OGH 1Ob627/95

OGH1Ob627/9522.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei Helga F*****, vertreten durch Dr.Margit Kaufmann, Rechtsanwältin in Wien, wegen Anfechtung von Rechtshandlungen (Streitwert S 1,000.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 18.April 1995, GZ 11 R 33/95-24, womit das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 4.Dezember 1994, GZ 18 Cg 201/93-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit Vereinbarung vom 21.7.1992 räumte der Ehegatte der Beklagten dieser unentgeltlich ein lebenslanges Veräußerungs- und Belastungsverbot an den in seinem Eigentum stehenden, in der Klage näher bezeichneten Liegenschaften bzw Liegenschaftsanteilen ein.

Die klagende Partei begehrte unter Anfechtung der verbücherten Belastungs- und Veräußerungsverbote, die Beklagte schuldig zu erkennen, zur Hereinbringung der der klagenden Partei gegen den Ehegatten der Beklagten zustehenden vollstreckbaren Abgabenforderung von S 7,371.389 jegliche Exekution in diese Liegenschaften bzw Liegenschaftsanteile zu dulden; die Beklagte könne sich vom Anfechtungsanspruch durch Zahlung der Abgabenforderung befreien. Hiezu brachte die klagende Partei vor, daß ihr der Ehegatte der Beklagten aufgrund des vollstreckbaren Rückstandsausweises des Finanzamtes für Körperschaften vom 14.7.1993 einen Abgabenbetrag von S 7,371.389 schulde. Es handle sich hiebei um Abgabenverbindlichkeiten einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung aus den Jahren 1981 bis 1985, für welche der Ehegatte der Beklagten als deren Geschäftsführer gemäß den §§ 9 und 80 BAO mit Haftungsbescheid des Finanzamtes für Körperschaften vom 13.10.1992 zur Haftung herangezogen worden sei. Er habe mit Kaufvertrag vom 22.11.1989 die im Eigentum der Gesellschaft stehenden Liegenschaften und Liegenschaftsanteile gekauft. Bereits bei Abschluß dieses Kaufvertrags habe er damit rechnen müssen, daß die gegen die Gesellschaft bestehenden enormen Abgabenforderungen aus dem Titel der Geschäftsführerhaftung gegen ihn geltend gemacht werden würden. Dennoch habe er der Beklagten das Veräußerungs- und Belastungsverbot bestellt. Diese habe von den Abgabenforderungen gegen die Gesellschaft Kenntnis gehabt. Die Vereinbarung sei in Benachteiligungsabsicht getroffen worden, um die Liegenschaften bzw Liegenschaftsanteile dem Zugriff der Gläubiger, insbesondere aber der klagenden Partei, zu entziehen. Die Anfechtung der Verbote stütze sich auf die §§ 2 Z 1 und 3 AnfO sowie als unentgeltliche Verfügung überdies auf § 3 Z 1 AnfO. Der Ehegatte der Beklagten habe kein Einkommen oder Vermögen, auf das die klagende Partei zur vollständigen Befriedigung der Abgabenforderung greifen könne. Die Anfechtung sei befriedigungstauglich, weil die Liegenschaften und Liegenschaftsanteile für die hereinzubringenden Abgabenforderungen volle Deckung böten.

Die Beklagte wendete insbesondere ein, die Einverleibung des unentgeltlich eingeräumten lebenslangen Veräußerungs- und Belastungsverbots sei nicht in Benachteiligungsabsicht erfolgt. Mit diesem Verbot hätten die Vermögensobjekte im Familienbesitz gehalten und Vorsorge für die gemeinsamen Kinder getroffen werden sollen. Der Haftungsbescheid gegen den Ehegatten der Beklagten sei unrichtig, er sei auch noch nicht in Rechtskraft erwachsen. Das gegen ihn geführte Finanzstrafverfahren sei eingestellt worden, weil die Geschäftsführertätigkeit nur „auf dem Papier“ bestanden habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es stellte fest, der Ehegatte der Beklagten schulde der klagenden Partei aufgrund des vollstreckbaren Rückstandsausweises des Finanzamts für Körperschaften vom 14.7.1993 einen Abgabenbetrag von S 7,371.389. Dabei handle es sich um Abgabenverbindlichkeiten der Gesellschaft, für die er als deren Geschäftsführer gemäß den §§ 9 und 80 BAO mit Haftungsbescheiden des Finanzamts für Körperschaften vom 13.7. und 13.10.1992 hafte. Der erstere Haftungsbescheid sei zunächst seinem damaligen Steuerberater am 14.7.1992 zugestellt worden. Diese Zustellung sei wegen fehlender Bevollmächtigung mangelhaft gewesen, die rechtswirksame Zustellung sei daher erst am 21.7.1992 erfolgt. Sowohl gegen den Haftungsbescheid wie auch gegen den Rückstandsausweis seien noch nicht erledigte Rechtsmittel erhoben worden. In der Zeit von 1985 bis 1991, also in dem im Rückstandsausweis angeführten Zeitraum, sei der Ehegatte der Beklagten Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen. Tatsächlich habe dessen Vater die Geschäfte der Gesellschaft geführt. Da der Ehegatte der Beklagten lediglich formell Geschäftsführer gewesen sei, sei das gegen ihn eingeleitete Finanzstrafverfahren im März 1987 eingestellt worden. Am 22.11.1989 habe er als Geschäftsführer der Gesellschaft einen Kaufvertrag unterfertigt, mit dem er im Eigentum der Gesellschaft stehende Liegenschaftsanteile an sich übertragen habe. Dadurch sei die Gesellschaft ihres gesamten exekutiv verwertbaren Vermögens entkleidet worden, sodaß die Abgabenforderungen bei ihr nicht mehr eingebracht werden könnten. Durch die Einräumung eines lebenslangen Veräußerungs- und Belastungsverbots an die Beklagte sei eine wirtschaftliche Absicherung der Ehepartner und eine Erhaltung des Vermögens im Familienbesitz bezweckt gewesen. Dabei hätten die Beklagte und ihr Ehegatte in Kauf genommen, daß die Liegenschaften und Liegenschaftsanteile dem Zugriff der Gläubiger entzogen werden. Das Einkommen und Vermögen des Ehegatten der Beklagten reiche zur vollständigen Befriedigung der Abgabenforderungen nicht aus. Im Wert der in dessen Eigentum befindlichen Liegenschaften und Liegenschaftsanteile sei auch unter Berücksichtigung allfälliger, dem angefochtenen Veräußerungs- und Belastungsverbot im Rang vorgehender Lasten volle Deckung für die hereinzubringen Abgabenforderungen gegeben.

Rechtlich meinte das Erstgericht, die klagende Partei sei gemäß § 8 AnfO zur Anfechtung des Veräußerungs- und Belastungsverbots befugt, das als anfechtbare Rechtshandlung zu betrachten sei. Der Rückstandsausweis vom 14.7.1993 stelle eine vollstreckbare, wenngleich noch nicht in Rechtskraft erwachsene Forderung dar. Die Abgabenverbindlichkeit könne durch Gehaltsexekution nicht einbringlich gemacht werden, das sonstige Vermögen des Ehegatten der Beklagten reiche zur vollständigen Befriedigung nicht aus. Benachteiligungsabsicht liege vor, weil das Bewußtsein genüge, daß ein Gläubiger durch die angefochtene Rechtshandlung benachteiligt werden könne. Dieses Bewußtsein sei bei den Ehegatten vorhanden gewesen.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstands zwar S 50.000 übersteige, die ordentliche Revision indessen nicht zulässig sei. Es führte aus, die Anfechtung sei befriedigungstauglich, weil die Beseitigung des Erfolgs der angefochtenen Rechtshandlung geeignet sei, die Befriedigungsaussichten der Gläubiger zu fördern. Eine allfällige Befriedigungsuntauglichkeit hätte die Beklagte beweisen müssen. Diesen Beweis habe sie nicht erbracht. Es liege aber auch eine Befriedigungsverletzung vor. Diese bestehe in der Fruchtlosigkeit bzw Aussichtslosigkeit der Exekution gegen den Schuldner. Der Anfechtung liege die Forderung der klagenden Partei aufgrund eines vollstreckbaren Rückstandsausweises über S 7,371.389 zugrunde. Der Rückstandsausweis sei mit der Vollstreckbarkeitsklausel versehen, weshalb er einen Exekutionstitel für das finanzbehördliche und das gerichtliche Vollstreckungsverfahren bilde. Die von Verwaltungsbehörden erteilten Vollstreckbarkeitsbestätigungen seien für die Gerichte bindend. Unabhängig von einer Bekämpfung des Rückstandsausweises stelle ein solcher jedenfalls einen Exekutionstitel dar. Das Exekutionsgericht sei nicht befugt, die Richtigkeit eines von der Finanzbehörde ausgestellten Rückstandsausweises zu prüfen. Daraus ergebe sich die von § 8 Abs 1 AnfO geforderte Vollstreckbarkeit der Forderung der klagenden Partei gegen den Ehegatten der Beklagten. Die Benachteiligungsabsicht sei zu bejahen. Die Beklagte gehöre als Ehegattin des Abgabenschuldners zum Personenkreis des § 4 Abs 1 AnfO, weshalb sie als Anfechtungsgegnerin gemäß § 2 Z 3 AnfO die Anfechtung nur durch die Behauptung und den Beweis solcher konkreter Tatsachen abwehren könne, die den Schluß rechtfertigten, daß der Schuldner bei der Bestellung des Veräußerungs- und Belastungsverbots entweder von keiner Benachteiligungsabsicht bestimmt gewesen sei oder der Beklagten doch eine solche weder bekannt gewesen sei noch hätte bekannt sein müssen. Diesen Beweis habe sie indes nicht angetreten. Der Umstand, daß das Finanzstrafverfahren gegen ihren Ehegatten eingestellt worden sei, weil er nur formeller Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen sei, sei rechtlich ohne Bedeutung, weil der Inhalt des Rückstandsausweises nicht zu prüfen sei. Es lägen sowohl der Anfechtungstatbestand des § 2 Z 1 wie auch jene des § 2 Z 3 und § 3 AnfO vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber auch berechtigt.

Zu Recht haben die Vorinstanzen allerdings die Befriedigungsverletzung, die Befriedigungstauglichkeit der Anfechtung und die (objektive) Nachteiligkeit der Schuldnerhandlung bejaht:

Die Anfechtungsbefugnis setzt nach § 8 Abs 1 AnfO voraus, daß die Exekution in das Vermögen des Schuldners nicht zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat oder anzunehmen ist, daß eine - erst einzuleitende - Exekution zu einer solchen nicht führen würde. Die Behauptungs- und Beweislast trifft insoweit den Anfechtungskläger. Die Uneinbringlichkeit ist dabei entweder aus der Ergebnislosigkeit der schon betriebenen Exekution oder aus der vorhersehbaren Aussichtslosigkeit einer erst zu betreibenden Exekution zu erschließen, sodaß der Beweis einer Befriedigungsverletzung schon dann als erbracht anzusehen ist, wenn die Aussichtslosigkeit der anstehenden Exekutionsführung wahrscheinlich ist: Der Gläubiger muß eine voraussichtliche erfolglose Exekution nicht etwa dazu betreiben, um dadurch den Beweis der Uneinbringlichkeit anzutreten (2 Ob 599/84 ua; vgl auch SZ 35/35; Bartsch/Pollak II3 558). Die Anfechtung ist auch zulässig, wenn das greifbare Vermögen des Schuldners bloß zu einer teilweisen Befriedigung ausreicht; sie bleibt in solchen Fällen auch nicht etwa auf den Umfang beschränkt, in dem sich der Gläubiger durch Vollstreckungsschritte gegen den Schuldner keine Befriedigung verschaffen kann. Stünde selbst fest, daß der Exekution nur derzeit kein Erfolg beschieden wäre, könnte dem Gläubiger die Anfechtung dennoch nicht verwehrt werden (EFSlg 67.685/5; SZ 35/35 ua). Angesichts der von der klagenden Partei behaupteten vollstreckbaren Abgabenforderung von mehr als 7 Mio S könnte eine auch nur einigermaßen relevante Teilbefriedigung des Gläubigers durch dessen Exekution auf das Einkommen des Ehegatten der Beklagten in naher Zukunft nicht erwartet werden.

Auch die Befriedigungstauglichkeit der Anfechtung ist von den Vorinstanzen im Ergebnis zu Recht bejaht worden. Jede erfolgreiche Anfechtung - namentlich auch die Absichtsanfechtung (§ 2 AnfO; § 28 KO) - setzt sowohl Befriedigungstauglichkeit wie auch Gläubigerbenachteiligung voraus (ÖBA 1992, 582; SZ 62/97 ua; Koziol in JBl 1979, 327), die einander - entgegen älterer Rechtsprechung (zuletzt noch in WBl 1989, 163) - keineswegs gleichgesetzt werden dürfen, wenngleich die beiden Voraussetzungen - namentlich bei der Einzelanfechtung außerhalb des Konkurses - einander weitgehend überlagern können. Da sowohl die Befriedigungstauglichkeit wie auch die Gläubigerbenachteiligung zum objektiven Tatbestand gehören, hat sie stets der Anfechtungskläger zu behaupten und zu beweisen (ZIK 1995, 151; ÖBA 1992, 582; SZ 62/97 ua). Die klagende Partei hat entsprechende Behauptungen aufgestellt: Jene Liegenschaften bzw Liegenschaftsanteile, die der Ehegatte der Beklagten mit dem dieser eingeräumten Veräußerungs- und Belastungsverbot belastet habe, böten für die offene Forderung volle Deckung.

Die Anfechtung ist befriedigungstauglich, wenn die Beseitigung der Rückwirkungen der Schuldnerhandlung die Befriedigungsaussichten des Anfechtungsklägers (im Konkurs: der Gläubiger) zu fördern imstande ist; dabei genügt es schon, daß die damit bewirkte Verbesserung der Befriedigungsaussichten auch nur wahrscheinlich ist (SZ 66/149 mwN). Daher ist - grundsätzlich - jedwede Erweiterung der Möglichkeiten des Gläubigers zum Zugriff auf Vermögen des Schuldners aufs erste als befriedigungstauglich zu beurteilen (ZIK 1995, 151; ÖBA 1988, 503 ua; König, Anfechtung Rz 102). Das liegt aber kaum anderswo so nahe wie bei der Beseitigung der Rückwirkungen eines Veräußerungs- und Belastungsverbots auf die Befriedigungsaussichten eines Gläubigers, dem der Zugriff auf den damit belasteten Liegenschaftsbesitz seines Schuldners bis dahin verwehrt bleibt. Hat der Anfechtungskläger einen solchen Sachverhalt dargetan, ist er damit dem ihm aufgebürdeten Beweis der wahrscheinlichen Verbesserung seiner Befriedigungsaussichten nachgekommen. Es liegt nun am Anfechtungsgegner, Tatsachen zu behaupten, vermöge deren die Anfechtung aus besonderen Gründen - etwa wegen der Überbelastung der Liegenschaft, deren durch tatsächliche Umstände bewirkten Unverwertbarkeit o.ä. - dennoch nicht befriedigungstauglich ist, und diese Tatsachen unter Beweis zu stellen (ähnlich ZIK 1995, 151). Aus dem für die Verteilung der Beweislast maßgeblichen Grundsatz der „subjektiven Günstigkeit der Norm“ (hiezu Fasching, LB2 Rz 882) folgt nämlich, daß jene Partei, die ein Recht für sich in Anspruch nimmt (wie hier die klagende Partei die Anfechtungsbefugnis), zwar dessen Entstehungsursachen beweisen muß, daß es ihr jedoch in der Regel nicht auch zugemutet werden kann, dazu noch den Beweis dahin anzutreten, daß keine zusätzlichen Hinderungsumstände vorliegen (SZ 65/41; Fasching aaO). Die Beklagte hat besondere, der Befriedigungstauglichkeit entgegenstehende Gründe in erster Instanz nicht behauptet; wohl nur deshalb, weil das Erstgericht festgestellt hatte, die Befriedigungstauglichkeit stehe „aufgrund der vorgelegten Grundbuchsauszüge“ fest, verwies sie - in Form unbeachtlicher Neuerungen - in der Berufung auf die Zeugenaussage ihres Ehegatten, die betreffenden Liegenschaften seien belastet: Nicht einmal dabei behauptete sie aber eine Überbelastung.

Neben der Befriedigungstauglichkeit setzt die erfolgreiche Anfechtung - wie schon erwähnt - auch die (objektive) Nachteiligkeit der angefochtenen Rechtshandlung für den (die) Gläubiger voraus. Ob diese vorliegt, ist nach der Sachlage bei Schluß der Verhandlung erster Instanz im Anfechtungsprozeß zu prüfen. Dabei ist festzustellen, ob sich die angefochtene Rechtshandlung des Schuldners für dessen Gläubiger tatsächlich nachteilig ausgewirkt hat und, bejahendenfalls, ob diese Nachteiligkeit bei Vornahme der Rechtshandlung objektiv vorhersehbar war. Im vorliegenden Fall deckt sich - wie weiter oben ganz allgemein angedeutet wurde - die Prüfung der Befriedigungstauglichkeit mit jener der (mittelbaren) Gläubigerbenachteiligung praktisch schon deshalb, weil der durch die erfolgreiche Anfechtung geschaffene Befriedigungsfonds gerade jener Vermögenswert ist, den der Schuldner dem Anfechtungskläger durch die angefochtene Bestellung des Veräußerungs- und Belastungsverbots entzogen hat (vgl dazu insbesondere ÖBA 1992, 582).

Zur Benachteiligungsabsicht des Schuldners und deren Kenntnis durch die Anfechtungsgegnerin haben die Vorinstanzen festgestellt, die Beklagte und ihr Ehegatte hätten bei der Bestellung des Veräußerungs- und Belastungsverbots in Kauf genommen, daß die davon betroffenen Liegenschaften und Liegenschaftsanteile dadurch dem Zugriff der Gläubiger entzogen würden. Diese Feststellung kann nur so verstanden werden, daß der Wille des Schuldners - zumindest auch, was aber genügt (JBl 1984, 495; Wegan, Insolvenzrecht, 66 f) - in Form des bedingten Vorsatzes auf Herbeiführung dieses Erfolgs gerichtet war und die Beklagte dieses in derselben Form zur Kenntnis nahm. Damit liegt aber nicht bloß dem Ehegatten der Beklagten die Benachteiligungsabsicht zur Last (SZ 59/143 ua), sondern muß sich auch die Beklagte die (positive) Kenntnis von dieser Absicht zurechnen lassen; es wäre ein Wertungswiderspruch, ließe man den bedingten Vorsatz zwar für die Annahme der Benachteiligungsabsicht des Schuldners, nicht aber auch für die Kenntnis des Anfechtungsgegners genügen. Im übrigen wäre für die Beklagte aber selbst bei gegenteiliger Ansicht nichts gewonnen, weil ihr jedenfalls (grobe) Fahrlässigkeit anzulasten wäre - und dann eben nicht der Tatbestand der Z 1, sondern jener der Z 3 des § 2 AnfO gegeben wäre.

Obwohl damit der Anfechtungstatbestand des § 2 Z 1 AnfO in objektiver und subjektiver Hinsicht hergestellt ist, sind dennoch die Urteile der Vorinstanzen zur Ergänzung des Verfahrens aufzuheben:

Rückstandsausweise sind zwar gemäß § 1 Z 13 EO Exekutionstitel, jedoch keine Bescheide. Die Prüfung der materiellen Gültigkeit, der Gesetzmäßigkeit und der Richtigkeit von Rückstandsausweisen ist im Verwaltungsweg vorzunehmen (3 Ob 1/93; 1 Ob 596/88 ua). Die Beurkundung der Vollstreckbarkeit durch die Abgabenbehörde bindet zwar alle Exekutionsgerichte (EvBl 1993/167; SZ 60/279 ua; zuletzt wieder 3 Ob 1/93), doch ist das aber nur für die Bewilligung der Exekution von Bedeutung. Wegen des fehlenden Bescheidcharakters kommt dagegen eine Bindung der Gerichte in dem Sinn, daß damit über eine Vorfrage endgültig abgesprochen wird, nicht in Frage (8 Ob 632/92, teilweise veröffentlicht in ecolex 1993, 305). Der erkennende Senat hat bereits in SZ 63/4 (mwN) die Frage aufgeworfen, ob zu den allgemeinen Anfechtungsvoraussetzungen des § 8 AnfO neben der Vollstreckbarkeit auch der Bestand einer materiellrechtlichen Forderung gegen den Schuldner gehört, und diese bejaht: Schon die gesetzliche Bindung der Ausübung eines Anfechtungsrechts an vollstreckbare Forderungen diene dem Schutz des Anfechtungsgegners, der indes nicht gewährleistet wäre, wäre der Anfechtungsgegner an die Ergebnisse eines Verfahrens gebunden, an dem er nicht beteiligt war und auf dessen Ausgang er daher keinen Einfluß nehmen konnte. Das folge nicht zuletzt aus dem Verfahrensgebot des Art 6 Abs 1 EMRK, jedermann habe Anspruch, daß seine Sache in billiger Weise gehört wird, ihm also rechtliches Gehör zuteil werde. Die Bindung an nachteilige Wirkungen eines Verfahrens, in das der nunmehr davon Betroffene nicht eingebunden war und die er als unabänderlich hinnehmen müßte, verstoße gegen dieses verfahrensrechtliche Grundgesetz. Stehe selbst demjenigen, der in einer vertraglichen Sonderbeziehung stehe (wie etwa dem Bürgen), ungeachtet eines Exekutionstitels gegen den Hauptschuldner die Einwendung zu, die Schuld bestehe nicht zu Recht, so müsse das umso mehr für jenen gelten, der aufgrund eines gesetzlich vorgesehenen Anfechtungsrechts in Anspruch genommen werden soll. Wessen Rechtsbeziehungen durch einen individuellen Staatsakt berührt werden, dessen Befugnis, die Richtigkeit der Entscheidung im Vorverfahren neu überprüfen zu lassen, sei dann nicht zu leugnen. Dieser Grundsatz komme auch dem Anfechtungsgegner zugute. Daran ist festzuhalten. Daraus folgt aber, daß die Einwendung der Beklagten, gegen ihren Ehegatten bestehe keine materiellrechtliche Forderung, vom Erstgericht im fortgesetzten Verfahren - nach Erörterung des Sachverhalts mit den Parteien - zu überprüfen sein wird.

Das Verfahren der Vorinstanzen ist deshalb mangelhaft geblieben, sodaß deren Urteile aufzuheben sind; angesichts der soweit fehlenden Sachverhaltsgrundlagen bedarf es einer Zurückverweisung an das Gericht erster Instanz.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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