Normen
AVG §1
AVG §3
AVG §3 Z1
AVG §3 Z2
AVG §3 Z3
AVG §56
AVG §59 Abs1
AWG 2002 §13j
AWG 2002 §14 Abs1
AWG 2002 §6
AWG 2002 §6 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z2
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §3 Abs2 Z1 idF 2017/I/138
VwGVG 2014 §3 Abs3 idF 2017/I/138
VwGVG 2014 §3 idF 2017/I/138
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RO2022070009.J00
Spruch:
I. zu Recht erkannt:
Der Revision der zweitrevisionswerbenden Partei wird Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis, soweit die Beschwerde der zweitrevisionswerbenden Partei gegen den Bescheid der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie vom 1. Juli 2021 abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts aufgehoben.
Der Bund hat der zweitrevisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. den Beschluss gefasst:
Die Revision der erstrevisionswerbenden Partei wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Erstrevisionswerberin ist ein in Niederösterreich ansässiges Unternehmen, das Tragetaschen aus Kunststoff im Inland in Verkehr bringt. Bei ihren Kunden handelt es sich um Handelsunternehmen, die die Taschen Verbrauchern bei Übergabe von Waren oder Produkten anbieten. Die Zweitrevisionswerberin ist eine Produzentin von Tragetaschen mit Sitz in Deutschland, die mit ihren Produkten die Erstrevisionswerberin und andere in Österreich ansässige Unternehmen beliefert.
2 Am 20. August 2020 brachten die revisionswerbenden Parteien bei 1. der Landeshauptfrau von Niederösterreich, 2. der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach und 3. der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus gleichlautende Anträge ein, in denen sie jeweils begehrten festzustellen, „dass dem Inverkehrsetzen von Kunststofftragetaschen mit einer Mindestwandstärke von 50 Mikron durch die Antragstellerinnen in Österreich nicht das Verbot des § 20j [gemeint wohl § 13j] AWG 2002 entgegensteht“.
3 Begründend führten sie aus, bis zum Inkrafttreten des in § 13j AWG 2002 normierten Verbots mit 1. Jänner 2020 habe die Erstrevisionswerberin ihre Kunden in Österreich ‑ insbesondere Einzelhandelsketten in der Lebensmittel‑, Drogerie und Möbelbranche ‑ mit Kunststofftragetaschen im Sinn des § 2 Abs. 10 Z 1 AWG 2002 beliefert, die eine Wandstärke von mehr als 50 Mikron aufgewiesen hätten und nicht unter die (nunmehrigen) Ausnahmen des § 13k AWG 2002 gefallen seien. Die Zweitrevisionswerberin habe mit solchen Kunststofftragetaschen einerseits Vertriebsgesellschaften wie die Erstrevisionswerberin, mit denen sie im Konzern verbunden sei, sowie auch konzernfremde Unternehmen in Österreich ‑ so unter anderem im Lebensmitteleinzelhandel ‑ beliefert. Von beiden revisionswerbenden Parteien werde beabsichtigt, in Zukunft wieder ‑ wie bereits vor Inkrafttreten des Verbots nach § 13j AWG 2002 ‑ Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke von mehr als 50 Mikron in Österreich in Verkehr zu setzen. Es bestehe daher ein Interesse der revisionswerbenden Parteien an der gegenständlichen Feststellung. Eine andere Möglichkeit, diese strittige Rechtsfrage zu klären oder allenfalls eine Ausnahmegenehmigung für das Inverkehrbringen solcher Kunststofftragetaschen zu erreichen, sei nicht vorgesehen. Derzeit setzten sich die revisionswerbenden Parteien bei einem Verstoß gegen § 13j AWG 2002 einer Bestrafung aus. Tatsächlich stehe das Verbot von Kunststofftragetaschen mit einer Foliendicke ab 50 Mikron mit dem Unionsrecht ‑ nämlich der Richtlinie 94/62/EG über Verpackungen und Verpackungsabfälle (in der Fassung der Richtlinie 2015/720/EU ) in Zusammenhalt mit Warenverkehrsfreiheit und dem Verbot von Einfuhrbeschränkungen sowie allen Maßnahmen gleicher Wirkung nach Art. 34 AEUV ‑ in Widerspruch. Es komme daher der Anwendungsvorrang des Unionsrechts zum Tragen. Jedenfalls sei § 13j AWG 2002 richtlinienkonform auszulegen.
4 Die Bezirkshauptmannschaft Mistelbach und die Landeshauptfrau von Niederösterreich wiesen die Anträge mit Bescheiden vom 16. September 2020 bzw. 25. September 2020 mangels Zuständigkeit zurück. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (in der Folge: LVwG NÖ) gab den gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden der revisionswerbenden Parteien mit Erkenntnissen vom 18. Februar 2021 jeweils keine Folge. Die gegen diese Erkenntnisse erhobenen Revisionen wies der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 25. Mai 2023, Ra 2021/05/0066 bis 0068, als unbegründet ab.
5 Mit Bescheid vom 1. Juli 2021 wies auch die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie ‑ die belangte Behörde im Verfahren des LVwG NÖ ‑ (in der Folge: BMK) den Antrag der revisionswerbenden Parteien vom 20. August 2020 zurück. In ihrer Begründung bejahte sie ihre Zuständigkeit, verneinte jedoch die Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens mangels Vorliegens eines festzustellenden Rechtes oder Rechtsverhältnisses.
6 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das LVwG NÖ die bei ihm gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für zulässig.
7 Nach Wiedergabe des Verfahrensganges führte das LVwG NÖ begründend aus, das AWG 2002 gehöre nicht zu den in Art. 102 Abs. 2 B‑VG aufgezählten Angelegenheiten, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt würden. Soweit ‑ wie sich vorliegend ergebe ‑ in einer solchen Angelegenheit eine Zuständigkeit einer Bundesministerin vorgesehen sei, führe das nicht dazu, dass die Angelegenheit als eine solche der unmittelbaren Bundesverwaltung anzusehen wäre. Vielmehr falle ‑ wie auch sonst in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung ‑ die Sache in die sachliche Kompetenz der Landesverwaltungsgerichte. Die örtliche Zuständigkeit des LVwG NÖ folge aus § 3 Abs. 2 VwGVG iVm. § 3 Z 2 AVG, wonach auf den Ort, an dem das Unternehmen betrieben oder die Tätigkeit ausgeübt werde oder werden solle, abzustellen sei. Der Sitz des Unternehmens der Erstrevisionswerberin sei in Niederösterreich. Von dort aus vertreibe sie die Kunststofftragetaschen. Die Zweitrevisionswerberin beliefere ‑ wobei es sich um eine dauernde Tätigkeit handle ‑ die Erstrevisionswerberin. Der Anknüpfungspunkt der hinsichtlich der gegenständlichen Sache maßgeblichen ausgeübten Tätigkeit liege daher in Niederösterreich.
8 Die Zuständigkeit der BMK für die Erlassung des Bescheides über den Antrag der revisionswerbenden Parteien folge daraus, dass zu ihrer Zuständigkeit im Sinn von § 6 Abs. 5 AWG 2002 und § 14 Abs. 1 AWG 2002 der engste sachliche Zusammenhang bestehe. Ein rechtliches Interesse einer Partei an einer bescheidmäßigen Feststellung sei in Fällen, in denen die Erlassung eines Feststellungsbescheides im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen sei, aber nur gegeben, wenn der Feststellungsbescheid für die Partei ein geeignetes Mittel zur Beseitigung aktueller und zukünftiger Rechtsgefährdungen sei. Der Feststellung müsse somit konkret die Eignung zukommen, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch die Gefährdung eines subjektiven Rechtes des Antragstellers zu beseitigen. Die Erlassung eines Feststellungsbescheides sei außerdem nur dann zulässig, wenn andere Möglichkeiten, die maßgebende Rechtsfrage zu klären, nicht vorhanden oder nicht zumutbar seien. Eine Unzumutbarkeit sei etwa zu bejahen, wenn der Antragsteller sich aufgrund der unklaren Rechtslage einer Bestrafung aussetzen würde. Eine Behörde könne jedoch im Spruch eines feststellenden Bescheides nicht über abstrakte Rechtsfragen, somit weder über das Bestehen einer bestimmten Rechtslage in einem bestimmten Zeitraum noch über die Geltung bzw. die Anwendbarkeit von Gesetzen oder gesetzlichen Bestimmungen oder ihre Auslegung entscheiden.
9 Was Gegenstand eines Antrages sei, bestimme sich aufgrund dessen objektiven Erklärungswertes unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der Aktenlage. Der gegenständliche Antrag sei so zu verstehen, dass feststellend darüber abgesprochen werden solle, ob beim Inverkehrbringen von Kunststofftragetaschen in Österreich die gesetzliche Bestimmung des § 13j AWG 2002 zur Anwendung komme. Soweit von den revisionswerbenden Parteien vorgebracht worden sei, es sei eine richtlinienkonforme Interpretation des § 13j AWG 2002 geboten, wobei eine teleologische Reduktion Platz zu greifen habe, werde auch insoweit eine Auslegung gewünscht, die im Ergebnis eine Nichtanwendbarkeit der Bestimmung zur Folge hätte. Insgesamt ergebe sich somit, dass der Gegenstand des Feststellungsantrages die Anwendbarkeit von gesetzlichen Bestimmungen bzw. deren Auslegung sei. Damit sei das Feststellungsbegehren, das keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage habe, nicht zulässig. Der verfahrensgegenständliche Antrag sei seinem objektiven Wortlaut nach auch nicht unklar gewesen, sodass keine Veranlassung zu einem Mängelbehebungsauftrag im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG bestanden habe. Die BMK habe den Antrag daher zu Recht zurückgewiesen.
10 Den Ausspruch zur Zulässigkeit der Revision gründete das LVwG NÖ darauf, dass die Annahme seiner örtlichen Zuständigkeit nicht durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs geklärt sei. Das Inverkehrbringen von Kunststofftragetaschen erfolge durch die Zweitrevisionswerberin in Österreich nämlich nicht ausschließlich im Wege der Erstrevisionswerberin. Vielmehr würden Kunden im Inland auch direkt aus Deutschland beliefert. Es sei daher auch denkbar, einen Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit nicht ausschließlich in Niederösterreich zu sehen und daraus den Schluss zu ziehen, dass mehrere Verwaltungsgerichte berufen wären, über die Sache zu entscheiden. Davon ausgehend könnte unter Anwendung des § 3 Abs. 3 VwGVG eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Wien in Betracht kommen.
11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, mit der die revisionswerbenden Parteien eine Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des LVwG NÖ sowie eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machen. Die BMK erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragte, der Revision keine Folge zu geben.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
13 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
16 Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa VwGH 30.8.2023, Ro 2023/07/0024, mwN).
17 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit stützt sich die Revision zunächst auf die diesbezüglichen Ausführungen des LVwG NÖ. Es treffe zu, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur örtlichen Zuständigkeit in einem Fall fehle, in dem eine im Ausland ansässige Gesellschaft ‑ wie hier die Zweitrevisionswerberin ‑ „zwar überwiegend, aber nicht ausschließlich“ in einem Bundesland tätig werde. Darüber hinaus sei das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Zulässigkeit von Feststellungsanträgen abgewichen. Mit dem gegenständlichen Antrag sei die Feststellung eines strittigen Rechts angestrebt worden. Wie im Antrag vorgebracht, sei von den revisionswerbenden Parteien beabsichtigt, auch weiterhin Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke von mindestens 50 Mikron in Österreich in Verkehr zu setzen, wie dies bis zum Ende des Jahres 2019 erfolgt sei. Es sei daher die strittige Frage zu klären, ob den revisionswerbenden Parteien insoweit auch in Zukunft das Recht zu einer solchen Vorgehensweise zustehe. Im Übrigen weiche das LVwG NÖ auch von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs insoweit ab, als eine Zurückweisung eines Antrags nur zulässig sei, wenn die Behörde der antragstellenden Partei zuvor die Verbesserung ihres Antrages aufgetragen habe.
18 Die Revision der Zweitrevisionswerberin erweist sich hinsichtlich der Frage der Zuständigkeit des LVwG NÖ als zulässig und im Ergebnis als berechtigt. Die Revision der Erstrevisionswerberin ist dagegen nicht zulässig.
Zu den Revisionen beider revisionswerbender Parteien:
19 Vorauszuschicken ist, dass sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. Mai 2023, Ra 2021/05/0066 bis 0068, auf dessen Entscheidungsgründe insoweit gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Fall VwGG verwiesen wird, mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob zuständige Verwaltungsbehörde für die gegenständlichen Feststellungsanträge die Landeshauptfrau von Niederösterreich, die Bezirkshauptmannschaft Mistelbach oder die BMK ist. Hervorzuheben ist, dass sich die in § 6 Abs. 5 AWG 2002 ‑ seit der AWG‑Novelle BGBl. I Nr. 200/2021 ‑ als zuständige Behörde für die dort geregelten Feststellungsanträge benannte BMK als sachnächste Behörde auch für die gegenständlichen Feststellungsanträge als zuständig erweist.
20 Zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens des LVwG NÖ ist festzuhalten, dass dann, wenn die belangte Behörde ‑ wie dies hier der Fall war ‑ einen Antrag zurückgewiesen hat und dagegen Beschwerde erhoben wird, „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung ist. Das LVwG NÖ hatte sohin allein zu prüfen, ob die inhaltliche Behandlung des Antrags zu Recht verweigert worden ist (vgl. etwa VwGH 4.7.2023, Ra 2023/18/0037, mwN).
21 Das LVwG NÖ hat insoweit zutreffend auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach die Erlassung eines Feststellungsbescheids nur dann zulässig ist, wenn dies entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn eine gesetzliche Regelung zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheids aber im öffentlichen Interesse liegt oder wenn sie insofern im Interesse einer Partei liegt, als sie für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Dieses rechtliche Interesse ist nur dann gegeben, wenn dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis (des Antragstellers) für die Zukunft klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung des Antragstellers zu beseitigen (vgl. VwGH 5.5.2022, Ra 2022/03/0086, mwN). Gegenstand von Feststellungsbescheiden sind daher Rechte und Rechtsverhältnisse einer antragstellenden Partei, die verbindlich festgestellt werden (vgl. VwGH 21.10.2022, Ra 2022/03/0217).
22 Eine Trennbarkeit des Feststellungsantrags und damit auch seiner Zurückweisung hinsichtlich der beiden revisionswerbenden Parteien ist im Sinn der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs davon abhängig, ob jeder Teil für sich allein ohne einen inneren Zusammenhang mit anderen Teilen einem gesonderten Abspruch zugänglich ist (vgl. VwGH 28.1.2020, Ra 2019/03/0076, mwN). Die Beurteilung der Trennbarkeit der Absprüche ist auch dafür maßgeblich, ob eine örtliche Zuständigkeit unterschiedlicher Landesverwaltungsgerichte hinsichtlich der revisionswerbenden Parteien in Betracht kommt. Eine Entscheidung durch mehrere Verwaltungsgerichte in einer identen Sache ist ausgeschlossen. Sind die Begehren der Parteien dagegen einem gesonderten Abspruch zugänglich, ist auch die Zuständigkeit gesondert zu beurteilen (vgl. VwGH 30.5.2017, Ro 2017/07/0008 bis 0010, mwN).
23 Das AWG 2002 enthält hinsichtlich der begehrten Feststellung keine Regelungen (vgl. nochmals VwGH Ra 2021/05/0066 bis 0068, Rn. 22). Die Beurteilung, ob das daher für die Zulässigkeit des Antrags nach der genannten Judikatur erforderliche rechtliche Interesse der antragstellenden Partei besteht, ist von den Verhältnissen der hier antragstellenden Parteien jeweils abhängig und ‑ ungeachtet einer möglichen inhaltlich gleichen Beurteilung ‑ einem gesonderten Abspruch zugänglich. Daher ist eine Trennbarkeit hinsichtlich der Feststellungsanträge der beiden revisionswerbenden Parteien zu bejahen. Damit ist auch die örtliche Zuständigkeit für das Beschwerdeverfahren gesondert zu beurteilen.
Zur Revision der Zweitrevisionswerberin (Spruchpunkt I.):
24 § 3 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, in der Fassung BGBl. I Nr. 138/2017, lautet auszugsweise:
„Örtliche Zuständigkeit
§ 3. (1) Sofern die Rechtssache nicht zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes gehört, ist in Rechtssachen in den Angelegenheiten, in denen die Vollziehung Landessache ist, das Verwaltungsgericht im Land zuständig.
(2) Im Übrigen richtet sich die örtliche Zuständigkeit in Rechtssachen, die nicht zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes gehören,
1. in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 und 3 des Bundes‑Verfassungsgesetzes ‑ B‑VG, BGBl. Nr. 1/1930, nach § 3 Z 1, 2 und 3 mit Ausnahme des letzten Halbsatzes des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 ‑ AVG, BGBl. Nr. 51/1991, in Verwaltungsstrafsachen jedoch nach dem Sitz der Behörde, die den Bescheid erlassen bzw. nicht erlassen hat;
2. und 3. [...]
(3) Lässt sich die Zuständigkeit nicht gemäß Abs. 1 oder 2 bestimmen, ist das Verwaltungsgericht im Land Wien zuständig.“
25 § 3 AVG hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
„§ 3. Soweit die in § 1 erwähnten Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nichts bestimmen, richtet sich diese
1. in Sachen, die sich auf ein unbewegliches Gut beziehen: nach der Lage des Gutes;
2. in Sachen, die sich auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer sonstigen dauernden Tätigkeit beziehen: nach dem Ort, an dem das Unternehmen betrieben oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll;
3. in sonstigen Sachen: zunächst nach dem Hauptwohnsitz (Sitz) des Beteiligten, und zwar im Zweifelsfall des belangten oder verpflichteten Teiles, dann nach seinem Aufenthalt, dann nach seinem letzten Hauptwohnsitz (Sitz) im Inland, schließlich nach seinem letzten Aufenthalt im Inland, wenn aber keiner dieser Zuständigkeitsgründe in Betracht kommen kann oder Gefahr im Verzug ist, nach dem Anlaß zum Einschreiten; kann jedoch auch danach die Zuständigkeit nicht bestimmt werden, so ist die sachlich in Betracht kommende oberste Behörde zuständig.“
26 Das LVwG NÖ hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Vollziehung des AWG 2002 in mittelbarer Bundesverwaltung erfolgt (vgl. VwGH 4.5.2023, Ra 2022/07/0195, mwN). Die vorliegende Rechtssache gehört daher im Sinn des Art. 131 B‑VG nicht in die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts.
27 Zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder verweist § 3 Abs. 1 Z 2 VwGVG auf die Bestimmungen des § 3 Z 1, 2 und 3 AVG mit Ausnahme des letzten Halbsatzes. Nach dem Einleitungssatz des § 3 AVG ist, soweit in den Verwaltungsvorschriften besondere Zuständigkeitsbestimmungen für das verwaltungsbehördliche Verfahren enthalten sind, die den subsidiär geltenden Bestimmungen in § 3 Z 1 bis 3 AVG vorgehen, zunächst auf diese auch bei der Bestimmung des nach § 3 Abs. 2 Z 1 VwGVG in Verbindung mit § 3 AVG zuständigen Landesverwaltungsgerichtes Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 24.4.2018, Ra 2017/03/0010 und 0011). Das AWG 2002 enthält hinsichtlich eines Feststellungsbegehrens, wie es von den revisionswerbenden Parteien gestellt wurde, jedoch keine Regelungen über die (örtliche) Zuständigkeit (vgl. nochmals VwGH Ra 2021/05/0066 bis 0068).
28 Aus der Zuständigkeit der BMK für die Erlassung des Bescheides als sachnächste Behörde ist für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte nichts zu gewinnen. Mit der VwGVG‑Novelle BGBl. I Nr. 122/2013 hat der Gesetzgeber nach den Materialien (vgl. AB 2112 BlgNR 24. GP , 2) ausdrücklich bezweckt zu vermeiden, dass die Erlassung von Bescheiden durch Bundesminister generell („immer“) zu einer Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien führen und daher insoweit auf die örtlichen Anknüpfungspunkte des § 3 AVG abgestellt (vgl. näher VwGH 20.4.2016, Ro 2016/04/0003).
29 Zu § 3 Z 2 AVG hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass unabhängig davon, ob sich die Ausübung der Tätigkeit tatsächlich über mehrere Bundesländer erstreckt, ein Unternehmen am Ort seiner Niederlassung, von dem ausgehend die Betriebsführung tatsächlich erfolgt, betrieben wird (vgl. VwGH 18.5.1994, 92/03/0083; 29.10.2015, Ro 2015/07/0017). Die Zweitrevisionswerberin hat ihre Niederlassung in Deutschland und beliefert von dort nach dem (nicht strittigen) Sachverhalt neben der Erstrevisionswerberin auch andere Unternehmen in ganz Österreich. Damit fehlt es hinsichtlich der Zweitrevisionswerberin aber ‑ entgegen den Annahmen des LVwG NÖ ‑ an einem Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Zuständigkeit nach § 3 Z 2 AVG.
30 Nichts anderes ergibt sich im Übrigen, wenn man ‑ unter Berücksichtigung der allgemein gehaltenen Formulierung des Feststellungsbegehrens ‑ einen Bezug der Sache auf den Betrieb des Unternehmens im Sinn des § 3 Z 2 AVG überhaupt verneint. Davon ausgehend wäre nach § 3 Z 3 AVG auf den Sitz des Beteiligten abzustellen, der sich bei der Zweitrevisionswerberin jedoch in Deutschland befindet.
Die örtliche Zuständigkeit eines Verwaltungsgerichtes lässt sich daher im vorliegenden Fall nicht nach § 3 AVG bestimmen. Gemäß § 3 Abs. 3 VwGVG führt dies zur Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien.
31 Hinsichtlich des Feststellungsantrags der in Deutschland ansässigen Zweitrevisionswerberin war das LVwG NÖ daher nicht zuständig. Das angefochtene Erkenntnis war daher, soweit das LVwG NÖ über den Antrag der Zweitrevisionswerberin entschieden hat, gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit aufzuheben.
Zur Revision der Erstrevisionswerberin (Spruchpunkt II):
32 Hinsichtlich des Feststellungsantrags der Erstrevisionswerberin, die ihren Sitz in Niederösterreich hat, war das LVwG NÖ dagegen zuständig und wird in der Revision auch anderes nicht konkret behauptet.
33 Im Sinn der bereits oben (Rn. 21) dargestellten Grundsätze der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs kann Gegenstand eines ‑ ohne Vorliegen einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage ‑ begehrten Feststellungsantrages nur die Feststellung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses (der antragstellenden Partei) sein. Darüber hinaus kann die Behörde weder über die Anwendbarkeit von gesetzlichen Vorschriften noch über ihre Auslegung oder über das Vorliegen von Anspruchsvoraussetzungen spruchmäßig entscheiden. Auch die rechtliche Qualifikation eines Sachverhaltes kann nicht Gegenstand eines Feststellungsantrages sein (vgl. VwGH 6.5.2020, Ra 2020/02/0048 und 0049; 27.4.2020, Ra 2019/02/0229; jeweils mwN).
34 Die Erstrevisionswerberin bezieht sich mit ihrem Feststellungsantrag auf das gesetzliche Verbot des Inverkehrsetzens von Kunststofftragetaschen nach § 13j AWG 2002 ‑ bei der Anführung von „§ 20j AWG 2002“ im Antrag handelte es sich unstrittig um einen Schreibfehler ‑ und behauptet dessen Unanwendbarkeit auf Kunststofftaschen mit einer Mindestwandstärke von 50 Mikron. Dazu bringt sie vor, derartige Produkte in Zukunft wieder ‑ in derselben Weise wie vor Inkrafttreten des § 13j AWG 2002 ‑ in Verkehr setzen zu wollen.
35 Dass der Erstrevisionswerberin jedoch ein konkretes (individuelles) Recht oder eine bestimmte Rechtsposition erwachsen wäre, ergibt sich nicht und wird auch nicht behauptet. Davon ausgehend wird im Sinn der dargestellten Judikatur aber keine Feststellung eines „Rechts oder Rechtsverhältnisses“ der Erstrevisionswerberin, das einer bescheidmäßigen Feststellung zugänglich wäre, sondern eine Auslegung einer generellen Norm begehrt, die nicht Gegenstand eines Feststellungsantrages sein kann (vgl. idS zu ähnlich gelagerten Feststellungsbegehren nochmals VwGH Ra 2020/02/0048, 0049 und Ra 2019/02/0229). Die Beurteilung durch das LVwG NÖ, der Feststellungsantrag der Erstrevisionswerberin sei nicht zulässig, erweist sich daher nicht als korrekturbedürftig.
36 Soweit die Revision geltend macht, das LVwG NÖ hätte vor Zurückweisung des Antrages Gelegenheit zu dessen Verbesserung geben müssen, wird schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dargelegt, weil bei der Geltendmachung von Verfahrensmängeln als Zulassungsgründe auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, aufgezeigt werden muss (vgl. VwGH 18.7.2023, Ra 2021/07/0050, mwN). Diesen Anforderungen wird die Revision, die nicht darlegt, in welcher Weise die Erstrevisionswerberin ihren Antrag aufgrund eines Mängelbehebungsauftrages modifiziert oder neues Vorbringen erstattet hätte, nicht gerecht.
37 In der Revision der Erstrevisionswerberin werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ‑ in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat ‑ zurückzuweisen.
Wien, am 23. November 2023
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