OGH 7Ob2336/96x

OGH7Ob2336/96x10.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Alexander Puttinger, Rechtsanwalt, 4910 Ried im Innkreis, Rainerstraße 6 als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der N***** GmbH, ***** wider die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1101 Wien, Wienerbergstraße 15-19, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr.Amhof & Dr.Damian Partnerschaft, Wien, wegen S 1,242.344 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 3.Juli 1996, GZ 1 R 135/96w-19, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 15.April 1996, GZ 2 Cg 172/95i-11, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, daß das Urteil zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger den Betrag von S 1,242.344 samt 4 % Zinsen aus S 293.003,39 vom 9.11. bis 11.11.1992, aus S 817.889,99 vom 12.11. bis 17.11.1992, aus S 978.078,52 vom 18.11.1992 bis 25.6.1993, aus S 1,952.070,60 vom 26.6. bis 9.11.1993, aus S 2,220.422,52 vom 10.11.1993 bis 11.7.1995 und aus S 1,242.344 ab 12.7.1995 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Hingegen wird das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 11,75 % Zinsen aus S 293.003,39 vom 9.11. bis 11.11.1992, aus S 817.889,99 vom 12.11. bis 17.11.1992, aus S 978.078,52 vom 18.11.1992 bis 25.6.1993, aus S 1,952.070,60 vom 26.6. bis 9.11.1993, aus S 2,220.422,52 vom 10.11.1993 bis 11.7.1995 und aus S 1,242.344 seit dem 12.7.1995 zu bezahlen, abgewiesen."

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 177.646,17 (darin enthalten S 23.101,03 Umsatzsteuer und S 27.040 Barauslagen) bestimmten Prozeßkosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, dem Kläger die mit S 76.430 (darin enthalten S 3.900 Umsatzsteuer und S 53.030 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen der N***** GmbH wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 18.2.1994 das Ausgleichsverfahren und mit Beschluß vom 4.7.1994 das Anschlußkonkursverfahren eröffnet. Der Kläger wurde zum Masseverwalter bestellt.

Er macht mit seiner am 20.6.1995 beim Erstgericht eingelangten und der beklagten Partei am 23.6.1995 zugestellten Klage Anfechtungsansprüche geltend. Der Kläger focht insgesamt fünf Zahlungen im Gesamtbetrag von S 2,220.422,52 an, die in der Zeit zwischen dem 9.11.1992 und dem 10.11.1993 zur Befriedigung der Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin an Sozialversicherungsbeiträgen geleistet wurden.

Er brachte dazu vor, die Gemeinschuldnerin sei seit 1988 objektiv und seit 1989 subjektiv zahlungsunfähig gewesen. Sie habe bei der beklagten Partei - ebenso wie bei anderen Sozialversicherungsträgern - erhebliche Beitragsrückstände gehabt. Die beklagte Partei habe deshalb Eintreibungsmaßnahmen gesetzt; sie habe seit dem Jahr 1990 laufend Konkurseröffnungsanträge gestellt. Die Exekutionsverfahren seien mit Verfahren vieler anderer Gläubiger verbunden gewesen. Die Gemeinschuldnerin habe die angefochtenen Zahlungen ausschließlich zur Abwendung von exekutiven Versteigerungen und der Konkurseröffnung geleistet. Die beklagte Partei sei in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit gewesen. Ihr sei die Begünstigungsabsicht der Gemeinschuldnerin bekannt gewesen bzw hätte sie sie kennen müssen.

Durch die Anfechtung werde die beklagte Partei zum unredlichen Besitzer und sei daher verpflichtet, ab den Zahlungszeitpunkten bankmäßige Zinsen zu bezahlen. Die Gemeinschuldnerin habe diese Zinsen auf ihren Bankkonten bezahlen müssen. Dies wäre nicht der Fall gewesen, wenn sie die Zahlungen an die beklagte Partei nicht geleistet hätte.

Die beklagte Partei bezahlte dem Kläger den sich aus den ersten drei angefochtenen Zahlungen (vom 9., 12. und 18.11.1992) ergebenden Betrag von S 978.078,52. Sie anerkannte diesen Betrag in der Klagebeantwortung und brachte vor, daß der Kläger bezüglich dieses Teilbetrages niemals eine Anfechtungserklärung bzw Zahlungsaufforderung an sie gerichtet habe, weshalb Kostenersatz gemäß § 45 ZPO begehrt werde. Im übrigen bestritt sie das Klagebegehren und führte aus, daß die beiden noch strittigen Zahlungen (vom 16.6. bzw 10.11.1993) aus dem Vermögen des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin Ing.Manfred N***** stammen. Dies ergebe sich aus dessen eidesstättiger Erklärung vom 14.8.1993. Das Konkursgericht habe deshalb den von der beklagten Partei eingebrachten Konkurseröffnungsantrag abgewiesen, weil die konkursrechtliche Unanfechtbarkeit dieser Zahlung bescheinigt gewesen sei. Die beklagte Partei habe daher annehmen dürfen, daß die Zahlung unanfechtbar aus fremdem Vermögen stamme.

Mit Schriftsatz vom 15.11.1995 dehnte der Kläger das Zinsenbegehren auf (gestaffelt) 15,75 % aus. Die Gemeinschuldnerin habe im kritischen Bereich diesen Zinssatz bezahlen müssen. Die beklagte Partei habe sich Zinsen in dieser Höhe "erspart". Gleichzeitig wurde das Klagebegehren um den bezahlten Betrag von S 978.058,52 eingeschränkt.

Das Erstgericht gab der Klage mit dem Betrag von S 1,246.430,44 samt 4 % Stufenzinsen statt. Das Mehrbegehren von 11,75 % gestaffelten Zinsen wurde abgewiesen.

Es ging von nachstehenden wesentlichen Feststellungen aus:

Die beklagte Partei hat bereits in den Jahren 1990 und 1991 Konkurseröffnungsanträge gegen die Gemeinschuldnerin eingebracht. Weitere Konkurseröffnungsanträge wurden am 18.2.1992 und am 28.9.1992 wegen aushaftender Sozialversicherungsbeiträge eingebracht. Diese Anträge wurde mangels Äußerung der beklagten Partei rechtskräftig abgewiesen.

Am 19.4.1993 stellte die beklagte Partei einen weiteren Antrag auf Konkurseröffnung wegen aushaftender Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von S 968.343,88. Die Gemeinschuldnerin übermittelte dem Konkursgericht die Kopie eines Verrechnungsschecks über S 973.792,08 zum Nachweis, daß die Beitragsschuld gegenüber der beklagten Partei zur Gänze bezahlt worden sei und beantragte die Einstellung des Konkursverfahrens. Die beklagte Partei lehnte es ab, ihren Konkurseröffnungsantrag zurückzuziehen, weil sie nach ihren Informationen der Meinung war, die Zahlung sei im Falle eines Konkursverfahrens anfechtbar. Die mittels Scheck vorgenommene Zahlung werde auf ein spezielles Sonderkonto für nicht angenommene Zahlungen gelegt, bis das Konkursgericht entschieden habe, ob Zahlungsunfähigkeit vorliege oder nicht.

Das Konkursgericht erteilte der späteren Gemeinschuldnerin am 1.7.1993 nachstehenden Auftrag:

"Der Antragsgegnerin wird aufgetragen, binnen 14 Tagen ab Zustellung dieser Aufforderung wahrheitsgemäß zur Äußerung der Wiener Gebietskrankenkasse Stellung zu nehmen und konkret zu bescheinigen (nicht bloß zu behaupten!), ob und wodurch die zuletzt offensichtlich vorhanden gewesene Zahlungsunfähigkeit jetzt behoben werden konnte, ob noch weitere Exekutionen anhängig sind (wird dann sofort amtsfähig nachgeprüft!), ob und welche sonstigen Verbindlichkeiten bestehen (Name und Anschrift der Gläubiger, Höhe der einzelnen Schulden), ob und welche Aktivwerte vorhanden sind, ob die Gesellschaft überschuldet ist, ob ihr Eigenkapital zumindest ausgeglichen ist, ob und wo das Unternehmen derzeit effektiv betrieben wird. Die Abwehr des Konkursantrages wäre auch durch den Nachweis, daß die Zahlung ohne Rückersatzanspruch aus fremdem Vermögen erfolgte, möglich (darum wäre die Anfechtung ausgeschlossen), wahrheitswidrige Behauptungen dazu hätten strafrechtliche Konsequenzen.

Sollte dieser Auftrag nicht oder unvollständig oder wahrheitswidrig beantwortet werden, ist, wenn Exekutionen anhängig sind, die Bejahung der Konkursvoraussetzungen durch das Gericht zu erwarten. Mit einer Fristerstreckung kann nicht gerechnet werden. Sollte der Verrechnungsscheck gedeckt sein, wird der bei der Wiener Gebietskrankenkasse liegende Betrag auch einen weiteren Kostenvorschuß entbehrlich machen."

Knapp vor Abfertigung dieses Beschlusses erhielt das Konkursgericht eine Kopie des Kontoauszuges und die Mitteilung, daß der Betrag von S 973.792,08 am 25.6.1993 vom Konto der Gemeinschuldnerin abgebucht wurde.

Am 4.8.1993 überreichte der Geschäftsführer der späteren Gemeinschuldnerin nachstehende Erklärung beim Konkursgericht:

"Beiliegenden Urkunden ist zu entnehmen, daß ich einen Betrag von mehr als S 973.792,08 aus meinem Privatvermögen an die Firma N***** GmbH bezahlt habe. Ich erkläre hiezu, daß diese Zahlung zur Berichtigung der Forderungen der Wiener Gebietskrankenkasse gegen die N***** GmbH erfolgte. Ich erkläre weiters, daß diese Zahlung ohne Rückersatzanspruch aus meinem Privatvermögen erfolgte, sodaß für diese Zahlung die Anfechtung ausgeschlossen ist.

Mir ist bewußt, daß wahrheitswidrige eidesstättige Erklärungen strafrechtlich verfolgt werden."

Dieser eidesstättigen Erklärung waren jeweils in Kopie zwei Überweisungsaufträge des Geschäftsführers über S 350.000 und S 700.000 von seinem Konto bei seiner Bank auf das Konto der Gemeinschuldnerin angeschlossen. Die Zahlungen stammten vom 25.3. bzw 5.4.1993.

Das Konkursgericht wies mit Beschluß vom 5.8.1993 den Konkursantrag ab, weil die Antragsgegnerin (spätere Gemeinschuldnerin) die Bezahlung der Forderung der Antragstellerin dargetan und überdies deren konkursrechtliche Unanfechtbarkeit ausreichend bescheinigt habe.

Der Beschluß wurde der beklagten Partei gemeinsam mit einer Kopie der eidesstättigen Erklärung und Kopien der Belege zugestellt. Der Beschluß blieb von der beklagten Partei unangefochten; sie nahm den zunächst auf das Sonderkonto gebuchten Betrag als Zahlung an, ging aber dabei nach wie vor vom Bestehen der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin aus. Sie vermeinte aufgrund der eidesstättigen Erklärung, daß die Zahlung deshalb unanfechtbar sei, weil sie aus dem Privatvermögen des Ing.Manfred N***** mit dem Verzicht auf Rückforderung stammte. Diesbezügliche zusätzliche Erkundigungen wurden aber von der beklagten Partei nicht eingeholt, auch nicht im Hinblick darauf, daß die dem eidesstättigen Bekenntnis beigelegten Einzahlungen bereits vor dem Konkursantrag der beklagten Partei vom 19.4.1993 erfolgten und die Überweisung aus dem Kreditkonto der Gemeinschuldnerin erst am 15.6.1993 erfolgte. Nach Überweisung der beiden Beträge von S 350.000 und S 700.000 auf das Geschäftskonto der Gemeinschuldnerin wurden bis zur Bezahlung der beklagten Partei mittels Verrechnungsschecks Belastungen des Kontos in einem Vielfachen der überwiesenen Beträge vorgenommen.

Am 15.10.1993 stellte die beklagte Partei neuerlich einen Antrag auf Konkurseröffnung zur Hereinbringung der aushaftenden Sozialversicherungsbeiträge für April bis August 1993 von S 661.124,49. Die beklagte Partei hatte unverändert von der nach wie vor bestehenden Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin Kenntnis.

In der Tagsatzung vom 28.10.1993 führte der Vertreter der Gemeinschuldnerin nachstehend aus:

"Diese Forderung besteht nur mit S 400.000 zu Recht, darüber hinaus nicht zu Recht. S 400.000 wurden heute bezahlt, Kopie der Banküberweisung wird vorgelegt. Am 2.11.1993 wird eine Prüfung der Lohnbuchhaltung der Antragsgegnerin durch die Wiener Gebietskrankenkasse stattfinden, wodurch die effektive Höhe der aushaftenden Beitragsforderung geklärt werden wird. Ein allfälliger Restbetrag wird dann sofort beglichen werden.

Konkursreife wird bestritten, Lieferantenschulden maximal S 2 Mio, keine nennenswerten öffentlichen Abgaben ausständig, laufende Kreditschulden abgesichert und rückstandsfrei. Wert des Anlage- und Umlaufvermögens nicht bekannt. Derzeit keine Exekutionen anhängig. Zivilprozesse in Wien, Linz und Ried anhängig. Im Bedarfsfalle wird der Gemeinschuldner Manfred N***** auch hier die Erklärung abgeben, daß diese Zahlungen unanfechtbar sind, weil sie aus seinem Privatvermögen erfolgt sind bzw geleistet werden.

Diese Sache wird innerhalb von 14 Tagen reguliert werden, sodaß in dieser Frist mit der Antragszurückziehung zu rechnen ist. Sollte dies nicht gelingen, so wird das Konkursgericht die Voraussetzungen für die Konkurseröffnung als gegeben ansehen, allerdings dem Antragsteller einen Eröffnungskostenvorschuß auferlegen, weil sofort und kostenfrei realisierbares kostendeckendes Vermögen nicht vorhanden sein wird."

Die Kopie der vorgelegten Banküberweisung über den Betrag von S 400.000 wies als Auftraggeber die Gemeinschuldnerin auf. Trotz dieser Zahlung haftete noch ein Beitragsrückstand von S 261.224,49 aus. Am 10.11.1993 unterfertigte der Geschäftsführer der späteren Gemeinschuldnerin anläßlich einer Vorsprache bei einem juristischen Sachbearbeiter der beklagten Partei nachstehende Erklärung:

"Herr N***** zahlt heute einen Betrag von S 268.351,22 auf seine Schuld aufgrund des Bescheides der Wiener Gebietskrankenkasse vom 25.10.1993. Der Bescheid wurde ihm am 4.11.1993 zugestellt. Herr N***** erklärt, gegen diesen Bescheid kein Rechtsmittel einzubringen. Weiters gibt Herr N***** an Eides statt die Erklärung ab, daß der oben angeführte Betrag aus seinem Privatvermögen, insbesondere aus dem Verkauf von Wohnungen, stammt."

Auch diese Niederschrift wurde zu dem Zweck errichtet, die Anfechtungsfestigkeit der Zahlung zu dokumentieren. Dem juristischen Sachbearbeiter der beklagten Partei war klar, daß sowohl die Überweisung von S 400.000 als auch die Barzahlung vom 10.11.1993 von der späteren Gemeinschuldnerin zur Abwendung des Konkursantrages geleistet wurde. Der vom Geschäftsführer der späteren Gemeinschuldnerin einbezahlte Barbetrag wurde von ihm von einem Konto der späteren Gemeinschuldnerin behoben. Die Bezahlung durch die Gemeinschuldnerin erfolgte in Begünstigungsabsicht. Nicht feststellbar war, daß der beklagten Partei die Begünstigungsabsicht bekannt war.

Gegen die Gemeinschuldnerin wurden in den letzten fünf Jahren vor Ausgleichseröffnung 56 Konkurseröffnungsanträge gestellt. Im Jahr 1990 wurden gegen sie 56 Exekutionsverfahren zur Hereinbringung von ca S 4 Mio, 1991 55 Exekutionsverfahren zur Hereinbringung von ca S 10 Mio, 1992 94 Exekutionsverfahren zur Hereinbringung von ca S 17,5 Mio und im Jahr 1993 über 100 Exekutionsverfahren zur Hereinbringung von ca S 30 Mio geführt.

Bereits vor Einbringung der Klage hat die beklagte Partei die Zahlung von S 400.000 vom 28.10.1993 zurückbezahlt.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß bei der Zahlung von S 973.992,08 am 26.6.1993 zwar eine Anfechtung nach den §§ 30 Abs 1 Z 1 und 31 KO ausscheide. Die Gemeinschuldnerin habe jedoch diese Zahlung nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit in Begünstigungsabsicht geleistet. Die beklagte Partei hätte bei den entsprechenden und erforderlichen Erkundigungen Kenntnis davon erlangt, daß diese Überweisung nicht nur von der Gemeinschuldnerin stamme, sondern auch in Begünstigungsabsicht geleistet worden sei. Die Anfechtung nach § 30 Abs 1 Z 3 KO sei daher berechtigt. Diese Voraussetzungen lägen auch bei der Zahlung von S 268.351,92 am 10.11.1993 vor. Auch hier hätte die beklagte Partei prüfen müssen, inwieweit der einbezahlte Betrag tatsächlich aus dem Privatvermögen des Geschäftsführers der späteren Gemeinschuldnerin stamme. Darüber hinaus sei diese Zahlung auch nach § 31 Abs 1 Z 2 Satz 1 KO anfechtbar, weil die beklagte Partei die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin gekannt habe. Sie habe durch die Zahlung der Gemeinschuldnerin Befriedigung ihrer Beitragsrückstände erlangt, aufgrund deren sie den Antrag auf Konkurseröffnung gestellt habe.

Zur Zinsenentscheidung führte das Erstgericht aus, daß unter Nutzen und Vorteilen im Sinne des § 335 ABGB nur die gesetzlichen oder diejenigen höheren Zinsen zu verstehen seien, die der Empfänger des Geldes allenfalls durch eine bessere Kapitalsanlage erzielt hätte. Da nicht behauptet worden sei, daß die beklagte Partei durch eine bessere Kapitalsanlage höhere als die gesetzlichen Zinsen erzielt hätte, habe der Kläger nur Anspruch auf die gesetzlichen Zinsen.

Das Berufungsgericht gab - nach Einschränkung des Klagebegehrens in der Berufungsverhandlung um S 4.086,44 - der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne der Abweisung des Kapitalbegehrens ab. Die wegen Abweisung des Zinsenmehrbegehrens erhobene Berufung des Klägers wies es teilweise zurück; im übrigen gab es ihr nicht Folge. Der Kläger habe zur Begründung seines Zinsenbegehrens vorgebracht, daß die angefochtenen Zahlungen mangels liquider Finanzmittel durch Beanspruchung eines Kredites bei der Volksbank Schärding erfolgt seien. Gehe man von diesem Vorbringen aus, fehle dem Anfechtungsbegehren die in der Klage ohne nähere Begründung behauptete Gläubigerbenachteiligung als allgemeine Anfechtungsvoraussetzung. Dafür sei der Kläger behauptungs- und beweispflichtig. Er habe nicht vorgebracht bzw ein Vorbringen aufrechterhalten, daß die den Kredit bzw das Darlehen gewährende Bank über ein Absonderungsrecht für die Kredit- bzw Darlehensforderung oder - gegenüber dem bisherigen Gläubiger - über ein sonstiges Vorrecht im Konkurs verfüge. Es sei daher davon auszugehen, daß es bei der Kredit- bzw Darlehensfinanzierung bloß zu einer Auswechslung des Gläubigers gekommen sei. Liege der Zahlung - zumindest im Ergebnis, im Verhältnis der Gemeinschuldnerin zur Volksbank Schärding - eine Anweisung auf Kredit oder eine Darlehensgewährung zugrunde, fehle es an der Gläubigerbenachteiligung, weil es an der Befriedigungstauglichkeit der Anfechtung mangle. Aus diesem Grunde komme der Berufung der beklagten Partei im Ergebnis Berechtigung zu.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es von einer ausreichenden und einhelligen oberstgerichtlichen Rechtsprechung ausgegangen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zur Wahrung der Rechtssicherheit und Rechtseinheit zulässig und im Sinne der Stattgebung der Klage in der Hauptsache auch berechtigt.

Die geltend gemachten Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens wurden geprüft; sie liegen nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).

Im übrigen macht der Revisionswerber eine Verletzung der Anleitungspflicht gemäß § 182 ZPO geltend, weil er nicht zur Erstattung eines ergänzenden Vorbringens hinsichtlich der Befriedigungstauglichkeit der angefochtenen Zahlungen angeleitet worden sei. Wäre dies der Fall gewesen, dann hätte er vorgebracht, daß es sich bei der Zahlung von ca S 973.000 um eine Zahlung aus einem offenen Rahmen im Rahmen eines revolvierenden Kontokorrentkredites gehandelt habe, hinsichtlich dessen die Volksbank Schärding absonderungsberechtigt gewesen sei. Die Barzahlung eines Betrages von ca S 268.000 sei nach Behebung von einem Habenkonto der späteren Gemeinschuldnerin erfolgt. Ohne Gläubigerbenachteiligung wäre dieser Betrag auf sämtliche Gläubiger aufgeteilt worden.

Diese Ausführungen sind grundsätzlich berechtigt.

Zu den allgemeinen Anfechtungsvoraussetzungen zählt die Befriedigungstauglichkeit. Eine Anfechtung ist dann befriedigungstauglich, wenn die Beseitigung der Rückwirkungen der Schuldnerhandlung die Befriedigungsaussichten des Gläubigers zu fördern imstande ist. Dabei genügt es schon, daß die damit bewirkte Verbesserung der Befriedigungsaussichten auch nur wahrscheinlich ist (SZ 66/149 mwN). Daher ist grundsätzlich jede Erweiterung der Möglichkeiten des Gläubigers zum Zugriff auf Vermögen des Schuldners aufs erste als befriedigungstauglich anzusehen (1 Ob 627/95 mwN). Die Behauptungs- und Beweislast liegt, weil es sich um eine allgemeine Anfechtungsvoraussetzung handelt, beim Masseverwalter. Im vorliegenden Fall hat der Masseverwalter vorgebracht, die beklagte Partei habe nach eingetretener Zahlungsunfähigkeit in Kenntnis der Begünstigungsabsicht der Gemeinschuldnerin Zahlung erlangt, während andere Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Zahlung ebenfalls fälligen Forderungen bis zur Eröffnung des Anschlußkonkurses keine Befriedigung erlangt hätten. Damit ist er der ihm obliegenden Behauptungslast der wahrscheinlichen Verbesserung der Befriedigungsaussichten nachgekommen. Im Zweifel ist zugunsten der Anfechtung zu entscheiden (vgl ÖBA 1990, 841; König, Die Anfechtung nach der KO, Rz 103). König führt dazu aus, daß die Intensität des erforderlichen Vorbringens gering sei und sich häufig sogar ein spezifisches Vorbringen (und Beweisanbot) erübrige. In einem solchen Fall liegt es am Anfechtungsgegner, Tatsachen zu behaupten und unter Beweis zu stellen, daß aus besonderen Gründen dennoch die Befriedigungstauglichkeit der angefochtenen Rechtshandlung fehlt (vgl 6 Ob 2312/96k). Nach dem für die Verteilung der Beweislast maßgeblichen Grundsatz der "subjektiven Günstigkeit der Norm" folgt, daß jene Partei, die ein Recht für sich in Anspruch nimmt, zwar dessen Entstehungsursachen beweisen muß; es kann ihr aber in der Regel nicht zugemutet werden, dazu noch den Beweis anzutreten, daß keine zusätzlichen Hinderungsgründe vorliegen (SZ 65/41).

Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei besondere, der Befriedigungstauglichkeit entgegenstehende Gründe gar nicht behauptet. Zwar entspricht es der Rechtsprechung und Lehre, daß eine Anfechtung dann nicht befriedigungstauglich ist, wenn sie nicht zu einer Leistung an die Konkursmasse und damit zu einer Erhöhung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger führen kann. Erfolgt daher die Befriedigung des Gläubigers aus fremden Mitteln, etwa aus einem hiezu aufgenommenen Darlehen oder einer angenommenen Anweisung auf Kredit und tritt dadurch nur ein Wechsel in der Person des Gläubigers ein, ist sie anfechtungsneutral. Dies trifft aber dann nicht zu, wenn der neue Gläubiger die Forderung aus einer besseren Rechtsstellung heraus, etwa als Absonderungs- oder Aufrechnungsberechtigter zu realisieren in der Lage ist. Auch die Beseitigung des lästigeren, weil abgesicherten Gläubigers und die Wiederherstellung des alten, ungesicherten Gläubigers, vermag die Befriedigungsaussichten des Konkursgläubigers zu heben (König aaO Rz 104).

Auch das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Überweisung des Betrages von S 973.351,08 von einem Konto der Gemeinschuldnerin erfolgte. Der Kläger hat lediglich zur Begründung seines Zinsenbegehrens vorgebracht, daß die angefochtenen Zahlungen mangels liquider Finanzmittel in Beanspruchung eines Kredites bei dieser Bank erfolgt seien. Bei diesem Sachverhalt durfte das Berufungsgericht aber ohne jedes Vorbringen durch die beklagte Partei und ohne jede Feststellung keineswegs davon ausgehen, es fehle an der Befriedigungstauglichkeit, weil es nur zu einer anfechtungsneutralen Auswechslung des Gläubigers gekommen sei. Selbst wenn man davon ausgeht, daß der Revisionswerber sein Vorbringen, die den Kredit bzw das Darlehen gewährende Bank habe über ein Absonderungsrecht für die Kredit- bzw Darlehensforderung oder gegenüber dem bisherigen Gläubiger über ein sonstiges Vorrecht im Konkurs verfügt, aus prozeßökonomischen Gründen nicht aufrechterhielt, ist aus der außer Streit gestellten Feststellung, seit der Einzahlung der Beträge von S 350.000 und S 700.000 auf das Geschäftskonto der Gemeinschuldnerin sei es zu Belastungen des Kontos in einem Vielfachen der überwiesenen Beträge gekommen, zu entnehmen, daß es sich um einen Kredit mit revolvierender Ausnutzung gehandelt hat. Selbst dann, wenn dieser Kredit nicht besichert gewesen wäre, steht der Bank in diesem Fall regelmäßig ein Anspruch auf sofortige Deckung zu, die sie durch Aufrechnung erwirken kann. Sie ist also auch hier günstiger gestellt als der frühere Gläubiger. Aus diesem Grund ist daher grundsätzlich die Befriedigungstauglichkeit der angefochtenen Zahlungen, die im übrigen von der beklagten Partei, nie bezweifelt wurde, anzunehmen. Die Zahlung des Betrages von ca S 268.000 erfolgte aus einem Habenkonto der späteren Gemeinschuldnerin. Dies ergibt sich aus der in den Feststellungen des Erstgerichtes erwähnten Beilage ./A. Auch hier hätte der Grundsatz der per condicio creditorum zu einer gleichmäßigen Verteilung unter allen Gläubigern geführt.

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen hatte die beklagte Partei zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der späteren Gemeinschuldnerin.

Ob sie auch Kenntnis davon haben mußte, daß sie dadurch vor anderen Gläubigern begünstigt werden sollte, ist eine Rechtsfrage. Dafür genügt es, wenn dem Anfechtungsgegner die Begünstigungsabsicht nur deshalb nicht bekannt war, weil er die gehörige Sorgfalt außer acht gelassen hat, wobei schon leichte Fahrlässigkeit genügt. Ob der Anfechtungsgegner fahrlässig war, bestimmt sich danach, welche Auskunftsmittel dem Anfechtungsgegner im Zeitpunkt der anzufechtenden Rechtshandlung zur Verfügung standen und ob es ihm zumutbar war, sie heranzuziehen. Entscheidend ist das Wissenmüssen der Personen, die für den Anfechtungsgegner mit der Sache befaßt waren (EvBl 1983/151 = JBl 1983, 654; SZ 55/65; JBl 1990, 728; ÖBA 1994, 982; König aaO Rz 260 ff, 277 ff).

War aber der beklagten Partei die Zahlungsunfähigkeit bekannt, so muß ihr auch die Kenntnis von der Begünstigungsabsicht bei gehöriger Aufmerksamkeit unterstellt werden. Abgesehen davon, daß ihr aus den übermittelten Kopien der Einzahlungsbelege auffallen mußte, daß die Einzahlungen bereits vor dem Antrag auf Konkurseröffnung geleistet worden waren, hätte sie sich auch nicht mit der eidesstättigen Erklärung des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin begnügen dürfen und auch den den Antrag auf Konkurseröffnung abweisenden Beschluß des Konkursgerichtes anfechten müssen. Eine einfache Anfrage an das Exekutionsgericht hätte genügt, um zu erfahren, daß zahlreiche Exekutionen anhängig waren. Bei diesem Sachverhalt mußte sie davon ausgehen, daß sie vor den anderen Gläubigern begünstigt wurde, um eine Einstellung bzw Abweisung der Anträge auf Konkurseröffnung zu erreichen.

Der Revision war daher in der Hauptsache Folge zu geben.

Der Kläger stützt sein 4 % übersteigendes Zinsenbegehren auf § 39 KO. Nach Abs 2 erster Satzteil dieser Bestimmung ist der Anfechtungsgegner kraft Gesetzes als unredlicher Besitzer anzusehen. Dies bedeutet, daß er nach § 335 ABGB haftet, doch wird dadurch der Anfechtungsanspruch nicht zu einem Deliktsanspruch (vgl König aaO Rz 364 FN 31). Er hat daher alle Erträgnisse zu leisten, die die Konkursmasse hätte erringen können und für alle Schäden einzustehen, sofern dies durch seinen Besitz eingetreten ist. Der Oberste Gerichtshof hat bereits die Ansicht vertreten, daß unter Nutzen und Vorteil im Sinne des § 335 ABGB nur die gesetzlichen oder diejenigen höheren Zinsen zu verstehen sind, die der Empfänger des Geldes allenfalls durch eine bessere Kapitalanlage erzielt hätte (JBl 1969, 272). Berücksichtigt man, daß es sich bei dem Anfechtungsanspruch um keinen Deliktsanspruch handelt und daher schadenersatzrechtliche Erwägungen auszuscheiden haben, ist der Rechtsmeinung des Erstgerichtes zuzustimmen, daß dem Kläger jedenfalls nur die gesetzlichen Zinsen und nicht jene zuzusprechen sind, die für die Kreditaufnahme zu bezahlen waren. Dem Klagebegehren war daher im geltend gemachten Umfang stattzugeben.

Die Kostenentscheidung gründet sich hinsichtlich des Verfahrens erster Instanz auf §§ 43, 45 und 50 ZPO; hinsichtlich der Rechtsmittelverfahren auf die §§ 41, 50 ZPO. Daß die beklagte Partei nach Klagseinbringung lediglich 44 % des Klagebegehrens anerkannt hat, steht der Bestimmung des § 43 Abs 2 KO nicht entgegen und rechtfertigt daher die Annahme, daß der Kläger etwa mit der Hälfte desKlagebegehrens als unterlegen anzusehen ist.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte