OGH 9Ob274/01m

OGH9Ob274/01m23.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Dina F*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Stefan Holter ua, Rechtsanwälte in Grieskirchen, gegen die beklagten Parteien 1) Ernst G*****, Landwirt, *****, 2) Elisabeth G*****, Landwirtin, ebenda, 3) Gerald Gr*****, Kaufmann, *****, 4) Gabriele Gr*****, Angestellte, ebenda, alle vertreten durch Dr. Klaus-Dieter Strobach und Dr. Wolfgang Schmidauer, Rechtsanwälte in Grieskirchen, wegen Entfernung (Streitwert EUR 10.900,93) und Unterlassung (Streitwert EUR 10.900,93; Gesamtstreitwert EUR 21.801,86), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 6. September 2001, GZ 6 R 135/01t-31, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach neuerer und nunmehr herrschender Rechtsprechung liegt ein Rechtsmissbrauch nicht nur dann vor, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bildet, sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht, wenn also jemand unter formaler Berufung auf ein durch die Rechtsordnung ausdrücklich eingeräumtes Recht die Rechtsausübung unter augenscheinlich im Vordergrund stehenden unlauteren Motiven begehrt und daher andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten (SZ 63/49; SZ 66/45; EvBl 1993/101; RdW 1994, 102; 1 Ob 198/99w; immolex 2001/158; RIS-Justiz RS0026265, RS0026271). Umso eher ist daher ein Rechtsmissbrauch iSd § 1295 Abs 2 ABGB anzunehmen, wenn feststeht, dass die Absicht, den anderen solange zu schädigen, bis er auf Rechte verzichtet, der einzige Zweck des Handelns ist.

Ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt, ist grundsätzlich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (6 Ob 2330/96g; 3 Ob 68/98s), denen in der Regel keine erhebliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt, solange keine krasse Verkennung der Rechtslage vorliegt. In der Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass die Baumpflanzungen durch die Beklagten in einer der Klägerin die Aussicht nehmenden Weise mit dem alleinigen Ziel, diese zu einem Verzicht auf ihr zustehende Rechte zu zwingen, rechtsmissbräuchlich erfolgten, kann keine unvertretbare rechtliche Beurteilung erkannt werden, die mit den Grundsätzen der Rechtsprechung zu den Voraussetzungen des Vorliegens eines Rechtsmissbrauches in Widerspruch stünde. Auch das Eigentum wird durch das Verbot schikanöser Rechtsausübung beschränkt (9 Ob 334/97a; immolex 2001/158; RIS-Justiz RS0010395, RS0010568). Eine erhebliche Rechtsfrage wird insoweit von den Revisionswerbern nicht aufgezeigt. Soweit sie nicht von den bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen ausgehen, ist die Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl Kodek in Rechberger, ZPO² § 471 Rz 9).

Richtig ist, dass § 422 ABGB die Rechte des Nachbarn bezüglich des Überhanges von an der Grundstücksgrenze stehenden Bäumen abschließend regelt (4 Ob 603/87; NZ 2001, 139; RIS-Justiz RS0011093, RS0011094). Darum geht es hier jedoch nicht. Im vorliegenden Fall geht es vielmehr um rechtsmissbräuchliche Handlungen der Beklagten zu Lasten der Klägerin, die nach den bindenden Feststellungen ausschließlich zu dem Zweck erfolgten, die Klägerin zum Verzicht auf ihr zustehende Rechte zu zwingen. Derartige Handlungen sind aber nach der Rechtsordnung nicht nur so weit verboten, als Schadenersatzpflichten daran geknüpft sind, sondern es kann jeder missbräuchlichen Rechtsausübung entgegengetreten werden (JBl 1997, 452 ua); das "Schikaneverbot" wohnt der gesamten Rechtsordnung inne (SZ 66/45; 1 Ob 198/99w ua).

Es entspricht auch ständiger Rechtsprechung, dass das Gericht das Klagebegehren seinem Sinngehalt nach zu verstehen und erforderlichenfalls von Amts wegen den Urteilsspruch dem tatsächlichen Begehren des Klägers anzupassen und eine deutlichere Fassung zu geben hat (RIS-Justiz RS0039357, RS0041254). Eine erhebliche Rechtsfrage ist auch mit den diesbezüglichen Überlegungen der Revisionswerber nicht verbunden (RIS-Justiz RS0041192).

Stichworte