Normen
ABGB §1298 Abs2
ABGB §1304 Abs1
ABGB §1311 Abs2
KO §110 Abs1
Kraftfahrzeuggesetz 1967 §63 Abs3
Kraftfahrzeuggesetz 1967 §63 Abs4
VersVG §158c Abs1
VersVG §158c Abs3
ZPO §228
ABGB §1298 Abs2
ABGB §1304 Abs1
ABGB §1311 Abs2
KO §110 Abs1
Kraftfahrzeuggesetz 1967 §63 Abs3
Kraftfahrzeuggesetz 1967 §63 Abs4
VersVG §158c Abs1
VersVG §158c Abs3
ZPO §228
Spruch:
Der Geschädigte muß seinem Verlangen nach Schadenersatz ein ihn belastendes Eigenverhalten entgegenhalten lassen, wenn es gegen einen Dritten gerichtet zu seiner Schadenersatzpflicht geführt hätte
Hat der Geschädigte eine Schutznorm übertreten, obliegt ihm der Beweis seiner Schuldlosigkeit
Die Feststellung der Haftung des Haftpflichtversicherers ist nach § 63 Abs. 1 KFG auf den "Rahmen des betreffenden Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungs- oder
Schadenbehandlungsversicherungsvertrages" zu beschränken. Diese den Schadenersatzanspruch einschränkende Generalklausel wird durch die Bestimmungen des Versicherungsvertrages, die Normen der Versicherungsbedingungen und des Versicherungsvertragsgesetzes ausgefüllt
Der Haftpflichtversicherer hatte im Falle der Vereinbarung einer höheren Deckungssumme in der Regel bis zu deren Höhe, im Falle eines "kranken" Versicherungsverhältnisses aber nur bis zur Höhe der gesetzlichen Mindesthaftpflichtversicherungssumme
OGH 20. Dezember 1978, 8 Ob 198/78 (OLG Wien 9 R 89/78; LG f. ZRS Wien 37 Cg 814/76)
Text
Am 26. November 1974 kam es gegen 23.15 Uhr auf der Bundesstraße 53 außerhalb von Ortsgebieten zwischen N und S zu einem Verkehrsunfall, bei dem der auf der Fahrbahn liegende Kläger von dem von Matthias H gelenkten Omnibus der B-Ges. m. b. H. überrollt und schwer verletzt wurde. Die Beklagte ist Haftpflichtversicherer des Omnibusses. Matthias H wurde wegen dieses Unfalles rechtskräftig verurteilt, weil er zu spät auf den auf der Straße liegenden Kläger reagiert habe.
Der Kläger begehrt Feststellung der Haftung der Beklagten für die dem Kläger aus dem Verkehrsunfall entstehenden Schäden bis zur Höhe der Versicherungssumme aus dem Versicherungsvertrag und macht Alleinverschulden des Lenkers des Omnibusses geltend.
Die Beklagte, die das Feststellungsinteresse des Klägers nicht bestritt, wendete ein Mitverschulden des Klägers zu 50% ein und machte ferner geltend, sie hafte nicht bis zur Höhe der Versicherungssumme, sondern nur bis zur Höhe der gesetzlichen Deckungssumme. Der Kläger sei mit seinem Motorfahrrad zu kurz gekommen, weil er von einer Buschenschenke kommend, wo er alkoholische Getränke zu sich genommen habe, offensichtlich alkoholisiert gewesen sei. Der Grad seiner Alkoholisierung sei nur deshalb nicht mehr feststellbar, weil mit dem Kläger kein Alkoholtest wegen der Schwere seiner Verletzungen habe durchgeführt werden können. Das Motorfahrrad habe aber im fahrtüchtigen Zustand auf der Straße gelegen. Es wäre ohne Alkoholisierung des Klägers nicht erklärbar, daß er mit dem völlig fahrtüchtigen Motorfahrrad auf einer geraden Straße gestürzt und dann liegengeblieben sei.
Der Kläger erwiderte, in dem gegen ihn anhängigen Verwaltungsstrafverfahren hätten sich keine Anhaltspunkte für seine Alkoholisierung ergeben. Er habe bloß ein bis zwei Achtel gespritzten Rotwein getrunken. Der Beklagte sei nicht in der Lage, sein Mitverschulden zu beweisen.
Das Erstgericht, das vom Alleinverschulden des Lenkers des Omnibusses ausging, stellte die Haftung der Beklagten für die dem Kläger aus dem Verkehrsunfall entstehenden Schäden bis zur Höhe der gesetzlichen Deckungssumme aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag fest.
Dieses Urteil blieb hinsichtlich der Feststellung der Haftung der Beklagten für zwei Drittel der künftigen Schäden unangefochten.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes hinsichtlich der Feststellung der Haftung der Beklagten für ein weiteres Drittel, änderte es aber infolge Berufung des Klägers hinsichtlich der Beschränkung der Haftung der Beklagten im Sinne der Feststellung deren Haftung für die dem Kläger aus dem Verkehrsunfall entstehenden Schäden bis zur Höhe der Versicherungssumme aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag ab. Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes 2000 S übersteigt.
Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Anfechtungsgrunde des § 503 Z. 4 ZPO. Sie ficht das Urteil des Berufungsgerichtes insoweit an, als ihre Haftung für mehr als zwei Drittel festgestellt und ausgesprochen worden ist, daß ihre Haftung nicht nur bis zur Höhe der gesetzlichen Deckungssumme aus dem Versicherungsvertrag, sondern bis zur Höhe der Versicherungssumme beschränkt ist.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten teilweise Folge und änderte die Urteile der Vorinstanzen dahin ab, daß die Entscheidung insgesamt zu lauten hat: Es wird festgestellt, daß die beklagte Partei der klagenden Partei für zwei Drittel der künftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 26. November 1974 mit der Beschränkung auf den Rahmen des hinsichtlich des Omnibusses der B-Ges. m. b. H. zu Polizze Nr. abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrages haftet. Das Feststellungsmehrbegehren wird abgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Untergerichte gingen im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:
Der Kläger suchte am Unfalltag um 17 Uhr die Heurigenschenke der Sophie M auf und bestellte dort vier Achtel Wein gespritzt und ein Achtel Rotwein und dazu eine Portion Preßwurst. Er befand sich in Gesellschaft des Max B, der von den angeführten Alkoholmengen ein Achtel trank. Wann der Kläger die Heurigenschenke verließ und was er bis zur Unfallzeit tat, konnte nicht festgestellt werden. Wegen der Schwere seiner Verletzungen wurde bei ihm keine Blutalkoholprobe durchgeführt. Er besitzt eine durchschnittliche Alkoholverträglichkeit. Bei den angegebenen Trinkmengen ergab sich bis zum Unfallzeitpunkt ein Blutalkoholwert von 0.01 bis maximal 0.1%, je nach Abbauwert, ein Alkoholwert, der auf die Fahrweise des Klägers keinerlei Einfluß haben konnte. Matthias H näherte sich der Unfallstelle mit dem mit 54 Personen besetzten Omnibus aus Richtung N in Richtung S mit einer Geschwindigkeit von 72 km/h. Die Straße verläuft im Unfallbereich gerade, die Fahrbahn ist 7.5 m breit und besteht aus Rauhasphalt. Sie war zur Unfallzeit trocken und frei von Schlaglöchern. Auf Höhe des Straßenkilometers 6.2 lagen aus einer nicht aufklärbaren Ursache das blaulackierte Motorfahrrad des Klägers und dieser selbst auf der Fahrbahn, das Motorfahrrad auf der rechten Fahrbahnhälfte, der Kläger in Fahrbahnmitte, möglicherweise etwas in die linke Fahrbahnhälfte hineinragend. Der Kläger war mit einem dunkelblauen Anorak, graugemusterter Hose und schwarzen Pelzschuhen bekleidet. Die Bekleidung wies einen Reflexionsgrad von weniger als 9% auf wogegen der Auffälligkeitswert des Motorfahrrades infolge der vielen lichtreflektierenden Teile wesentlich höher war. Der Omnibus fuhr mit eingeschaltetem Fernlicht, wodurch die Fahrbahn zumindest auf 100 m ausgeleuchtet wurde. Die festgestellten Hindernisse auf der Fahrbahn waren für den Lenker des Omnibusses - wenn auch nicht in ihren einzelnen Beschaffenheiten - zumindest aus einer Entfernung von 80 m wahrnehmbar. Der Omnibuslenker faßte aus einer Entfernung von rund 50 m vor dem Hindernis einen Auslenk- und Bremsentschluß. Der Anhalteweg aus einer Bremsausgangsgeschwindigkeit von 70 km/h betrug 72 m. Der Omnibus hielt bei Beginn der Spurenzeichnung einen Abstand zum rechten Fahrbahnrand von 80 cm ein. Von dort verlief die Fahrlinie des Omnibusses S-förmig nach links. Die dem Gebot des Fahrens auf Sicht entsprechende Geschwindigkeit betrug 75 km/h. Das Motorfahrrad war zum Unfallzeitpunkt uneingeschränkt betriebs- und verkehrssicher. Es ist zwar ungeklärt geblieben, wieso der Kläger zu Sturz kam, doch kann dies nicht auf Grund eines Kontaktes mit einem anderen Fahrzeug gewesen sein. Es ist hingegen möglich, wenngleich nicht wahrscheinlich, daß er zufolge Sogwirkung eines anderen Kraftfahrzeuges gestürzt ist. Beim Unfall wurde der linke Oberschenkel des Klägers von einem Rad des Omnibusses überrollt. Dadurch wurden der linke Oberschenkel und der Schienbeinkopf gebrochen und die Kreuzbänder sowie die Oberschenkelschlagader zerrissen, so daß eine Amputation des linken Oberschenkels notwendig war; im Zuge des Überrollens wurde der Kläger nicht gegen den Autobus geschleudert und auch nicht abgeschleudert. Die Gehirnerschütterung des Klägers nach der aufgetretenen Erinnerungslücke muß es eine schwere gewesen sein, wobei die daraus resultierende Bewußtlosigkeit die 10-Minuten- Grenze sicher überstiegen hat - ist daher dem ersten ungeklärten Sturz zuzuordnen, ebenso mit Wahrscheinlichkeit der körperferne Bruch des rechten Schienbeines. Hinsichtlich der Weichteilwunden der linke Hand kann eine Zuordnung zum ersten oder zweiten Unfallgeschehen nicht erfolgen.
Das Erstgericht führte zur Rechtsfrage aus, die Beklagte sei für das Mitverschulden des Klägers beweispflichtig. Dieser Beweis sei ihr nicht gelungen. Es stehe nur fest, daß der Sturz des Klägers nicht auf einen Kontakt mit einem anderen Fahrzeug zurückzuführen sei und die Verursachung des Sturzes durch die Sogwirkung eines anderen Kraftfahrzeuges unwahrscheinlich sei. Im übrigen sei die Ursache des Sturzes des Klägers ungeklärt geblieben. Der Schluß von einem Tatbestand auf eine bestimmte Ursache sei nur zulässig, wenn es sich nach allgemeiner Lebenserfahrung um einen typischen Kausalverlauf handle. Dies treffe auf den vorliegenden Fall nicht zu. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß der Kläger durch die Sogwirkung eines anderen Fahrzeuges oder durch eine Abwehrhandlung auf das Fehlverhalten eines Dritten zu Sturz gekommen sei. Es sei daher vom Alleinverschulden des Lenkers des Omnibusses auszugehen. Die Haftung des beklagten Haftpflichtversicherers sei auf den Umfang des Versicherungsvertrages zu beschränken.
Das Berufungsgericht billigte die Ansicht des Erstgerichtes, daß der Beklagten der Beweis eines Mitverschuldens des Klägers nicht gelungen sei. Es sei der Beklagten zwar zuzugeben, daß ihre Darstellung, der Kläger sei infolge einer Alkoholisierung zu Sturz gekommen, sehr wahrscheinlich sei. Es könne aber eine andere Ursache für den Sturz des Klägers nicht ausgeschlossen werden, wie etwa die Sogwirkung eines anderen Kraftfahrzeuges, plötzliche Bewußtseinsstörungen oder ein die Fahrbahn plötzlich querendes Tier. Wenn auch diesen möglichen Ursachen eine geringere Wahrscheinlichkeit für den Sturz des Klägers als eine Alkoholisierung des Klägers zukomme, könne nicht von einer Alkoholisierung des Klägers als einer nach allgemeiner Lebenserfahrung typischen Ursache für dessen Sturz ausgegangen werden. Hinsichtlich der Beschränkung der Haftung der Beklagten sei davon auszugehen, daß die Versicherungssumme des Haftpflichtversicherungsvertrages im einzelnen Falle durchaus über die gesetzliche Haftungsgrenze des EKHG hinausgehen könne. Daraus ergebe sich, daß die Haftung des Haftpflichtversicherers im Rahmen des Versicherungsvertrages nicht auf die gesetzliche Deckungssumme, sondern auf die konkrete Versicherungssumme abzustellen sei.
1. Zum Mitverschulden des Klägers:
Die Beklagte führt in ihrer Rechtsrüge hiezu aus, es könne nicht immer ein voller Schuldbeweis erbracht werden. Bei dem festgestellten Sachverhalt sei nach der Wahrscheinlichkeit vorzugehen. Dies ergebe eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Sturz des Klägers, der in zirka drei Stunden mehr als einen halben Liter Wein getrunken habe, auf eine Beeinträchtigung durch Alkoholisierung und auf sein Gewicht sowie auf die Labilität des einspurigen Fahrzeuges zurückzuführen sei.
Nach § 1304 ABGB ist der Schaden zu teilen, wenn bei einer Schädigung zugleich ein Verschulden des Beschädigten eintritt. Mitverschulden des Geschädigten in diesem Sinne setzt zwar nur Sorglosigkeit des Geschädigten voraus, mit der er sich in eine Lage bringt, in der sich das Verhalten eines anderen für ihn schädigend auswirken kann. Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Geschädigten ist dafür nicht nötig, aber auch nicht ausgeschlossen, sondern sogar häufig damit verbunden (vgl. Koziol, Haftpflichtrecht I, 185; Larenz, Schuldrecht, 11. Auflage, I. Bd., 424 ff.; Esser - Schmidt, Schuldrecht, Teilband 2, UTB, 220 ff.). Dem der Schadensteilung nach § 1304 ABGB zugrunde liegenden Grundsatz, den Schaden unter den Beteiligten verhältnismäßig zu teilen, entspricht es, die Beteiligten entsprechend den von ihnen eingebrachten Schadensfaktoren gleich zu behandeln, ein und demselben Verhalten dieselbe Bedeutung zuzumessen. Der Geschädigte muß daher seinem Verlangen auf Schadenersatz ein ihn belastendes Eigenverhalten entgegenhalten lassen, wenn es gegen einen Dritten gerichtet zu seiner Schadenersatzpflicht geführt hätte (vgl. Koziol a. a. O. I, 185; Esser - Schmidt a. a. O., 210 ff.; 8 Ob 91/76). Diese vom Gesetz gesehene Parallelität zwischen dem die Ersatzpflicht des Schädigers und dem seine Mitverantwortlichkeit für den Schaden begrundenden Verschulden des Geschädigten spricht dafür, auch für das Mitverschulden des Geschädigten die von der Rechtsprechung zur Verletzung einer Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB entwickelten Grundsätze analog anzuwenden. Es hat daher grundsätzlich auch der Geschädigte im Falle der Verletzung eine Schutznorm zu beweisen, daß der Schaden auch ohne seinen Verstoß gegen die Schutznorm in gleicher Weise eingetreten wäre. Ebenso wie dem Schädiger steht aber auch dem Geschädigten in diesem Falle die Möglichkeit der Exkulpierung durch den Nachweis eines mangelnden Verschuldens beim Verstoß gegen die Schutzvorschrift offen (vgl. ZVR 1975/111 u. a.). Ähnliche Grundsätze wurden auch für die Begrenzung der Zurechnung der Schadensfolgen aus dem Rechtswidrigkeitszusammenhang bei der Schadenstragung wegen Mitverschuldens von Lehre und Rechtsprechung anerkannt (vgl. Koziol a. a. O. I, 187; Bydlinski, JBl. 1961, 566; 8 Ob 91/76).
Geht man von diesen Grundsätzen aus, führt dies im vorliegenden Falle zu folgendem Ergebnis. Aus § 2 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 76 StVO ergibt sich, daß die Fahrbahn in erster Linie für den Fahrzeugverkehr bestimmt ist (vgl. ZVR 1968/123; ZVR 1974/241; ZVR 1975/93) und daher Fußgänger, aber auch Lenker von Fahrzeugen, die die Fahrbahn nicht oder nicht mehr durch Teilnahme am Kraftfahrzeugverkehr benützen (vgl. ZVR 1976/101), den Fahrzeugverkehr auf der Fahrbahn nicht beeinträchtigen dürfen. Nach § 89a Abs. 1 2. Satz StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges, das wegen einer Betriebsstörung - was im weitesten Sinne auszulegen ist (vgl. Dittrich - Veit - Schuchlenz, StVO, Anm.4 zu § 89a) - die Fahrt nicht fortsetzen kann und ein Hindernis auf der Fahrbahn bildet, für die eheste Entfernung des Fahrzeuges von der Fahrbahn zu sorgen. Nach den getroffenen Feststellungen lag der Kläger auf der Fahrbahn, und zwar in Fahrbahnmitte, das Motorfahrrad auf der rechten Fahrbahnhälfte. Damit lag objektiv ein als Verstoß gegen die oben genannten Verkehrsvorschriften im Sinne des § 1311 ABGB einzustufendes Fehlverhalten des Klägers vor. Dieses führte auch zu einer Mitverursachung der Unfallverletzungen des Klägers, so daß dieser den Nachweis hoher Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes auch bei rechtmäßigem Verhalten nicht erbringen kann. Dem Kläger stand aber die Möglichkeit der Exkulpierung durch den Nachweis offen, ohne sein Verschulden in diese Lage gekommen zu sein. Nach den Feststellungen der Untergerichte blieb die Ursache des Sturzes des Klägers, der jedenfalls in den frühen Abendstunden eine Heurigenschenke aufsuchte, ungeklärt. Es steht nur fest, daß der Sturz nicht durch einen Kontakt mit einem anderen Fahrzeug herbeigeführt wurde. Hingegen ist es möglich, wenngleich auch nicht wahrscheinlich, daß der Kläger zufolge der Sogwirkung eines anderen Kraftfahrzeuges zu Sturz gekommen ist. Sein Aufenthalt in den späten Abendstunden bis zum Unfall blieb ungeklärt. Auch der Grad der Alkoholisierung des Klägers im Zeitpunkte des Unfalles konnte, da eine Blutentnahme zur Feststellung des Alkoholwertes wegen der schweren Verletzungen des Klägers nicht vorgenommen wurde, nicht objektiv überprüft werden. Damit ist dem Kläger der ihm obliegende Beweis, daß er ohne sein Verschulden etwa durch eine plötzliche Bewußtseinsstörung oder durch das Verhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers oder eines Tieres zum Sturz gekommen sei, nicht gelungen. Er hat daher ein eine Schadenskürzung begrundendes Mitverschulden zu vertreten, das nach der gegebenen Sachlage mit einem Drittel auszumessen war.
Der Revision war daher insoweit Folge zu geben.
2. Zur Haftungsbeschränkung des Haftpflichtversicherers:
Diesbezüglich wendet sich die Beklagte gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, die Haftung des Haftpflichtversicherers werde durch die vertragliche Versicherungssumme des Haftpflichtversicherungsvertrages beschränkt. Sie meint, der Haftpflichtversicherer hafte nach § 63 Abs. 1 KFG nur bis zur Höhe der gesetzlichen Mindestversicherungssumme der Haftpflichtversicherung. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichtes würde dazu führen, daß der Haftpflichtversicherer auch im Falle eines notleidenden Versicherungsverhältnisses bis zur Höhe der vertraglich vereinbarten Versicherung zu haften hätte, obwohl er nach den Bestimmungen des Versicherungsrechtes nur bis zur Höhe der gesetzlichen Mindestversicherungssumme zu haften habe. Die Geschädigten könnten auch nicht in zwei Gruppen eingeteilt werden, in solche, die im Falle einer vertraglichen Höherversicherung den Haftpflichtversicherer bis zur Höhe dieser Versicherungssumme in Anspruch nehmen können, und in andere, die sich im Falle einer Haftpflichtversicherung zu den gesetzlichen Mindestdeckungssummen mit einer Inanspruchnahme des Versicherers bis zur Höhe dieser Mindestversicherungssummen begnügen müßten.
Den Ausführungen der Beklagten kommt nur teilweise Berechtigung zu.
Im Falle der Geltendmachung des Direktanspruches des geschädigten Dritten gegen den Haftpflichtversicherer hat dieser nach § 63 Abs. 1 KFG 1967 "im Rahmen des betreffenden Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungs- oder
Schadenbehandlungsversicherungsvertrages" zu haften. Der Versicherungsvertrag ist daher für die Grenzen maßgebend, innerhalb deren der Schadenersatzanspruch auch gegen den Versicherer geltend gemacht werden kann. Die den Schadenersatzanspruch einschränkende Generalklausel "im Rahmen des Versicherungsvertrages" wird ausgefüllt durch die Bestimmungen des Versicherungsvertrages, die Normen der Versicherungsbedingungen und des Versicherungsvertragsgesetzes (vgl. Prölss - Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 21. Aufl., 764 Anm. 2; Möller, Versicherungsvertragsrecht, 3. Aufl., 53; BGH Z. 57, 269 bis 270). Versicherungsvertragliche Grenzen gegen den Versicherer sind zum Beispiel die Deckungssumme und bei "kranken" Versicherungen die gesetzlichen Mindestdeckungssummen im Sinne des § 158c Abs. 3 VersVG, aber auch die gesetzliche Subsidiarität nach § 158c Abs. 4 VersVG (vgl. Prölss, Kraftfahr- Haftpflichtschäden im Zeichen der action directe, NJW 1965, 1738; Prölss - Martin a. a. O., 764 Anm. 2). Durch § 63 Abs. 5 KFG 1967 wurden die Bestimmungen des § 158c Abs. 1 bis 4 VersVG für die Kraftfahrzeug- Haftpflichtversicherungen und die Schadenbehandlungsversicherung ausdrücklich aufrechterhalten. Die Haftung des Versicherers besteht gegenüber dem geschädigten Dritten auch dann, wenn im Innenverhältnis der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer von der Verpflichtung zur Leistung ganz oder teilweise befreit ist (§ 158c Abs. 1 VersVG). Die Haftung des Versicherers bei einem "kranken" Versicherungsverhältnis ist aber gemäß § 158c Abs. 3 VersVG bis zur Höhe der gesetzlich festgelegten Mindesthaftpflichtversicherungssumme beschränkt. Soweit eine höhere Deckungssumme vereinbart ist, greift daher die Bestimmung des § 158c Abs. 1 VersVG insoweit nicht ein, als die Mindestversicherungssumme überschritten wird. Wegen des Mehrbetrages kann sich der Versicherer also auf die Leistungsfreiheit berufen (Prölss - Martin a. a. O., 735 Anm. 8; Geigel, Der Haftpflichtprozeß, 16. Aufl., 409; Prölss, NJW 1965, 1738 zu III, 3 und 1739 zu IV, 3). Daraus ergibt sich, daß der Haftpflichtversicherer im Falle der Vereinbarung einer höheren Deckungssumme in der Regel bis zu deren Höhe, im Falle eines "kranken" Versicherungsverhältnisses trotz vereinbarter höherer Deckungssumme aber nur bis zur Höhe der gesetzlichen Mindesthaftpflichtversicherungssumme haftet. Die vertragsmäßige Begrenzung des Haftungsumfanges ist aber nur eine der Beschränkungen der Haftung des Versicherers im Rahmen des Versicherungsvertrages und betrifft nur die Höhe des Schadens, für den der Versicherer einzustehen hat, was Gegenstand einer allfälligen künftigen Leistungsklage und der dort zu erhebenden Einwendungen ist. Die Feststellung der Haftung des Haftpflichtversicherers ist daher im Sinne des Wortlautes des § 63 Abs. 1 KFG auf den "Rahmen des betreffenden Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungs- oder Schadenbehandlungsversicherungsvertrages" zu beschränken (8 Ob 7/72 u. a.).
Der Revision war daher insoweit nur teilweise Folge zu geben und wie im Spruche zu entscheiden.
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