OGH 1Ob596/88

OGH1Ob596/8819.7.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*** B*** MBH & Co KG,

Trofaiach, Montanstraße 41, vertreten durch Dr. Franz Wiesner, Dr. Gertrud Wiesner, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei M*** B***, wegen Feststellung (Streitwert S 21.000) infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichtes vom 29. April 1988, GZ 4 R 160/88, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Fürstenfeld vom 25. März 1988, GZ 1 C 314/88-2, als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrt anläßlich der Einleitung eines Exekutionsverfahrens die Feststellung, der Rückstandsausweis der beklagten Partei vom 10. März 1988, Zl. Lu/Au-01/1988, sei rechtsunwirksam. Die klagende Partei habe gegen die diesem Verfahren zugrundeliegenden Bescheide Rechtsmittel ergriffen. Beschwerden beim Verwaltungsgerichtshof und beim Verfassungsgerichtshof seien anhängig. Da § 198 der Steiermärkischen Abgabenordnung, der anordne, daß durch die Einbringung einer Berufung die Wirksamkeit nicht gehemmt werde, ebenso verfassungswidrig sei wie die bereits vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Bestimmung des § 254 BAO, habe die klagende Partei ein rechtliches Interesse an der Feststellung, daß die auf dem Rückstandsausweis vom 10. März 1988 vermerkte Vollstreckbarkeitsklausel rechtsunwirksam sei.

Das Erstgericht wies die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück.

Das Rekursgericht hob aus Anlaß des Rekurses der klagenden Partei den Beschluß des Erstgerichtes als nichtig auf und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte es für zulässig. Die Rechtsunwirksamkeit eines Rückstandsausweises könne nicht bei Gericht, sondern nur bei jener Verwaltungsbehörde bekämpft werden, die den Rückstandsausweis erlassen habe. Auch über die Rechtmäßigkeit bzw. Rechtsunwirksamkeit einer einem Rückstandsausweis beigesetzten Vollstreckbarkeitsbestätigung habe nicht das Gericht, sondern jene Stelle zu entscheiden, von der der Exekutionstitel ausgegangen sei. Nach dem im Art 94 B-VG verankerten Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung in allen Instanzen stehe es den Gerichten nicht zu, die Richtigkeit von Rückstandsausweisen und die Richtigkeit der Vollstreckbarkeitsbestätigung zu überprüfen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Gemäß § 177 der Steiermärkischen Abgabenordnung, LGBl. 1963/158 idF LGBl. 1983/34, ist als Grundlage für die Einbringung über die vollstreckbar gewordenen Abgabenschuldigkeiten ein Rückstandsausweis auszufertigen. Dieser hat Namen und Anschrift des Abgabepflichtigen, den Betrag der Abgabenschuld, zergliedert nach Abgabenschuldigkeiten, und den Vermerk zu enthalten, daß die Abgabenschuld vollstreckbar geworden ist (Vollstreckbarkeitsklausel). Der Rückstandsausweis ist Exekutionstitel für das abgabenbehördliche und das gerichtliche Vollstreckungsverfahren (§ 1 Z 13 EO; § 3 Abs 2 VVG); er ist somit eine öffentliche Urkunde über Bestand und Vollstreckbarkeit einer Abgabenschuld (Stoll, BAO 568). Nach § 3 Abs 2 VVG sind Einwendungen gegen den im Rückstandsausweis beurkundeten Anspruch im Sinn des § 35 EO bei der Stelle anzubringen, von der der Exekutionstitel ausgegangen ist; ist bloß die Bestätigung der Vollstreckbarkeit für einen der in § 1 Z 13 EO oder § 3 Abs 2 VVG angeführten Exekutionstitel gesetzwidrig oder irrtümlich erteilt worden, so sind Anträge auf Aufhebung der Bestätigung bei jener Stelle anzubringen, von der der Exekutionstitel ausgegangen ist (§ 7 Abs 4 EO). Das Gericht hat zwar anläßlich einer Exekutionsbewilligung zu prüfen, ob der Rückstandsausweis den gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt hat (EvBl 1973/82; SZ 32/126); aus dem Zusammenhalt der oben angeführten Bestimmungen und der grundlegenden Vorschrift des Art. 94 B-VG, wonach die Justiz von der Verwaltung in allen Instanzen getrennt ist, ergibt sich aber zwingend, daß die Prüfung der materiellen Gültigkeit, der Gesetzmäßigkeit und der Richtigkeit der Rückstandsausweise den Gerichten entzogen ist (EvBl 1977/268; SZ 32/126; ZBl. 1936/353; SZ 16/104; SZ 13/42; Fasching, Kommentar I 105, Heller-Berger-Stix 91; Stoll aaO 569). Dies hat zur Zurückweisung der Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zu führen.

Dem Revisionsrekurs ist der Erfolg zu versagen.

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