OGH 6Ob43/03x

OGH6Ob43/03x20.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am ***** geborenen Peter F*****, über den Revisionsrekurs des Vaters Peter Franz D*****, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Annegret Wiese, Rechtsanwältin in München, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 8. Jänner 2003, GZ 2 R 167/02m-140, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Leoben vom 21. November 2002, GZ 1 P 1500/95g-134, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der in der Bundesrepublik Deutschland lebende Vater hatte seit 1. 9. 1994 für seinen unehelichen Sohn Peter F***** monatlich 5.000 S an Unterhalt zu leisten.

Mit Beschluss vom 21. 11. 2002 erhöhte das Erstgericht diese Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab 1. 3. 2002 auf monatlich 582 EUR. Es ging dabei von einem monatlichen Nettoeinkommen von 4.456,82 EUR und weiters davon aus, dass der Vater noch für ein 7-jähriges Kind sowie seine Ehegattin gesetzlich zu sorgen habe. Nach der Prozentsatzmethode betrage der Unterhalt 19 % vom anrechenbaren Nettoeinkommen. Der begehrte Unterhaltsbetrag von 582 EUR monatlich liege in der Leistungsfähigkeit des Vaters. Ein zur Finanzierung seiner Eigentumswohnung aufgenommener Kredit sei nicht zu berücksichtigen.

Das vom Vater angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte aus, selbst wenn man den zur Höhe der Bemessungsgrundlage erhobenen Einwendungen des Vaters - soweit sie nicht gegen das Neuerungsverbot verstießen - Rechnung trage, insbesondere den monatlichen Aufwand für Kreditrückzahlungen berücksichtige, betrüge die Unterhaltsbemessungsgrundlage rund 3.328 EUR monatlich. Nach der vom Rekursgericht dargelegten Prozentsatzmethode habe der Vater unter Bedachtnahme auf seine sonstigen Sorgepflichten 19 % seines Durchschnittseinkommens zur Alimentation seines 18-jährigen Sohnes aufzuwenden. 19 % von 3.328 EUR seien mehr als an monatlichem Unterhalt festgelegt worden sei. Da die Leistungsfähigkeit des Vaters ohnehin nicht zur Gänze ausgeschöpft und er in Österreich nicht steuerpflichtig sei, sei er steuerlich nicht zu entlasten.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil - soweit überblickbar - (veröffentlichte) Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage der (steuerlichen) Entlastung ausländischer Unterhaltsschuldner fehle.

Der Vater macht in seinem ordentlichen Revisionsrekurs geltend, das Rekursgericht habe die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001 und vom 19. 6. 2002 zur gebotenen Entlastung des Unterhaltsschuldners nicht berücksichtigt. Der Verfassungsgerichtshof habe darin keineswegs zum Ausdruck gebracht, dass der Vorzug einer Entlastung sich nur auf in Österreich steuerpflichtige Unterhaltsschuldner beziehe. Der Revisionsrekurswerber sei österreichischer Staatsbürger und lebe an einem besonders teuren Ort in der Bundesrepublik Deutschland. Es widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz, bei ausländischen Unterhaltsschuldnern eine andere Unterhaltsbemessung zu Grunde zu legen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Soweit der Revisionsrekurswerber auf seine Ausführungen im Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluss verweist, ist dies für den Obersten Gerichtshof nicht beachtlich (stRsp zB SZ 23/89; JBl 1961, 292; SZ 43/117; 7 Ob 26/02b). Es ist unzulässig, den Inhalt eines anderen Rechtsmittelschriftsatzes (oder sonstigen Schriftsatzes) zum Inhalt eines Rechtsmittels zu machen.

Die sich im vorliegenden Fall stellende Frage hat der 2. Senat des Obersten Gerichtshofes in seinem Beschluss vom 30. 1. 2002, 2 Ob 86/02i, dahin beantwortet, auch nach der Aufhebung des zweiten Halbsatzes des § 12a FLAG als verfassungswidrig habe es im Fall eines in Österreich nicht steuerpflichtigen Unterhaltsschuldners dabei zu bleiben, dass die Familienbeihilfe nicht auf die Unterhaltspflicht des geldunterhaltspflichtigen Elternteils anzurechnen sei. Für den Fall eines überhaupt nicht steuerpflichtigen Unterhaltsschuldners hat dies der 6. Senat bereits in seiner Entscheidung vom 19. 12. 2002, 6 Ob 107/02d, ausgesprochen.

So wie hier - aktenkundig - war im Fall der Entscheidung des 2. Senats der geldunterhaltspflichtige Vater nicht in Österreich, sondern in der Bundesrepublik Deutschland steuerpflichtig; er hatte keine österreichische Einkommensteuer zu zahlen.

Der 2. Senat führte aus:

"Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 19. 6. 2002, G 7/02, die in § 12a FLAG enthaltene Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden sei und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten.

Die Auswirkungen dieses Erkenntnisses in Verbindung mit dem bereits früheren des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001, B 1285/00, auf die Unterhaltsbemessung im Falle von vom Unterhaltspflichtigen getrennt lebenden Kindern wurden bereits durch mehrere Senate des Obersten Gerichtshofes gelöst und beantwortet (4 Ob 52/02d, 7 Ob 174/02t, 2 Ob 37/02h ua). Danach ist - in verfassungskonformer Auslegung der maßgeblichen Rechtslage - bei der Unterhaltsbemessung für Kinder bei getrennter Haushaltsführung darauf Bedacht zu nehmen, dass die Familienbeihilfe nicht (nur) der Abgeltung von Betreuungsleistungen dient, sondern, soweit notwendig, die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bewirken soll. Der Verfassungsgerichtshof hat schon in seinem Erkenntnis vom 27. Juni 2001, B 1285/00, den normativen Gehalt des § 12a FLAG teleologisch auf jenen Bereich reduziert, in dem die Transferleistungen nicht zum Ausgleich der überhöhten Steuerbelastung benötigt werden. Bei dieser Auffasung blieb der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. Juni 2002. Die dem Kind geschuldete Unterhaltsleistung müsse bei einer Steuer (Einkommensteuer), deren Belastungskonzept nach dem Prinzip der Individualbesteuerung die Erfassung der persönlichen Leistungsfähigkeit zum Ziel habe, steuermindernd berücksichtigt werden. Nach den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs kann kein Zweifel daran bestehen, dass sich die Familienbeihilfe nur in jenen Fällen unterhaltsmindernd auswirken kann, in denen sie neben ihrem Zweck, grundsätzlich den betreuenden Elternteil zu entlasten, auch der steuerlichen Entlastung des steuerpflichtigen Unterhaltsschuldners zu dienen hat. Eine Anrechnung der Familienbeihilfe ist daher nur dann und insoweit erforderlich, als überhaupt eine steuerliche Entlastung verfassungsrechtlich geboten ist. Soweit daher der Revisionsrekurswerber auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs B 1285/00 Bezug nimmt und ausführt, dass eine Berücksichtigung der Familienbeihilfe bei Festsetzung der Höhe der Unterhaltsverpflichtung zu erfolgen habe, übersieht er, dass er - aktenkundig - in Österreich nicht steuerpflichtig ist, keine (österreichische) Einkommensteuer zu zahlen hat und somit alleine in Deutschland steuerpflichtig ist. Dieses Erkenntnis hat daher auf seine Steuerpflicht in Deutschland auch nach dem Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuer (BGBl 1955/221 idgF) keine Auswirkungen. ... Es hat daher auch nach Aufhebung des zweiten Halbsatzes des § 12a FLAG als verfassungswidrig im Fall in Österreich nicht steuerpflichtiger Unterhaltsschuldner dabei zu bleiben, dass die Familienbeihilfe nicht auf die Unterhaltspflicht des geldunterhaltspflichtigen Elternteils anzurechnen ist."

Der 6. Senat tritt diesen Ausführungen des 2. Senats bei. Damit ist aber dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

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