OGH 7Ob271/02g

OGH7Ob271/02g17.12.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundesrepublik Deutschland vertreten durch den Bundesminister der Finanzen, Wilhelmstraße 97, D-10117 Berlin, vertreten durch Dorda, Brugger & Jordis, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei Anstalt F*****, vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 74,409.233,20 sA, über die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 18. Juli 2002, GZ 11 R 24/02h-239, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 19. März 1999, GZ 15 Cg 153/94v-200, teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 37.422,72 (darin EUR 6.237,12 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Im vorliegenden Verfahren begehrt die Bundesrepublik Deutschland von der beklagten Anstalt F***** aus Liechtenstein Zahlung des Gegenwertes von DM 58,067.974,83, US-$ 45,150.901,15 und SFR 10,106.301,16 samt Anhang. Die Klage dient der Rechtfertigung einer ua gegen die Beklagte erlassenen einstweiligen Verfügung des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 22. 3. 1993, GZ 40 C 350/93f-3, mit der die genannten, bei der S***** Bank AG in Wien (im Folgenden: S***** Bank) erliegenden Geldbeträge gerichtlich gesperrt wurden.

Nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen handelt es sich dabei um Geldbeträge aus dem Vermögen eines von der DDR betriebenen - als „Tarnfirma" (F. C. G***** Export-Import [FCG]) vom Ministerium für Staatssicherheit („Hauptverwaltung Aufklärung") „erfundenen" - staatlichen Handelsunternehmens, welche im Februar 1990 von den Festgeldkonten seiner liechtensteinischen „Briefkastenfirma" (Etablissement F. C. G***** Export-Import [EFCG]) bei der S***** Bank über ein bankinternes Konto auf die dortigen Festgeldkonten der Beklagten überwiesen worden waren.

Die Klägerin beansprucht als Rechtsnachfolgerin der DDR das Eigentum an den bei der genannten Bank erliegenden Beträgen und macht ua geltend, das Vermögen sei durch Untreuehandlungen des unter der Legende eines selbständigen Kaufmanns tätigen Geschäftsführers der „Tarnfirma", Michael W*****, an die von ihm vollständig beherrschte Beklagte verschoben worden. Diese habe im Rahmen der Repräsentantenhaftung für den durch die Umbuchungen und Überweisungen entstandenen Schaden von umgerechnet mehr als einer Milliarde Schilling (EUR 74,409.233,20) einzustehen.

Die Beklagte wendete - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - ein, Ignaz F***** habe Michael W***** in den Jahren 1956/1957 ein beträchtliches Vermögen, nämlich Bargeld und Schmuck im Wert von 6 bis 7 Millionen DM zur treuhänderischen Verwaltung überlassen. Als F***** im Jahr 1959 per Bahn über Warschau nach Berlin geflohen und schließlich nach Israel geflogen sei, habe er nur US-$ 40.000 mitgenommen. Der Rest sei vereinbarungsgemäß im Vermögen Michael W*****s verblieben. Die Hälfte des Kapitals habe festverzinst bei der Bank liegen sollen, während W***** mit der anderen Hälfte habe wirtschaften dürfen. Dieser bzw das eingangs erwähnte Unternehmen hätten in der ehemaligen DDR mit Duldung der Behörden eine Stellung als innerhalb der Außenhandelswirtschaft tätiger Privatunternehmer bzw als Privatunternehmen gehabt. Jedenfalls aber sei er als Verfügungsberechtigter des Unternehmens EFCG befugt gewesen, Treugelder zu verwalten.

Die hier gegenständlichen Überweisungen seien erfolgt, weil Michael W*****, nachdem er im Oktober/November 1989 Kenntnis von seinem Krebsleiden erlangt hatte, sämtliche geschäftlichen und erbrechtlichen Angelegenheiten abschließend habe regeln wollen, und sich F***** nach dem Fall der Berliner Mauer im Jahr 1989 erkundigt hatte, ob alles mit seinem Geld in Ordnung sei. Die S***** Bank habe Michael W***** dazu geraten, in Liechtenstein eine Firma zu gründen, um die Vermögenswerte des stillen Teilhabers dorthin (auf das Konto dieses Unternehmens bei der S***** Bank) zu überweisen. Der Schwager Michael W*****s, Heinz P*****, habe die Gründerrechte der Beklagten und eine Generalvollmacht zur Kontoeröffnung für die Beklagte in Wien erhalten und der Bank gegenüber verbindlich erklärt, dass er nicht über die Konten verfügen, sondern die Gründerrechte an der Beklagten so bald wie möglich an Ignaz F***** übertragen wolle. Dies sei mit Zessionsurkunde vom 22. 7. 1991 geschehen.

Die (bankinternen) Überweisungen der EFCG auf Konten der Beklagten seien daher rechtlich durch die Beendigung des Treuhandverhältnisses zwischen Michael W***** und Ignaz F***** begründet gewesen. Außerdem sei die Klägerin nicht aktiv legitimiert, weil ihr nie ein Eigentumsrecht an den von der EFCG auf die Beklagte übergegangenen Bankguthaben zugestanden sei. Die behaupteten - nicht vorliegenden - Untreuehandlungen Michael W*****s zu Lasten der Klägerin seien der Beklagten nicht zurechenbar.

In der letzten Verhandlung (ON 193 Seite 39; Band VI) brachte die Klägerin vor, dass der Beklagten eine Entschädigung von S 500.000 für die mutwillige Prozessführung aufzuerlegen sei. Dieser Betrag ergebe sich aus den Personalkosten, die die Klägerin für jene Mitarbeiter der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben aufzuwenden gehabt habe, die mit der Abwicklung und Vorbereitung des Falles „Anstalt F*****" beschäftigt gewesen seien.

Dem hielt die Beklagte entgegen, das Gericht erster Instanz habe immerhin 5 Jahre benötigt, um das Verfahren abzuführen; ein mutwilliges Prozessieren der Beklagten wäre eher erkannt worden. Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte, der Klägerin den Gegenwert der eingangs (in DM, US-$ bzw SFR) angeführten Beträge jeweils umgerechnet in österreichische Schilling zu Kurs Devisen/Brief der Wiener Börse am Zahlungstag oder am 12. Februar 1990, je nachdem welcher Kurs den höheren Schillingbetrag ergibt, einschließlich der zu Punkt 2) und 3) des Urteilsspruchs aufgeschlüsselten Zinsen zu bezahlen und wies das darüber hinausgehende Zinsenbegehren ab; weiters erkannte es die Beklagte schuldig, der Klägerin die Verfahrenskosten zu ersetzen und den Betrag von S 500.000 gemäß § 408 ZPO zu bezahlen.

Mit der angefochtenen Entscheidung bestätigte das Berufungsgericht (unter Verwerfung der Nichtigkeitsberufung der Beklagten) den klagsstattgebenden Teil des Ersturteils, änderte es jedoch hinsichtlich des über die Beklagte verhängten Entschädigungsbetrages von S 500.000 dahin ab, dass es den Antrag der Klägerin, der Beklagten gemäß § 408 ZPO die Zahlung von EUR 36.336,40 aufzuerlegen, abwies; es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Ob und unter welchen Umständen sich eine juristische Person nicht auf ihre „formaljuristische Verschiedenheit" von ihrem deliktisch haftenden Machtträger berufen könne, sei - soweit überblickbar - bisher in der oberstgerichtlichen Judikatur nicht ausdrücklich behandelt.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den abändernden bzw den bestätigenden Teil dieser Entscheidung erhobenen Revisionen beider Parteien sind jedoch - entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes (§ 508a Abs 1 ZPO) - unzulässig. Da das Berufungsgericht bei seiner einzelfallbezogenen Beurteilung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gefolgt ist, werfen nämlich beide Revisionen keine Rechtsfragen auf, die iSd § 502 Abs 1 ZPO als erheblich zu beurteilen wären.

Zur Revision der Beklagten:

Die im vorliegenden Rechtsmittel neuerlich geltend gemachten, bereits in der Berufung gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor. Obgleich diese Beurteilung keiner Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO), ist der Revision kurz zu erwidern:

Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die das Berufungsgericht verneint hat, können nach stRsp in der Revision nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (Kodek in Rechberger² Rz 3 Abs 2 zu § 503 ZPO; Feil/Kroisenbrunner ZPO Kurzkommentar [2003] Rz 1638 Abs 3; RIS-Justiz RS0040597 [T1]; RS0042963). Dies gilt insbesondere für den vorliegenden Fall; hat die Beklagte die unterlassenen Beweisaufnahmen doch - wie die Revision selbst aufzeigt (Punkt 3.2.1 bis 3.2.4 ihrer Revision) - bereits in ihrer Berufung als Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens erfolglos geltendgemacht.

Ein Mangel des Berufungsverfahrens könnte daher - entgegen der Auffassung der Revisionswerberin - nur dann vorliegen, wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hätte (Kodek aaO Rz 3 Abs 2 aE; MGA ZPO15 E 40 zu § 503 mwN; SSV-NF 15/13 mwN; RIS-Justiz RS0040597 [T2 bis T4]; RS0042963 [T52]; RS0043086 [T1, T5 bis T8]; RS0043166 [T3]; zuletzt: 10 ObS 122/03v; 7 Ob 223/03z mwN; 7 Ob 256/03b); davon kann hier aber keine Rede sein, weil sich das Gericht zweiter Instanz mit der Verfahrensrüge auseinandergesetzt und diese mit der - der Aktenlage nicht widersprechenden - Begründung, die im Rechtsmittel jeweils ausdrücklich wiedergegeben ist (Punkt 3.2.1. bis 3.2.4. der Revision der Beklagten), als nicht berechtigt erkannt hat.

Davon abgesehen gehört die Frage, ob weitere Beweise (hier: die Beiziehung weiterer Sachverständiger und die Einvernahme weiterer Zeugen) aufzunehmen gewesen wären, zur - irrevisiblen - Beweiswürdigung der Vorinstanzen und kann im Revisionsverfahren nicht mehr überprüft werden (RIS-Justiz RS0040046 [T17]; RS0043320; zuletzt: 10 ObS 122/03g mwN und 7 Ob 256/03b). Von der - nicht mehr bekämpfbaren - Tatsachengrundlage entfernt sich aber auch die „Präambel" der Revisionsausführungen der Beklagten, wenn darin von einem von Michael W***** für Ignaz F***** verwalteten „Treuhandgeld" (welches „über die Jahre auf mehr als eine Milliarde Schilling angewachsen" sei) ausgegangen wird, obwohl die Tatsacheninstanzen zu dieser Prozessbehauptung Negativfeststellungen getroffen haben (Seite 59 f des Ersturteils = Seite 29 f der Berufungsentscheidung). Nach dem festgestellten Sachverhalt ist vielmehr davon auszugehen, dass es sich dabei - wie Michael W***** auch bekannt war - um Vermögen eines von der DDR unter den „Tarnfirmen" FCG bzw EFCG betriebenen staatlichen Handelsunternehmens handelte.

Soweit die Revisionswerberin die weiterhin bestrittene Aktivlegitimation der Klägerin (Punkt 3.3.1.2 der Revision) jeweils durch Verweisungen auf bestimmte Stellen ihres (insgesamt 354-seitigen) Berufungsschriftsatzes ausführen will („vgl Teil II, S. 299 f der Berufung" bzw „vgl dazu ausführlich Berufung Teil II, S. 301"), wird außerdem Folgendes übersehen:

Wie auch der erkennende Senat bereits bekräftigt hat (7 Ob 26/02b), entspricht es ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass solche Verweisungen unzulässig, wirkungslos und auch nicht verbesserungsfähig sind (SZ 69/209 mwN; RIS-Justiz RS0043579; RS0043616; zuletzt: 6 Ob 43/03x; 9 ObA 110/03x und 10 ObS 111/03a mwN). Nur die im Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof selbst enthaltenen Ausführungen und Argumente können Berücksichtigung finden (7 Ob 26/02b; 7 Ob 38/99k). Darin setzt sich die Beklagte jedoch mit der diesbezüglichen Beurteilung des Berufungsgerichtes (wonach ernstlich gar nicht zu bestreiten ist, dass die Klägerin Rechtsnachfolgerin der DDR sei, wobei aufgrund des zwischen der Klägerin und der Treuhandanstalt vorsorglich geschlossenen Abtretungsvertrages [Seite 165 ff des Ersturteils] letztlich dahingestellt bleiben könne, ob es sich nun bei den deliktischen Schadenersatzansprüchen der DDR um solche handelt, die iSd Art 21 des Einheitsvertrages als Finanzvermögen zu werten sind, oder um Vermögen der Treuhandanstalt [Art 21 bzw Art 22 Abs 1 letzter Satz des Einheitsvertrages]) überhaupt nicht auseinander, weshalb darauf nur wie folgt einzugehen ist (vgl Seite 36 f bzw 134 der Berufungsentscheidung):

Entgegen den Revisionsausführungen sind die von der klagenden Partei geltend gemachten Ansprüche, gleich ob man sie als solche aus dem Titel des Schadenersatzes wegen Veruntreuung von Geldern der FCG, oder als solche die eine Treuhandverwaltung zu fallen haben, beurteilt, den Bestimmungen der Art 21 ff des hier für die Beurteilung der Klagsberechtigung maßgeblichen Einigungsvertrages (im folgenden EV) zwischen der BRD und der DDR vom 23. 9. 1990 (BRD BGBl II S 885 ff) zuzuordnen. Die Revisionswerberin übergeht, dass nach DDR-Recht grundsätzlich nur "volkseigene" Betriebe entstehen und betrieben werden konnten, woran das Entstehen von "Tarnfirmen", die vorwiegend der Täuschung der westlichen Vertragspartner dienten, nichts ändern konnte. Jedenfalls ist der beklagten Partei der Nachweis einer privaten Inhaberschaft des Vermögens der FCG nicht gelungen. Bei einer Gründung dieser Firma während der kommunistischen DDR-Herrschaft innerhalb der DDR wäre jedoch an ihr eine solche Beweisführung gelegen gewesen um den Klagsausspruch abzuwehren (so auch Prugger [Schriften zum Staats- und Völkerrecht, Hrsg Blumenwitz, Band 57, Die Nachfolge in das Vermögen der ehemaligen DDR - Ein Beitrag zu Art 21 ff Einigungsvertrag unter besonderer Berücksichtigung der Firma F. C. G***** des Bereichs Kommerzielle Koordination], der ebenfalls zum Ergebnis gelangt, dass es sich dabei um "Staatsvermögen der DDR" handle, das "als Finanzvermögen gem Art 22 Abs 1 des Einigungsvertrages der Treuhandverwaltung des Bundes unterliege" [Zusammenfassung Seite 262/263]).

Bei der hier eindeutig gegen die beklagte Partei sprechenden Tatsachenlage, war es nicht Aufgabe des österreichischen Obersten Gerichtshofes die spezielle Rechtsnatur der einzelnen in den Art 21 ff des EV normierten Rechte und Verpflichtungen einer Rechtsfortentwicklung zuzuführen. Wenn wie hier allein von der Tatseite her beurteilt, davon ausgegangen werden muss, dass mit den Geldflüssen von FCG zur beklagten Partei das Vermögen eines "volkseigenen" Betriebes verbracht werden sollte, mangelt es der Revision der beklagten Partei jeglichen Hinweises, dass gerade solche Rückforderungsansprüche von der umfassenden Regelung des EV ausgenommen sein sollten.

Nicht näher zu behandeln ist aber auch der zu Punkt 3.3.1.3 der Revision aufrecht erhaltene Standpunkt, dem Verhalten Michael W*****s fehle die Rechtswidrigkeit, weil die Beklagte damit - entgegen den getroffenen Feststellungen - weiterhin davon ausgeht, dieser habe nicht gewusst, dass er seine Befugnisse missbrauche, weil er subjektiv davon ausgegangen sei, über Vermögenswerte des Ignaz F***** zu verfügen.

Den zu Punkt 3.3.1.4 bis 3.3.1.9 der Revision erstatteten Ausführungen zu Frage der Repräsentantenhaftung ist hingegen Folgendes zu erwidern:

Das Gericht zweiter Instanz hat die ordentliche Revision zwar für zulässig erklärt, weil die Frage, ob und unter welchen Umständen sich eine juristische Person nicht auf ihre „formaljuristische Verschiedenheit" von ihrem deliktisch haftenden Machtträger berufen könne, bisher in der oberstgerichtlichen Judikatur nicht ausdrücklich behandelt worden sei; auch die Klägerin beruft sich zur Zulässigkeit ihres Rechtsmittels ausschließlich auf diese Frage (Punkt 2. ihrer Revision). Die in § 502 Abs 1 ZPO normierten Voraussetzungen für die Anrufung des Obersten Gerichtshofes liegen jedoch nicht vor, weil diese Frage - wie auch die Revisionsbeantwortung der Klägerin zutreffend festhält - in der höchstgerichtlichen Judikatur längst entschieden ist:

Nach der bereits seit SZ 51/80 = JBl 1980, 482 (mit zustimmender Anmerkung Ostheims [JBl 1980, 484]) ständigen Rechtsprechung vertritt der Oberste Gerichtshof - in Übereinstimmung mit der Lehre - die Auffassung, dass juristische Personen deliktisch nicht nur für das Verschulden ihrer Organe, sondern auch für das ihrer Repräsentanten haften. Die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht des Täters ist dabei nicht entscheidend (RIS-Justiz RS0009113 [T9]). Repräsentant ist vielmehr jeder, der eine leitende Stellung mit selbständigem Wirkungsbereich innehat (6 Ob 249/00m mwN), also in verantwortlicher, leitender oder überwachender Funktion Tätigkeiten für die juristische Person ausübt (7 Ob 271/00d mwN).

Auf das Erfordernis eines Wirkungskreises, der jenem eines Organs annähernd entspricht, kommt es dabei - entgegen der Auffassung der Revisionswerberin - nicht an. Lediglich Personen, die untergeordnete Tätigkeiten ausüben, kommen nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0009113 [T5, T12 und T13]; 7 Ob 271/00d mwN). Die juristische Person kann sich ihrer Haftung aber auch nicht dadurch entziehen, dass sie die ihr obliegenden Aufgaben einem in untergeordneter Stellung Tätigen ohne jegliche weitere Kontrolle überträgt; in einem solchen Fall haftet sie nämlich für das Versäumnis ihrer Organe (Repräsentanten), für wirksame Kontrolle zu sorgen (RIS-Justiz; RS0009113 [T7]; zuletzt: 7 Ob 271/00d).

Demgemäß hat der Oberste Gerichtshof zuletzt auch schon ausgesprochen, dass die Repräsentantenhaftung zwar bisher nur für juristische Personen in Betracht gezogen wurde, aber unter gleichen Wertungsaspekten auch auf natürliche Personen anzuwenden ist, die in ihrem Unternehmen Leitungsfunktionen von anderen Personen wahrnehmen

lassen (RIS-Justiz RS0117175 = RS0009113 [T15]; 5 Ob 173/02f mwN, ZVR

2003/108 = RZ-EÜ 2003/147 = WoBl 2003/34 [zust Call, mit dem Hinweis,

dass der Oberste Gerichtshof auch insoweit „kein Neuland" betrete]). Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Repräsentant der Beklagten, dem dies auch bekannt war, bereits seit Beginn der Geschäftstätigkeit der „DDR-Tarnfirma" (FCG), die tatsächlich als Beschaffungsunternehmen für - häufig embargobelastete - Waren diente, jeweils deren bloßer Geschäftsführer gewesen und nur nach außen hin (getarnt) als privater Inhaber aufgetreten war, dass er (ohne hier auf die konkrete Ausgestaltung seiner Rechtsbeziehungen [als „inoffizieller Mitarbeiter"] zur DDR bzw der „Hauptverwaltung Aufklärung" im Ministerium für Staatssicherheit näher eingehen zu müssen) jedenfalls über das Vermögen der „Tarnfirma" (mag es nun direkt oder über den Treuhänder im Eigentum des Staates gestanden sein) hatte verfügen können, und dass ihn eine Pflicht zur vollständigen Gewinnabführung an den Bereich „Kommerzielle Koordinierung" des Ministeriums für Außenhandel traf. Aus den weiteren Feststellungen über sein Verhalten hinsichtlich der hier gegenständlichen Kontoguthaben folgt, dass er den Tatbestand der Veruntreuung verwirklichte, weil er diese Vermögenswerte der staatlichen Finanzrevision verschwieg, um der DDR die ihr zustehenden Vermögenswerte zu entziehen; und was schließlich die Frage betrifft, ob sein Verhalten (im Zusammenhang mit den klagsgegenständlichen Überweisungen) der Beklagten zuzurechnen ist, steht fest, dass sie bereits seit ihrer Gründung als Empfängerin der von den Festgeldkonten der EFCG bei der S***** Bank zu überweisenden (veruntreuten) Geldbeträge vorgesehen war, wobei ihrem Repräsentanten - obwohl er bei der Beklagten keine offizielle Funktion hatte - aufgrund der ausschließlich ihm zustehenden Weisungsrechte allein die beherrschende Stellung in der Beklagten zukam.

Der von der Revisionswerberin vermisste „Konnex" zwischen den Handlungen des Repräsentanten und der Beklagten ist daher bereits daraus abzuleiten, dass - aufgrund der im maßgeblichen Zeitpunkt (Datum der Umbuchungen) festgestellten „völligen Beherrschung" der Beklagten durch den Repräsentanten - diese „materiellrechtlich mit ihm gleichzusetzen war und nur formaljuristisch verschiedene Rechtssubjekte vorlagen" (Seite 130/131 der Berufungsentscheidung). Wie auch die Klägerin zutreffend ausführt, ist ein engerer Konnex wohl „kaum vorstellbar" (Seite 17 ihrer Revisionsbeantwortung).

Da die einzelfallbezogene Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts dahin, dass eine Haftung der Beklagten als juristische Person für das deliktische Verhalten ihres „faktischen Organs" zu bejahen sei, von den dargestellten Grundsätzen der Repräsentantenhaftung ausgeht, ist hier ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage zu erkennen (vgl auch 8 Ob 84/02i). Die Revision der Beklagten ist daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Da die Klägerin auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels des Beklagten zutreffend hingewiesen hat, stehen ihr gemäß § 41, 50 ZPO die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu.

Zur Revision der Klägerin:

Die von der Klägerin allein bekämpfte Entscheidung gemäß § 408 ZPO ist mit Revision anfechtbar, und als selbständiger Streitgegenstand zu werten (6 Ob 554/94 mwN; RIS-Justiz RS0041177 [T1] = richtig: 7 Ob 569/94; RS0041183). Richtig ist, dass ein Verstoß gegen die Teilrechtskraft die von der Klägerin monierte Nichtigkeit des davon betroffenen Teils des Berufungsurteils begründen würde (stRsp; SZ 67/117 mwN; 4 Ob 297/98z; RIS-Justiz RS0041170; zuletzt: 7 Ob 67/02g; Kodek in Rechberger² Rz 2 zu § 503 ZPO). Hier ist dem Berufungsgericht allerdings - entgegen der Auffassung der Revisionswerberin - weder eine Nichtigkeit infolge „Überschreitung der durch den Sachantrag gezogenen Entscheidungsbefugnis", noch ein Verstoß gegen § 405 ZPO vorzuwerfen: Die in Abänderung des Ersturteils ausgesprochene (Teil-)Abweisung des nach § 408 ZPO geltendgemachten selbständigen, materiellrechtlichen (Schadenersatz-)Anspruches der Klägerin wegen mutwilliger Prozessführung der Beklagten (vgl auch: Fasching III 671 Anm 4;

MietSlg 51.682 mwN; RIS-Justiz RS0041168; RS0041173; RS0041183;

RS0041194 [T3]) war im Berufungsantrag der Beklagten nämlich gedeckt;

hatte diese doch in ihrer Berufung - wie das Berufungsgericht zutreffend aufzeigt (Seite 46 der Berufungsentscheidung) - ausdrücklich (auch) die Entscheidung „dem Kläger gemäß § 408 ZPO einen Ersatzbetrag wegen mutwilliger Prozessführung von S 500.000 zuzusprechen" angefochten und daher auch deren Abänderung im „klagsabweisenden Sinne" begehrt (Seite 7 bzw 30 des I. Teiles der Berufung ON 233).

Aber auch in der Rechtsrüge der Klägerin (Punkt 4. ihrer Revision) wird keine erhebliche Rechtsfrage angesprochen: Die Revisionsausführungen wenden sich gegen die Beurteilung des Berufungsgerichtes, bei der Entscheidung über die „Mutwillensstrafe nach § 408 ZPO" sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte (möge ihr auch anzulasten sein, den Prozess mit falschen Tatsachenbehauptungen geführt zu haben) dem Klagebegehren auch entgegenhielt, das Verhalten Michael W*****s (des Repräsentanten) wäre ihr - selbst unter Zugrundelegung der Richtigkeit der Klagsbehauptungen - rechtlich nicht zurechenbar, weshalb aus rechtlichen Erwägungen das Klagebegehren jedenfalls abzuweisen sei; von einer rechtsmissbräuchlichen Bestreitung des Klagebegehrens, die von der Rechtsordnung nicht geschützte Zwecke verfolgt hätte, könne daher nicht ausgegangen werden, sodass auch die Voraussetzungen des § 408 ZPO, der eine Konkretisierung der Wertung des § 1295 Abs 2 ABGB darstelle, nicht vorlägen.

Demgegenüber weist die Revisionswerberin darauf hin, dass die gefestigte Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Zurechenbarkeit deliktischen Verhaltens von Repräsentanten im Vorbringen der Klagebeantwortung nicht berücksichtigt sei. Die Beklagte habe sich daher in Kenntnis oder zumindest fahrlässiger Unkenntnis der dazu bestehenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung mutwillig in den Prozess eingelassen und diesen trotz faktischer Aussichtslosigkeit fortgeführt. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte das Berufungsgericht daher (zumal es sogar ausdrücklich festgehalten habe, dass die Beklagte den Prozess mit falschen Tatsachenbehauptungen geführt hätte) die Verhängung der Mutwillensstrafe bestätigen müssen. Selbst wenn man nämlich davon ausgehe, die Beklagte habe aus rechtlichen Gründen Anlass gehabt, das Klagebegehren zu bestreiten, wäre immer noch zu beurteilen, wie sich eine mit den rechtlich geschützten Werten „angemessen verbundene" Partei in der Situation der Beklagten verhalten hätte. Ein solche Partei hätte aber die Tatsachenbehauptungen, deren Richtigkeit sie kannte, anerkannt und sich darauf beschränkt, das Klagebegehren aus rechtlichen Gründen zu bestreiten. Damit wäre den Parteien die Vernehmung zahlreicher Zeugen in mehreren Staaten und ein jahrelanges Beweisverfahren erspart geblieben.

Diese Ausführungen verkennen, dass die hier erfolgte Beurteilung eines Begehrens als (nicht) rechtsmissbräuchlich immer nur eine Frage des Einzelfalls sein kann (RIS-Justiz RS0025230 [T5]; RS0047080 [T3]; zuletzt: 1 Ob 171/02g mwN), die im Allgemeinen keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO darstellt (1 Ob 91/02t mwN; RIS-Justiz RS0026265 [T3 und T12]; 2 Ob 108/03a mwN); eine korrekturbedürftige krasse Fehlbeurteilung wird in ihrer Revision aber - zu Recht - nicht einmal behauptet; muss doch die missbräuchliche Inanspruchnahme des Gerichts nach der zutreffend zitierten Rsp „einwandfrei erwiesen" sein (vgl auch: Rechberger in Rechberger² Rz 6 zu § 408 ZPO mwN). Von einer die Anrufung des Obersten Gerichtshofes ermöglichenden solchen Fehlbeurteilung kann daher auch nicht gesprochen werden, wenn man mit der jüngeren Rechtsprechung Rechtsmissbrauch bereits dann annimmt, wenn das unlautere Motiv der Rechtsausübung das lautere eindeutig überwiegt (RIS-Justiz RS0026603 [T6]; RS0025230 [T7] = 7 Ob 284/01t mwN).

Auch die Revision der Klägerin ist daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Da die beklagte Partei auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels in ihrer Revisionsbeantwortung nicht hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz nicht der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung (RIS-Justiz RS0035962; RS0035979).

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