OGH 7Ob284/01t

OGH7Ob284/01t17.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt Wien, Wiener Wohnen, Doblhofgasse 6, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Heufler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien

1. I***** Versicherung AG, ***** 2. G***** Versicherung AG, ***** beide vertreten durch Dr. Klemens Dallinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert: EUR 726.728,34 = S 10,000.000), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 26. Juni 2001, GZ 4

R 73/01m-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 6. Februar 2001, GZ 13 Cg 76/00d-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 3.440,61 = S 47.343,78 (darin EUR 573,43 = S 7.890,63 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt - wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat - nicht vor; dies bedarf gemäß § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO keiner weiteren Begründung. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Klägerin begehrt von den beklagten Versicherungen, gestützt auf die Abtretung der Versicherungsansprüche durch deren Versicherungsnehmer,

1. die Feststellung der Deckungspflicht der Erstbeklagten aus dem zwischen dieser und der Ingenieurkammer für W***** abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrag bis zur Höhe von S 6,500.000 für alle Schäden resultierend aus der Statikplanung bzw Durchführung der Firma A***** GmbH bzw deren geschäftsführendem Gesellschafter DI Dr. Hans-Peter K***** in Ansehung des städtischen Bauvorhabens in Wien *****" und

2. die Feststellung der Deckungspflicht der Zweitbeklagten aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag mit der PolizzenNr 111-112597, geschlossen mit der Firma A********** GesmbH bzw deren geschäftsführendem Gesellschafter DI Dr. Hans-Peter K***** bis zur Höhe von S 3,500.000 für die zu 1. angeführten Schäden. In eventu fordert die Klägerin die Zahlung von S 6,500.000 sA bzw S 3,500.000 sA von der Erst- bzw Zweitbeklagten.

Die Beklagten bestritten ua die Aktivlegitimation der Klägerin und führten dazu aus, die Ansprüche aus den Versicherungsverträgen könnten vor ihrer endgültigen Feststellung ohne ausdrückliche Zustimmung des Versicherers nicht übertragen werden. Dem hielt die Klägerin entgegen, die Beklagten hätten "die in den Versicherungsbedingungen geforderte ausdrückliche Zustimmung schlüssig durch konkludentes Verhalten erteilt", indem sie - ohne auf das Abtretungsverbot hinzuweisen - über Wunsch der Klägerin auf die Einrede der Verjährung bis 31. 5. 2000 verzichteten. Die nunmehrige Berufung auf das Abtretungsverbot verstoße gegen Treu und Glauben. Außerdem sei auf § 157 VersVG zu verweisen, womit die Klägerin durch die Anerkennung ihres Absonderungsanspruches (durch den Masseverwalter der in Konkurs befindlichen Versicherungsnehmer) die Möglichkeit der direkten Geltendmachung gegenüber den Beklagten erhalten habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Mit dem angefochtenen Urteil bestätigte das Berufungsgericht diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Dass der Verjährungsverzicht eine konkludente Zustimmung zur Abtretung bedeute, vertrete die Klägerin im Berufungsverfahren nicht mehr. Was den Einwand des Rechtsmissbrauches betreffe, habe der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, das - hier unstrittige - Abtretungsverbot solle gewährleisten, dass es der Versicherer bei der Abwicklung eines Schadensfalles nur mit seinem Vertragspartner zu tun habe (VersR 1987, 294 = VR 1987/43 = VersE 1244). Dadurch solle insbesonders auch verhindert werden, dass dem Versicherungsnehmer in einem vom Zessionar gegen den Versicherer angestrengten Prozess die Stellung eines Zeugen zukomme (RZ 1984/61). Weshalb es ausgeschlossen sein sollte, dass der eine oder der andere Grund hier zum Tragen komme, sodass den Beklagten Rechtsmissbrauch vorgeworfen werden könnte, sei nicht ersichtlich. Verfehlt sei vor

allem die Berufung der Klägerin auf die Entscheidung 7 Ob 2263/96m (=

VR 1998/463 = VersE 1715 = SZ 69/235). In diesem Fall sei ein

schutzwürdiges Interesse an der Berufung auf das Zessionsverbot nämlich deswegen verneint worden, weil die gegen den Versicherten bestehende Schadenersatzforderung durch Anerkenntnis des Masseverwalters im Konkurs rechtswirksam festgestellt worden sei. In diesem Fall wäre eine Klage gegen den Masseverwalter in der Tat völlig sinnlos. Hier aber beziehe sich das Anerkenntnis des Masseverwalters ausschließlich auf den Absonderungsanspruch; ein Anerkenntnis der materiellen Richtigkeit der Deckungsansprüche sei ausdrücklich nicht erklärt worden (Beilage ./G), und werde von der Klägerin auch gar nicht behauptet. Die hier vorliegende bloße Erklärung eines Verzichtes auf den Verjährungseinwand verbunden mit einer generellen Ablehnung des Deckungsanspruches berechtige nicht zur Annahme konkludenter Zustimmung und begründe auch keinen Verstoß gegen Treu und Glauben bei nunmehriger Berufung auf das Abtretungsverbot.

Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, dass zu den Fragen "konkludenter Zustimmung zur Abtretung durch Verjährungsverzicht bzw der rechtsmissbräuchlichen Berufung auf das versicherungsvertragliche Abtretungsverbot" - soweit überblickbar - keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht rückzuverweisen.

Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben. Die Revision ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

In der Rechtsrüge macht die Revisionswerberin geltend, dass der Kontakt zwischen den Streitteilen kein oberflächlicher gewesen sei und beruft sich dabei auf Verhandlungen, die sie noch vor der Forderungsabtretung mit der Beklagten geführt habe. Daraus wird die Unrichtigkeit der Beurteilung des Berufungsgerichtes zum Fehlen einer schlüssigen Zustimmung zur Forderungsabtretung bzw zum verneinten Verstoß gegen Treu und Glauben abgeleitet. Die diesbezüglichen Ausführungen gehen jedoch ins Leere, weil nicht von diesen Behauptungen, sondern von folgendem - unstrittigen - Sachverhalt auszugehen ist:

Im März 1998 wurden die Beklagten von einem Versicherungsfall betreffend den Ziviltechniker DI Hans-Peter K***** und die A***** GesmbH verständigt. Am 26. 6. 1998 fand ein Gespräch statt, als dessen Folge DI L***** als Sachverständiger von der Erstbeklagten mit einem Gutachten beauftragt wurde. Am 25. 2. 1999 ersuchte der Klagevertreter um Übermittlung des Gutachtens L*****. Ein gleiches Ansinnen stellte der Klagevertreter in einer Besprechung am 23. 3. 1999, wurde aber abschlägig entschieden.

Zwischenzeitig war über beide Versicherungsnehmer das Konkursverfahren eröffnet worden. Im Konkursverfahren gelang es der klagenden Partei als geschädigtem Bauherrn des Bauvorhabens D***** die Abtretung der Versicherungsansprüche gegen die beklagten Parteien am 2.7.1999 zu erwirken. Davon verständigte der Klagevertreter am 13. 9. 1999 schriftlich die Beklagten und erhob Anspruch auf die Versicherungssumme. Mit Schreiben vom 17. 9. 1999 und 7. 10. 1999 lehnten die beklagten Parteien den Versicherungsschutz ab, wie sie dies bereits gegenüber DI K***** mit Schreiben vom 24. 3. 1999 getan hatten. Beide Beklagten gaben in diesem Schreiben einen Verjährungsverzicht gegenüber der Klägerin ab.

In den Versicherungsbedingungen beider Beklagter ist vorgesehen, dass Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag vor ihrer endgültigen Feststellung ohne ausdrückliche Zustimmung des Versicherers nicht übertragen werden können.

Was aber die Revisionsausführungen unter dem Titel "Besonderheiten im Konkurs" (Punkt 5 der Revision) betrifft, ist festzuhalten, dass sich die Klägerin in erster Instanz nur auf die Bestimmung des § 157 VersVG berufen hat, wonach sie - durch die Anerkennung ihres Absonderungsanspruches - die Möglichkeit der direkten Geltendmachung gegenüber den beklagten Parteien erhalten habe. Welchen Einfluss das in § 157 VersVG normierte Absonderungsrecht auf die Wirksamkeit der Abtretung der Deckungsansprüche haben sollte, ist - wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausführt - nicht ersichtlich. Den weiteren Revisionsausführungen zu den vom Berufungsgericht als erheblich erachteten Rechtsfragen ist Folgendes zu erwidern:

Vorweg ist grundsätzlich zu bemerken, dass Forderungen des Versicherungsnehmers "aus der Versicherung" (§ 15 VersVG) als Geldforderungen zwar im Allgemeinen ohne weiteres abgetreten werden können (7 Ob 304/99b = JBl 2000, 583 = NZ 2001, 223 = VR 2001/528 = ÖBA 2000/912); im vorliegenden Verfahren ist jedoch unstrittig, dass die in den "Bedingungen beider [beklagter] Versicherungsunternehmen" festgelegten Abtretungsverbote - "Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag können vor ihrer endgültigen Feststellung ohne ausdrückliche Zustimmung des Versicherers nicht übertragen werden" (= Punkt 10.3. der Vertragsbedingungen für die Berufshaftpflicht-Versicherung für Ziviltechniker [Beilage ./1] bzw Art 11 Z 3 der AHBA [Beilage ./3]) - auch der Klägerin gegenüber wirksam sind. Es ist daher (iSd Außerstreitstellung im Schriftsatz der Klägerin ON 3 AS 15) davon auszugehen, dass - nach den vereinbarten Versicherungbedingungen - die Ansprüche aus dem (jeweiligen) Versicherungsvertrag "vor ihrer endgültigen Feststellung ohne ausdrückliche Zustimmung des Versicherers" nicht an die Klägerin übertragen werden konnten.

Wenn die Revisionswerberin daran festhält, dass bei "vernünftiger Auslegung der Sinnhaftigkeit" des in den Schreiben der Beklagten vom 17. 9. 1999 und 7. 10. 1999 (Beilagen ./C und ./D) jeweils erklärten Verjährungsverzichtes eine schlüssige Zustimmung zur Abtretung der Deckungsansprüche anzunehmen sei, wird somit schon übersehen, dass eine wirksame Forderungsabtretung eine ausdrückliche Zustimmung der Versicherung voraussetzen würde. Von Rechtsprechung und Lehre wird zwar auch eine konkludente Zustimmung als möglich und zulässig erachtet (RIS-Justiz RS0014566; 7 Ob 28/88 = VR 1989/155 = VersR 1989, 829 mwN; Prölss-Martin VVG26 1518 Rn 9 zu § 3 AKB). Anders als in dem der Entscheidung 7 Ob 28/88 zugrundeliegenden Sachverhalt haben hier die beiden beklagten Versicherungen die Deckung aber zur Gänze angelehnt und sich nur hinsichtlich eines Punktes, nämlich jenes der Verjährung, mit der Klägerin auf eine von allen anderen Streitpunkten abgrenzbare Vereinbarung eingelassen. Dass dies nur aus dem Grunde, eine vorschnelle Klagsführung auszuschließen, geschehen ist, liegt auf der Hand. Der - auch vom Berufungsgericht - erblickten erheblichen Rechtsfrage ("konkludente Zustimmung zur Abtretung durch Verjährungsverzicht") kommt daher keine über den vorliegenden Einzelfall hinausgehende entscheidungswesentliche Bedeutung zu, weil nach dem Inhalt der zitierten Schreiben - entgegen der in der Revision vertretenen Meinung - mit den Vorinstanzen auch eine schlüssige Zustimmung zu verneinen ist: Die Erstbeklagte hält darin nämlich ausdrücklich fest, dass die Versicherung gegenüber ihrem Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz bereits abgelehnt, und dass sich seither keine Änderung ergeben habe (Beilage ./C); während die Zweitbeklagte "der Ordnung halber" darauf hinweist, dass mit der Erklärung des Verjährungsverzichts kein Anerkenntnis hinsichtlich der materiellen Richtigkeit dieser Ansprüche verbunden sei (Beilage ./D). In der späteren Einwendung des Abtretungsverbotes kann eine rechtsmissbräuchliche Vorgangsweise der Beklagten auch dann nicht erblickt werden, wenn man mit der jüngeren Rechtsprechung Rechtsmissbrauch bereits dann annimmt, wenn das unlautere Motiv der Rechtsausübung das lautere eindeutig überwiegt (RIS-Justiz RS0026603 [T6]; RS0025230; Reischauer in Rummel² Rz 59 zu § 1295 ABGB mwN):

Dient das Abtretungsverbot doch auch hier dem Interesse des Versicherers, weil verhindert wird, dass dem Versicherungsnehmer im vorliegenden, vom Zessionar angestrengten Prozess, die Stellung eines Zeugen zukommt (RIS-Justiz RS0032693), und dass über den Umweg der Abtretung Personen, die zur (direkten) Geltendmachung des Versicherungsanspruches nicht legitimiert sind, eine solche Legitimation erlangen (RIS-Justiz RS0081297 = VersR 1987, 294). In der Revision wird daher keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt, weshalb das Rechtsmittel - ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Zulässigkeitsausspruches des Berufungsgerichtes - als unzulässig zurückzuweisen war. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend geltend gemacht, dass die Revision in der Mängelrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt ist, in der Rechtsrüge nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht, und dass die Konkurseröffnung keinen Einfluss auf das vereinbarte Abtretungsverbot habe. Damit wird inhaltlich auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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