OGH 1Ob739/76

OGH1Ob739/7610.11.1976

SZ 49/132

Normen

ABGB §287
ABGB §287

 

Spruch:

Die genehmigungslose Anbringung von Verkaufsautomaten über dem öffentlichen Gut ist als den Gemeingebrauch an dem dadurch in Anspruch genommenen Luftraum verhindernd unzulässig

OGH 10. November 1976, 1 Ob 739/76 (OLG Graz 3 R 130/76; LGZ Graz 7 Cg 822/75)

Text

Die klagende Stadtgemeinde begehrt die Entfernung aller Süßwarenautomaten, die die Beklagte auf bzw. über dem öffentlichen Gut trotz versagter Genehmigung aufgestellt hat, und stellt weiters das Begehren, die Beklagte habe das weitere Aufstellen oder Anbringen von Automaten auf und über ihrem öffentlichen Gut sowie den in ihrem Privateigentum stehenden Liegenschaften zu unterlassen.

Das Erstgericht sprach mangels ausdrücklicher Erhebung einer Prozeßeinrede nur in den Entscheidungsgründen des dem Klagebegehren stattgebenden Urteiles aus, daß der ordentliche Rechtsweg zulässig sei, und gelangte in der Sache selbst infolge der Feststellung, daß alle strittigen Automaten entweder zur Gänze oder zum Teil in den Luftraum des öffentlichen Gutes der Klägerin hineinragen und daß hiefür eine Zustimmung der Klägerin nicht erteilt wurde, zur rechtlichen Beurteilung, daß die Beklagte das fremde Eigentum zu Unrecht in Anspruch nehme und es zu räumen habe.

Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der Beklagten wegen Nichtigkeit und gab ihr im übrigen nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenkliches Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und trat seiner rechtlichen Beurteilung bei. Der von der Beklagten in Anspruch genommene Gebrauch des öffentlichen Gutes gehe über den Gemeingebrauch hinaus und müsse von der Klägerin nicht geduldet werden. Der Schikaneeinwand gehe ins Leere. Da die Beklagte überdies drei auf Privatgrund der Klägerin angebrachte Süßwarenautomaten erst nach der Klagsführung entfernt habe, sei das Unterlassungsbegehren auch hinsichtlich des Aufstellens von Automaten auf dem Grund der Klägerin gerechtfertigt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revisionswerberin wiederholt ihre Rechtsansicht, daß sich die strittige Aufstellung von Automaten, die zum Teil nur geringfügig in den Luftraum über dem öffentlichen Gut hineinragen, im Rahmen des Gemeingebrauches halte, zumal infolge des ausschließlichen Vertrages mit dem jeweiligen Hauseigentümer ohnehin niemand anderer an den betreffenden Hauswänden Automaten anbringen dürfe und so der gleiche Gebrauch durch andere mangels rechtlicher Zulässigkeit schon begrifflich weder beschränkt noch ausgeschlossen werden könne.

Dieser Rechtsansicht kann nicht gefolgt werden. Der OGH hat bereits in dem gleichgelagerten Fall der Entscheidung SZ 34/49 eingehend begrundet, warum die Inanspruchnahme des Luftraumes über dem öffentlichen Gut nicht als Anliegerrecht angesehen und deshalb die Entfernung von Anlagen, die diesen Luftraum verletzen und ohne privatrechtliche Vereinbarung oder verwaltungsbehördliche Genehmigung errichtet wurden, im Wege der Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB begehrt werden kann. Die Argumente der Revisionswerberin sind nicht geeignet, die vom erkennenden Senat gebilligte Meinung der Vorentscheidung zu widerlegen. Vielmehr bestätigt ihr Hinweis auf die mit den Anliegern geschlossenen Verträge die Richtigkeit der Ansicht der Vorinstanzen, daß die Revisionswerberin die Alleinbenützung der betreffenden Lufträume über dem öffentlichen Gut und damit einen Sondergebrauch in Anspruch nimmt (vgl. außer der in SZ 34/49 zitierten Lehre noch Krzizek, Öffentliches Wegerecht, 65). Da die Anlieger selbst ein derartiges Recht nicht besitzen, sind die von der Beklagten mit ihnen geschlossenen Verträge im Verhältnis zwischen den Streitteilen ohne rechtliche Bedeutung. Der Vergleich mit in den Luftraum hineinragenden Fensterflügeln, Fahnenstangen und dergleichen geht ins Leere, weil solche Formen der nicht ständigen Mitbenützung des Luftraumes über dem öffentlichen Gut seit jeher zu den sogenannten Anliegerrechten gehören (Hawelka, Die Rechte an öffentlichen Wegen in Österreich, 103; Klan g in Klang[2] II, 6; Krzizek, JBl. 1968, 138 f. und derselbe, Öffentliches Wegerecht, 76), die Anbringung von Auslagekästen oder Verkaufsautomaten über dem öffentlichen Gut aber dem Gemeingebrauch an dem dadurch in Anspruch genommenen Luftraum dauernd im Weg steht (Krzizek, 65; SZ 34/49). Der Meinung der Revisionswerberin schließlich, daß dem Eigentümer eines Bauplatzes durch die Abtretung der zur Herstellung von Verkehrsflächen erforderlichen Grundfläche ins öffentliche Gut das stillschweigend vorbehaltene Recht erwachse, diesen Luftraum "geringfügig" zu verletzen, kann mangels jeder gesetzlichen Begründung nicht gefolgt werden.

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin kann auch eine "geringfügige" Sondernutzung des öffentlichen Gutes ohne besonderen Rechtstitel nicht toleriert werden. Das Recht des Grundstückseigentümers, jeden anderen von der Benützung auszuschließen (§ 354 ABGB), wird nur durch das Verbot der schikanösen Rechtsausübung beschränkt (§ 1295 Abs. 2 ABGB). Eine solche wurde auch schon im Fall der Entscheidung SZ 34/49 beim Hineinragen einer Plakatierungstafel bis zu einer Tiefe von 5 cm in den Luftraum des öffentlichen Gutes verneint.

Soweit die Revisionswerberin noch bekämpft, daß dem Unterlassungsbegehren der Klägerin auch hinsichtlich der Anbringung von Automaten auf (und nicht nur über) öffentlichem oder privatem Gut der Klägerin stattgegeben wurde, handelt es sich um einen unergiebigen Streit um Worte. Da jede Aufstellung auf dem Grund der Klägerin nach der Natur der Sache auch den Luftraum über der Grundfläche verletzen und somit über diesem Grundstück stattfinden muß, liegt in der von der

Klägerin gewählten und von den Vorinstanzen übernommenen Formulierung, daß der Revisionswerberin auch die Anbringung von Automaten auf den Grundstücken der Klägerin untersagt werde, bloß ein unschädlicher Zusatz.

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