OGH 1Ob620/95

OGH1Ob620/955.12.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien 1., Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei G***** Aktiengesellschaft *****, vertreten durch Dr.Rudolf Krilyszyn, Rechtsanwalt in Wien, wegen 120.450 S sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 29.Juni 1995, GZ 1 R 113/95-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 8.Jänner 1995, GZ 31 Cg 720/93-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie insgesamt wie folgt zu lauten haben:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 60.225 S samt 4 % Zinsen seit 15.Juli 1993 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Dagegen wird das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei einen weiteren Betrag von 60.225 S samt 4 % Zinsen seit 15.Juli 1993 binnen 14 Tagen zu bezahlen, abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 11.925 S (Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Text

Entscheidungsgründe:

Aufgrund des Vertrages vom 30.Juni 1986 hatte eine Asphaltgesellschaft der klagenden Partei „Lieferungen und Leistungen“ zu erbringen. Im Auftrag dieser Gesellschaft erstellte die beklagte Partei zur Sicherung der Rechtsansprüche, die der klagenden Partei aus diesem Vertrag erwachsen können, eine Garantie mit einer Haftungssumme bis zum Höchstbetrag von 120.450 S. Die an das Amt der Burgenländischen Landesregierung (Abteilung 2/Straßen - und Brückenbau) gerichtete Garantieerklärung vom 29.Dezember 1987 hatte folgenden Wortlaut:

„Wir verpflichten uns unwiderruflich jeden im Rahmen dieser Haftung uns genannten Betrag ohne jedwede Einwendung und ohne Prüfung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses über erste Aufforderung binnen sechs Tagen nach Einlangen der von der eingangs genannten Dienststelle ergehenden schriftlichen Aufforderung, auf welcher deren Rundstempel abgedruckt und die Nummer ihres Postscheckkontos vermerkt ist, dieser Dienststelle zu bezahlen ... . Die Haftung gilt als rechtzeitig in Anspruch genommen, wenn die schriftliche Aufforderung spätestens am letzten Tag der Gültigkeit dieses Bankgarantiebriefes bei der Kreditunternehmung eingelangt ist. Dieser Bankgarantiebrief verliert seine Gültigkeit am 10.September 1992 und erachten wir uns auße(r) Obligo befindlich, falls die Haftung nicht längstens bis zu diesem Tage in Anspruch genommen sein sollte.“

Die Laufzeit dieser Garantie wurde später bis 10.Juli 1993 verlängert.

Weder zwischen der Asphaltgesellschaft und der beklagten Partei noch zwischen dieser und der klagenden Partei war ausdrücklich besprochen worden, was unter „schriftlicher Aufforderung“ gemäß dem Garantiewortlaut zu verstehen sei. Die beklagte Partei erstellte im Auftrag der Asphaltgesellschaft zugunsten der klagenden Partei noch eine weitere Bankgarantie über 32.500 S mit gleichem Wortlaut und einer Laufzeit bis 10.Juli 1993.

Am 8.Juli 1993 wurden die Ausfertigungen der zur Inanspruchnahme der beiden Bankgarantien bestimmten Schreiben in der Schreibstelle des Amtes der Burgenländischen Landesregierung hergestellt, mit Rundsiegel versehen und um 15.50 Uhr dieses Tages durch Telefax an die beklagte Partei übermittelt. Beide Telekopien langten bei dieser ein, sie waren leserlich und es war auch der Rundstempel (das Amtssiegel) erkennbar. Die Übersendung durch Telefax erfolgte deshalb, weil die hier zuständige Abteilung des Amtes der Burgenländischen Landesregierung sehr oft mit Bankgarantien zu tun hat und es bei ihr üblich ist, diese mit Telefax in Anspruch zu nehmen. Die Originale der beiden Schreiben langten am 9.Juli 1993 (Freitag) in der zentralen Abfertigungsstelle des Amtes der Burgenländischen Landesregierung ein, sie wurden am darauffolgenden Montag abgefertigt und der beklagten Partei am 13.Juli 1993 (Dienstag) zugestellt. Aufgrund der mittels Fax erfolgten Inanspruchnahme hatte die beklagte Partei die Überweisung des Garantiebetrags von 32.500 S an das Amt der Burgenländischen Landesregierung veranlaßt, bevor noch das Original des Anspruchsschreibens bei ihr eingelangt war. Die beklagte Partei lehnte jedoch in der Folge mit Schreiben vom 14.Juli 1993 weitere Leistungen ab.

Die klagende Partei begehrte den Zuspruch von 120.450 S sA und brachte im wesentlichen vor, daß sich die beklagte Partei zu Unrecht weigere, diesen mittels Fax in Anspruch genommenen Garantiebetrag zu bezahlen. Die gewählte Art der Inanspruchnahme entspreche der vereinbarten Schriftform. Im zeitgemäßen Geschäftsverkehr sei die Verwendung von Telekopien üblich. Diese Ansicht teile auch die beklagte Partei, hätte sie doch sonst nicht aufgrund des in gleicher Form in Anspruch genommenen Garantiebetrags von 32.500 S Zahlung geleistet. Der durch die Rechtsprechung entwickelte Grundsatz der formellen Garantiestrenge hindere ein Abgehen von bestimmten Formgeboten nicht, wenn das mit dem Zweck der Formabrede vereinbar sei. Die beklagte Partei hätte die klagende Partei in Erfüllung ihrer vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten auch über deren Bedenken gegen die Verwendung einer Telekopie für die Inanspruchnahme der Garantie aufzuklären gehabt. Wegen unterlassener Aufklärung hafte die beklagte Partei für den eingeklagten Garantiebetrag auch aus dem Titel des Schadenersatzes.

Die beklagte Partei wendete - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - im wesentlichen ein, daß nur der Originalabdruck des Rundsiegels des Amtes der Burgenländischen Landesregierung dem wichtigsten Zweck der Schriftform entspreche, nämlich - soweit möglich - jeden Zweifel am Urheber der Erklärung auszuschließen. Bei Inanspruchnahme der Garantie über 32.500 S habe sie - entgegen ihrer sonstigen Praxis - Zahlung geleistet, weil das Telefax lesbar, der Rundstempel erkennbar und der Überweisungsbetrag geringfügig gewesen sei. Ein genereller Verzicht auf die vereinbarte Schriftform könne daraus jedoch nicht abgeleitet werden, zumal ihr der Versuch einer Inanspruchnahme der den Klagegrund bildenden Garantie durch Telefax erst nach Ablauf deren Gültigkeit bekanntgegeben worden sei. Deshalb habe sie auch keine vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten verletzt, weil sie nicht habe wissen können, daß die klagende Partei die Garantie durch Telefax abrufen werde. Von den am 8.Juli 1993 eingelangten zwei Telefaxen sei nämlich nur das auf den garantierten Betrag von 32.500 S bezogene lesbar gewesen. Überdies sei dem Amt der Burgenländischen Landesregierung eine „auffallende Sorglosigkeit“ vorzuwerfen, weil es die Garantie nicht noch am 8.Juli 1993 mittels Eilbriefs oder Boten frist- und formgerecht in Anspruch genommen habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und führte rechtlich im wesentlichen aus, daß unter Schriftlichkeit gewöhnlich Unterschriftlichkeit verstanden werde. Wenn auch im Telefaxverkehr eine Unterschrift leicht reproduzierbar sei, könne im Geschäftsleben die Unterschrift des Vertragspartners nur überprüft werden, wenn - in besonderen Fällen - Unterschriftenproben ausgetauscht worden seien. Hier sei aber nicht eine bestimmte Unterschrift, sondern die Abbildung des Rundstempels des Amtes der Burgenländischen Landesregierung wesentlich gewesen. Ob der beklagten Partei diese Stampiglie auf einem durch die Post übermittelten Schreiben oder auf einem Telefax zukomme, könne für die Echtheitsprüfung keinen Unterschied machen. Die Möglichkeit einer mißbräuchlichen Stampiglienverwendung sei in beiden Fällen gleich groß. Ein Fax reiche für Rechtshandlungen im geschäftlichen Verkehr nur dann nicht aus, wenn eine Überprüfung von Unterschriften sinnvoll und geboten sei. Gehe es dagegen nur um die Wahrung einer Frist, genüge die rechtzeitige Absendung einer Telekopie, auch wenn die Originalurkunde dann erst nach Fristablauf einlangen sollte. Damit werde dem Grundsatz der Formstrenge entsprochen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es erwog im wesentlichen, daß es hier nicht um den Sonderfall der Inanspruchnahme einer Bankgarantie durch ganz bestimmte Personen gehe, deren Vertretungsbefugnis für den Garanten außer Zweifel stehe und deren Unterschriften ihm bekannt seien. Nicht die Unterschrift einer bestimmten Person, sondern der Abdruck des Rundstempels des Amtes der Burgenländischen Landesregierung sei maßgebend gewesen. Unbeschadet der Tatsache, daß es im vorliegenden Fall nicht um eine eigenhändige Unterschrift und die Einhaltung einer gesetzlichen Formvorschrift gehe, sei für den Standpunkt der beklagten Partei aus der Entscheidung 1 Ob 525/93 (RdW 1994, 75 = EvBl 1994/86 = JBl 1994, 119 [Rummel] = WoBl 1994/13 [Würth] = ecolex 1994, 159 [Wilhelm]) auch sonst nichts zu gewinnen. Darin werde nämlich die hier entscheidende Frage, ob der Einwand des Formmangels dann zu versagen sei, wenn die Übermittlung einer im übrigen ordnungsgemäßen schriftlichen Erklärung statt im Original durch Fax erfolgt sei, gar nicht abschließend beantwortet. Dort sei nämlich auch das Original der durch Telekopie übermittelten Erklärung nicht unterschrieben gewesen. Es habe daher nicht untersucht werden müssen, ob eine vom Gesetz geforderte Schriftform durch Telefax dann gewahrt werde, wenn es gleichzeitig zur Absendung eines Bestätigungsschreibens mit eigenhändiger Unterschrift komme.

Das Amt der Burgenländischen Landesregierung habe „eine alle Formerfordernisse erfüllende Originalurkunde (vorerst) gefaxt, aber später im Original nachgesendet“; es seien auch lediglich Ansprüche der klagenden Partei gegenüber der beklagten Partei geltend gemacht worden, sodaß - nach menschlichem Ermessen - keine Fälschungsgefahr bestanden habe. Es könne daher auch keine Rede davon sein, daß nur der Originalabdruck des Rundstempels des Amtes der Burgenländischen Landesregierung dem Zweck der vereinbarten Schriftform entsprochen hätte. Soweit der Oberste Gerichtshof unter Berufung auf das Erfordernis einer geradezu pedantisch genauen Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen ausgesprochen habe, daß die Inanspruchnahme einer Garantie die Beachtung der vereinbarten Form voraussetze, was auch immer deren Zweck gewesen sein möge (RdW 1988, 193 = ÖBA 1988, 712), könne sich dem der erkennende Senat nicht anschließen. Um allfälligen Besonderheiten des Einzelfalles gerecht werden zu können, müsse nämlich - zur Vermeidung eines übertriebenen Formalismus - jedenfalls bei der gewillkürten Form - auf die Absicht der Parteien eingegangen werden. Danach könne aber nicht angenommen werden, daß die Abberufung der Garantie durch Telekopie und die unmittelbar nachfolgende Übersendung einer formgültigen Originalurkunde keine fristwahrende Wirkung hätte haben sollen. Selbst im Zivilprozeß würden gesetzliche Fristen durch Telefaxerklärungen gewahrt, wenn nachträglich deren Verbesserung durch Beibringung der eigenhändigen Unterschrift des Einschreiters erfolge.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Der erkennende Senat hatte in der Entscheidung 1 Ob 525/93 (JBl 1994, 119 [Rummel] = WoBl 1994, 70 [Würth] = ecolex 1994, 159 [Wilhelm] = EvBl 1994/86 = RdW 1994, 75 = ARD 4532/31/94 = NRSp 1994/54) die Frage zu klären, ob dem Formgebot der schriftlichen Anzeige des Ersatzanspruchs des Bestandnehmers gemäß § 10 Abs 4 Z 1 MRG in der Fassung vor dem 2. WÄG durch ein mittels Telefax übersandtes Schreiben, das anstelle der eigenhändigen Unterschrift des Erklärenden nur dessen mit Maschinschrift geschriebenen Namen enthält, entsprochen wurde. Das wurde nach eingehender Auseinandersetzung mit dem neueren österreichischen Schrifttum und der zu Fragen der gesetzlich gebotenen Schriftform vergleichbaren deutschen Rechtslage verneint. Das Gebot der Schriftlichkeit bedeute - abgesehen von im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen - im allgemeinen „Unterschriftlichkeit“. Das Erfordernis der Schriftform sei nicht Selbstzweck; es solle vielmehr gewährleisten, daß aus dem Schriftstück der Inhalt der abzugebenden Erklärung und die Person, von der sie ausgehe, hinreichend zuverlässig entnommen werden könnten.

An diese Grundsätze anknüpfend, sprach der erkennende Senat in der Entscheidung 1 Ob 515/95 (JBl 1995, 656 = EvBl 1995/120 = ecolex 1995, 487) zu der für die Verpflichtungserklärung eines Bürgen gemäß § 1346 Abs 2 ABGB gebotenen Schriftform aus, daß eine Erklärung des Bürgen mittels Telefax dem Schriftformgebot auch dann nicht entspreche, wenn die der Fernkopie als Grundlage dienende Urkunde die eigenhändige Unterschrift des Erklärenden enthalte. Dem lasse sich jedenfalls für die schriftliche Verpflichtungserklärung eines Bürgen nicht mit dem Argument begegnen, wer sich am Telefaxverkehr beteilige, gebe damit zu erkennen, daß für ihn diese Übermittlungsform und Unterschrift geschäftsüblich sei.

In diesen Fällen ging es also um die Einhaltung einer gesetzlichen gebotenen Schriftform mit dem Erfordernis der „Unterschriftlichkeit“. Hier war die Garantie dagegen durch eine vereinbarte schriftliche „Aufforderung“ in Anspruch zu nehmen, auf der der „Rundstempel“ einer bestimmten Abteilung des Amtes der Burgenländischen Landesregierung „abgedruckt“ und die Nummer deren Postscheckkontos vermerkt war.

Aus dem Grundsatz der formalen Garantiestrenge wird abgeleitet, daß der Begünstigte die zugesicherte Leistung beim Garanten form- und fristgerecht in Anspruch zu nehmen hat. Er muß die Erklärung über den Eintritt des Garantiefalls somit in der Weise und mit dem Inhalt abgeben, wie es in der Garantieurkunde umschrieben wurde (ÖBA 1995, 632; ecolex 1995, 711; SZ 61/79 = ÖBA 1988, 712 [Koziol]; Koziol in Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht II Rz 3/85; Canaris, Bankvertragsrecht3 Rz 1133; Graf von Westphalen, Die Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr2 165 f). Der Garant hat vor Erbringung der Garantieleistung die Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen „präzise, ja nachgerade pedantisch genau“ zu überprüfen (ÖBA 1995, 632; ÖBA 1993, 985; SZ 61/79 = ÖBA 1988, 712 [Koziol]; SZ 59/217; Canaris aaO; Graf von Westphalen aaO), was vor allem auch für die vereinbarte Form der in Anspruchnahme der Garantie gilt.

Der Oberste Gerichtshof verneinte daher in seiner Entscheidung 6 Ob 537/88 (SZ 61/79 = ÖBA 1988, 712 [Koziol]) die wirksame Inanspruchnahme einer Bankgarantie durch ein Fernschreiben, weil eine solche nach dem Wortlaut der Haftungserklärung der Bank nur „mittels eingeschriebenen Briefes“ erfolgen konnte. In diesem Zusammenhang wurde der Rechtssatz formuliert, daß die Garantieleistung nur in der durch die Haftungserklärung des Garanten bestimmten Form in Anspruch genommen werden könne, „was auch immer Zweck dieser Formvorschrift - im vorliegenden Fall wohl einwandfreier schriftlicher Nachweis der Inanspruchnahme und verläßliche Möglichkeit der Prüfung der Berechtigung jener Personen, von denen die Inanspruchnahmeerklärung gezeichnet ist - sein mag“.

Dagegen wendete Koziol in seiner Entscheidungsglosse ein, die Beachtung des Grundsatzes der formalen Garantiestrenge sei kein Hindernis dafür, den Garantievertrag gemäß den §§ 914 und 915 ABGB auszulegen und dadurch den Zweck einer Formvereinbarung zu ermitteln.

Schinnerer (Zur Form der Inanspruchnahme von Garantien, ÖBA 1988, 1097) verteidigte die Ansicht des Obersten Gerichtshofes, ohne allerdings zu den auf die österreichische Rechtsordnung bezogenen Überlegungen in der Glosse Koziols Stellung zu nehmen. Eine internationale Übung der Geschäftsbanken beim Garantiegeschäft verbiete es jedoch, „im Wege der Auslegung der gewillkürten Form einer Erklärung“ über diese hinwegzugehen; anderenfalls komme es zu einer Gefährdung des für den zwischenstaatlichen Verkehr maßgebenden Sicherheitsmoments.

Rummel (Nochmals: Zur Form der Inanspruchnahme von Garantien, ÖBA 1989, 158; Telefax und Schriftform, in FS Ostheim 211 [223 f]) schloß sich im Kern seiner Argumentation Koziol an und betonte ebenso, daß der durch Auslegung zu ermittelnde Zweck des Parteiwillens für das Verständnis einer Formvereinbarung maßgebend sei.

Soweit Koziol in der zitierten Glosse darzulegen versucht, die Ansicht des Obersten Gerichtshofs - eine für die Inanspruchnahme einer Garantie vereinbarte Form sei unabhängig von deren Zweck jedenfalls einzuhalten - widerspreche „der allgemeinen Auffassung, daß bei gewillkürten Formerfordernissen stets der Zweck der Vereinbarung zu ermitteln“ sei, beruht dessen Argumentation auf einem Mißverständnis. In SZ 61/79 = ÖBA 1988, 712 wurde nämlich gerade im hier wesentlichen Zusammenhang ausgesprochen, daß der Zweck der dort vereinbarten Formvorschrift der einwandfreie schriftliche Nachweis der Inanspruchnahme der Garantie und die verläßliche Möglichkeit der Prüfung der Berechtigung jener Personen, die die Inanspruchnahmeerklärung zu unterfertigen hatten, war. Der Halbsatz, „was auch immer Zweck dieser Formvorschrift sein mag“, sollte also im gewählten Kontext gerade nicht zum Ausdruck bringen, daß letztlich überhaupt kein durch Auslegung der Parteierklärung zu ermittelnder Formzweck maßgebend sei. Nach der gewählten Diktion konnte sich daher nur die - später im Schrifttum ebenso behandelte - Frage stellen, ob der Oberste Gerichtshof den Zweck der gewillkürten Schriftform „eingeschriebener Brief“ durch die dargestellte Auslegung richtig ermittelte.

Soweit der Oberste Gerichtshof daher der Ansicht Koziols in seiner Entscheidung 7 Ob 608/94 (ÖBA 1995, 632) folgte und aussprach, daß mangels erkennbarer Spezialnormen auch Garantieerklärungen samt allfälligen darin enthaltenen Bedingungen nach allgemeinen Regeln auszulegen seien, betrifft das nur einen durch die besprochene Vorentscheidung ohnehin nicht in Frage gestellten Grundsatz. Die formale Garantiestrenge ist, wie in 7 Ob 608/94 dargelegt wurde, auch nicht als Selbstzweck zu beachten, sondern trägt nur soweit, „als dies dem Willen der Vertragsparteien“ entspricht. Maßgebend ist daher der durch Beachtung der formalen Garantiestrenge zu realisierende Zweck der vereinbarten Schriftform. In diesem Rahmen ist besonders bei der - auch im vorliegenden Fall erklärten - Garantie „auf erstes Anfordern“ am Erfordernis einer strikten, ja geradezu pedantischen Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen festzuhalten. Der Begünstigte muß demnach die Erklärung, daß der Garantiefall eingetreten sei, entsprechend ihrem Zweck genau in der Weise und mit dem Inhalt abgeben, wie es die Garantieurkunde vorschreibt (Canaris aaO; Graf von Westphalen aaO [je ohne besondere Hervorhebung des Formzwecks]). Es wird aber auch im deutschen Schrifttum anerkannt, daß es eine Überspannung des Grundsatzes der formalen Garantiestrenge wäre, wenn sich der Begünstigte stets die für ihn ungünstigere Auslegung entgegenhalten lassen müßte oder gar jede Auslegung der Garantieerklärung ausgeschlossen wäre (Canaris aaO Rz 993 und 1133 a). Es ist bloß erforderlich, die Garantieerklärung „verhältnismäßig eng und förmlich auszulegen“ (Canaris aaO Rz 1133 a), und zwar gerade auch deshalb, um jedenfalls dem Zweck der für die Inanspruchnahme der Garantie vereinbarten Form zu entsprechen.

Nach dem hier zu beurteilenden Sachverhalt war die Garantie durch eine schriftliche Aufforderung mit dem Amtssiegel des Amtes der Burgenländischen Landesregierung in Anspruch zu nehmen. Unter Heranziehung der bereits dargestellten Kriterien ergibt die Auslegung dieser Erklärung aber, daß das Erfordernis des Amtssiegels jenem Zweck diente, der sonst durch die Unterschrift einer bestimmten Person verwirklicht wird; die beklagte Partei sollte nämlich durch diese vereinbarte Form - soweit möglich - in die Lage versetzt werden, verläßlich zu prüfen, ob die Inanspruchnahme der Garantie tatsächlich durch den Begünstigten erfolgte. Formzweck war also jedenfalls nicht nur, „dem Empfänger einen Beleg für die Erklärung zu verschaffen“ (Koziol in Avancini/Iro/Koziol aaO Rz 3/86) oder die bloße „Fristwahrung“ (Rummel in FS Ostheim 224). Es bedarf daher hier keiner Erörterung, ob für die Verwirklichung solcher Zwecke - wie von den genannten Autoren vertreten - eine Inanspruchnahmeerklärung der Garantie durch Telefax genügt. Es muß aber auch der Behauptung Koziols (in Avancini/Iro/Koziol aaO R 3/86) nicht nachgegangen werden, daß „eine vom Garanten nicht sofort überprüfbare Unterschrift ... keine größere Sicherheit als ein Fernschreiben oder ein Telefax“ biete, weil sich das gegen das Amtssiegel einer Behörde nicht mit Erfolg einwenden läßt. Es kommt nämlich dabei nicht auf das Vorliegen einer bestimmten Unterschriftsprobe, sondern nur auf die allgemein zugängliche Information der Gestalt und des Textes des behördlichen Amtssiegels an.

Wird berücksichtigt, wie einfach sich durch ein Telefax der Eindruck der Authentizität der kopierten Urkunde vermitteln läßt, auch wenn möglicherweise bloß Teile verschiedener Schriftstücke zusammenkopiert wurden, erweist sich - nach dem hier zu beachtenden Formzweck - die Ansicht Wilhelms (ecolex 1990, 209) als richtig, daß die Inanspruchnahme einer Garantie durch eine bloß gefaxte Erklärung ausscheidet. Was dieser Autor am Beispiel der Unterschriftlichkeit behandelt, gilt - wie schon dargelegt - nicht minder für das im vorliegenden Fall maßgebende Original des Amtssiegels des Amtes der Burgenländischen Landesregierung.

Auch das gegen diese Ansicht vorgetragene Argument der klagenden Partei, die beklagte Partei habe „selbst durch die unbeanstandete Akzeptierung und Erfüllung der gleichzeitigen weiteren gefaxten Abberufungserklärung die beste Bestätigung“ dafür gegeben, daß ein Telefax nach dem vereinbarten Formzweck für die Inanspruchnahme der Garantie ausreiche, überzeugt nicht. Auch wenn sich die beklagte Partei einmal bei einem verhältnismäßig geringfügigen Betrag (32.500 S) dem Risiko aussetzte, durch die Erfüllung einer nicht formgerecht in Anspruch genommenen Garantie von deren Auftraggeber allenfalls keine Deckung zu erhalten, kann allein daraus noch nicht der Schluß gezogen werden, daß die vereinbarte Form nicht (auch) dem Zweck einer Authentzitätsprüfung diente.

Die klagende Partei hält im Revisionsverfahren überdies nicht mehr die in der Klage vertretene Ansicht aufrecht, es könne „im Hinblick auf die fortgeschrittene Entwicklung der Bürotechnik und den verbreiteten Einsatz von Telefax-Geräten, insbesondere auch im Geschäftsverkehr der Geldinstitute, kein Zweifel daran bestehen, daß die Führung von Korrespondenzen mittels Telefax unter Akzeptanz aller durch die Telekopie bedingten Erscheinungen im zeitgemäßen Geschäftsverkehr üblich“ sei. Es erübrigt sich daher zur Frage der Richtigkeit dieser Ausführungen Stellung zu nehmen.

Der erkennende Senat kommt somit - zusammenfassend - zum Schluß, daß eine Garantie jedenfalls dann nicht durch Telefax in Anspruch genommen werden kann, wenn die am Grundsatz der formalen Garantiestrenge orientierte, enge und förmliche Auslegung der Garantieerklärung zum Ergebnis gelangt, daß die für die Inanspruchnahme gewillkürte Form dem Garanten - u.a. - auch eine möglichst große Gewähr für einen tatsächlich durch den Begünstigten erfolgten Abruf der Garantieleistung bieten soll.

Damit ist aber für die beklagte Partei noch nichts gewonnen. Die klagende Partei stützte ihr Begehren nämlich auch auf die im Revisionsverfahren aufrecht erhaltene Behauptung, daß die beklagte Partei „im Rahmen ihrer vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten ... zur unverzüglichen aufklärenden Rücksprache mit dem Amt der Burgenländischen Landesregierung verhalten gewesen“ wäre, falls sie „etwa aus Art und Form der ihr zugegangenen Erklärung Bedenken gehegt haben mag“. Der erkennende Senat tritt dieser auch im Schrifttum herrschenden Ansicht bei. Die Bank ist danach verpflichtet, dem Begünstigten unverzüglich die Beanstandung einer fehlerhaften Inanspruchnahme mitzuteilen, wenn dieser dadurch noch die Möglichkeit hätte, die Garantie formgerecht und rechtzeitig in Anspruch zu nehmen (Koziol in Koziol/Avancini/Iro aaO Rz 3/89; Canaris aaO Rz 1127; Graf von Westphalen aaO 172 f). Sie darf sich dabei nicht darauf beschränken, „etwaige Beanstandungen lediglich auf normalem postalischem Weg dem Begünstigten mitzuteilen“ (Graf von Westphalen aaO 172), wenn dieser die Garantieleistung nach einer Anzeige dieser Art nicht mehr rechtzeitig in der vereinbarten Form abrufen könnte. Canaris (aaO Rz 1127) geht noch weiter und verlangt, daß die Bank dem Begünstigten nach Treu und Glauben eine Nachfrist zur Fehlerbehebung zugestehen müsse, wenn dieser „innerhalb der Frist“ immerhin die erforderliche, jedoch von der Bank „nicht als vertragskonform“ angesehene Handlung vorgenommen habe. Es ist demnach auf die Frage einzugehen, ob eine unverzügliche Verständigung der klagenden Partei über die mittels Telefax nicht formgerecht in Anspruch genommene Garantie noch geeignet gewesen wäre, den ordnungsgemäßen und rechtzeitigen Abruf der Garantieleistung zu ermöglichen.

Nach dem zu beurteilenden Sachverhalt erfolgte die Inanspruchnahme der Garantie durch Telefax am 8.Juli 1993 (Donnerstag); deren Laufzeit endete am 10.Juli 1993 (Samstag). Der beklagten Partei wäre es in Anbetracht dieser Umstände zumutbar gewesen, in Befolgung ihrer vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten zB durch ein einfaches Telefonat oder mittels Telefax für die erforderliche Klarstellung zur notwendigen Form der Inanspruchnahme der Garantie zu sorgen. Die klagende Partei hätte dann noch die Möglichkeit gehabt, die Garantieleistung ordnungsgemäß und fristgerecht abzurufen, indem sie etwa ein der Garantieerklärung entsprechendes Schreiben durch Boten hätte überbringen lassen. Es bedarf daher keiner Erörterung, ob die Parteien durch die Verlängerung der Garantielaufzeit bis 10.Juli 1993 im Sinne des § 903 ABGB auch vereinbaren wollten, daß das Fristende jedenfalls auf einen Samstag, der kein Bankgeschäftstag ist, fallen soll oder dieses gemäß § 1 Abs 1 des Bundesgesetzes über die Hemmung des Fristenablaufes durch Samstage und den Karfreitag BGBl 1961/37 idF BGBl 1963/189 ohnehin erst am 12.Juli 1993 (Montag) eintrat.

Die in § 1298 ABGB angeordnete Beweislastumkehr erstreckt sich auch auf die Verletzung vertraglicher Nebenpflichten (SZ 65/136 = JBl 1993, 389 [Dullinger]; JBl 1993, 396; JBl 1991, 453 = ecolex 1991, 241 [Wilhelm]; Koziol/Welser 10 I 457). Es wäre daher Aufgabe der beklagten Partei gewesen, zu beweisen, daß sie ohne ein ihr zurechenbares Verschulden außerstande war, ihren vertraglichen Nebenpflichten zu entsprechen und dadurch eine Schädigung der klagenden Partei zu vermeiden. Diesen Beweis hat die beklagte Partei nicht erbracht. Nach den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen kam das die Garantie in Anspruch nehmende Telefax bei der beklagten Partei an, es war leserlich und es war auch der „Rundstempel ... zu erkennen“. Das im Verfahren erster Instanz erstattete Vorbringen der beklagten Partei, daß ihr der Wille des Amtes der Burgenländischen Landesregierung, die Garantie in Anspruch zu nehmen, ua „wegen der Unlesbarkeit des betreffenden Telefaxes“ nicht bekannt gewesen sei (ON 2 S. 6), war demnach unrichtig. Abgesehen davon behauptete die beklagte Partei gar nicht, keine Möglichkeit zur unverzüglichen Benachrichtigung der klagenden Partei gehabt zu haben, daß die Inanspruchnahme der Garantie durch das bei ihr am 8.Juli 1993 eingelangte Telefax nicht vertragsgemäß sei.

Es ist daher davon auszugehen, daß im Vermögen der klagenden Partei kein Schaden durch den Entfall der Garantieleistung eingetreten wäre, wenn sich die beklagte Partei ihren vertraglichen Nebenpflichten entsprechend verhalten hätte.

Die beklagte Partei brachte jedoch im Verfahren erster Instanz auch vor, daß dem Amt der Burgenländischen Landesregierung eine „auffallende Sorglosigkeit“ vorzuwerfen sei, weil es die Garantie nicht noch am 8.Juli 1993 mittels Eilbriefs oder Boten frist- und formgerecht in Anspruch genommen habe. Nach diesem Prozeßstandpunkt hätte die klagende Partei den in ihrem Vermögen durch den Ausfall der Garantieleistung entstandenen Schaden selbst verschuldet. In der Behauptung eines schadenskausalen Alleinverschuldens ist als Minus auch die Geltendmachung eines Mitverschuldens enthalten. Für ein Mitverschulden gemäß § 1304 ABGB genügt eine für den Schadenseintritt kausale Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern (1 Ob 43/95; SZ 64/126; SZ 54/85; SZ 51/188 uva). Der klagenden Partei ist aber eine solche Sorglosigkeit deshalb vorzuwerfen, weil es zunächst an ihr gelegen wäre, die Herbeiführung der zur späteren Schädigung führenden Gefahrenlage zu vermeiden. Sie durfte nämlich nach dem Wortlaut der Garantieerklärung vom 29.Dezember 1987 und den dargestellten, in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auslegungsgrundsätzen nicht annehmen, daß eine form- und fristgerechte Inanspruchnahme der Garantie mittels Telefax möglich sei.

Wegen des der klagenden Partei anzulastenden Mitverschuldens ist eine gleichartige Schadensteilung vorzunehmen, sodaß die beklagte Partei den durch die nicht form- und fristgerechte Inanspruchnahme der Garantie im Vermögen der klagenden Partei eingetretenen Schaden nur zur Hälfte zu ersetzen hat.

Soweit die klagende Partei im Revisionsverfahren ihre Ansicht aufrecht erhält, sie habe „durch die Inanspruchnahmeerklärung mittels Telefax und (innerhalb der Zahlungsfrist) nachfolgendes Originalschreiben“ die Garantiefrist gewahrt, ist ihr zu erwidern, daß die Garantiefrist - wie oben ausgeführt - jedenfalls schon vor Einlangen des „Originalschreibens“ bei der beklagten Partei (13.Juli 1993) endete.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO. Nach dem Ausmaß deren Obsiegens sind der beklagten Partei 50 % der im Rechtsmittelverfahren bezahlten und verzeichneten gerichtlichen Pauschalgebühr zuzuerkennen. Im übrigen sind die Kosten gegeneinander aufzuheben.

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