Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes einschließlich der Kostenentscheidungen (Pkt 2. und 3.) wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 485,68 (darin EUR 80,95 USt) bestimmten Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens und die mit EUR 904,76 (darin EUR 62,46 USt und EUR 530 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die klagende Partei ist schuldig, der Nebenintervenientin die mit EUR 485,68 (darin EUR 80,95 USt) bestimmten Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 4***** des Grundbuches ***** mit der Liegenschaftsadresse *****. Die Beklagte ist Eigentümerin der benachbarten Liegenschaft EZ 6***** des Grundbuches ***** mit der Liegenschaftsadresse *****. Die gemeinsame Grenze dieser beiden Liegenschaften ist ca. 127 m lang. Die Liegenschaft der Klägerin ist vermietet; sie weist eine Größe von 2.515m² auf. Die Liegenschaft der Beklagten hat eine Größe von 1.980 m².
Die Klägerin begehrt von der Beklagten, hinsichtlich der der Klägerin gehörigen Liegenschaft wieder den Vorzustand herzustellen und die von der Liegenschaft der Beklagten durch Errichtung eines Zubaues an der Grundstücksgrenze erfolgte Überbauung in einer Länge von 10,16 m und einer Breite von 23 cm sowie einer Höhe von ca. 3 bis 7,5 m über Grund zu beseitigen. Die Beklagte sei grob fahrlässig gewesen, weil sie die Kontrolle der Bauführung unterlassen habe. In der Wahrung und Verfolgung der Eigentumsfreiheit durch die Klägerin könne keine Schikane liegen.
Die Beklagte bestritt das Klagevorbringen, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass das von ihr beauftragte Bauunternehmen, die Nebenintervenientin, eigenmächtig über die Grundstücksgrenze hinaus gebaut habe. Auf Grund der dichten Vegetation im Bereich der Grenze sei dieser Umstand aber erst nach Abschluss der Bauarbeiten aufgefallen. Die Beklagte sei sohin hinsichtlich der Bauführung redlich iS des § 418 Satz 3 ABGB gewesen. Die Klägerin habe deshalb keinen Anspruch auf Beseitigung, sondern lediglich einen Ausgleichsanspruch gemäß § 416 ABGB. Die überbaute Fläche im Gesamtausmaß von ca. 2 m² sei in Anbetracht der beteiligten Grundstücksgrößen von 1.980 m² (Beklagte) bzw 2.515 m² (Klägerin) als geringfügig anzusehen. Die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes sei untunlich und daher unmöglich. Das Beseitigungsbegehren der Klägerin sei überdies rechtsmissbräuchlich. Es liege nämlich ein grobes Ungleichgewicht zwischen den betroffenen Interessen der Parteien zum Nachteil der Beklagten vor. Die strittige Bebauung betreffe bloß den Luftraum über dem Zaunfundament der Klägerin. Die Beseitigung des Überbaus wäre für die Beklagte mit Kosten von rund ATS 1,8 Mill verbunden. Die Klägerin habe alle finanziellen Abgeltungsvorschläge der Beklagten abgelehnt.
Das Erstgericht wies dass Klagebegehren als unbegründet ab. Es traf dabei folgende wesentliche Feststellungen:
Im Jahre 1998 beabsichtigte die Beklagte, auf ihrer Liegenschaft zusätzlich zum bereits bestehenden Gebäude einen Zubau zu errichten. Zu diesem Zweck beauftragte sie die Nebenintervenientin mit der Durchführung dieses Bauvorhabens. Es war vorgesehen, den Zubau genau an die Grundstücksgrenze zwischen den Parteien zu bauen. Die Beklagte informierte die Nebenintervenientin, dass die Grundstücksgrenze in diesem Bereich durch den vorhandenen Maschendrahtzaun gegeben sei. Dieser verläuft - von der Klägerin aus gesehen - an der Außenkante eines Zaunsockels. Der Einreichplan der Nebenintervenientin sah allerdings von dieser Information abweichend vor, dass die Außenkante des Zubaues im ersten Obergeschoß (von der Klägerin aus gesehen) über den Maschendrahtzaun hinausgehend genau mit der Innenkante des am Boden verlaufenden Zaunsockels - sohin bereits auf die Liegenschaft der Klägerin ragend - abschließt. Anlässlich der von der MA 37 an Ort und Stelle durchgeführten Bauverhandlung vom 19. 6. 1998 fiel keinem der Beteiligten - die Klägerin war durch ihren Verwalter vertreten - auf, dass bereits der Plan der Nebenintervenientin eine (ungewollte) Überbauung der Grundstücksgrenze vorsah; dies obwohl sowohl der Klägerin als auch der Beklagten damals bekannt war, dass der Maschendrahtzaun (von der Klägerin aus gesehen) an der Außenkante des Sockels die Grundstücksgrenze bildet.
Die Nebenintervenientin begann im Sommer 1998 mit den Bauarbeiten, die bis Mitte Oktober 1998 dauerten. Zu dieser Zeit begab sich die Beklagte nach Entfernung des Gerüstes auf die Liegenschaft der Klägerin, um zu prüfen, ob es durch das Gerüst zu etwaigen Beschädigungen gekommen sei. Dabei fiel ihr sofort auf, dass im ersten Stock des Zubaues eine Überbauung des Maschendrahtzaunes passiert war. Konkret war eine Überbauung auf einer Länge von rund 10 m um jeweils 21 cm erfolgt, und zwar in einer Höhe von 3,5 bis 7,5 m über Grund.
Am 22. 10. 1998 informierte die Beklagte die Nebenintervenientin und den Ehegatten der Klägerin von der Überbauung; letzterer reagierte zunächst eher beschwichtigend. Der Beklagten war die Angelegenheit sehr peinlich und sie war deshalb bestrebt, eine gütliche Einigung durch eine finanzielle Abgeltung zu erreichen. Mehrere Versuche der Beklagten, in den folgenden Monaten zu einem Vergleich mit der Klägerin zu kommen, scheiterten jedoch. So bot die Beklagte der Klägerin zur Bereinigung der Sache eine einmalige Schadenersatzzahlung von ATS 30.000 (später erhöht auf ATS 50.000) oder ATS 400 pro Monat auf Lebenszeit oder ATS 1.000 pro Monat auf maximal 10 Jahre an. Alle Vorschläge wurden aber von der Klägerin abgelehnt. Den Gegenvorschlag der Klägerin, wonach die Beklagte ATS 1.000 pro Monat auf unbestimmte Zeit zu zahlen habe, lehnte die Beklagte als überhöht ab.
Durch die Überbauung ist kein - über den Eingriff in den Luftraum als solchen hinausgehender - Nachteil der Klägerin entstanden. Ein Verbauen des Grundstückes der Klägerin bis an die Grenze wäre im gegenständlichen Bereich - ungeachtet des Grenzüberbaues - ohnehin nicht zulässig. Der Lichteinfall wurde durch die Überbauung nicht wesentlich beeinträchtigt.
Ein Rückbau des Zubaues um 21 cm auf einer Länge von 10 m wäre technisch grundsätzlich möglich; dabei würde es sich aber um einen schwerwiegenden Eingriff in die tragenden Elemente des Gebäudes der Beklagten handeln. Hiefür wären eine vorherige intensive Befundung, Berechnungen und Planungen sowie eine behördliche Bewilligung notwendig. Die Rückbaukosten würden sich auf ca. ATS 1,775.000 (= EUR 128.994,28; bei einer Bandbreite von plus/minus 20 %) zuzüglich USt belaufen.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass die Klägerin schon auf Grund der bei der Bauverhandlung ersichtlichen Planung des Zubaus der Beklagten von der bevorstehenden Überbauung ihres Grundstückes hätte wissen müssen; da sie den Bau nicht sogleich untersagt habe, liege ein Fall der Verschweigung iS des § 418 Satz 3 ABGB vor. Mit den gleichen Argumenten sei aber auch der Beklagen vorzuwerfen, dass sie bei genauem Studium der Pläne hätte erkennen müssen, dass es zu einem teilweisen Grenzüberbau kommen werde. Sie könne daher nicht als redliche Bauführerin angesehen werden. Die Beseitigung des Überbaues sei jedoch im vorliegenden Fall untunlich; sie sei zwar technisch möglich, aber bei einem Aufwand von ca. ATS 1,775.000 (= EUR 128.994,28; plus/minus 20 %) zuzüglich USt wirtschaftlich nicht sinnvoll.
Schließlich sei das Beseitigungsbegehren der Klägerin aber auch rechtsmissbräuchlich. Es bestehe nämlich ein krasses Missverhältnis zwischen dem Interesse der Klägerin auf Beseitigung und dem Interesse der Beklagten am Belassen des Überbaues gegen Geldausgleich. Der Klägerin sei durch den Zubau gar kein Nachteil entstanden; die Beklagte müsste hingegen für die Beseitigung einen Betrag von ATS 1,775.000 (= EUR 128.994,28; plus/minus 20 %) zuzüglich USt aufwenden. Es liege daher eine schikanöse Rechtsausübung der Klägerin vor; dies sei auch an der Ablehnung der Vergleichsanbote der Beklagten zu sehen.
Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung der Klägerin das Ersturteil im Sinne der Klagestattgebung ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass an die Redlichkeit des Bauführers ein strenger Maßstab anzulegen sei, wenn an der Grundstücksgrenze gebaut werde. Bereits aus dem Plan sei im vorliegenden Fall ersichtlich gewesen, dass es zu einer teilweisen Überbauung des Grundstückes der Klägerin kommen werde. Die Beklagte hätte dies bei entsprechender Aufmerksamkeit verhindern müssen; sie sei daher keine redliche Bauführerin. Es bestehe somit jedenfalls ein Beseitigungsanspruch der Klägerin iS des § 418 ABGB. Die Argumente der Lehre, bei der vorliegenden Konstellation wäre ein Wertvergleich analog § 416 ABGB anzustellen, seien im Hinblick auf die dem ABGB zugrunde liegende Wertung, das Eigentum vor ungewollten Eingriffen zu schützen, nicht überzeugend. Andernfalls würde es jedem unredlichen (iS von sorglosen) Bauführer offenstehen, sein Eigentum durch Bauführung zu erweitern.
Die Grenze der Rechtsverfolgung liege bei der Schikane iS des § 1295 Abs 2 ABGB. Als schikanös sei eine Rechtsausübung nur dann anzusehen, wenn sie ausschließlich oder überwiegend zum Zweck der Schädigung erfolge. Bei der Wahrung und Verfolgung des sich aus der Freiheit des Eigentums ergebenden Rechts sei aber die Annahme einer schikanösen Rechtsausübung schon im Hinblick auf die Verhinderung der Ersitzung des allfälligen Rechts auszuschließen. In der Rechtsprechung sei eine schikanöse Klageführung sogar schon dann verneint worden, wenn der Nachbar den Luftraum nur um 5 cm überschritten hat. Auch bei der eigenmächtigen Aneignung einer Fläche von 1,1 m² habe es die Rechtsprechung abgelehnt, von einer bloß geringfügigen Fehlhandlung zu sprechen. Der Beseitigungsanspruch der Klägerin sei daher nicht rechtsmissbräuchlich. Für die Beurteilung des Vorliegens von Schikane sei es auch nicht relevant, ob die Klägerin als geschädigte Grundeigentümerin Vergleichsanbote der Beklagten abgelehnt habe. Als Leistungsfrist sei eine Frist von 3 Monaten angemessen (§ 409 Abs 2 ZPO).
Das Berufungsgericht sprach weiters aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes ATS 260.000 übersteige und erklärte die ordentliche Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO für nicht zulässig.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Ersturteil wiederhergestellt und das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragte, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Rechtsmissbrauch nicht richtig angewendet hat; die Revision ist auch berechtigt.
Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 503 Z 2 ZPO liegt nicht vor; diese Beurteilung bedarf keiner Begründung (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
In rechtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass grundsätzlich auch der Luftraum über einem Grundstück der Herrschaft des Eigentümers untersteht, der Eingriffe, etwa durch Bauen in den Luftraum hinein, verbieten kann (§ 297 ABGB; Koziol/Welser I12 261; Schwimann/Klicka, ABGB² II § 297 Rz 4 mwN; Spielbüchler in Rummel, ABGB³ § 354 Rz 4; SZ 34/49; JBl 1977, 485 ua).
Redlicher Bauführer iS des § 418 ABGB ist nach ständiger Rechtsprechung unter anderem derjenige, der im Zeitpunkt der Bauführung aus plausiblen Gründen über die Eigentumsverhältnisse am verbauten Grund irren durfte und irrte (RIS-Justiz RS0103699). Dabei ist jedoch zu beachten - worauf das Berufungsgericht zutreffend hinwies - dass der Bauführer die Pflicht hat, sich vor der Durchführung des Baues zu vergewissern, ob er auf eigenem oder fremdem Grund baut (Twaroch, Grenzüberbauten und Grundstücksgrenzen, NZ 1996, 80; RZ 1997/20; RIS-Justiz RS0111116). Diese Vorsichtsnahme wird insbesondere dann als geboten erachtet, wenn die Bauführung im engsten Grenzbereich zu einer Nachbarliegenschaft vorgenommen wird (MietSlg 44.021). Redlichkeit wird bereits durch leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen (RIS-Justiz RS0103701). Ist der Grenzverlauf - wie hier - eindeutig und unstrittig, so geht jede Überschreitung der Grundstücksgrenze im Zuge der Bauführung zu Lasten der Redlichkeit des Bauführers, musste ihm doch klar sein, dass ihm eine Bauführung auf dem in Anspruch genommenen Grundstücksteil nicht zusteht (Spielbüchler aaO § 415 Rz 5 und § 418 Rz 5; SZ 69/50; 1 Ob 265/01d [teilw veröff in AnwBl 2002/7803 {mit Glosse H. Huber} = EvBl 2002/72]; RIS-Justiz RS0011067 ua).
Legt man dem vorliegend festgestellten Sachverhalt diesen rechtlichen Maßstab zugrunde, dann ist die erfolgte Überbauung der Grundstücksgrenze als fahrlässig zu beurteilen, so dass die Redlichkeit der Beklagten als Bauführerin ausgeschlossen ist, auch wenn sie sich einer Bauunternehmung, der Nebenintervenientin, bedient hat, um das Bauwerk zu errichten. Die Fehlleistung dieses Bauunternehmens hat die Beklagte zu verantworten, weil sie dessen Tätigkeit insoweit trotz der weitreichenden Rechtsfolgen eines Grenzüberbaus nicht ausreichend überwachte (1 Ob 265/01d). Ob auch von einem redlichen Bauführer die Beseitigung eines Bauwerks verlangt werden könnte, sofern der Grundeigentümer nicht selbst unredlich war, kann hier dahingestellt bleiben, weil die Bauführung der Beklagten jedenfalls als unredlich (im vorgenannten Sinn) anzusehen ist. Aus diesem Grund ist auch eine Erörterung der einzelnen Lehrmeinungen zu diesem Thema (vgl Jabornegg, Der Grenzüberbau im österreichischen Recht, in FS Eichler, 287 ff; Koziol/Welser aaO 288; Schwimann/Klicka aaO § 418 Rz 13; Mader, Der Grenzüberbau in der neueren Judikatur, bbl 1998, 111) entbehrlich (1 Ob 265/01d).
Vom unredlichen Bauführer kann der benachteiligte Grundeigentümer die Beseitigung des auf seinem Grundstück errichteten Bauwerks - bzw eines Teils desselben - fordern (Schwimann/Klicka aaO § 418 Rz 13; SZ 69/50; 1 Ob 265/01d). Der insb auf wirtschaftlichen Erwägungen gegründeten Ansicht Maders (bbl 1998, 111 [115 f]), unter Umständen stehe auch bei Unredlichkeit des Bauführers kein Beseitigungsanspruch zu, kann nicht beigetreten werden, weil - wie Mader selbst einräumt - der unredliche Bauführer auf fremdem Grund wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag zu behandeln ist (§ 418 Satz 2 ABGB) und daher gegen ihn ein Wiederherstellungsanspruch besteht (1 Ob 265/01d). An diesem Beseitigungsanspruch könnte - vorbehaltlich des Falles des Rechtsmissbrauches - auch der Umstand nichts ändern, dass die Klägerin als Eigentümerin des betroffenen Grundstücks von der unzulässigen Bauführung der Beklagten gewusst und diese nicht sogleich untersagt hätte, denn dieses Wissen hätte grundsätzlich nur zur Folge, dass sie im Fall der Redlichkeit des Bauführers auf den Ersatz des gemeinen Wertes ihres Grundstücksteiles beschränkt wäre (§ 418 Satz 3 ABGB). Zu prüfen bleibt jedoch noch, ob das vorliegende Beseitigungsbegehren allenfalls rechtsmissbräuchlich oder gar schikanös gestellt wird:
Bei einem geringfügigen Grenzüberbau kann der Schikaneeinwand des Bauführers dann berechtigt sein, wenn eine Verhaltensweise des Grundnachbarn vorliegt, die weit überwiegend auf eine Schädigung des Bauführers abzielt, und die Wahrung und Verfolgung der sich aus der Freiheit des Eigentums ergebenden Rechte deutlich in den Hintergrund tritt (1 Ob 265/01d). Derartiges steht hier allerdings nicht mit ausreichender Sicherheit fest. Nach neuerer und nunmehr herrschender Rechtsprechung liegt ein Rechtsmissbrauch aber nicht nur dann vor, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen oder überwiegenden Grund der Rechtsausübung bildet (Schikane), sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht (EvBl 1987/49; JBl 1990, 248 [mit Glosse Rebhahn] = SZ 62/169; JBl 1994, 471; 9 Ob 334/97a; 9 Ob 35/01i; 9 Ob 274/01m ua; RIS-Justiz RS0026265; RS0026271 ua; siehe insb auch Mader, Neuere Judikatur zum Rechtsmissbrauch, JBl 1998, 677). Ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt, ist grundsätzlich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (9 Ob 274/01m; RIS-Justiz RS0026265, RS0110900). Vor diesem Hintergrund sind daher ziffernmäßige Maßangaben über Grenzüberbauten aus Vorprozessen mit der gebotenen Vorsicht zu behandeln und zufolge ihrer jeweiligen Einzelfallbezogenheit nicht ohne weiteres 1 : 1 auf den nachfolgenden Prozess übertragbar.
Es wird nicht verkannt, dass der Liegenschaftseigentümer auf Grund seines Eigentumsrechts grundsätzlich jederzeit die Räumung der Liegenschaft von jedem verlangen kann, der ihm gegenüber keinen Rechtstitel zu ihrer Benützung hat (§ 354 ABGB; RIS-Justiz RS0037903). Dieses Recht ist in der natürlichen Freiheit des Eigentums begründet; seine Geltendmachung verstößt - für sich allein betrachtet - nicht gegen die guten Sitten (RIS-Justiz RS0026271/T4). Das Eigentum ist unverletzlich (Art 5 StGG; Mayer, B-VG³ Art 5 StGG I. ff); dh jedoch nicht, dass es schrankenlos ausgeübt werden darf (vgl Koziol/Welser aaO 252 ff). Die Berufung auf die Freiheit des Eigentums kann nämlich auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalles rechtsmissbräuchlich sein; denn auch das Eigentumsrecht wird - wie jede Rechtsausübung (JBl 1994, 471) - durch das Verbot der missbräuchlichen Rechtsausübung beschränkt (SZ 49/132; SZ 56/146; 9 Ob 334/97a; 9 Ob 35/01d ua; RIS-Justiz RS0010395). Der Hinweis der Revisionsgegnerin auf Art 1 Abs 1 des 1. ZP EMRK greift hier schon deshalb nicht, weil die Berufung auf den Schutz des Eigentums nach dieser Bestimmung nur gegenüber staatlichen Zugriffen möglich ist; davon sind Bestimmungen der Privatrechtsordnung abzugrenzen, die lediglich die privatrechtlichen Beziehungen zwischen natürlichen und juristischen Personen und die Auswirkungen derselben in sachgerechter Weise regeln, ohne damit besondere Zielsetzungen öffentlichen Interesses zu verfolgen (Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar² Art 1 des 1. ZP Rz 35, 45).
Bei der Bewertung der gegenseitigen Interessen darf im vorliegenden Fall nicht übersehen werden, dass die Belassung des Grenzüberbaus für die Klägerin keine spürbaren Nachteile bringt. Die strittige Überbauung betrifft nur den über dem Zaunfundament der Klägerin liegenden Luftraum (beginnend in einer Höhe von 3,5 m über Grund); die Nutzung des Zaunfundaments durch die Klägerin wird durch die Überbauung nicht beeinträchtigt. Die Klägerin dürfte im Übrigen im überbauten Bereich ohnehin nicht bis an die Grundstücksgrenze bauen. Auch der Lichteinfall wurde - wie das Erstgericht bindend festgestellt hat - durch den Grenzüberbau nicht wesentlich beeinträchtigt. Demgegenüber würde der Rückbau des Grenzüberbaus einen massiven Eingriff in die tragenden Elemente des Gebäudes bedeuten und einen beträchtlichen Aufwand von rund ATS 1,775.000 (= EUR 128.994,28; plus/minus 20 %) zuzüglich USt erfordern; ein Betrag, der - unstrittig - um ein Vielfaches über dem Wert der überbauten Fläche von rund 2,1 m² liegt.
Richtig ist, dass sich die Beklagte allerdings den Vorwurf gefallen lassen muss, zu wenig aufmerksam an den von ihr geplanten Zubau an der Grundstücksgrenze zur Klägerin herangegangen zu sein. Als Bauführerin hätte sie die Pflicht gehabt, sich vor der Durchführung des Baues zu vergewissern, ob sie tatsächlich noch auf eigenem Grund baut; dies umso mehr, als die Bauführung im engsten Grenzbereich zur Nachbarliegenschaft vorgenommen werden sollte. Ähnliches gilt aber grundsätzlich auch für die Klägerin, die bei der Bauverhandlung durch ihren Verwalter vertreten war; auch sie war zu wenig aufmerksam. Ihre Untätigkeit als Betroffene des sich schon bei der Bauverhandlung abzeichnenden Grenzüberbaus muss ebenfalls als unentschuldbar gewertet werden (SZ 69/50; Twaroch aaO 83). Es ist zwar richtig, dass an die Aufmerksamkeit des Bauführers ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an die Aufmerksamkeit desjenigen, in dessen Eigentum durch die Bauführung eingegriffen wird (SZ 69/50; MietSlg 34.048); die Nachlässigkeit der Klägerin kann aber bei der Interessenabwägung nicht vernachlässigt werden.
Richtig ist der Hinweis des Berufungsgerichtes darauf, dass der Oberste Gerichtshof in 7 Ob 593/94 (teilw veröff in MietSlg 46.172) bereits in der Aneignung einer nur 1,1 m² großen Fläche keine bloß geringfügige, dem Schikaneverbot unterliegende Handlung erblickt hat. Diesem Fall lag jedoch ein deutlich anders gelagerter Sachverhalt zugrunde. Dort stellte der Oberste Gerichtshof nämlich ausdrücklich das sogar bewusst rechtswidrige Verhalten der Bauführerin in den Vordergrund, die die unzulässige Überbauung trotz Kenntnis des richtigen Grenzverlaufes und trotz ausdrücklichen Widerspruches des Grundeigentümers bereits vor Baubeginn, aber auch während des Baues, durchführte. Die "subjektive Seite" der Bauführerin im Vorprozess unterscheidet sich daher ganz wesentlich von jener der Beklagten im vorliegenden Fall.
Richtig ist auch, dass der Oberste Gerichtshof zu 7 Ob 227/55 (SZ 28/133) vor dem Hintergrund eines Streites der Parteien um einen Hörschacht, den der Kläger von seiner Wohnung in die Wohnung des Beklagten hergestellt hatte, die Verpflichtung des Beklagten zur Entfernung eines absichtlich zur Verschließung einer Öffnung eingebrachten Kantholzes bejahte, das in die Eigentumssphäre des Klägers reichte. Von einer gegen die guten Sitten verstoßenden Rechtsausübung, die nur den Zweck verfolge, dem Beklagten Schaden zuzufügen, könne nicht gesprochen werden. In 5 Ob 93/61 (SZ 34/49) wurde ausgesprochen, dass im eigenmächtigen Anbringen einer Reklametafel (360 cm lang, 170 cm hoch) durch einen Anlieger, die sich zur Gänze und bis zu einer Tiefe von 5 cm im Luftraum der Gemeinde befindet, ein erheblicher Eingriff in fremdes Eigentum zu erblicken sei. Dem könne die Gemeinde mit berechtigten Interessen entgegentreten; dies schließe die Annahme einer schikanösen Rechtsausübung iS des § 1295 Abs 2 ABGB aus. Zu 1 Ob 739, 770/76 (JBl 1977, 485) verneinte der Oberste Gerichtshof - unter Verweis auf SZ 34/49 - ebenfalls das Vorliegen von Schikane im Zusammenhang mit dem Unterlassungsbegehren einer Gemeinde gegen die eigenmächtige Anbringung von Süßwarenautomaten, die (an Mauern befestigt) in ihren Luftraum ragten. Zu 8 Ob 502/78 (MietSlg 30.060) verneinte der Oberste Gerichtshof schließlich eine schikanöse Rechtsausübung im Zusammenhang mit der Freiheit des Eigentums im Hinblick auf die Verhinderung der Ersitzung einer Servitut.
All diese Entscheidungen sind allerdings vor dem Hintergrund der älteren Rechtsprechungslinie des Obersten Gerichtshofes zu sehen, die nur auf jene Schikanefälle im engeren Sinn Bedacht nahm, in denen demjenigen, der sein Rechts ausübte, jedes andere Interesse abgesprochen werden musste, als eben das Interesse, dem anderen Schaden zuzufügen. Ein - neben der Schikane - zu beachtender Rechtsmissbrauch liegt aber, wie bereits dargestellt, nach der neueren Rechtsprechung nicht nur dann vor, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen oder überwiegenden Grund der Rechtsausübung bildet, sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht (RIS-Justiz RS0026265; RS0026271 ua). Unter Zugrundelegung dieser jüngeren Rechtsprechung bejahte der Oberste Gerichtshof etwa zu 1 Ob 11/93 (JBl 1994, 471) das Vorliegen einer schikanösen Rechtsausübung. In diesem Fall hatte die Klägerin, die zu einem Drittel Miteigentümerin an einem Seegrundstück war, um das sie sich Jahrzehnte nicht gekümmert hatte, von den beiden anderen Miteigentümern, die dort eine Hafenanlage für Sportboote gebaut bzw einen früher schon bestehenden Naturhafen erheblich ausgebaut und durch Dammbauten abgesichert hatten, die Beseitigung begehrt. Der Beseitigungsanspruch der Klägerin wurde vom Obersten Gerichtshof zufolge eines krassen Missverhältnisses der Interessen als rechtsmissbräuchlich qualifiziert.
Ein derartiges krasses Missverhältnis muss auch bei Abwägung der berührten Interessen der Parteien im vorliegenden Fall bejaht werden. Eine Klagestattgebung würde zu einem unerträglichen Wertungswiderspruch zwischen dem von der Klägerin verfolgten Interesse und dem Interesse der Beklagten am Werterhalt führen. Das Beseitigungsbegehren der Klägerin ist daher in Anbetracht der Lagerung des gegenständlichen Falles rechtsmissbräuchlich, weshalb das klageabweisende Ersturteil wieder herzustellen ist. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Dem Vertreter der Nebenintervenientin gebührt für die Berufungsbeantwortung kein Streitgenossenzuschlag, weil er weder mehrere Personen vertrat noch mehreren Personen gegenüberstand (§ 15 RATG; RIS-Justiz RS0036033, RS0045327, RS0072290).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)