Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Hüseyin K***** wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im auf diesen Angeklagten bezogenen Schuldspruch E/1 und demzufolge auch im ihn betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Hüseyin K***** wird im darüber hinausgehenden Umfang, jene des Ünal Y***** zur Gänze zurückgewiesen.
Hüseyin K***** wird mit seiner Berufung, die Staatsanwaltschaft mit ihrer - nur diesen Angeklagten betreffenden - Berufung auf die Kassation des Strafausspruchs verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen des Ünal Y***** und der Privatbeteiligten A*****-AG, W***** und Andreas S***** werden die Akten zunächst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten Hüseyin K***** und Ünal Y***** fallen auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Hüseyin K***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall, 15, 12 zweiter Fall StGB (A/I/a bis d, A/II/a und b; B), sowie der Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB (C), der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (E/1 und 2) und der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB (F) und Ünal Y***** der Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, (zu ergänzen:) 15 StGB (A/II/a), der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (D) und der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (E/1) schuldig erkannt.
Danach haben - soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung - in Wien und anderen Orten Österreichs
(A) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz, Hüseyin K***** auch in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer (§ 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB) Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, (zu A/I/a, b und A/II/a, b) Verfügungsberechtigte nachstehender Versicherungs-unternehmen durch Vortäuschung von Haftpflichtversicherungsfällen unter Verwendung falscher Beweismittel zur Auszahlung tatsächlich nicht geschuldeter Versicherungsleistungen in nachstehender Höhe verleitet (A/I) und zu verleiten versucht (A/II), wodurch die Versicherungsunternehmen in dieser Höhe am Vermögen geschädigt wurden oder werden sollten, und zwar
I/a) Hüseyin K***** am 1. Oktober 2005 Verfügungsberechtigte der A*****-AG zur Zahlung von 19.562,80 Euro an die T***** GmbH als Schmerzengeld und Schadensablöse, indem er im Unfallbericht behauptete, der Lenker des gegnerischen Fahrzeugs Andreas S***** habe den der Forderung zugrunde liegenden Verkehrsunfall vom 17. August 2005 durch eine Vorrangverletzung schuldhaft verursacht, obwohl er selbst den Zusammenstoß als Lenker des zweiten unfallbeteiligten Fahrzeugs absichtlich herbeigeführt hatte, und dazu ein diesen Geschehensablauf bestätigendes Gedächtnisprotokoll eines angeblichen Unfallzeugen vorlegte;
II/a) Hüseyin K***** und Ünal Y***** im einverständlichen Zusammenwirken am 7. November 2005 Verfügungsberechtigte der W***** zur Zahlung von 3.000 Euro Schmerzengeld an Ünal Y***** und einer Schadensablöse von 10.038,10 Euro an die T***** GmbH, indem Ünal Y***** in dem von Hüseyin K***** zur Geltendmachung der Ansprüche verwendeten Unfallbericht behauptete, der Lenker des gegnerischen Fahrzeugs Manuel N***** habe den der Forderung zugrunde liegenden Verkehrsunfall vom 2. Oktober 2005 durch Außerachtlassung der nötigen Sorgfalt im Straßenverkehr schuldhaft verursacht, obwohl er selbst den Zusammenstoß als Lenker des zweiten unfallsbeteiligten Fahrzeugs absichtlich herbeigeführt hatte;
(C) Hüseyin K***** jeweils als Lenker eines PKW durch absichtliche Verursachung von Kollisionen nachstehende Fahrzeuge vorsätzlich beschädigt, wobei er durch die Taten einen insgesamt 3.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte, und zwar
1) am 2. Dezember 2005 einen von Franz P***** gelenkten LKW,
2) am 17. August 2005 einen von Andreas S***** gelenkten PKW und
3) am 27. Jänner 2007 einen von Ing. Roman A***** gelenkten PKW;
(E) die im Folgenden genannten Personen dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass sie diese jeweils der von Amts wegen zu verfolgenden, mit Strafe bedrohten Handlung der fahrlässigen Körperverletzung (§ 88 Abs 1 StGB) wissentlich falsch verdächtigten, indem sie wahrheitswidrig behaupteten, im Zuge von den Genannten schuldhaft verursachter Verkehrsunfälle am Körper verletzt worden zu sein, obwohl sie diese Zusammenstöße tatsächlich selbst absichtlich herbeigeführt hatten, und zwar
1) Hüseyin K***** und Ünal Y***** im einverständlichen Zusammenwirken am 2. Oktober 2005 den Manuel N***** in Betreff des zu A/II/a beschriebenen Verkehrsunfalls und
2) Hüseyin K***** am 18. August 2005 den Andreas S***** in Betreff des zu A/I/a beschriebenen Verkehrsunfalls;
(F) Hüseyin K***** am 17. August 2005 durch die zu A/I/a (richtig: C/2) beschriebene Tat unter besonders gefährlichen Verhältnissen eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit des Andreas S***** herbeigeführt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die von Hüseyin K***** aus den Gründen der Z 4, 5, 9 lit a, 9 lit b und 11 und von Ünal Y***** aus jenen der Z 5, 5a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden. Nur jener des Erstgenannten kommt teilweise Berechtigung zu.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Hüseyin K*****:
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zeigt zutreffend auf, dass die Urteilsannahmen zum Schuldspruch E/1 die Subsumtion unter § 297 Abs 1 erster Fall StGB nicht zu tragen vermögen. Feststellungen zu einer - mit entsprechender Intention gesetzten - Ausführungshandlung des Beschwerdeführers, die für die hier aktuelle Annahme unmittelbarer Täterschaft erforderlich wären, sind der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen (US 16 f, 18, 28). Mangels Konstatierungen dazu, dass Hüseyin K***** den unmittelbaren Täter konkret zu einer Verleumdung des Unfallgegners veranlasst oder sonst hiezu beigetragen hätte (im Rahmen der Beweiswürdigung wurden bloß Erwägungen „zur Frage“ angestellt, „weshalb sich der Zweitangeklagte [Anm: Ünal Y*****] vom Erstangeklagten [Anm: Hüseyin K*****] zur Verursachung eines absichtlichen Verkehrsunfalls überreden lassen sollte“; US 24), reichen die diesen Schuldspruch betreffenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 22, 28 jeweils erster Absatz) auch für die - rechtlich gleichwertige - Beurteilung des Täterverhaltens als Bestimmungs- oder Beitragstäterschaft (§ 12 zweiter und dritter Fall StGB) nicht aus, worauf die Beschwerde ebenfalls mit Recht hinweist.
Da schon dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen die Aufhebung des Urteils im auf Hüseyin K***** bezogenen Schuldspruch E/1, demzufolge auch im Strafausspruch dieses Angeklagten sowie insoweit die Verweisung der Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung bereits in nichtöffentlicher Sitzung erfordert (§ 285e StPO), erübrigt sich ein Eingehen auf die Sanktionsrüge (Z 11; vgl dazu aber unten).
Im Übrigen kommt der Nichtigkeitsbeschwerde keine Berechtigung zu.
Entgegen dem den Schuldspruch A/I/a betreffenden Einwand der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des - im Übrigen nicht durch die gebotene Angabe der Fundstelle in den umfangreichen Akten bezeichneten (RIS-Justiz RS0124172) - Antrags auf Vernehmung des Kurt H***** (ON 262 S 109 f, S 115) Verteidigungsrechte nicht verletzt, weil das Begehren auf den Nachweis der subjektiven Meinung des Genannten zu Wissen und Wollen des Beschwerdeführers bei der Tatbegehung (dass nämlich der Unfallsgegner Andreas S*****, nachdem er sein Fahrzeug zunächst angehalten hatte, „für den Angeklagten … unvermutet … beschleunigte“ und der „Verkehrsunfall vom Angeklagten … nicht provoziert wurde.“) abzielte, derartige Wertungen und Schlussfolgerungen aber kein Gegenstand einer Zeugenvernehmung sind (RIS-Justiz RS0097540, RS0097545; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 352, Kirchbacher, WK-StPO § 247 Rz 5).
Erst im Rechtsmittel nachgetragene Ergänzungen eines Beweisantrags unterliegen dem Neuerungsverbot und sind daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).
Die die Schuldsprüche A/I/a und A/II/a betreffende Mängelrüge scheitert mit ihrem Einwand unvollständiger Begründung (Z 5 zweiter Fall) schon am Fehlen der - bei wie hier umfangreichen Akten aber jedenfalls erforderlichen - Angabe der genauen Fundstelle der angeblich unberücksichtigt gebliebenen Verfahrensergebnisse in den Akten (vgl erneut RIS-Justiz RS0124172).
Davon abgesehen haben die Tatrichter ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen sie die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers als unglaubwürdige Schutzbehauptung ansahen (US 21 bis 25). Mit den Feststellungen zu einem - zudem nicht entscheidungswesentlichen - Mitverschulden des Manuel N***** am Verkehrsunfall vom 2. Oktober 2005 (A/II/a) in der - in der Hauptverhandlung verlesenen (ON 262 S 115) - Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 25. Juni 2009, AZ 15 R 60/09t (ON 256) setzten sie sich gleichfalls auseinander (vgl dazu auch Ratz, WK-StPO § 281 Rz 430) und verwiesen dazu auf das Gutachten des Sachverständigen D*****, welches wiederum auf der im Zivilverfahren eingeholten fotogrammetrischen Auswertung der - in der Beschwerde thematisierten - Lichtbilder basierte (US 24, ON 256 S 11 ff iVm ON 103 S 17 ff). Das - offenbar im Stammverfahren eingeholte, bei der Verfahrenstrennung aber nicht in den gegenständlichen neu gebildeten Akt übernommene (vgl ON 1 S 111, S 187 f) - „Gutachten des Sachverständigen Hermann K*****“ kam in der Hauptverhandlung nicht vor und durfte demgemäß bei der Urteilsfällung nicht berücksichtigt werden (§ 258 Abs 1 StPO; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 421 f und 427; für viele: RIS-Justiz RS0118316, RS0113209).
Ob der Beschwerdeführer Ünal Y***** dazu „überredete“, den Verkehrsunfall vom 2. Oktober 2005 absichtlich herbeizuführen (A/II/a; US 24 f), ist mit Blick auf die - den Schuldspruch wegen §§ 146 ff StGB schon für sich tragenden - Feststellungen, nach denen Hüseyin K***** Berechtigte des geschädigten Versicherungsunternehmens mit entsprechendem Vorsatz durch Vorlage eines von Ünal Y***** verfassten inhaltlich unrichtigen Unfallberichts zur Auszahlung einer tatsächlich nicht geschuldeten Versicherungsleistung zu verleiten versuchte (US 16 f), nicht entscheidend.
Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum (verbleibenden) Schuldspruch wegen des Vergehens der Verleumdung (E/2) Feststellungen zur Gefahr einer behördlichen Verfolgung sowie zur subjektiven Tatseite vermisst, übergeht sie die entsprechenden Konstatierungen, wonach gegen Andreas S***** ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde (US 16) und der Beschwerdeführer im Wissen um die inhaltliche Unrichtigkeit seiner Angaben zur Unfallursache und mit auf strafrechtliche Verfolgung des Genannten gerichtetem Vorsatz handelte (US 16, 18, 28), und verfehlt solcherart den (auf der Sachverhaltsebene) in den Feststellungen der Tatrichter gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584).
Indem sie - zudem erneut ohne korrekte Angabe der Fundstelle in den Akten (genannt wird „ON 9 S 234“, die eine Sachverhaltsdarstellung der R***** AG enthält und 73 Seiten umfasst) - unter Hinweis auf einen „Bericht der Unfallversicherungsanstalt, Unfallkrankenhaus Meidling vom 18. August 2005“ (gemeint wohl: ON 5 S 119) Feststellungen dazu vermisst, dass die behauptete Verletzung des Beschwerdeführers weder mit einer drei Tage übersteigenden Gesundheitsstörung noch mit Berufsunfähigkeit verbunden war, leitet sie nicht aus dem Gesetz ab, weshalb es darauf für die rechtsrichtige Subsumtion ankommen soll (vgl dazu auch § 88 Abs 2 StGB sowie Fabrizy, StGB10 § 297 Rz 5; Pilnacek in WK² § 297 Rz 16).
Die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b) stützt den Einwand von Verjährung bloß auf eine isolierte Betrachtung der den damit bekämpften Schuldsprüchen E zugrunde liegenden Taten, ohne dabei an der Bestimmung des § 58 Abs 2 StGB Maß zu nehmen und verfehlt solcherart ein weiteres Mal den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt.
Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei festgehalten, dass die inkriminierten Verleumdungen (E) nach den Urteilsannahmen am 18. August 2005 und 2. Oktober 2005 begangen wurden (US 8), womit die den Schuldsprüchen A/I/b bis e und A/II zugrunde liegenden - ebenfalls einen Hang zur Täuschung Dritter zum Ausdruck bringenden und demnach auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden (vgl dazu RIS-Justiz RS0112557) - Betrugshandlungen innerhalb der dreijährigen (§ 57 Abs 3 vierter Fall StGB) Verjährungsfrist der erstgenannten Taten erfolgten und hinsichtlich dieser die Verjährung nicht vor - hier noch nicht erfolgtem - Ablauf der Verjährungsfrist für die als Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs beurteilten Taten (A/I und A/II) eintreten konnte (§ 58 Abs 2 StGB).
In Betreff des Schuldspruchs F erschöpft sich das Vorbringen gleichfalls in bloßer Rechtsbehauptung, ohne Darlegung, weshalb § 89 StGB - entgegen ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0113960) - trotz (zufolge Überschneidung der Ausführungshandlungen) eintätigen Zusammentreffens mit der dem Schuldspruch C/2 zugrundeliegenden schweren Sachbeschädigung (US 15 f; vgl dazu Ratz, WK-StPO Vor §§ 28-31 Rz 12 f; Kienapfel AT13 E 8 Rz 43) selbständig verjähren sollte (Marek in WK² § 57 Rz 13 mwN; Ratz, WK-StPO Vor §§ 28-31 Rz 74; vgl auch RIS-Justiz RS0090571).
In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d StPO).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Ünal Y*****:
Die am 7. Dezember 2011 im elektronischen Rechtsverkehr eingebrachte Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich als verspätet, weil die hiefür gesetzlich vorgesehene vierwöchige Frist (§ 285 Abs 1 StPO) mit Zustellung der Urteilsausfertigung an den (früheren) Wahlverteidiger dieses Angeklagten am 18. Oktober 2011 (vgl den Rückschein zu ON 263) zu laufen begann und demnach am 15. November 2011 endete. Die mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2011 erfolgte Mitteilung von der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses hatte nämlich zufolge § 63 Abs 2 erster Satz StPO keinen Einfluss auf die bereits laufende Frist des § 285 Abs 1 StPO. Vielmehr hat der Verteidiger in diesem Fall gemäß § 63 Abs 2 zweiter Satz StPO weiterhin die Interessen des Beschuldigten (§ 48 Abs 2 StPO) zu wahren und innerhalb der Frist erforderliche Prozesshandlungen vorzunehmen, es sei denn, dieser hätte ihm dies ausdrücklich untersagt, was hier gar nicht behauptet wurde (Fabrizy, StPO11 § 63 Rz 2; Achammer, WK-StPO § 63 Rz 16; vgl § 11 Abs 2 RAO). Gleiches gilt für die am 3. November 2011 beschlossene Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers, dem die Urteilsausfertigung am 11. November 2011 neuerlich zugestellt wurde (ON 286), weil § 63 Abs 1 StPO Fälle bereits erfolgter Zustellung an den Wahlverteidiger nicht umfasst (RIS-Justiz RS0125686, RS0116182).
Da bei ihrer Anmeldung (unmittelbar nach Urteilsverkündung, vgl ON 262 S 145) Nichtigkeitsgründe nicht deutlich und bestimmt bezeichnet wurden, war die Nichtigkeitsbeschwerde daher gleichfalls bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO). Auf die - im Übrigen nicht erfolgversprechenden - Argumente in der verspäteten Ausführung war keine Rücksicht zu nehmen (§ 285 Abs 1 zweiter Satz StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen dieses Angeklagten sowie der Privatbeteiligten A*****-AG, der W***** und Andreas S***** gegen die - unberührt gebliebene - Verweisung auf den Zivilrechtsweg (§ 285i StPO), wobei dieses - entgegen der Ansicht der Generalprokuratur - über die Zulässigkeit der Berufungen der Privatbeteiligten nach der aufgrund der Ausführungen in den Schriftsätzen vom 7. Februar 2012 (ON 301) und vom 8. März 2012 (ON 305) sowie des Erstgerichts im Beschluss vom 15. Februar 2012 (ON 303) anzustellenden Prüfung in freier Beweiswürdigung zu befinden haben wird (§ 285i StPO; vgl zum Ganzen: 13 Os 187/08m, 13 Os 155/09g).
Der Angeklagte Hüseyin K***** wird mit seiner Berufung ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer ihn betreffenden Berufung auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.
Bleibt anzumerken:
1. Eine inhaltlich unrichtige Urkunde kann nur dann als falsches Beweismittel nach § 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall StGB beurteilt werden, wenn ihr ein eigener Beweiswert zukommt, was auf - hier teilweise aktuelle - unrichtige Schadensmeldungen (A/I und A/II), die nach den entsprechenden Urteilsannahmen nur die unwahren Behauptungen eines Anspruchstellers gegenüber einem Versicherungsunternehmen umfassen, nicht zutrifft (RIS-Justiz RS0103663; Kirchbacher in WK² § 147 Rz 36).
Während der Wegfall dieser Qualifikation beim Angeklagten Hüseyin K***** bei einzelnen den Schuldsprüchen A/I und A/II zugrunde liegenden Taten zufolge weiterer - rechtsrichtig - § 147 Abs 1 Z 1 StGB subsumierter Betrügereien (vgl A/I/a und B, US 16 und US 18 f) keine Auswirkungen auf den rechtlichen Bestand der nach § 29 StGB zu bildenden Subsumtionseinheit hat (RIS-Justiz RS0120980; Ratz in WK² § 29 Rz 5 ff), stellt der Subsumtionsfehler (A/II/a) per se keinen Nachteil für den Angeklagten Ünal Y***** dar, weil die Bestimmung zufolge gleichzeitiger Verwirklichung der Qualifikation nach § 147 Abs 2 StGB auf den Strafrahmen keinen Einfluss hatte war und bei der Strafbemessung ebenfalls nicht in Anschlag gebracht wurde. Bei der Berufungsentscheidung besteht hinwieder keine dem Berufungswerber zum Nachteil gereichende Bindung des Oberlandesgerichts an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO (RIS-Justiz RS0118870; Ratz, WK-StPO § 290 Rz 27a). Demgemäß bestand für eine amtswegige Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO kein Anlass.
2. Im nur Hüseyin K***** betreffenden zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein, dass auf das gegen diesen Angeklagten ergangene Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 17. April 2007 (rechtskräftig seit 20. April 2007), AZ 10 U 100/04p (ON 257 S 2), nach § 31 StGB Bedacht zu nehmen ist und dass die im ersten Rechtsgang bejahte unangemessen lange Verfahrensdauer zum Ausgleich der dadurch bewirkten Grundrechtsverletzung (Art 6 Abs 1 MRK) ausdrücklich in Rechnung zu stellen und durch eine spür- und messbare (mit anderen Worten rechnerisch spezifizierte) Strafmilderung auszugleichen sein wird (RIS-Justiz RS0114926), worauf dieser Angeklagte zutreffend hinweist.
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)