, GZ 6 Cg 75/93f-68, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.071,04 (darin enthalten S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde am 26. 4. 1992 als Beifahrer bei einem von seinem Bruder und Versicherungsnehmer der beklagten Partei verschuldeten Verkehrsunfall verletzt. Die Haftung der beklagten Partei zu 3/4 ist nicht mehr strittig. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens bilden die Verdienstentgangsansprüche des Klägers. Verdienst sei ihm einerseits aufgrund der unfallskausalen Kündigung durch seinen Dienstgeber, andererseits auch dadurch entgangen, daß er "Pfuscharbeiten" unfallsbedingt nicht durchführen habe können. Diese Ansprüche betrügen insgesamt S 283.041.

Im ersten Rechtsgang sprach das Erstgericht dem Kläger unter Berücksichtigung seines Mitverschuldens von einem Viertel Schmerzengeld im Ersatz für Pflegeleistungen und Besucherkosten sowie den Entgang jenes Verdienstes, der aus der unfallbedingten Kündigung des Klägers resultierte, in Höhe von S 54.952 (netto) zu und wies ein Mehrbegehren von S 329.795 ab.

Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung eines Betrages von S

101.703 und hob das Urteil hinsichtlich der Abweisung von S 228.089 zur ergänzenden Verhandlung und Entscheidung auf. Bei diesem Betrag handelte es sich um die Differenz zwischen dem begehrten Verdienstentgang von S 283.041 und dem zugesprochenen von S 54.952 netto. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, daß kein Grund bestehe, den unfallskausalen Wegfall eines Arbeitseinkommens durch Pfuscharbeiten nicht als Entgang im Sinn des § 1325 ABGB zu beurteilen. Es erachtete noch weitere Feststellungen für erforderlich.

Im zweiten Rechtsgang gab das Erstgericht dem restlichen Klagebegehren mit einem Teilbetrag von S 73.322,25 samt gestaffeltem Zinsenbegehren statt.

Es ging von nachstehenden Feststellungen aus:

Der Kläger leistete alljährlich ab etwa April an den Wochenenden im Sommer verschiedene entgeltliche Arbeiten im Rahmen der Nachbarschaftshilfe. Während der Sommermonate war er praktisch an jedem Wochenende voll beschäftigt und "pfuschte" an ca 30 bis 40 Wochenenden im Jahr. Pro Wochenende erhielt er ca S 5.000, wobei er dieses Geld zumeist jedoch nicht ausbezahlt bekam, sondern seine Arbeiten in Form von Gegengeschäften entlohnt wurden. Er hätte auf diese Weise Arbeiten für einen Installateur und einen Elektriker, die in seinem Haus arbeiten, Leistungen erbringen sollen. Er konnte unfallsbedingt im Jahr 1992 an zumindest 15 Wochenenden nicht "pfuschen" gehen, war danach aber nicht mehr gehindert, Pfuscharbeiten zu erbringen. Aufgrund der Kündigung durch den Dienstgeber erlitt der Kläger einen Verdienstentgang von S 54.952,42 netto. Damit ihm dieser Betrag nach ordnungsgemäßer Versteuerung der Schadenersatzleistung netto tatsächlich verbleibt, muß diese Leistung brutto S 77.715 betragen.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß es an die Rechtsanschauung des Berufungsgerichtes, wonach kein Grund bestehe, den unfallskausalen Wegfall von Einkünften aus Pfuscharbeiten nicht als Entgang im Sinn des § 1325 ABGB zu beurteilen, gebunden sei. Bei nicht versteuerten Einkünften aus unregelmäßigen Pfuscharbeiten sei davon auszugehen, daß es sich grundsätzlich um die Vereinbarung eines Bruttolohns handle und es in solchen Fällen allein die Sache des Empfängers der Geldleistung sei, ob und wie er dies versteuere. Der Schaden des Klägers aus dem unfallskausalen Wegfall seiner Einkünfte aus Pfuscharbeiten betrage insgesamt S 75.000, wovon ihm unter Berücksichtigung des rechtskräftig festgestellten Mitverschuldens noch ein Betrag von S 56.250 zuzusprehen sei. Darüber hinaus sei ihm ein weiterer Betrag von S 17.072,25 zuzusprechen, weil die Berechnung im ersten Rechtsgang unrichtig erfolgt sei.

Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der unfallskausale Wegfall einer nebenberuflichen Tätigkeit sei Verdienstentgang. Dies ungeachtet eines allfälligen Verstoßes gegen die Gewerbeordnung oder vergleichbaren Vorschriften, weil kein Grund bestehe, den unfallskausalen Wegfall eines derartigen Arbeitseinkommens nicht als Entgang im Sinn des § 1325 ABGB zu beurteilen. Der Zuspruch eines weiteren Betrages von S 17.072,25 verstoße nicht gegen die Teilrechtskraft, weil über diesen Betrag noch nicht rechtskräftig abgesprochen worden sei, sondern im aufhebenden Teil der Entscheidung enthalten gewesen sei.

Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil sich das Berufungsgericht im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bewegt habe.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die Entscheidung im Sinn einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil jüngere Rechtsprechung zur Frage des Verdienstentganges bei Pfusch bzw Schwarzarbeiten nicht besteht; sie ist aber nicht berechtigt.

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund liegt nicht vor. Der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO wird nur dann hergestellt, wenn a) die Fassung eines Urteils so mangelhaft ist, daß dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann; b) das Urteil mit sich selbst in Widerspruch steht; c) für die Entscheidung keine Gründe angegeben sind. Nach der ständigen Rechtsprechung wird der Nichtigkeitsgrund nur durch den völligen Mangel der Gründe (Fall c), nicht jedoch durch eine mangelhafte Begründung gebildet. Ein völliger Mangel an Begründung liegt nur dann vor, wenn die Entscheidung gar nicht oder so unzureichend begründet ist, daß sie sich nicht überprüfen läßt (vgl Kodek in Rechberger § 477 Rz 12 mwN). Die Entscheidung des Berufungsgerichtes ist aber ausreichend begründet, weshalb von einem mit dem genannten Nichtigkeitsgrund behafteten Urteil nicht die Rede sein.

In der Entscheidung SZ 9/27 wurde ausgeführt, daß die Zusage einer Entlohnung für eine bestimmte Tätigkeit nicht dadurch nichtig werde, daß diese gegen das Winkelschreibereiverbot verstoße. Ein Verbotsgesetz ziehe die Nichtigkeit eines dagegen verstoßenden Geschäftes nur dann nach sich, wenn es eine "lex perfecta" sei, also entweder diese Folge ausdrücklich im Fall ihrer Übertretung ausspreche oder wenigstens ihr dem allgemeinen Interesse dienenden rechtspolitischen Zweck nur auf diesem Wege erreicht werden könne. Der Gesetzgeber wolle nicht zu tief in das Verkehrsleben eingreifen, seine Absicht gehe nicht selten dahin, nicht die durch das verbotene Geschäft eintretende Veränderung der Privatrechtssphäre der Beteiligten zu hindern, sondern die Handlung selbst als ein der öffentlichen Ordnung zuwiderlaufendes Ereignis zu ahnden. Die die Winkelschreiberei betreffenden Gesetzesverordnungen enthielten weder eine ausdrückliche Nichtigerklärung der gegen sie verstoßenden Geschäfte; auch ihr Zweck erfordere die Nichtigerklärung nicht.

In der Entscheidung JBl 1954, 591 wurde ausgesprochen, daß die Gültigkeit der Provisionsvereinbarung von der Gewerbeberechtigung des Vermittlers unabhängig sei. Der Zweck der gewerberechtlichen Norm, daß nur dazu befugte Personen mit Befähigungsnachweis die Tätigkeit als Handelsagent entfalten dürften, bestehe darin, allzu große Berufskonkurrenz und die Ausübung des Berufs durch ungeeignete Personen zu verhindern. Das Verbot, ohne Zulassung tätig zu werden, solle aber nicht die von unbefugten Personen getroffenen Vereinbarungen, die von anderen Personen in gleicher Weise hätten geschlossen werden können, rückgängig machen und damit dem Geschäftspartner des unberechtigten Vermittlers Vermögensvorteile verschaffen. Mangels einer ausdrücklichen Norm, die die Nichtigkeit der Geschäfte anordne, müßten die von unbefugten Personen geschlossenen Geschäfte als wirksam angesehen werden.

In der Entscheidung JBl 1956, 153 wurde bei der Rentenbemessung nach § 1327 ABGB auch das Nebeneinkommen des Verunglückten aus einer ohne Gewerbeberechtigung ausgeübten Tätigkeit berücksichtigt. Der Zweck der Vorschriften der Gewerbeordnung erfordere nicht, Verträge zwischen einem zum Gewerbebetrieb nicht Befugten und seine Kunden als nichtig zu behandeln. Selbst wenn eine Tätigkeit des Verunglückten gegen die Gewerbeordnung verstoßen habe, sei die Verwendung der aus dieser Tätigkeit erzielten Mittel für den Unterhalt seiner Angehörigen weder strafbar noch verboten.

Auch die Entscheidung JBl 1968, 366 sprach aus, daß ein verbotswidriges Rechtsgeschäft nur dann nichtig sei, wenn der Zweck der Verbotsnorm dies verlange. Im konkreten Fall sei ein derartiges Verbot dem Ziviltechnikergesetz nicht zu entnehmen.

In der Entscheidung RZ 1976/79 wurde ausgesprochen, daß das Nebeneinkommen aus Pfuscharbeit bei Berechnung des Deckungsfonds des Sozialversicherungsträgers einzubeziehen sei. Da die Rechtsprechung den Anspruch auf Leistung eines Entgelts für eine Tätigkeit trotz allfälligen Verstoßes gegen die Gewerbeordnung oder vergleichbare Vorschriften anerkannt habe, bestehe kein Grund, den unfallskausalen Wegfall eines derartigen Arbeitseinkommens nicht als Entgang im Sinn des § 1325 ABGB zu beurteilen.

Zu verweisen ist auch noch auf SZ 54/70, wonach auch der Verdienstentgang einer Prostituierten grundsätzlich als ersatzfähig angesehen wurde.

In der Lehre wird die Rechtsprechung kommentarlos zitiert (vgl Reischauer in Rummel2 § 1325 Rz 24) bzw nicht ausdrücklich kommentiert (Koziol, Haftpflichtrecht2, 130 ff; Harrer in Schwimann2 § 1325 Rz 32 ff). Koziol, Haftpflichtrecht I3, Rz 8/36 verweist darauf, daß bei Schwarzarbeitsverträgen der entgangene Gewinn zu ersetzen sei, wenn der Geschädigte einen durchsetzbaren Anspruch erlangt hätte.

In der Bundesrepublik Deutschland ist nach dem Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit vom 30. 3. 57 idF dBGBl 1982 I Seite 9 - anders als in Österreich - ein Vertrag zwischen dem, der die Schwarzarbeit übernimmt und dem, der sie in Auftrag gibt, nichtig. Aus derartigen nichtigen Schwarzarbeitsverträgen entstehen keine Erfüllungs-, wohl aber Gewährleistungsansprüche. Dem folgend hat die Rechtsprechung ausgeführt, daß der unfallbedingte Verlust von Einnahmen aus solchen Schwarzarbeitsgeschäften nicht zur Herleitung von Schadenersatzansprüchen führen kann (Nachweise bei Wussow, Unfallhaftpflichtrecht14 Rz 1539; Geigel, Der Haftpflichtprozeß22 4, Rz 104). Auch in der Lehre wurde der Frage, ob der Anspruch auf Ersatz entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) auch den Gewinn umfaßt, der nur durch rechtswidrige oder sittenwidrige Tätigkeit erzielt hätte werden können, ausführliche Untersuchungen gewidmet (Stürner in VersR 1976, 1012 ff; Mertens in Soergel/Siebert BGB Schuldrecht I § 252 BGB Rz 7; Staudinger Kommentar zum BGB § 252 Rz 11; Grunsky in MünchKomm Komm § 242 Rz 4, Alff im BGB-RGRK § 252 Rz 4, Lange, Schadensersatz2 § 6 X 8). Dabei wird übewiegend die Meinung vertreten, daß bei Gewinnen aus unerlaubten Verträgen zu unterscheiden ist, ob das einschlägige Verbotsgesetz nicht nur die Vornahme des Rechtsgeschäfts, sondern auch dessen zivilrechtliche Wirkung nicht billigt. Gewinne, die entgegen gewerbepolizeilicher Vorschrift erzielt worden wären, seien ersatzpflichtig, weil dieser Umstand die zivilrechtliche Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes im allgemeinen nicht hindere (vgl Lange Schadensersatz2 § 6 X 8; Staudinger § 252 Rz 11; MünchKomm § 252 Rz 4 aA Stürner VersR 1976, 1012).

Bei neuerlicher Prüfung der Frage der Ersatzfähigkeit des Verdienstentgangs aus Pfuscharbeiten ist zunächst zu beachten, daß nach § 366 Abs 1 Z 1 GewO derjenige eine Verwaltungsübertretung begeht, der ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben. Die ohne gewerberechtliche Genehmigung erfolgte Ausübung eines Gewerbes wird zwar unter Strafe gestellt, die Nichtigkeit dieser Tätigkeit aber ausdrücklich nicht ausgesprochen. Fehlt aber eine ausdrückliche Nichtigkeitsanordnung, kann sie nur dem Normzweck entnommen werden (vgl Krejci in Rummel § 879 Rz 28).

Der erkennende Senat hält die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach eine gegen die Gewerbeordnung verstoßende Tätigkeit zwar unter Strafe steht, aber nicht nichtig ist, aufrecht. Zweck der in der Gewerbeordnung enthaltenen Strafbestimmungen ist die Vermeidung solcher Tätigkeiten an sich, doch kann daraus die Nichtigkeit des einzelnen Geschäftes nicht abgeleitet werden. Wird das Entgelt aus einer derartigen Tätigkeit geltend gemacht, kann sich der Vertragspartner nicht auf die Nichtigkeit des betreffenden Geschäftes berufen. Die Rechtsfolgen einer derart rechtlich verpönten Tätigkeit liegen in nachfolgenden verwaltungsbehördlichen Strafverfahren bzw in weiteren steuerrechtlichen Folgen, die bei Geltendmachung solcher Ansprüche riskiert werden. Das bedeutet aber nicht, daß solche Ansprüche nicht klagbar wären. Sind sie allerdings klagbar, dann sind sie auch im Sinne der ständigen Rechtsprechung bei der Verdienstentgangsberechnung zu berücksichtigen. Schon aus diesem Grund ist der in der Revision vertretenen Ansicht, daß bei Bejahung der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsmeinung auch Gewinne aus strafgesetzlich verpönten Handlungen ersatzfähig wären, entgegenzutreten, weil Verstöße gegen Strafrechtsnormen in der Regel auch Verstöße gegen gesetzliche Verbote im Sinn des § 879 Abs 1 ABGB sind (Krejci in Rummel § 879 Rz 32; Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 8/36).

Soweit in der Revision ein Verstoß gegen die Teilrechtskraft erblickt wird, weil auch jener Betrag zugesprochen wurde, der notwendig ist, um den aus der Kündigung durch den Dienstgeber des Klägers verursachten Verdienstentgang entstandenen Schaden netto zu erhalten, ist auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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