VwGH Ro 2017/07/0008

VwGHRo 2017/07/000830.5.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger, die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Revisionen 1. des Wasserleitungsverbandes N in E, 2. des R P in L, 3. der Gemeinde Z in Z, alle vertreten durch Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom 17. November 2016, 1) Zl. VGW-101/V/056/13379/2016-1, 2) Zl. VGW-101/V/056/13380/2016 und 3) Zl. VGW-101/V/056/13381/2016, betreffend Anträge auf Novellierung bzw. Neuerlassung des Aktionsprogramms Nitrat 2012 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs1
AVG §3
AVG §3 Z1
AVG §3 Z3
B-VG Art10 Abs1 Z10
B-VG Art102 Abs1
B-VG Art131
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §3 Abs1 Z2
VwGVG 2014 §3 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §3 Abs3
WRG 1959 §101 Abs5
WRG 1959 §55p Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RO2017070008.J00

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die revisionswerbenden Parteien stellten mit Eingabe vom 2. Oktober 2015 an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (im Folgenden: BMLFUW) den Antrag, der BMLFUW als nach § 55p Abs. 1 WRG 1959 zuständige Behörde wolle das Aktionsprogramm Nitrat 2012 (AP Nitrat 2012) so novellieren, in eventu neu erlassen, dass diese Verordnung der Richtlinie des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (91/676/EWG ), ABl. L 375 vom 13. Dezember 1991 ("Nitrat-RL"), entspreche und damit der durch diese Richtlinie verbriefte Schutz, insbesondere der menschlichen Gesundheit, bei Nutzung von Grundwasser aus dem Grundwasserkörper, in dem sich die Brunnen der drei revisionswerbenden Parteien befänden, gewährleistet werde.

2 Der BMLFUW wies den Antrag der revisionswerbenden Parteien mit Bescheid vom 30. Mai 2016 zurück.

3 Dagegen erhoben die revisionswerbenden Parteien Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien.

4 Das Verwaltungsgericht Wien leitete die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien mit Schreiben vom 2. September 2016 gemäß § 101 Abs. 5 WRG 1959, § 17 VwGVG in Verbindung mit § 6 AVG an das Landesverwaltungsgericht Burgenland weiter, da dessen örtliche Zuständigkeit gegeben sei.

5 Das Landesverwaltungsgericht Burgenland wies mit Beschluss vom 14. Oktober 2016 die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück und retournierte die Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien.

6 Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 17. November 2016 erklärte sich das Verwaltungsgericht Wien als zur Entscheidung über die Beschwerde örtlich unzuständig (Spruchpunkt I.) und ließ die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu (Spruchpunkt II.).

7 Begründend führte das Verwaltungsgericht Wien im Wesentlichen aus, gemäß § 3 Abs. 2 Z 1 VwGVG richte sich die örtliche Zuständigkeit in Rechtssachen, die nicht zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes gehörten, in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG nach § 3 Z 1 (Lage des unbeweglichen Gutes), Z 2 (Betrieb des Unternehmens oder Ausübung der Tätigkeit) und Z 3 (mit Ausnahme des letzten Halbsatzes: also Hauptwohnsitz des Beteiligten) AVG. Lasse sich die Zuständigkeit nicht gemäß § 3 Abs. 1 oder 2 VwGVG bestimmen, sei das Verwaltungsgericht im Land Wien zuständig (§ 3 Abs. 3 VwGVG).

8 Entscheidend für die Festlegung des Prozessgegenstandes vor dem Verwaltungsgericht sei die Beurteilung, was im gegenständlichen Fall als Verwaltungssache anzusehen sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner Rechtsprechung zu vom Verwaltungsgericht zu führenden Verfahren über Beschwerden gegen verwaltungsbehördliche Bescheide festgehalten, dass - ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfungsumfangs - als Sache eines solchen Verfahrens jedenfalls jene Angelegenheit anzusehen sei, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gebildet habe. In einem antragsbedürftigen Verwaltungsverfahren bestimme in erster Linie der Antragsteller, was Gegenstand des Verfahrens sei; der Antrag lege fest, was Sache des Genehmigungsverfahrens sei.

9 Der Antrag der revisionswerbenden Parteien vom 2. Oktober 2015 auf Novellierung des AP Nitrat 2012, in eventu auf Neuerlassung eines Nitrat-Aktionsprogramms sei der verfahrensbestimmende Antrag und damit Sache des Verfahrens. Das WRG 1959 sehe keine dementsprechende Antragsmöglichkeit vor (vgl. § 13 Abs. 1 AVG).

10 Inhaltlich brächten die Revisionswerber vor, dass ihnen ein Antragsrecht auf Grundlage von Unionsrecht zukomme. Sache des Verfahrens sei es zu prüfen, ob den revisionswerbenden Parteien ein subjektiv-öffentliches Recht auf eine derartige Antragstellung zukomme, ob also ihre Anträge zulässig seien.

11 Für die dafür zunächst zu klärende Frage der örtlichen Zuständigkeit sei daher zunächst der vorliegende Antrag aus Gründen der Äquivalenz und Effizienz einem Antrag nach § 13 Abs. 1 AVG gleichzusetzen und sei daher im Zuge der Zuständigkeitsprüfung davon auszugehen, dass ein derartiges antragsbedürftiges Verfahren vorliege. Darüber hinaus sei dem Grunde nach trotz Rechtstypenzwangs der österreichischen Rechtsordnung eine derartige Antragsmöglichkeit, dass der Gesetzgeber Verordnungen erlasse/ändere, nicht fremd.

12 Der gegenständliche Antrag laute "auf Novellierung des Aktionsprogramms Nitrat 2012, in eventu auf Neuerlassung eines Nitrat Aktionsprogramms". Dazu werde im Antrag unter anderem dargelegt, dass die revisionswerbenden Parteien innerhalb ihres Versorgungsgebietes/als Benützer des Hausbrunnens unmittelbar von den überhöhten Nitratbelastungen betroffen seien, somit unmittelbar Betroffene seien. Die aktuelle Nitratbelastung im Versorgungsgebiet des Erstrevisionswerbers, aber auch in den Brunnen der zweit- und drittrevisionswerbenden Parteien zeige, dass das AP Nitrat 2012 nicht geeignet sei bzw. nicht ausreiche, um ein Ansteigen der bestehenden Nitratbelastungen zu verhindern, geschweige denn diese unter die Grenz- bzw. Schwellenwerte von 45 mg/Liter bzw. 50 mg/Liter zu senken. Die revisionswerbenden Parteien hätten daher einen unmittelbar im Unionsrecht wurzelnden Anspruch auf "Verstrengerung" des bestehenden AP Nitrat 2012, bzw. eventualiter auf Neuerlassung desselben in der Weise, dass dadurch das Erreichen des Gefährdungs- bzw. Schwellenwertes der Nitrat-RL von 50 mg/Liter sichergestellt sei.

13 Bei der Beurteilung von Parteianbringen sei grundsätzlich auf das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes abzustellen und komme es darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden müsse, wobei Parteienerklärungen im Zweifel nicht so auszulegen seien, dass ein von vornherein aussichtsloses Rechtsschutzbegehren unterstellt werde.

14 Demnach könne der gegenständliche Antrag - welcher die Sache des Verfahrens bestimme - nur so verstanden werden, dass die revisionswerbenden Parteien jeweils die Senkung der Nitratwerte ihrer Brunnen bezweckten und daher unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung eine Änderung der - bundesweit geltenden - Verordnung beantragten. Ziel und Zweck des Antrages, wie auch aus dem Wortlaut hervorgehe, sei die Minderung der Einwirkungen auf ihre jeweiligen Versorgungsgebiete bzw. Brunnen. Grundlage des Antrags seien die erhöhten Nitratwerte im Grundwasser in ihren Versorgungsgebieten bzw. in ihren Entnahmebrunnen.

15 Der erstrevisionswerbenden Partei komme die Aufgabe der öffentlichen Wasserversorgung einschließlich der Einhebung von Wasserabgaben zu. Die erstrevisionswerbende Partei sei der viertgrößte Wasserversorger Österreichs und versorge im Jahresdurchschnitt mit ihren 45 aktiven Wasserspendern ca. 160.000 Menschen mit Trinkwasser. Aus der im Akt erliegenden Skizze betreffend Versorgungsgebiet gehe hervor, dass sich dieses im nördlichen Burgenland befinde. Die zweitrevisionswerbende Partei habe ihren Wohnsitz sowie ihren Hausbrunnen in Niederösterreich. Sie decke ihren Nutzwasserbedarf aus diesem Hausbrunnen. Die drittrevisionswerbende Partei sei in Niederösterreich gelegen und betreibe einen Nutzwasserbrunnen auf der Grundparzelle in der KG Z. 16 Die erstrevisionswerbende Partei habe ihren Sitz im Burgenland und versorge quantitativ die meisten Einwohner mit dem aufbereiteten Grundwasser. Die zweit- bzw. drittrevisionswerbende Partei hätte ihren Wohnort bzw. Sitz in Niederösterreich. Quantitativ würden mit dem aufbereiteten Grundwasser weniger Menschen versorgt, als dies bei der erstrevisionswerbenden Partei der Fall sei. Ausgangspunkt des Antrags sei, dass erhöhte Nitratwerte im Grundwasser vorlägen und die revisionswerbenden Parteien daher Anträge auf Setzung von Maßnahmen gestellt hätten.

17 Die (behauptete) unmittelbare Betroffenheit der drei revisionswerbenden Parteien sei Grundlage ihres verfahrensgegenständlichen Antrags. Unmittelbare Betroffenheit habe eine örtliche und zeitliche Komponente. Die unmittelbare Betroffenheit der erstrevisionswerbenden Partei könne die Verringerung der Nitratwerte in ihrem Versorgungsgebiet sein. Damit sei die räumliche Komponente der unmittelbaren Betroffenheit eingegrenzt (Burgenland). Die zweit- und drittrevisionswerbenden Parteien stützten ihre unmittelbare Betroffenheit auf ihre beiden Wasserbrunnen, die damit ebenso die räumliche Komponente eingrenzten (Niederösterreich). Es sei unstrittig, dass die revisionswerbenden Parteien im Zeitpunkt der Antragstellung (sowie anhaltend) davon betroffen seien, da die Grenzwerte überschritten würden.

18 Da es sich hier um einen Antrag nach dem WRG 1959 handle, welches keine explizite Antragsmöglichkeit für derartige Angelegenheiten vorsehe, sei die besondere Zuständigkeitsregelung gemäß § 101 Abs. 5 WRG 1959 zu prüfen. § 101 (Abs. 1 bis 4) WRG 1959 stelle eine Abweichung von § 4 AVG dar und regle daher die örtlichen Zuständigkeiten. Der nunmehr mit BGBl. I 97/2013 in Kraft befindliche § 101 Abs. 5 WRG 1959 sei daher auch in diesem systematischen Zusammenhang zu verstehen, zumal § 4 AVG für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten keine Anwendung finde.

§ 101 Abs. 5 WRG 1959 konzentriere die örtliche Zuständigkeit nach sachlichen Kriterien von vornherein bei einem Landesverwaltungsgericht. Damit lege § 101 Abs. 5 WRG 1959 eine Abweichung der Bestimmungen des § 3 VwGVG (betreffend örtliche Zuständigkeiten, die im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten Anwendung fänden) fest.

19 Jedoch sei der Wortlaut des § 101 Abs. 5 WRG 1959 nicht klar, so etwa die Feststellung des qualitativen und quantitativen Anteils. Auch die "Angelegenheit" sei nicht näher definiert.

20 Nach Darstellung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führte das Verwaltungsgericht Wien aus, eine Ausnahme von einer generellen Zuständigkeitsregel dürfe nicht ausdehnend interpretiert werden. Aufgrund der klar bestehenden Verpflichtung, unklare Zuständigkeitsbestimmungen eng zu interpretieren, sei gegenständlich auch § 101 Abs. 5 WRG 1959 verfassungskonform eng zu interpretieren. Bei entsprechend enger Auslegung des Wortlautes der Bestimmung des § 101 Abs. 5 WRG 1959 ergebe sich, dass dieser für das gegenständliche Verfahren und den zugrunde liegenden Antrag keine Anwendung finde, da hier kein Fall einer Angelegenheit eines "qualitativ oder quantitativ größeren Anteils an der Wassernutzung oder Einwirkung" erkennbar sei.

21 Daher sei die Zuständigkeit nach § 3 VwGVG zu bestimmen, wobei sich die Zuständigkeit in der konkreten Angelegenheit nach § 3 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm § 3 Z 1 bzw. Z 3 AVG richte. Zum einen sei die gegenständliche Angelegenheit durch die von den revisionswerbenden Parteien vorgebrachte unmittelbare Betroffenheit begründet. An Betroffenheit, welche verfahrensbegründend sei, knüpfe letztendlich auch die Frage der örtlichen Zuständigkeit an. Eine derartige unmittelbare Betroffenheit von Individuen, wie sie von den revisionswerbenden Parteien argumentiert werde, sei auch in der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union Anknüpfungspunkt (und nicht etwa eine allgemeine Betroffenheit im Hinblick auf das gesamte Bundesgebiet). Die von den drei revisionswerbenden Parteien betriebenen Brunnen (und damit ihre Wasserbenutzungsrechte) knüpften an deren jeweilige Lage an, somit an Niederösterreich und Burgenland. Denn einer allfälligen Antragslegitimation liege jedenfalls ausschließlich ihre jeweilige Stellung als Nutzungsberechtigte von Wasser zugrunde. Auch wenn nun eine Verordnung österreichweit Geltung hätte, so könne dies nichts daran ändern, dass die jeweilige unmittelbare Betroffenheit der revisionswerbenden Parteien in den Bundesländern Burgenland und Niederösterreich aufgrund der Lage der Brunnen liege; diese Auffassung sei auch dem vorliegenden Antrag zugrunde gelegt.

22 Die (vorgebrachte) unmittelbare Betroffenheit stelle die Grundlage zur Bestimmung des örtlich zuständigen Landesverwaltungsgerichts dar. Gegenständlich liege diese individuelle Betroffenheit aufgrund der vorhandenen Wasserentnahmestellen in Burgenland und Niederösterreich. Aus diesem Grund bestehe für die Beschwerde der erstrevisionswerbenden Partei eine andere Zuständigkeit als für die Beschwerde der zweit- und drittrevisionswerbenden Parteien. § 3 Abs. 3 VwGVG finde keine Anwendung. Das Landesverwaltungsgericht Burgenland sei örtlich zur Behandlung der Beschwerde der erstrevisionswerbenden Partei zuständig, während die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich zur Behandlung der Beschwerden der zweit- und drittrevisionswerbenden Partei gegeben sei.

23 Das Verwaltungsgericht Wien erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen gewesen sei, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukomme. Die Zuständigkeitsbestimmungen des § 101 Abs. 5 WRG 1959 seien unklar, auch in Zusammenhalt mit § 3 Abs. 2 und 3 VwGVG in einem Verfahren wie dem gegenständlichen. Es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes; im Erkenntnis vom 12. September 2016, Ro 2016/04/0014, sei darauf nur allgemein Bezug genommen worden.

24 In der dagegen erhobenen ordentlichen Revision machen die revisionswerbenden Parteien inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses geltend.

25 Der BMLFUW erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er sich der Argumentation der Revision anschloss.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

26 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

27 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

28 Nach § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

29 Das Verwaltungsgericht Wien ließ die ordentliche Revision zu, weil die Zuständigkeitsbestimmungen des § 101 Abs. 5 WRG 1959 in Zusammenhang mit § 3 Abs. 2 und 3 VwGVG unklar seien und diesbezügliche Rechtsprechung fehle.

30 In der Revision wird zu deren Zulässigkeit ausgeführt, das Verwaltungsgericht Wien sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, konkret vom Erkenntnis vom 12. September 2016, Ro 2016/04/0014, abgewichen. Bei richtigem Verständnis der genannten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hätte das Verwaltungsgericht Wien nicht zu dem rechtlichen Ergebnis der Zuständigkeit mehrerer Landesverwaltungsgerichte kommen dürfen.

31 Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch begründet.

32 Die hier maßgebliche Bestimmung des Wasserrechtsgesetzes 1959 - WRG 1959, BGBl. Nr. 215/1959 idF BGBl. I Nr. 97/2013, hat folgenden Wortlaut:

"Besondere Bestimmungen über die Zuständigkeit.

§ 101. (1)...

(5) Fällt eine Angelegenheit in den örtlichen Wirkungsbereich mehrerer Verwaltungsgerichte und einigen sich diese nicht ohne Zeitaufschub, ist jenes Verwaltungsgericht zuständig, in dessen Sprengel der qualitativ und quantitativ größere Anteil der Wassernutzung oder Einwirkung stattfindet; bei Wasserbauten richtet sich die Zuständigkeit nach der Lage des durch Baumaßnahmen in Anspruch genommenen größeren Flächenanteils."

33 § 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013 (VwGVG), lautet auszugsweise:

"Örtliche Zuständigkeit

§ 3. (1) Sofern die Rechtssache nicht zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes gehört, ist in Rechtssachen in den Angelegenheiten, in denen die Vollziehung Landessache ist, das Verwaltungsgericht im Land zuständig.

(2) Im Übrigen richtet sich die örtliche Zuständigkeit in Rechtssachen, die nicht zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes gehören,

1. in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 und 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, nach § 3 Z 1, 2 und 3, mit Ausnahme des letzten Halbsatzes des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, in Verwaltungsstrafsachen jedoch nach dem Sitz der Behörde, die den Bescheid erlassen bzw. nicht erlassen hat;

2. ...

(3) Lässt sich die Zuständigkeit nicht gemäß Abs. 1 oder 2 bestimmen, ist das Verwaltungsgericht im Land Wien zuständig."

34 § 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2011 (AVG), lautet:

"§ 3. Soweit die in § 1 erwähnten Vorschriften über die

örtliche Zuständigkeit nichts bestimmen, richtet sich diese

1. in Sachen, die sich auf ein unbewegliches Gut beziehen:

nach der Lage des Gutes;

2. in Sachen, die sich auf den Betrieb eines Unternehmens

oder einer sonstigen dauernden Tätigkeit beziehen: nach dem Ort,

an dem das Unternehmen betrieben oder die Tätigkeit ausgeübt wird

oder werden soll;

3. in sonstigen Sachen: zunächst nach dem Hauptwohnsitz

(Sitz) des Beteiligten, und zwar im Zweifelsfall des belangten oder verpflichteten Teiles, dann nach seinem Aufenthalt, dann nach seinem letzten Hauptwohnsitz (Sitz) im Inland, schließlich nach seinem letzten Aufenthalt im Inland, wenn aber keiner dieser Zuständigkeitsgründe in Betracht kommen kann oder Gefahr im Verzug ist, nach dem Anlaß zum Einschreiten; kann jedoch auch danach die Zuständigkeit nicht bestimmt werden, so ist die sachlich in Betracht kommende oberste Behörde zuständig."

35 1. Gegenständlich stellt sich die Frage, welchem Verwaltungsgericht die örtliche Zuständigkeit zur Entscheidung über die Beschwerde gegen den zurückweisenden Bescheid des BMLFUW vom 30. Mai 2016 zukommt.

36 Entscheidend zur Festlegung des Prozessgegenstandes vor dem VwG ist die Beurteilung, was im gegenständlichen Fall als Verwaltungssache anzusehen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu vom Verwaltungsgericht zu führenden Verfahren über Beschwerden gegen verwaltungsbehördliche Bescheide festgehalten, dass - ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfungsumfangs - als Sache eines solchen Verfahrens jedenfalls jene Angelegenheit anzusehen ist, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gebildet hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 8. September 2015, Ra 2015/18/0134, sowie vom 12. September 2016, Ro 2016/04/0014).

37 In einem antragsbedürftigen Verwaltungsverfahren bestimmt in erster Linie der Antragsteller, was Gegenstand des Verfahrens ist; der Antrag legt fest, was Sache des Genehmigungsverfahrens ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2013, 2011/03/0160, mwN).

38 Im vorliegenden Verfahren beantragten die revisionswerbenden Parteien mit Schreiben vom 2. Oktober 2015 an den BMLFUW, dieser möge das AP Nitrat 2012 so novellieren, in eventu neu erlassen, dass diese Verordnung der Nitrat-RL entspreche und damit der durch die Nitrat-RL verbriefte Schutz gewährleistet werde. Der Antrag bezweckt die Festlegung von erforderlichen für die Unterschreitung des Gefährdungs-Schwellenwertes effektiven Anordnungen in einem Aktionsprogramm. Somit ist Sache des Genehmigungsverfahrens das Begehren auf Änderung bzw. Neuerlassung der Verordnung AP Nitrat 2012.

39 Damit bezieht sich die verfahrensgegenständliche Verwaltungssache auf die Erlassung einer für das gesamte Bundesland geltenden Verordnung. Dieses Begehren war auch Gegenstand des Spruchs des Bescheides der belangten Behörde.

40 2. Die im Antrag vorgenommene Bezugnahme auf die Brunnen der einzelnen Antragsteller hat den Hintergrund, die Antragslegitimation der revisionswerbenden Parteien, nämlich ihre unmittelbare Betroffenheit durch die Nichtanpassung der Verordnung AP Nitrat 2012, näher zu dokumentieren.

Die einzelnen Brunnen der revisionswerbenden Parteien und deren mögliche Qualitätsverbesserung bilden aber nicht den Verfahrensgegenstand im Verfahren vor der belangten Behörde, weil sich der verfahrensauslösende Antrag nicht darauf bezieht.

41 3. Das Verwaltungsgericht Wien irrt daher, wenn es die im Antrag dargestellte Betroffenheit der revisionswerbenden Parteien (durch die Lage ihrer Brunnen) als gesetzlichen Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte Burgenland bzw. Niederösterreich gemäß § 3 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm § 3 Z 1 bzw. Z 3 AVG ansieht. Vielmehr hätte das Verwaltungsgericht Wien auch hier an die Sache des Verwaltungsverfahrens anknüpfen müssen, nämlich - wie dargelegt - an die begehrte Änderung bzw. Neuerlassung der Verordnung AP Nitrat 2012, die im gesamten Bundesgebiet Auswirkungen hätte.

42 Im vorliegenden Fall handelt es sich um den Vollzugsbereich des WRG in mittelbarer Bundesverwaltung, weshalb gemäß Art. 131 B-VG keine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts gegeben ist. § 3 Abs. 1 Z 2 VwGVG verweist in Bezug auf die örtliche Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte auf die Bestimmungen des § 3 Z 1, 2 und 3 (mit Ausnahme des letzten Halbsatzes) AVG.

43 Die in § 3 AVG vorgesehenen Anknüpfungspunkte scheitern im vorliegenden Fall, bezieht sich doch der Prozessgegenstand weder auf ein - örtlich fixierbares - unbewegliches Gut oder auf einen Betrieb eines Unternehmens oder eine sonstige dauernde Tätigkeit. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass - was die revisionswerbenden Parteien für möglich halten - § 3 Z 3 AVG auf den Sitz des BMLFUW (als "verpflichteter Beteiligter") abstellt.

44 Da sich im vorliegenden Fall bei Anwendung des § 3 AVG, auf welchen § 3 Abs. 2 Z 1 VwGVG verweist, die Zuständigkeit nicht bestimmen lässt, greift im vorliegenden Fall die Bestimmung des § 3 Abs. 3 VwGVG, wonach das Verwaltungsgericht im Land Wien zuständig ist.

45 4. Auch die Bestimmung des § 101 Abs. 5 WRG 1959 idF BGBl. I Nr. 97/2013, mit der der Gesetzgeber des WRG 1959 von der ihm gemäß Art. 136 Abs. 2 B-VG zustehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte eine von § 3 Abs. 3 VwGVG abweichende Regelung zu treffen, ist im vorliegenden Fall nicht anzuwenden.

46 Die Bestimmung des § 101 Abs. 5 WRG 1959 enthält eine spezielle Regelung für den Fall, dass eine Angelegenheit in den örtlichen Wirkungsbereich mehrerer Verwaltungsgerichte fällt. Es handelt sich dabei um eine lex specialis gegenüber dem "Auffangtatbestand" des § 3 Abs. 3 VwGVG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2016, Ra 2014/07/0060).

47 Die Anwendung dieser Bestimmung scheitert aber schon daran, dass Sache des gegenständlichen Verwaltungsverfahrens die Änderung bzw. Neuerlassung des AP Nitrat 2012 ist und es sich dabei weder um eine Angelegenheit einer konkreten Wassernutzung oder Einwirkung noch um einen Wasserbau handelt. Schon aus diesem Grund ist die Bestimmung des § 101 Abs. 5 WRG 1959 für das gegenständliche Verfahren nicht einschlägig.

48 Mangels Anwendbarkeit von § 101 Abs. 5 WRG 1959 bleibt § 3 Abs. 3 VwGVG daher anwendbar.

49 5. Dazu kommt noch folgende Überlegung:

Die revisionswerbenden Parteien beantragten die Änderung bzw. Neuerlassung der Verordnung AP Nitrat 2012, welche für das gesamte Bundesgebiet Geltung besitzt. Eine örtliche Zuständigkeit mehrerer Verwaltungsgerichte - wie etwa des Niederösterreichischen und des Burgenländischen Landesverwaltungsgerichts - zur Entscheidung anzunehmen, kommt schon deshalb nicht in Frage, weil der Verfahrensgegenstand nicht trennbar ist und sonst mehrere Verwaltungsgerichte über eine idente Sache entscheiden würden. Wie sich aus der hg. Rechtsprechung ergibt, ist eine Entscheidung durch mehrere Verwaltungsgerichte in einer identen Sache aber ausgeschlossen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 2016, Ro 2016/04/0014).

50 6. Indem das Verwaltungsgericht Wien seine örtliche Zuständigkeit zur Entscheidung über die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien verneinte, belastete es den angefochtenen Beschluss mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit; er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

51 7. Anders als die belangte Behörde versteht der Verwaltungsgerichtshof das Kostenbegehren der revisionswerbenden Parteien - trotz der Formulierung, es mögen die "durch das verwaltungsgerichtliche Verfahren entstandenen Kosten" ersetzt werden - dahin, dass ihnen der Aufwandersatz des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof ersetzt werden möge. Der Ausspruch über die Höhe dieses Aufwandersatzes stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 30. Mai 2017

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