OGH 4Ob149/06z

OGH4Ob149/06z21.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** AG, *****, vertreten durch Singer Fössl, Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei Bank ***** AG, *****, vertreten durch Eisenberger & Herzog, Rechtsanwaltssozietät in Graz, unter Beitritt des Nebenintervenienten Dr. Manfred M*****, vertreten durch Dr. Richard Benda und Dr. Christoph Benda, Rechtsanwälte in Graz, wegen 153.404,12 EUR sA, über die außerordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 24. März 2006, GZ 2 R 29/06m-73, mit welchem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 11. November 2005, GZ 22 Cg 109/03h-65, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird in der Abweisung des Zinsenbegehrens für die Zeit vom 8. August 2002 bis zum 21. Mai 2003 teilweise bestätigt, im Übrigen aber dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass die Entscheidung insgesamt wie folgt zu lauten hat:

„Die Klagsforderung besteht mit 153.404,12 EUR zu Recht. Die Gegenforderung besteht nicht zu Recht.

Die Beklagte ist daher schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen 153.404,12 EUR samt folgenden Zinsen zu bezahlen:

2,7 % aus 94.880,41 EUR vom 8. August bis zum 18. August 2002, 2,7 % aus 153.404,12 EUR vom 19. August 2002 bis zum 31. Dezember 2002,

4 % aus 153.404,12 EUR vom 1. Februar bis zum 22. Mai 2003, 10,2 % aus 153.404,12 EUR vom 23. Mai 2003 bis zum 30. Juni 2003, 9,47 % aus 153.404,12 EUR vom 1. Juli 2003 bis 31. Dezember 2003, ab 1.1.2004 Zinsen aus 153.404,12 EUR in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, der am letzten Kalendertag des vorhergehenden Halbjahrs galt.

Das Mehrbegehren auf Zahlung von weiteren Zinsen in Höhe von 8,05 % aus 94.880,41 EUR vom 8. August bis zum 18. August 2002 und aus 153.404,12 EUR vom 19. August 2002 bis zum 31. Dezember 2002, von 7,5 % aus 153.404,12 EUR vom 1. Jänner bis zum 31. Jänner 2003 und von 6,2 % aus 153.404,12 EUR vom 1. Februar bis zum 22. Mai 2003 wird abgewiesen.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen die mit 22.023,14 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin 3.095,69 EUR USt, 3.449 EUR Barauslagen) zu ersetzen."

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen die mit 12.101,86 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 955,14 EUR USt, 6.371 EUR Barauslagen) zu ersetzen. Der Nebenintervenient hat seine Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin erwarb vom Nebenintervenienten und zwei weiteren Gesellschaftern mit Abtretungsvertrag und „Sideletter" (Nebenvereinbarung) vom 7. Mai 2002 sämtliche Geschäftsanteile einer im Arzneimittelbereich tätigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Nach der Nebenvereinbarung war ein Teil des Kaufpreises von 232.590 EUR drei Produkten zugeordnet, bei denen nach Ablauf einer bestimmten Frist seit der erstmaligen Zulassung eine Neuzulassung erforderlich war. Dazu sollten die Verkäufer noch bestimmte „Validierungsunterlagen" (dh eine verbesserte pharmakologische Dokumentation) beim Bundesministerium für Soziale Sicherheit und Generationen einreichen.

Der auf diese Produkte entfallende Kaufpreisteil sollte durch eine Bankgarantie gesichert werden. Die Auszahlung sollte von der Vorlage der „vom Ministerium bestätigte[n] Kopie des Übergabe-Begleitschreibens" abhängen. Weitere Bedingung für die Auszahlung war die Vorlage einer vom Nebenintervenienten unterzeichneten Erklärung, wonach „die Dokumente nach bestem Wissen und Gewissen und vollzählig beim Ministerium eingereicht wurden."

Mit dieser Vereinbarung sollte sichergestellt werden, dass der Nebenintervenient an der Aufrechterhaltung der Genehmigungen mitwirkte. Die Formulierung „nach bestem Wissen und Gewissen und vollzählig" wurde gewählt, weil der Nebenintervenient auf Grund seiner Erfahrungen am besten wusste, welche Unterlagen dafür erforderlich waren.

Die Klägerin erteilte der Beklagten den Auftrag zur Erstellung der Bankgarantie. Die Zahlung sollte nach Vorlage einer Erklärung des Nebenintervenienten erfolgen, dass die Dokumentation bezüglich des jeweiligen Produkts „vollzählig beim zuständigen Ministerium eingereicht wurde". Weitere Voraussetzung sollte die Vorlage der in der Nebenvereinbarung genannten Kopie des Übergabsschreibens sein. Die Nebenvereinbarung lag dem Auftrag an die Beklagte bei. Die Beklagte erstellte am 7. Mai 2002 eine mit 31. Jänner 2003 befristete Bankgarantie. Die Bedingungen für die Auszahlung entsprachen dem ihr erteilten Auftrag. Erforderlich war daher neben der Kopie des Übergabsschreibens (nur) die Erklärung der „vollzähligen" (bzw bei zwei Produkten offenkundig aufgrund eines Schreibfehlers der „vollständigen") Einreichung der Dokumente. Der Nebenintervenient rief die Bankgarantie im August 2002 für zwei Produkte mit insgesamt 153.162,75 EUR ab. Dabei formulierte er die Bestätigung der Einreichung wie folgt: „Die Dokumente wurden nach bestem Wissen und Gewissen zusammen mit Hr. Dr. B. W***** erstellt und beim Ministerium eingereicht."

Der zuständige Mitarbeiter der Beklagten ordnete trotz anfänglicher Bedenken ohne Rückfrage bei der Klägerin die Auszahlung an. Die Klägerin hatte als Sicherheit für die von der Beklagten ausgestellte Bankgarantie ihr Guthaben auf einem Konto bei der Beklagten verpfändet. Dieses Konto war mit 2,7 % verzinst. Die Beklagte belastete dieses Konto mit den an den Nebenintervenienten gezahlten 153.162,75 EUR und mit Spesen von 247,37 EUR. Die vom Nebenintervenienten beim Ministerium eingereichten Unterlagen waren nie vollständig; kein Teil des Dossiers war wirklich in Ordnung.

Die Klägerin begehrt die Rückzahlung des von ihrem Konto abgebuchten Betrags samt gestaffelter Zinsen nach § 1333 Abs 2 ABGB. Der Nebenintervenient sei nach der Nebenvereinbarung verpflichtet gewesen, die Dokumente nach bestem Wissen und Gewissen und vollzählig einzureichen. Diese Begriffe hätten eine unterschiedliche Bedeutung gehabt. Die Formulierung sei gewählt worden, weil nur der Nebenintervenient gewusst habe, welche Unterlagen in welcher Anzahl und in welcher pharmakologischen Detailliertheit erforderlich waren. Die Klägerin habe die an einem objektiven Maßstab nachprüfbare Erklärung über die Vollzähligkeit der Unterlagen verlangt; die Bankgarantie sei entsprechend formuliert worden. Die Beklagte habe die beiden Teilbeträge ausgezahlt, obwohl die vom Begünstigten abgegebene Erklärung weder dem Wortlaut noch dem Sinn dieser „Effektivklausel" entsprochen habe. Der Begünstigte habe dem Ministerium zwar Unterlagen vorgelegt, allerdings nicht vollständig, weshalb der Schutzzweck der Bankgarantie nicht erreicht worden sei. Die Beklagte habe daher sowohl die ausgezahlten Beträge als auch die Spesen wegen Verletzung der Pflichten aus dem Garantieauftragsverhältnis zurückzuzahlen. Ein Anspruch des Nebenintervenienten aus dem Grundgeschäft bestehe wegen Nicht- bzw Schlechterfüllung nicht. Das Zinsenbegehren sei berechtigt, weil die Zinsen mit dem gesetzlichen Zinssatz nach § 1333 Abs 2 ABGB pauschaliert seien.

Die Beklagte wandte ein, dass die Bedingungen für die Auszahlung erfüllt gewesen seien. Die vom Nebenintervenienten gewählte Formulierung gehe über die in der Bankgarantie geforderte hinaus, weil damit nicht nur die Vollständigkeit bestätigt worden sei, sondern auch die inhaltliche Gestaltung der Unterlagen nach bestem Wissen und Gewissen. Die Klägerin habe für die Bankgarantie eine Bedingung gewünscht, deren Erfüllung ausschließlich vom Begünstigten abhing. Sie habe nicht gefordert, dass die Unterlagen tatsächlich vollständig überreicht worden sein müssten, sondern sich mit einer diesbezüglichen Erklärung des Nebenintervenienten begnügt. Damit habe nur abgesichert werden können, dass dieser nach bestem Wissen und Gewissen handle. Das habe er mit seiner Erklärung bestätigt. Die Beurteilung, ob die Unterlagen vollständig seien, obliege unabhängig von dieser Erklärung dem Ministerium. Der Zweck der Erklärung, nämlich zu bestätigen, sich bestmöglich um die Einreichung gekümmert zu haben und erst danach das Geld zu bekommen, sei erreicht. Eine Abklärung mit dem Auftraggeber sei wegen der unmissverständlichen Erklärung des Begünstigten nicht notwendig gewesen. Die Klägerin habe als Auftraggeberin der Bankgarantie eine Formulierung vorgegeben, die „de facto nicht erfüllbar" gewesen sei; die nachteiligen Folgen unklarer Formulierungen habe aber derjenige zu tragen, der sich ihrer bediene.

Wenn dem aus der Bankgarantie Begünstigten in Wahrheit kein Anspruch auf die durch die Garantie gesicherte Leistung zustehe, könne nur der Auftraggeber Bereicherungsansprüche gegen den Empfänger geltend machen.

Aufgrund der Auszahlung an den Nebenintervenienten stehe der Beklagten gegen die Klägerin eine Forderung von 153.162,50 EUR zu, und zwar als Aufwandersatz nach § 1014 ABGB und aufgrund der Zahlung einer formell eigenen, materiell aber fremden (nämlich der Klägerin) Schuld gemäß § 1358 ABGB. Diese Forderung werde gegen eine allenfalls bestehende Klagsforderung aufrechnungsweise eingewendet. Der Zinsenanspruch bestehe jedenfalls bis zum 31. Jänner 2003 nur in Höhe von 2,7 %. Denn bis zu diesem Zeitpunkt hätte der abgebuchte Betrag zu diesem Zinssatz auf dem der Beklagten verpfändeten Konto verbleiben müssen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Bestätigung der Einreichung „nach bestem Wissen und Gewissen" ersetze nicht die nach dem Wortlaut der Garantie erforderliche Erklärung einer „vollzähligen" bzw „vollständigen" Einreichung. Die Beklagte müsse daher gegen sich gelten lassen, dass sie dennoch die Garantiesumme ausgezahlt habe, ohne mit der Klägerin Kontakt aufzunehmen. Daher habe die Klägerin Anspruch auf Rückersatz der ausgezahlten Beträge und der verrechneten Spesen. Über die Gegenforderung entschied das Erstgericht nicht ausdrücklich; den Entscheidungsgründen lässt sich jedoch entnehmen, dass es ihr Bestehen verneinte.

Der Berufungsgericht wies die Klage ab und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Der Begünstigte müsse eine Effektivklausel zwar „geradezu pedantisch und wortgetreu" einhalten. Allerdings seien auch Garantieverträge nach den §§ 914, 915 ABGB auszulegen. Dabei sei auf die konkreten Umstände, insbesondere auf den Geschäftszweck und die Interessenlage der Beteiligten Bedacht zu nehmen. Die Auslegung führe im konkreten Fall zum Ergebnis, dass die Erklärung, die Dokumente „nach bestem Wissen und Gewissen" vorgelegt zu haben, mit der in der Garantie geforderten Bestätigung der „vollzähligen" bzw „vollständigen" Vorlage gleichbedeutend sei. Denn auch die Bestätigung der vollständigen Vorlage gebe nur die subjektive Einschätzung des Begünstigten wieder. Diese Auslegung folge auch aus der der Beklagten übermittelten Nebenvereinbarung, in der beide Formulierungen enthalten gewesen seien. Im Auftrag an die Beklagte habe die Klägerin demgegenüber nur die Erklärung der Vollzähligkeit verlangt. Damit habe sie gezeigt, dass sie diese Begriffe synonym verstanden habe. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin von der geplanten Auszahlung zu verständigen. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil höchstgerichtliche Judikatur zu den strittigen Fragen in ausreichendem Maße vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig, weil eine Klarstellung zur Auslegung von Garantieerklärungen erforderlich ist. Sie ist auch berechtigt.

1. Die Vorinstanzen haben die Rechtsprechung zur Inanspruchnahme einer Bankgarantie grundsätzlich richtig dargestellt. Danach muss der Garant zur Sicherung seiner Rückgriffsansprüche vom Begünstigten die strikte, „pedantisch genaue" Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen verlangen („formelle Garantiestrenge"; 1 Ob 584/89 = SZ 62/75; RIS-Justiz RS0016983, RS0016999; zuletzt etwa 1 Ob 160/02i und 6 Ob 105/05t). Entspricht ein bei der Inanspruchnahme der Garantie vorzulegendes Dokument nicht dem in der Garantieurkunde vorgeschriebenen Inhalt, dann liegt keine formgerechte Inanspruchnahme vor, und der Garant kann die im Garantievertrag

verbriefte Leistung ablehnen (1 Ob 529/93 = ecolex 1993, 810; 1 Ob

318/98s = EvBl 1999/104; 1 Ob 160/02i = ÖBA 2003, 541).

Auch die im Rahmen eines Garantievertrags abgegebenen Erklärungen des

Garanten unterliegen allerdings den Auslegungsregeln der §§ 914, 915

ABGB (RIS-Justiz RS0033002, RS0017670). Dabei ist auf die konkreten

Umstände, insbesondere auf den Geschäftszweck und die Interessenlage

der Beteiligten, Bedacht zu nehmen (4 Ob 595/95 = ecolex 1996, 912, 4

Ob 124/00i = ÖBA 2000, 1098). Die formelle Garantiestrenge ist in

diesem Zusammenhang „kein Selbstzweck", sondern trägt nur soweit, als

das dem Willen der Vertragsparteien entspricht (7 Ob 608/94 = ÖBA

1995, 632 mwN, zuletzt etwa 10 Ob 51/03b = ÖBA 2004, 707, und 1 Ob

44/05k = ÖBA 2006, 139).

2. Diese Rechtsprechungsketten stehen - ungeachtet der im Einzelfall möglicherweise unterschiedlichen Gewichtungen - miteinander im Einklang (7 Ob 608/94 = ÖBA 1995, 62 ua; vgl Koziol, Anmerkung zu 1 Ob 620/95, ÖBA 1996, 474, und Rummel, Auslegung von Bankgarantien, ÖBA 2000, 210, 217 f). Denn nach § 914 ABGB ist mangels konkret feststellbarer Absicht der Parteien die Übung des redlichen Verkehrs maßgebend. Diese ist aufgrund einer Analyse der beiderseitigen Interessen zu ermitteln, was nicht selten zur Maßgeblichkeit (allein) des Wortlauts führen wird. Für ein Abweichen müssen „handfeste Gründe" vorliegen (7 Ob 608/94 = ÖBA 1995, 632; Rummel, Glosse zu 7 Ob 679/88, ÖBA 1989, 814; ders, ÖBA 2000, 217).

Die Interessen der Bank legen jedenfalls eine strenge, am Wortlaut haftende Auslegung nahe. Denn sie steht als Garantin im Spannungsverhältnis zwischen ihrem Auftraggeber und dem Begünstigten. Wird ein Abweichen vom Wortlaut grundsätzlich für möglich gehalten, stellt sich sofort die Frage, wie weit es im Einzelfall gehen darf. Damit kann die Garantin in den Streit zwischen dem Garantieauftraggeber und dem Begünstigten hineingezogen werden, was zu vermeiden sie jedenfalls anstreben muss. Demgegenüber hat der Begünstigte unter Umständen ein legitimes Interesse daran, mit der Garantie „nicht nur eine schneidige, sondern auch eine einigermaßen 'wasserdichte' Sicherung in der Hand zu haben, aus der sich die Garantin nicht durch Wortklauberei und formale Tüfteleien herausschleichen kann" (Rummel, ÖBA 2000, 217).

Dieses Interesse des Begünstigten wiegt allerdings nicht immer gleich schwer. Ein Abweichen vom Wortlaut wurde bisher vor allem dann als zulässig angesehen, wenn sich der Sacherhalt unvorhergesehen entwickelt hatte (zB 7 Ob 2135/96p = ÖBA 1997, 191 [Rummel] = ecolex 1997, 158 [krit Rabel]) oder wenn Urkunden vorzulegen waren, deren

Inhalt der Begünstigte nicht beeinflussen konnte (5 Ob 56/97i = ÖBA

1998, 225 (Apathy); 10 Ob 51/03b = ÖBA 2004, 707; 1 Ob 44/05k =

ecolex 2005, 762 [Friedl]). Diesen Fällen ist gemeinsam, dass die Auszahlung der Garantie nicht (allein) von einer Erklärung des Begünstigten abhing, sondern von „externen", oft mit dem Grundverhältnis verketteten Umständen. Hier kann tatsächlich das Interesse des Begünstigten am Abweichen vom Wortlaut schwerer wiegen als jenes der Garantin an einer „pedantischen Erfüllung" der Garantiebedingungen; „Wortklauberei" (Rummel aaO) entspräche dann nicht der Absicht redlicher Parteien (§ 914 ABGB).

Die Interessenlage ist deutlich anders, wenn die Auszahlung nur von einer Erklärung des Begünstigten abhängt. Denn in diesem Fall ist nicht ersichtlich, warum er ein (legitimes) Interesse daran haben soll, etwas anderes zu erklären als in der Bankgarantie vorgesehen. Umgekehrt bleibt für die Garantin die Gefahr bestehen, durch Akzeptieren eines Abweichens vom Wortlaut in einen Streit mit ihrem Auftraggeber zu geraten. Das spricht dafür, in solchen Fällen bei der vollen Garantiestrenge zu bleiben. Zwar ist sie kein „Selbstzweck". Mangels legitimer Interessen des Begünstigten - den ja die Garantin grundsätzlich auf eine nicht entsprechende Abruferklärung hinweisen muss, um ihm eine Verbesserung zu ermöglichen (RIS-Justiz RS0086598) - wird es aber im Regelfall kaum „handfeste Gründe" geben, vom Erfordernis der „pedantischen" Einhaltung des Wortlauts abzugehen

(zur Strenge in Bezug auf die Abruferklärung vgl insb 1 Ob 584/98 =

SZ 62/75 und 2 Ob 339/99p = SZ 73/24).

3. Im vorliegenden Fall hat der Nebenintervenient nicht, wie in der Garantie vorgesehen, erklärt, die Dokumente „vollzählig" oder „vollständig" beim zuständigen Ministerium eingereicht zu haben; er beschränkte sich darauf, die Einreichung „nach bestem Wissen und Gewissen" zu bestätigen. Ein legitimes Interesse an dieser abweichenden Formulierung ist nicht zu erkennen. War er überzeugt, die Dokumente vollzählig (vollständig) eingereicht zu haben, so hätte er das ausdrücklich bestätigen können. Die Wahl einer anderen Formulierung legt zumindest nahe, dass er eine objektiv nachprüfbare Erklärung vermeiden wollte.

Es trifft zwar zu, dass die bloße Erklärung der vollzähligen (vollständigen) Überreichung genügt hätte. Die Vollzähligkeit (Vollständigkeit) ist aber - anders als die Einreichung nach bestem Wissen und Gewissen - in einem späteren Verfahren (etwa vor dem Strafgericht oder zwischen der Klägerin und dem Nebenintervenienten) objektiv nachprüfbar. Gibt der Nebenintervenient diese Erklärung ab, so setzt er sich viel eher einem Betrugsvorwurf aus als bei einem bloßen Hinweis auf seine subjektive Überzeugung. Damit lag die auf Vollzähligkeit (Vollständigkeit) gerichtete Erklärung eindeutig im Interesse der Klägerin. „Vollzähligkeit" und „Vollständigkeit" haben, wovon offenkundig auch die Klägerin ausgeht, die gleiche Bedeutung; gemeint ist mit beiden Formulierungen, dass die gesamte erforderliche Dokumentation vorgelegt sein muss.

Das Interesse der Klägerin an der Verwendung eines objektiv nachprüfbaren Begriffs war für die Beklagte erkennbar. Damit lag das strikte Beharren auf dem Wortlaut auch in ihrem eigenen Interesse, konnte sie doch nur so einen Regressstreit mit der Klägerin vermeiden. Angesichts des gänzlich fehlenden (legitimen) Interesses des Nebenintervenienten an einem Abruf abweichend vom Wortlaut kann die Garantieerklärung daher nur dahin ausgelegt werden, dass der Abruf genau dem in der Garantie vorgesehenen Wortlaut entsprechen musste. Allenfalls hätte zwar die Verwendung von „vollzählig" oder „vollständig" in beiden Fällen ausgereicht. Für ein weitergehendes Abweichen im Sinn einer nur den subjektiven Wissensstand mitteilenden Erklärung gibt es aber keinerlei „handfeste" Gründe. Die Beklagte hat daher den Garantiebetrag ausgezahlt, ohne dass sie dazu gegenüber dem Nebenintervenienten oder der Klägerin verpflichtet gewesen wäre.

4. Der Aufwandersatzanspruch des Garanten, auf den sich die Beklagte zur Rechtfertigung der strittigen Abbuchung vom Konto der Klägerin beruft, gründet sich im Regelfall auf § 1014 oder § 1358 ABGB (RIS-Justiz RS0107384; Koziol in Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht II [1993] Rz 3/63 f). Beide Bestimmungen sind hier nicht anwendbar.

Der der Garantie zugrunde liegende Auftrag muss nach § 914 ABGB selbstverständlich dahin ausgelegt werden, dass die Beklagte nur bei einem korrekten Abruf oder mit Zustimmung der Klägerin auszahlen durfte. Eine Rückfrage bei der Klägerin wäre daher in ihrem eigenen Interesse gewesen. Die ohne Vorliegen dieser Voraussetzungen erfolgte Auszahlung war daher weisungswidrig. Eine weisungswidrige Tätigkeit begründet aber keinen vertraglichen Aufwandersatzanspruch (P. Bydlinski in KBB § 1014 ABGB Rz 2; Apathy in Schwimann3 § 1014 ABGB Rz 5; beide mwN).

§ 1358 ABGB setzt die Zahlung einer formell eigenen Schuld voraus (RIS-Justiz RS0102645; P. Bydlinski in KBB § 1358 ABGB Rz 1 mwN). Im vorliegenden Fall gab es keine Verpflichtung der Beklagten zur Auszahlung an den Nebenintervenienten, da der Garantiefall nicht eingetreten war. Die Beklagte hat daher keine (formell) eigene Schuld getilgt.

5. Der Anspruch könnte daher nur nach § 1037 ABGB (nützliche Geschäftsführung ohne Auftrag) oder § 1042 ABGB (für einen Anderen gemachter Aufwand) begründet sein.

5.1. Beide Bestimmungen wären von vornherein nur dann anwendbar, wenn die Beklagte durch die Zahlung tatsächlich eine Schuld der Klägerin beim Nebenintervenienten getilgt hätte. Denn nur dann wäre überhaupt zu erwägen, ob die Geschäftsführung zum „klaren, überwiegenden Vorteil" der Klägerin erfolgt ist (§ 1037 ABGB), und/oder ob die Beklagte einen Aufwand gemacht hat, den nach dem Gesetz die Klägerin hätte machen müssen (§ 1042 ABGB).

5.2. In einem weiteren Schritt wäre zu prüfen, ob derartige Ansprüche überhaupt neben (oder statt) einer auf § 1431 ABGB gestützten Leistungskondiktion der Beklagten gegen den Nebenintervenienten (dazu 9 Ob 97/04m = ÖBA 2005, 899 mwN; Rummel in Rummel vor § 1431 Rz 15a; Koziol in Avancini/Iro/Koziol aaO Rz 3/157) bestehen können. So hat der Senat etwa in 4 Ob 518/96 (= SZ 69/40) der Anspruch der Garantin gegen die Auftraggeberin nach § 1042 ABGB in einer vergleichbaren Situation bejaht, weil die Leistungskondiktion gegen den Begünstigten im konkreten Fall ausgeschlossen war. Das ist hier nicht der Fall; die Beklagte könnte - vorbehaltlich möglicher Gegenforderungen wegen der Verletzung von Warnpflichten - auch beim Nebenintervenienten kondizieren. Andererseits kann die irrtümliche Zahlung einer fremden Schuld unter Umständen eine Wahlmöglichkeit des Leistenden zwischen der Kondiktion gegen den Leistungsempfänger und dem Anspruch nach § 1042 ABGB gegen den tatsächlichen Schuldner rechtfertigen (vgl dazu mwN Rummel in Rummel, vor § 1431 Rz 7 mwN; Koziol in KBB § 1042 Rz 4).

5.3. Diese Frage muss hier aber nicht endgültig geklärt werden. Denn nach den Feststellungen hatte der Nebenintervenient die Dokumentation weder bei Abruf der Garantie noch später vollständig vorgelegt; kein Teil des Dossiers war wirklich in Ordnung.

Die Vereinbarung zwischen den Parteien und die Bankgarantie hatten aber nach den Feststellungen des Erstgerichts den Zweck, die Mitwirkung des Nebenintervenienten an den für den Erhalt der Zulassung erforderlichen Schritten sicherzustellen. Daraus folgt, dass die Klägerin den Kaufpreis solange zurückbehalten kann, bis diese Mitwirkung zum Erfolg führt. Dass das Ziel inzwischen erreicht wäre oder dass die Klägerin auf die Mitwirkung verzichtet hätte, ist nicht hervorgekommen. Vielmehr hat das Erstgericht feststellend ausgeführt, dass die Erreichung des von der Klägerin verfolgten Ziels durch die Auszahlung der Garantiesumme „verhindert" worden sei. Das kann nur dahin verstanden werden, dass der Nebenintervenient seine Mitwirkung - aus ökonomischer Sicht nahe liegend - mit Erhalt der Garantiesumme eingestellt hat.

Auf dieser Grundlage kann nicht angenommen werden, dass der Nebenintervenient einen (fälligen) Anspruch gegen die Klägerin auf Zahlung des Restkaufpreises hat. Daher hat die Beklagte mit ihrer Zahlung weder einen nützlichen Aufwand für die Klägerin gemacht, noch hat sie eine Verbindlichkeit der Klägerin getilgt.

6. Die Abbuchung ist daher rechtsgrundlos erfolgt. Aus diesem Grund ist die Beklagte zur Rückzahlung verpflichtet, ohne dass es auf einen (weitergehenden) Schaden der Klägerin ankäme. Die von der Beklagten eingewendete Gegenforderung - Ansprüche aus der Tilgung einer Forderung des Nebenintervenienten gegen die Klägerin - war schon bei der Beurteilung der Klagsforderung zu prüfen; wie ausgeführt, bestehen diese Ansprüche nicht zu Recht.

Aus diesen Gründen war das Ersturteil in der Hauptsache wiederherzustellen. Dabei war der unterbliebene Ausspruch über die Gegenforderung nachzutragen. Das Erstgericht hatte ihr Bestehen zwar in den Gründen verneint, jedoch von einer formellen Erledigung abgesehen.

7. In erster Instanz strittig war auch der Zinsenanspruch. Da insofern eine gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge vorlag, ist seine Berechtigung umfassend zu prüfen.

7.1. Die von der Klägerin begehrten Zinsen nach § 1333 Abs 2 ABGB setzen zumindest objektiven Verzug voraus (Harrer in Schwimann3 § 1333 ABGB Rz 3; Reischauer in Rummel3 § 1333 Rz 6, beide mwN). Das folgt nicht nur aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, sondern auch aus ihrem Zweck, nämlich der Umsetzung der Zahlungsverzugs-RL (RL 2000/35/EG) . Daher beginnen diese Zinsen erst mit der Mahnung durch den Gläubiger zu laufen (RIS-Justiz RS0017614; speziell für Bereicherungsansprüche 3 Ob 200/74 = SZ 47/130). Da eine außergerichtliche Mahnung weder festgestellt ist noch konkret (dh mit Datum) behauptet wurde (vgl AS 3; der Verweis auf Urkunden ersetzt nach stRsp [RIS-Justiz RS RS0037915] nicht das Vorbringen), ist der Tag der Klagszustellung maßgebend (RIS-Justiz RS0017614 T4, Binder in Schwimann3 § 904 ABGB Rz 32 mwN). Das ist hier der 22. Mai 2003. 7.2. Für die Zeit davor gründet sich der Zinsenanspruch auf § 1041 iVm § 1000 ABGB. Die Beklagte hat nach § 1041 ein angemessenes Benutzungsentgelt für die von ihr ohne Rechtsgrund genutzten Vermögenswerte der Klägerin zu leisten (Koziol in KBB § 1041 ABGB Rz 15 mwN; vgl RIS-Justiz RS0019883 zur Nutzung unbeweglicher Sachen). Denn mit der Abbuchung hat die Beklagte ihre Nutzungsrechte am Guthaben der Klägerin überschritten (RIS-Justiz RS0019984) und damit in den Zuweisungsgehalt des Rechts eingegriffen (RIS-Justiz RS0019960).

Bei Geld ist die Nutzung (zumindest) mit den gesetzlichen Zinsen

abzugelten („Vergütungszinsen"; 4 Ob 584/87 = SZ 60/213; 9 ObA 42/91

= SZ 64/47; 1 Ob 315/97y = SZ 71/56 [verst Senat]; RIS-Justiz

RS0032078; Binder in Schwimann3 § 1000 ABGB Rz 16). Die Kritik an dieser Rsp (Graf, Zinsen, Bereicherung und Verjährung, JBl 1990, 350; Honsell, Der Zinsschaden bei der Geldschuld, wbl 1999, 97 [bei FN 33]) kann nicht überzeugen. Denn wie § 1333 ABGB den Schaden durch verzögerte Geldzahlung pauschaliert, ist auch § 1000 ABGB ganz generell als Pauschalierung des gewöhnlichen Nutzungsentgelts für Geld („Zinsen") zu verstehen (vgl zur Rechtslage vor dem ZinsRÄG, das insofern keine Änderung gebracht hat, ausführlich 1 Ob 315/97y = SZ 71/56 [verst Senat]; vgl auch 7 Ob 2336/96x zum Fall des unredlichen Besitzes).

Allerdings sind bis zum Eintritt des objektiven Verzugs nur gesetzliche Zinsen iSv § 1000 ABGB, somit in Höhe von vier Prozent zu leisten. Denn der höhere Zinssatz des § 1333 Abs 2 ABGB gebührt, wie oben ausgeführt, nur bei einer Verzögerung der Zahlung; er setzt daher zumindest objektiven Verzug voraus. Dieser liegt hier erst ab der Klagszustellung vor.

7.3. § 1041 ABGB greift allerdings nicht ein, soweit die strittige Vermögensverschiebung im Verhältnis zwischen den Parteien gerechtfertigt ist (RIS-Justiz RS0020032; Koziol in KBB § 1041 Rz 11 mwN). Eine teilweise Rechtfertigung ist hier die Vereinbarung eines Zinssatzes für das verpfändete Konto: Bis zum 31. Jänner 2003 war das strittige Guthaben durch die Verpfändung gebunden, wobei der Klägerin nur Zinsen von 2,7 % zustanden. Der darüber hinausgehende Nutzen des Guthabens war daher nach dem Willen der Parteien von vornherein der Beklagten zugewiesen. Die mit der Abbuchung verbundene (umfassende) Nutzung des strittigen Betrags führte daher in Bezug auf die 2,7 % übersteigenden Zinsen nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Beklagten.

Daran änderte sich auch nichts, wenn man die Beklagte als unredliche Besitzerin ansähe und damit (auch) eine Schadenersatzpflicht nach § 335 ABGB annähme. Denn der unredliche Besitz bezöge sich aus den oben genannten Gründen nicht auf die 2,7 % übersteigenden Nutzungen.

7.4. Zusammengefasst bedeutet das für den Zinsenanspruch Folgendes:

Von der Abbuchung bis zum Ablauf der Bindungsfrist gebühren nach § 1041 ABGB nur die ohnehin vereinbarten 2,7 %; der darüber hinausgehende Nutzen steht auch unabhängig von der rechtswidrigen Abbuchung jedenfalls der Beklagten zu. Darauf folgt bis zum Tag der Klagszustellung der ebenfalls auf § 1041 gegründete Anspruch auf gesetzliche Zinsen in Höhe von vier Prozent. Beim jeweiligen Mehrbegehren hatte es bei der Abweisung zu verbleiben. Mit der Klagszustellung ist die Beklagte in Verzug und hat daher die begehrten Zinsen nach § 1333 Abs 2 ABGB zu zahlen.

8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 2 ZPO iVm § 50 ZPO. Wegen der Abänderung der Berufungsentscheidung ist nach § 50 Abs 1 ZPO über die Kosten des gesamten vorangegangenen Verfahrens zu entscheiden. Da die Klägerin nur mit einem geringfügigen Teil ihres Zinsenbegehrens unterlegen, hat sie in allen Instanzen Anspruch auf vollen Kostenersatz.

Der auf Seiten der Beklagten beigetretene Nebenintervenient hat Kosten für das Berufungs- und das Revisionsverfahren verzeichnet. Er muss der siegreichen Klägerin die Kosten nicht ersetzen (RIS-Justiz RS0035816), hat aber auch selbst keinen Anspruch auf Kostenersatz (vgl RIS-Justiz RS0035807). Es war daher auszusprechen, dass er seine Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen hat. Dass der Nebenintervenient zu den Kosten des Berufungsverfahrens Sprüche der Vorinstanzen für sich hat, ist nach § 50 Abs 1 letzter Satz ZPO unerheblich. Das Berufungsgericht hatte dem Erstgericht aufgetragen, die zunächst unterbliebene Entscheidung über die Zulassung des Nebenintervenienten nachzuholen und bei dieser Gelegenheit auch über dessen im Berufungsverfahren angefallene Kosten zu entscheiden. Das Erstgericht ließ die Nebenintervention zu und verpflichtete die Klägerin aufgrund des Obsiegens der Beklagten im Berufungsverfahren zum Ersatz der diesbezüglichen Kosten des Nebenintervenienten; ein dagegen erhobener Kostenrekurs der Klägerin blieb erfolglos. Diese Beschlüsse sind im Kostenpunkt funktional ein Teil des Berufungsurteils. Durch die neue Kostenentscheidung sind sie insofern gegenstandslos geworden, ohne dass eine formelle Aufhebung erforderlich wäre.

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