OGH 2Ob339/99p

OGH2Ob339/99p3.2.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Trixner, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagte Partei E***** AG, *****, vertreten durch Wolf, Theiss & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 358.000,-- s. A., infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 16. September 1999, GZ 1 R 147/99s-18, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 29. März 1999, GZ 34 Cg 299/98x-13, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 16.020,-- (darin S 2.670,-- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Bezahlung von S 358.000,-- s. A. mit der Begründung, die Beklagte habe der Klägerin eine Garantieerklärung abgegeben, derzufolge sie sich der Klägerin gegenüber unwiderruflich verpflichtet habe, über schriftliche Aufforderung und unter Verzicht auf alle Einwendungen und Einreden sowie ohne Prüfung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses, den jeweils namhaft gemachten Betrag, höchstens jedoch S 675.792,-- unter Ausschluss von Barzahlung innerhalb von 8 Tagen zu überweisen. Diese Garantie könne sowohl von der Klägerin als auch von der Ö*****-Aktiengesellschaft (in der Folge Ö*****-AG genannt) in Anspruch genommen werden. Die Garantieerklärung der Beklagten sei bis 30. 10. 1997 limitiert gewesen, und zwar in der Form, dass die Haftung erlösche, wenn nicht spätestens an diesem Tag mittels schriftlicher Aufforderung eine Inanspruchnahme erfolge. Die Klägerin habe mit Schreiben vom 28. 10. 1997 die Ö*****-AG angewiesen, die von der Beklagten abgegebene Garantie mit einem Betrag von S 357.992,40 in Anspruch zu nehmen. Mit Telefax bzw ein durch Boten überbrachtes Schreiben der Ö*****-AG vom 30. 10. 1997 habe diese die Garantie im Ausmaß von S 358.000,-- in Anspruch genommen. Obwohl die Klägerin die Garantie innerhalb offener Frist in Anspruch genommen habe, weigere sich die Beklagte zu bezahlen. Die Aktivlegitimation der Klägerin resultiere daraus, dass die Ö*****-AG ihre Ansprüche aus der erwähnten Garantie an die Klägerin abgetreten habe. Das Klagebegehren wurde insbesondere auf § 880a ABGB gestützt.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Sie habe am 30. 10. 1997, also am letzten Tag der Gültigkeit der Garantie, von der Ö*****-AG per Boten ein Schreiben folgenden Inhalts erhalten: "Wir nehmen oben genannte Garantie in Höhe von S 358.000,-- in Anspruch und bitten innerhalb von 8 Tagen um Überweisung auf eines unserer unten angeführten Konten". Die in der Garantieerklärung bedungene Erklärung, dass im Grundverhältnis der Garantiefall eingetreten sei, sei in diesem Schreiben nicht enthalten gewesen. Die Beklagte habe daraufhin der Ö*****-AG prompt schriftlich mitgeteilt, dass dieses Schreiben nicht den im Garantietext angeführten Bedingungen entspreche. Erst am 31. 10. 1997, sohin nach Fristablauf, habe die Beklagte von der Ö*****-AG ein Telefax erhalten, in dem mitgeteilt worden sei, dass im Grundverhältnis der Garantiefall eingetreten sei. Eine formgerechte, insbesondere schriftliche Inanspruchnahme sei somit innerhalb der vereinbarten Frist bis 30. 10. 1997 nicht erfolgt. Hilfsweise werde jedoch vorgebracht, dass die Ö*****-AG im Auftrag der Klägerin eine Garantieerklärung zu Gunsten der S***** GmbH bis zu einem Betrag von S 711.360,-- abgegeben habe. Diese Garantie sei mit 31. 10. 1997 befristet gewesen. Die S***** GmbH habe ihre Ansprüche in der Folge an die Beklagte abgetreten. Mit Schreiben vom 31. 10. 1997 sei die Garantie der Ö*****-AG im Ausmaß von S 358.000,-- in Anspruch genommen worden. Die Ö*****-AG habe mit Schreiben vom 10. 11. 1997 die Inanspruchnahme abgelehnt und habe Einwendungen aus dem Grundgeschäft erhoben. Da der Garantievertrag eine abstrakte Verpflichtung der Ö*****-AG begründet habe, seien Einreden aus dem Grundgeschäft unzulässig. Die Beklagte habe eine Forderung gegen die Ö*****-AG in Höhe von S 358.000,--, welche der an die Klägerin zedierten Forderung der Ö*****-AG compensando entgegengehalten werde.

Die Klägerin replizierte, die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, umgehend die Beanstandung einer fehlerhaften Inanspruchnahme mitzuteilen oder der Klägerin jedenfalls eine Nachfrist einzuräumen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging hiebei von folgenden Feststellungen aus:

Im Jahr 1996 erhielt die Klägerin von der S***** GmbH den Auftrag zur Errichtung eines Stahlglasdachs. Am 4. 6. 1997 verpflichtete sich die Beklagte in einem an die Klägerin gerichteten Schreiben unwiderruflich, über erste schriftliche Aufforderung und unter Verzicht auf alle Einwendungen und Einreden, ohne Prüfung des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses den ihr namhaft gemachten Betrag, höchstens jedoch S 675.792,-- an die Klägerin zu überweisen, sofern die Klägerin unter Hinweis auf diese Garantie im Rahmen ihrer Aufforderung erkläre, dass im Grundverhältnis der Garantiefall eingetreten ist. Diese Haftung trete erst in Kraft, sofern der Firma S***** GmbH eine Erfüllungsgarantie für das gegenständliche Bauprojekt in Höhe von S 711.360,-- mit einer Laufzeit bis 31. 10. 1997, ausgestellt von einer österreichischen Bank oder Versicherung übermittelt würde. ... Die Haftung der Beklagten erlösche durch Wiedereinlangen des Garantieoriginals bei der Beklagten, jedenfalls aber am 30. 10. 1997, falls sie nicht mittels schriftlicher Aufforderung, die bis zu diesem Zeitpunkt bei der Beklagten, Finanzierungsverbriefung OE 501, *****, eingelangt sein müsse, in Anspruch genommen wird. Diese Garantie konnte sowohl von der Klägerin als auch von der Ö*****-AG in Anspruch genommen werden.

Am 4. 6. 1997 erklärte die Ö*****-AG gegenüber der S***** GmbH, sie übernehme zur Sicherstellung aller Forderungen und Rechte, welche der S***** GmbH aus dem Titel des Schadenersatzes auf Grund der nicht vertragsgemäßen Erfüllung des Auftrages gegenüber der Klägerin oder ihrer Rechtsnachfolger zustehen bzw zustehen werden, die Garantie bis zum Betrag von S 711.360,--. Die Ö*****-AG verpflichtete sich auf erste Anforderung und ohne Prüfung des Rechtsgrundes binnen 14 Werktagen Zahlungen bis zur Höhe des vorstehend genannten Betrages an die S***** GmbH zu leisten. Diese Garantie sollte nur in Kraft treten, falls die Klägerin eine Bankgarantie in Höhe von S 675.792,-- mit einer Laufzeit bis 30. 10. 1997, welche wahlweise von der Ö*****-AG in Anspruch genommen werden könne, vorlegte.

Am 30. 10. 1997 ließ die Ö*****-AG durch einen Boten ein Schreiben an die Beklagte überbringen, welches auszugsweise folgenden Text hat:

"Wir nehmen oben genannte Garantie in Höhe von S 358.000,-- in Anspruch und bitten innerhalb von 8 Tagen um Überweisung auf eines unserer unten angeführten Konten". Dieses Schreiben ist mit "Ö***** Aktiengesellschaft" und zwei unleserlichen Unterschriften versehen. Dass dieses Schreiben an die Beklagte am selben Tag gefaxt wurde, ist nicht feststellbar. Der Bote hatte seitens der Ö*****-AG lediglich die Anweisung, das Schreiben an der vereinbarten Stelle "Finanzierungsverbriefung OE 501" abzugeben. Dies tat der Bote auch und wurde das Schreiben von der Mitarbeiterin der Beklagten, Frau K*****, übernommen. Um welche Uhrzeit die Abgabe erfolgte, ist nicht feststellbar. Jener Mitarbeiter bei der Ö*****-AG, der für die Bearbeitung der Angelegenheit und für die Abfassung des Abrufs der Garantie zuständig war, Mag. K*****, arbeitete am 30. 10. 1997 bis 17.00 Uhr.

Bei der Finanzierungsverbriefung OE 501 handelt es sich um eine zentrale Stelle der Beklagten, bei der diverse Schriftstücke eingehen und welche deren Verteilung übernimmt. Über EDV werden bei Eingang eines Schriftstückes - die Beklagte bekommt mehrmals am Tag Post - die zuständige Abteilung bzw der zuständige Referent abgefragt. Wann dies erfolgte, ist nicht feststellbar. Jedenfalls fand der bei der Beklagten zuständige Sachbearbeiter, Mag. B*****, am Vormittag des 31. 10. 1997 das Schreiben der Ö*****-AG vom 30. 10. 1997 vor. Wie lange Mag. B***** am Vortag gearbeitet hatte, ist nicht feststellbar, vermutlich bis 17.30 Uhr. Die Geschäftszeit der Beklagten endete am 30. 10. 1997 um 17.30 Uhr. Mag. B***** begann seinen Dienst damals üblicherweise um 7.45 oder 8.00 Uhr morgens, wann er am 31. 10. 1997 tatsächlich zu arbeiten begann, ist nicht feststellbar.

Die Überprüfung durch Mag. B*****, ob aus der Garantie auszuzahlen sei, dauerte etwa eine viertel Stunde. Mag. B***** faxte daher am 31. 10. 1997 um 10.39 Uhr an die Ö*****-AG die Mitteilung, dass die Inanspruchnahme nicht den im Garantietext angeführten Bedingungen entspreche, weshalb die Beklagte aus der Garantie nicht auszahle.

Zu einem nicht feststellbarem Zeitpunkt am selben Tag wurde er von Mag. K***** angerufen und wurde in diesem Telefonat der aus der Sicht der Beklagten erforderliche Garantietext besprochen. Mag. K***** kündigte an, den Garantieabruftext per Fax zu ergänzen. Eine ausdrückliche Zustimmung des Mag. B***** zu dieser Vorgangsweise erfolgte nicht. Um 13.22 Uhr übermittelte die Ö*****-AG daher der Beklagten ein Fax, welches auszugsweise lautet: "In Ergänzung zur angeführten Inanspruchnahme bzw Ihrem Fax von heute ergänzen wir unsere Zahlungsaufforderung gemäß Garantietext wunschgemäß. Wir geben bekannt, dass im Grundverhältnis der Garantiefall eingetreten ist". Dieses Fax der Ö*****-AG ist unterfertigt mit "Ö***** Aktiengesellschaft" und zwei nicht leserlichen Unterschriften, von denen eine augenscheinlich ident ist mit einer auf dem durch Boten überbrachten Abruf.

Hätte der Abruf vom 30. 10. 1997 den eben zitierten Zusatz über den Eintritt des Garantiefalls enthalten, hätte die Beklagte Zahlung aus der Garantie geleistet. Eine Nachfrist zur Vervollständigung des Garantieabruftexts hatte die Beklagte nicht gesetzt.

Die Finanzierungsverbriefung OE 501 ist die Stelle der Beklagten, in der Kreditverträge geschrieben werden. Sie ist nicht dafür eingerichtet über die Ordnungsgemäßheit von Garantieabrufen zu befinden. Wäre der Garantieabruf am 30. 10. 1997 so rechtzeitig innerhalb der Geschäftszeiten der Beklagten bei der Finanzierungsverbriefung OE 501 abgegeben worden, dass er von Mag. B***** hätte noch bearbeiten werden können, wäre es Mag. B***** noch möglich gewesen am selben Tag den Inhalt zu beanstanden und hätte in diesem Fall die Ö*****-AG von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die von der Beklagten gewünschte Vervollständigung des Garantieabrufe per Boten noch am 30. 10. 1997 an die Beklagte zu übermitteln. Nicht feststellbar ist, wie lange Zeit es erforderte, bis die Finanzierungsverbriefung den Garantieabruf an den zuständigen Bearbeiter Mag. B***** weiterleitete. Da die Beklagte ziemlich viel Post erhält, dauert es durchschnittlich 2 bis 4 Stunden bis die Stelle OE 501 den zuständigen Bearbeiter in jedem Fall ermittelt und das entsprechende Schriftstück zugemittelt hat.

Am 8. 10. 1998 trat die Ö*****-AG sämtliche Rechte aus der Bankgarantie vom 4. 6. 1997, insbesondere das Recht der gerichtlichen Geltendmachung, an die Klägerin ab.

Mit Schreiben vom 31. 10. 1997 erklärte die S***** GmbH (vormals S*****) gegenüber der Ö*****-AG, sie nehme die Garantie hinsichtlich eines Betrages von S 358.000,-- in Anspruch und ersuche um Überweisung. Die Ö*****-AG leistete keine Zahlung, die Ansprüche aus dieser Garantie wurden an die Beklagte abgetreten.

Ob die Klägerin ihren Auftrag gegenüber der S***** ordnungsgemäß erfüllt hat oder ob die S***** vertragswidrig die Übernahme verweigert, ist nicht feststellbar.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, dass ein den inhaltlichen Vereinbarungen entsprechender Garantieabruf nicht fristgerecht erfolgt sei. Festgestelltermaßen sei zu keinem Zeitpunkt eine einheitliche Erklärung der Ö*****-AG erfolgt, die sämtliche geforderten Bestandteile laut Garantieurkunde enthalten habe und auch schriftlich abgegeben worden sei. Bei Inanspruchnahme einer Garantie seien jedoch alle Voraussetzungen präzise zu erfüllen. Ein Telefax erfülle nicht die Schriftform, es sei denn, es bestünden besondere gesetzliche Regelungen. Nach der Rechtsprechung reiche eine Telefax in jenen Fällen nicht aus, in denen gewährleistet werden soll, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der abzugebenden Erklärung und die Person, von der sie ausgehe, hinreichend zuverlässig entnommen werden könnten. Feststellungsgemäß sei der durch den Boten überbrachte Abruf vom 30. 10. 1997 mit "Ö*****-AG" sowie zwei (nicht leserlichen) Unterschriften versehen gewesen, das Telefax der Ö*****-AG vom 31. 10. 1997 mit "Ö*****-AG" und ebenfalls zwei Unterschriften, von denen nur eine ident scheine mit jener auf dem Abruf. Das Gericht vertrete daher die Auffassung, dass der Abruf vom 30. 10. 1997 nicht ausreichend gewesen sei, um eine Zahlungspflicht der Beklagten auszulösen. Weiters sei aber zu prüfen, ob die Beklagte zur Beanstandung der fehlerhaften Erklärung verpflichtet gewesen sei bzw ob sie diese Pflicht verletzt habe. Ersteres sei zu bejahen. Die Bank sei verpflichtet, dem Begünstigten unverzüglich die Beanstandung einer fehlerhaften Inanspruchnahme mitzuteilen, wenn dieser dadurch noch die Möglichkeit hätte, die Garantie formgerecht und rechtzeitig in Anspruch zu nehmen. Hier habe die Beklagte durch den zuständigen Sachbearbeiter die Ö*****-AG umgehend, nachdem der zuständige Sachbearbeiter den Garantieabruf seiner Beurteilung unterzogen gehabt habe, davon in Kenntnis gesetzt, dass die Inanspruchnahme fehlerhaft sei. Dass die Beklagte in der Bearbeitung des Schriftstückes säumig gewesen sei, habe das Beweisverfahren nicht ergeben. Es sei daher davon auszugehen, dass die Beklagte unverzüglich - gemessen an einer üblichen Bearbeitungsdauer - tätig geworden sei. Dabei seien aber keine allzu strengen Anforderungen zu stellen, weil es zunächst an der Ö*****-AG gelegen gewesen wäre, eine Sachlage zu vermeiden, die zu ihrer Schädigung (oder zu der der Klägerin) führen konnte. Sie hätte daher die Erklärung, dass der Garantiefall eingetreten sei, genau in der Weise abgeben müssen, wie dies in der Garantieurkunde verbieft sei. Die von der Lehre vertretene Rechtsauffassung, dass die Bank zur Einräumung einer Nachfrist verpflichtet sein könne, wenn der Garantiebegünstigte innerhalb der Frist die erforderliche Handlung vorgenommen hatte, die Bank diese jedoch nicht als vertragskonform ansehe, werde vom Erstgericht nicht geteilt. Selbst wenn man eine Nachfristsetzung für erforderlich erachte, müssten Form- und Inhaltserfordernisse für die Verbesserung des Garantieabrufs dem Garantiebrief entsprechen, was im vorliegenden Fall durch Verbesserung per Telefax nicht der Fall sei. Lasse man nämlich die Verbesserung per Telefax mit der Begründung, der inhaltlich unvollständige Abruf sei ohnedies - wie vereinbart - schriftlich erfolgt, zu, kündige die Verbesserung per Telefax telefonisch an und sei auch die Person des Abrufenden für die Beklagte identifizierbar, würde dies ein völliges Aufweichen der formalen Garantiestrenge bedeuten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und führte rechtlich folgendes aus:

Aus dem Grundsatz der formalen Garantiestrenge werde abgeleitet, dass der Begünstigte die zugesicherte Leistung beim Garanten form- und fristgerecht in Anspruch zu nehmen habe. Er müsse die Erklärung über den Eintritt des Garantiefalles somit in der Weise und mit dem Inhalt abgeben, wie es in der Garantieurkunde umschrieben worden sei (ÖBA 1995, 632; ecolex 1995, 711; ÖBA 1988, 712 mit Anm von Koziol; Koziol in Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht II Rz 3/85; Canaris, Bankvertragsrecht3 Rz 1133; Von Westphalen, Die Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr2 165 f). Der Garant habe vor Erbringung der Garantieleistung die Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen "präzise, ja nachgerade pedantisch genau" zu überprüfen (ÖBA 1995, 632; ÖBA 1993, 985; SZ 61/79; SZ 59/217; Canaris aaO; Von Westphalen aaO), was vor allem auch für die vereinbarte Form der Inanspruchnahme der Garantie gelte. Auch bei der Garantie "auf erstes Anfordern" - wie im vorliegenden Fall - sei am Erfordernis einer strikten, ja geradezu pedantischen Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen festzuhalten. Der Begünstigte müsse demnach die Erklärung, dass der Garantiefall eingetreten sei, entsprechend ihrem Zweck genau in der Weise und mit dem Inhalt abgeben, wie es die Garantieurkunde vorschreibt (Canaris aaO; Von Westphalen aaO; ÖBA 1996, 474).

Gehe man von der oben dargelegten Rechtslage aus, so habe das Erstgericht zutreffend erkannt, dass die von der Ö*****-AG am 30. 10. 1997, also am letzten Tag der Garantiefrist, zu einem näher nicht feststellbaren Zeitpunkt der Beklagten per Boten übermittelte Inanspruchnahme der Bankgarantie mit Schreiben vom 30. 10. 1997 nicht den in der Bankgarantie vom 4. 6. 1997 vereinbarten Voraussetzungen entsprochen habe, weil nicht darauf hingewiesen worden sei, "dass im Grundverhältnis der Garantiefall eingetreten ist". Die diesbezügliche Inanspruchnahme der Bankgarantie sei sohin nicht wirksam.

Dessen ungeachtet könne aber kein Zweifel daran bestehen, dass die Beklagte im Sinne der herrschenden Rechtsprechung verpflichtet gewesen sei, die die Bankgarantie in Anspruch nehmende Ö*****-AG auf die nicht den Vereinbarungen entsprechende Inanspruchnahme hinzuweisen. Die Bank sei nämlich verpflichtet, dem Begünstigten unverzüglich die Beanstandung einer fehlerhaften Inanspruchnahme mitzuteilen, wenn dieser dadurch noch die Möglichkeit hätte, die Garantie formgerecht und rechtzeitig in Anspruch zu nehmen (Koziol in Koziol/Avancini/Iro aaO Rz 3/89; Canaris aaO Rz 1127; Von Westphalen aaO 172 f). Sie dürfe sich dabei nicht darauf beschränken, "etwaige Beanstandungen lediglich auf normalem postalischem Weg dem Begünstigten mitzuteilen" (Von Westphalen aaO 172), wenn dieser die Garantieleistung nach einer Anzeige dieser Art nicht mehr rechtzeitig in der vereinbarten Form abrufen könnte. Canaris (aaO Rz 1127) gehe noch weiter und verlange, dass die Bank dem Begünstigten nach Treu und Glauben eine Nachfrist zur Fehlerbehebung zugestehen müsse, wenn dieser "innerhalb der Frist" immerhin die erforderliche, jedoch von der Bank "nicht als vertragskonform" angesehene Handlung vorgenommen habe (vgl ÖBA 1996, 476). Es sei daher einerseits zu überprüfen, ob es der Beklagten überhaupt zumutbar gewesen wäre, in Befolgung ihrer vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten z. B. durch ein einfaches Telefonat oder mittels Telefax für die formgerechte Inanspruchnahme der Garantie zu sorgen, und andererseits, ob eine unverzügliche Verständigung der Klägerin bzw der Ö*****-AG über die nicht formgerecht in Anspruch genommene Garantie überhaupt noch geeignet gewesen wäre, den ordnungsgemäßen und rechtzeitigen Abruf der Garantieleistung zu ermöglichen. Letztere Frage wäre zweifellos zu bejahen, wenn das nicht formgerechte Schreiben der Ö*****-AG vom 30. 10. 1997 an diesem Tag vom Boten direkt dem zuständigen Mitarbeiter der Beklagten, Mag. B*****, übermittelt worden wäre. Dieser Bote habe aber von Mag. K***** von der Ö*****-AG lediglich den Auftrag gehabt, dieses Schreiben entsprechend der getroffenen Vereinbarung bei der "Finanzierungsverbriefung OE 501" der Beklagten abzuliefern. Im Hinblick darauf, dass dieses Schreiben selbst nach der Aussage des Mag. K***** entsprechend den üblichen Gepflogenheiten vermutlich zwischen 13 Uhr und 14 Uhr bei der Beklagten angekommen sein müsse, habe sich die Ö*****-AG nicht darauf verlassen dürfen, dass unter Berücksichtigung der üblichen internen Übermittlungsdauer dieses Schreiben auch noch an diesem Nachmittag - dem letzten Tag der Abrufsfrist - vom zuständigen Mitarbeiter der Beklagten einer inhaltlichen Überprüfung unterzogen werden würde. Vielmehr würde es die Sorgfaltspflicht der Beklagten überspannen, einlangende Schriftstücke bereits von der Einlaufstelle einer inhaltlichen Prüfung auf ihre Wichtigkeit zu unterziehen. Gehe man aber davon aus, dass das gegenständliche Schreiben jedenfalls nicht vor Mittag bei der Beklagten eingelangt ist, und selbst dann, wenn sich - wie hier - der zuständige Mitarbeiter im selben Gebäude befinde, wo auch die Finanzierungsverbriefung OE 501 untergebracht sei, in diesem Fall die durchschnittliche Übermittlungsdauer etwa 2 bis 4 Stunden betrage und der zuständige Mitarbeiter der Beklagten bis 17 Uhr anwesend gewesen sei, so sei es mehr als lebensnah, dass der zuständige Mitarbeiter mit diesem Schriftstück erst am darauffolgenden Vormittag befasst worden sei. Da dieser festgestelltermaßen nach einer viertelstündigen Prüfung am 31. 10. 1997 um 10.39 Uhr die Ö*****-AG per Telefax von der nicht formgerechten Inanspruchnahme der Bankgarantie in Kenntnis gesetzt habe, sei die Beklagte hiedurch ihrer Pflicht zur unverzüglichen Beanstandung nachgekommen. Dass die Ö*****-AG die Bankgarantie offenbar erst am Nachmittag des letzten Tages der Garantiefrist fehlerhaft abgerufen habe, liege ausschließlich in der Sphäre der Ö*****-AG. Unter diesen Umständen erübrige sich aber ein näheres Eingehen darauf, ob die von der Ö*****-AG nach Ablauf der Garantiefrist vorgenommene Vervollständigung der Bankgarantie - noch dazu per Telefax - geeignet gewesen wäre, den ordnungsgemäßen und rechtzeitigen Abruf der Garantieleistung zu ermöglichen (vgl ÖBA 1996, 474).

Die ordentliche Revision sei nicht zuzulassen, weil das Berufungsgericht nicht von der zitierten oberstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen sei. Zudem komme den hier zu lösenden Rechtsfragen keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinne abzuändern; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision nicht zuzulassen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die zu beurteilenden Rechtsfragen über den Einzelfall hinaus Bedeutung haben; sie ist aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin macht im Wesentlichen geltend, sie habe durch die erste Inanspruchnahme der Bankgarantie das Gebot der Schriftlichkeit bereits voll erfüllt; für die vorgenommene Ergänzung sei die Nachreichung per Telefax ausreichend. Da die erste Inanspruchnahme innerhalb der Garantiefrist erfolgt sei, wäre der Rechtsmittelwerberin jedenfalls eine Nachfrist von etwa einem Tag zur Verbesserung einzuräumen gewesen.

Der erkennende Senat erachtet dem gegenüber die Begründung der Berufungsentscheidung für zutreffend, weshalb zunächst hierauf verwiesen wird (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

Hinzuzufügen ist kurz noch folgendes:

Dass die Bankgarantie innerhalb der Garantiefrist nicht formgerecht abgerufen wurde, weil nicht in der vereinbarten Weise darauf hingewiesen wurde, dass im Grundverhältnis der Garantiefall eingetreten ist, wird von der Rechtsmittelwerberin nicht mehr in Zweifel gezogen. Zu erwägen bleibt, ob ihr gegen die Beklagte wegen Verletzung der diese treffenden Beanstandungspflicht ein Schadenersatzanspruch (wegen Entfalls der Garantieleistung) zusteht.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Bank verpflichtet ist, dem Begünstigten unverzüglich die Beanstandung einer fehlerhaften Inanspruchnahme der Bankgarantie mitzuteilen, wenn dieser dadurch noch die Möglichkeit hätte, die Garantie formgerecht

und rechtzeitig in Anspruch zu nehmen (1 Ob 620/95 mwN = SZ 68/230 =

ÖBA 1996, 474 [Koziol]; vgl 1 Ob 318/98s = RdW 1999, 131 = ÖBA 1999, 484 = EvBl 1999/104). Im vorliegenden Fall wurde die Bankgarantie am letzten Tag der Garantiefrist in Anspruch genommen, wobei nicht feststeht, um welche Uhrzeit die Abgabe des Abrufschreiben durch Boten erfolgte; hiezu wurden nur Vermutungen angestellt. Der Begünstigte, der die Bank auf Schadenersatz in Anspruch nehmen will, muss beweisen, dass das Anspruchsschreiben so rechtzeitig eingebracht wurde, dass bei ordnungsgemäßen Geschäftsgang noch genug Zeit für die Beanstandung durch die Bank (und die Rückantwort des Begünstigten) zur Verfügung gestanden wäre. Erst dann müsste die Garantiebank beweisen, dass sie ohne ein ihr zurechenbares Verschulden außerstande war, ihren vertraglichen Nebenpflichten zu entsprechen. Die Beweislast für die Uhrzeit der Abgabe am letzten Tag der Abrufsfrist trifft somit die Klägerin. Da diese Uhrzeit nicht feststellbar ist, muss zu ihren Lasten angenommen werden, dass das Abrufschreiben erst am späten Nachmittag des letzten Fristtages bei der Beklagten einlangte, sodass auch bei rascher Weiterleitung eine Bearbeitung durch den zuständigen Mitarbeiter der Beklagten innerhalb der üblichen Bürozeiten nicht mehr möglich war. Die Bearbeitung erst am Vormittag des nächsten Tages war daher nicht pflichtwidrig.

Ob einem Begünstigten, der fristgerecht aber nicht formgerecht abgerufen hat, eine - über die Garantiefrist hinausreichende - Nachfrist zu setzen ist (Canaris, Bankvertragsrecht3 Rz 1127; vgl Koziol in Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht II Rz 3/89; Koziol, ÖBA 1990, 639; Rummel, ÖBA 1989, 160), muss im Hinblick auf den Grundsatz der Garantiestrenge bezweifelt werden. Diese Ansicht steht mit der Rechtsprechung, die die Beanstandungspflicht davon abhängig macht, dass der Begünstigte noch die Möglichkeit hätte, den Mangel rechtzeitig - d. h. vor Ablauf des Verfallsdatums (vgl Koziol in Bankvertragsrecht II Rz 3/89; Von Westphalen, Die Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr 167,

172) - zu heilen, nicht in Einklang. Jedenfalls dann, wenn die Bearbeitung des Abrufschreibens durch die Bank erst nach Fristende nicht zu bemängeln ist, besteht keine Verpflichtung der Bank, nunmehr - nach Fristende - eine Nachfrist zu setzen. Auch in diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass sich die Bank im Verhältnis zum Garantieauftraggeber der Gefahr von Rechtsnachteilen aussetzt, wenn sie bei der Prüfung der Zahlungsvoraussetzungen gegenüber dem Begünstigten zu "großzügig" agiert (vgl nur Canaris aaO Rz 1107 ff, 1111).

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen, ohne dass auf die Frage der Verbesserung des Garantieabrufs per Telefax noch eingegangen werden müsste.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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