VwGH Ra 2022/03/0086

VwGHRa 2022/03/00865.5.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des N T in S, vertreten durch Dr. Robert Eiter, Rechtsanwalt in 6500 Landeck, Bruggfeldstraße 5, gegen das am 26. Jänner 2022 mündlich verkündete und am 9. Februar 2022 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol, Zl. LVwG‑2020/46/2312‑13, betreffend eine Angelegenheit nach dem TJG 2004 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Landeck), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §56
JagdG Tir 2004 §39 Abs1
JagdG Tir 2004 §39 Abs4
VwGG §28 Abs1 Z4
VwGG §34 Abs1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022030086.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die belangte Behörde hatte mit Bescheid vom 14. September 2020 den Antrag des (nunmehrigen) Revisionswerbers vom 19. August 2020 auf „Feststellung eines Rehbockabschusses als Hegeabschuss“ als unbegründet abgewiesen. Der vom Revisionswerber am 29. Juni 2020 erlegte Rehbock sei weder als „krank“ noch als „kümmernd“ iSd TJG 2004 zu qualifizieren, eine alte Laufverletzung ausgeheilt gewesen (was jeweils näher begründet wurde); ein Hegeabschuss sei daher nicht vorgelegen.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde mit der Maßgabe ab, dass der Antrag als unzulässig zurückgewiesen werde; die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.

3 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass der Revisionswerber am 29. Juni 2020 einen Rehbock in der Eigenjagd Z erlegt und diesen als Hegeabschuss gemeldet habe. Der Rehbock sei dem stellvertretenden Hegemeister vorgelegt worden, welcher die Meinung vertreten habe, dass der Abschuss nicht als Hegeabschuss zu werten sei. Der Revisionswerber habe daraufhin einen „Antrag auf Feststellung eines Hegeabschusses im Sinne des Tiroler Jagdgesetzes“ eingebracht, der von der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen worden sei.

4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Erlassung eines Feststellungsbescheids sei nur zulässig, wenn sie entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen sei oder wenn eine gesetzliche Regelung zwar nicht bestehe, die Erlassung eines solchen Bescheides aber im öffentlichen Interesse liege oder wenn sie insofern im Interesse einer Partei liege, als sie für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstelle.

Letzteres setze voraus, dass der Feststellung in concreto die Eignung zukomme, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen. Dementsprechend bestehe auch kein Rechtsanspruch auf Feststellung der Rechtmäßigkeit eines in der Vergangenheit gelegenen Verhaltens, aus welchem (noch) keine rechtlichen Konsequenzen gezogen worden seien (Hinweis auf näher zitierte Judikatur des VwGH).

5 Eine bescheidmäßige Feststellung darüber, ob ein Hegeabschuss vorliege bzw. ob ein Abschuss unter diesem Titel zu Recht erfolgt sei, sehe das Gesetz ‑ insbesondere das TJG 2004 bzw. die in § 39 leg. cit. enthaltene Regelung ‑ nicht ausdrücklich vor.

6 Der Revisionswerber habe sein Feststellungsinteresse im Wesentlichen damit begründet, dass der erfolgte Hegeabschuss zu Unrecht nicht als solcher anerkannt worden sei. Weiters werde ein Anspruch auf „Durchführung eines Hegeabschusses nach eigenem Ermessen“ sowie auf einen allfälligen zusätzlichen Abschuss gemäß dem Abschussplan geltend gemacht. Auch die Gesetzwidrigkeit der neuen Richtlinien für Hegeabschüsse im Bezirk solle aufgezeigt werden, um damit Rechtssicherheit zu schaffen.

7 Da im gegenständlichen Fall der Abschussplan im betreffenden Jagdjahr „auch ohne Hegeabschuss eingehalten“ worden sei, gegen den Revisionswerber wegen dieses Abschusses kein Strafverfahren geführt worden sei bzw. werde, begründe sein Wunsch auf Feststellung, ob ein in der Vergangenheit gelegenes Verhalten, welches ohne rechtliche Konsequenzen geblieben sei, berechtigt gewesen sei, keinen Anspruch auf eine behördliche Entscheidung. Der Revisionswerber habe auch keine sonstigen Gründe dargelegt, weshalb die begehrte Feststellung im gegenständlichen Fall ein Mittel zur Rechtsverteidigung bzw. Rechtsverfolgung darstellen solle.

8 In der Regel sei bei einem Hegeabschuss eine Beurteilung im Einzelfall erforderlich, die beantragte Feststellung bewirke daher auch in Hinblick auf die vorgebrachten neuen Richtlinien keine Klarstellung für die Zukunft. Es falle außerdem nicht in die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts, „über die allgemeine und spezielle Gültigkeit/Richtigkeit von derartigen Leitlinien“ abzusprechen.

9 Da die Voraussetzungen für eine Feststellung auf Antrag daher nicht vorlägen, sei die inhaltliche Entscheidung der belangten Behörde insofern abzuändern gewesen, dass der Antrag als unzulässig zurückgewiesen werde.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ‑ außerordentliche ‑ Revision.

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit allein maßgebliche Zulässigkeitsbegründung macht zusammengefasst Folgendes geltend:

Das Verwaltungsgericht weiche mit seiner Beurteilung sowohl von (näher genannter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als auch von den „gesetzlichen Bestimmungen“ ab. Jedenfalls zum Zeitpunkt des Abschusses habe das Feststellungsinteresse bestanden, weil der Abschuss als „kümmerndes Wild“ iSd § 39 Abs. 1 TJG 2004 gemäß § 39 Abs. 4 TJG 2004 nicht auf den Abschussplan des laufenden Jagdjahres anzurechnen gewesen wäre. Dem Revisionswerber wäre bei richtiger Qualifizierung als Hegeabschuss also noch ein weiterer Abschuss zur Verfügung gestanden.

Außerdem sei die Entscheidung auch „in formeller Sicht fehlerhaft“, weil ‑ ausgehend von der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts ‑ die angefochtene Entscheidung aufgehoben und der Antrag von der belangten Behörde zurückgewiesen hätte werden müssen.

Zudem fehle zum Vorliegen eines Feststellungsinteresses bei Bewertung eines Abschusses als Hegeabschuss Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

15 Mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte.

16 Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung eines Feststellungsbescheids nur dann zulässig, wenn dies entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn eine gesetzliche Regelung zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheids aber im öffentlichen Interesse liegt oder wenn sie insofern im Interesse einer Partei liegt, als sie für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Dieses rechtliche Interesse ist nur dann gegeben, wenn dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung des Antragstellers zu beseitigen. Unzulässig ist ein Feststellungsbescheid, wenn die geltend gemachten, ein rechtliches Interesse begründenden Umstände nicht vorliegen; das Fehlen eines derartigen Interesses führt dazu, dass der Feststellungsantrag zurückzuweisen ist. Die Zulässigkeit einer Feststellungsentscheidung als notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung ist insbesondere dann zu bejahen, wenn sich Parteien im Fall, als sie die Rechtslage ungeklärt lassen, der Gefahr einer Bestrafung aussetzen. Ein rechtliches Interesse muss im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bzw. der angefochtenen Entscheidung (noch) bestehen. Eine an ein - im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - abgeschlossenes Geschehen anknüpfende Feststellung über ein Recht oder Rechtsverhältnis muss der Abwendung zukünftiger Rechtsgefährdung des Antragstellers dienen (vgl. etwa VwGH 6.11.2020, Ro 2020/03/0014, mwN).

17 § 39 TJG 2004, LGBl. Nr. 41/2004 idF vor der Novelle LGBl. Nr. 40/2022, lautete (auszugsweise):

Kümmerndes Wild, Fallwild

(1) Kümmerndes und krankes Wild darf sowohl in der Schonzeit als auch über den genehmigten bzw. festgesetzten Abschussplan hinaus erlegt werden. Der Abschuss ist unverzüglich der Bezirksverwaltungsbehörde unter Angabe von Grund, Tag und Ort des Abschusses sowie Alter und Geschlecht des erlegten Wildes zu melden und in die Abschussliste einzutragen. Das Wildstück ist dem Hegemeister vorzulegen.

(2) Fallwild ist unverzüglich der Bezirksverwaltungsbehörde unter Angabe der vermuteten Todesursache, des Tages und des Ortes des Fundes und ‑ soweit bestimmbar ‑ des Alters und Geschlechts des gefundenen Wildstückes zu melden und in die Abschussliste einzutragen. Der Jagdausübungsberechtigte hat Fallwild nach Möglichkeit entsprechend zu dokumentieren.

...

(4) Wild nach den Abs. 1 und 2 ist bei der Wildbestandsmeldung für die Erstellung des Abschussplanes des folgenden Jagdjahres zu berücksichtigen; auf den Abschussplan des laufenden Jagdjahres ist es nur dann anzurechnen, wenn der Abschussplan am Ende des Jagdjahres nicht erfüllt ist.“

18 Die Qualifikation eines Wildstücks als „kümmernd“ oder „krank“ bedeutet also, dass das betreffende Stück auch über den Abschussplan hinaus erlegt werden darf; auf den Abschussplan ist es nur anzurechnen, wenn dieser (ansonsten) am Ende des Jagdjahres nicht erfüllt ist.

19 Im Wesentlichen damit hat nicht nur der Revisionswerber die Zulässigkeit des Feststellungsantrags begründet, sondern auch die belangte Behörde diese (implizit) bejaht.

20 Das Verwaltungsgericht ist auf die Frage, ob der Feststellungsantrag bei seiner Stellung bzw. im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung zulässig war, ebensowenig eingegangen wie auf die inhaltliche Beurteilung (Qualifikation des fraglichen Abschusses als Hegeabschuss). Es hat seiner Entscheidung vielmehr zu Grunde gelegt, dass das betreffende Jagdjahr abgelaufen ist, dass der Abschussplan nicht überschritten wurde und dass gegen den Revisionswerber wegen des Abschusses kein Strafverfahren geführt wurde bzw. werde. Davon ausgehend sei das Vorliegen eines rechtlichen Interesses an der begehrten Feststellung (offenbar gemeint: im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung) zu verneinen.

21 Der Umstand, dass das Verwaltungsgericht auf der genannten Basis den behördlichen Bescheid dahin abänderte, dass der Feststellungsantrag als unzulässig zurückgewiesen wurde, bewirkt keine Verletzung von subjektiven Rechten des Revisionswerbers:

22 Im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts am 26. Jänner 2022 war das den fraglichen Abschuss vom 29. Juni 2020 umfassende Jagdjahr (vgl. § 2 Abs. 9 TJG 2004) längst verstrichen; von der Revision wird auch nicht in Abrede gestellt, dass der Abschussplan nicht überschritten und gegen den Revisionswerber wegen des Abschusses kein Strafverfahren geführt wurde.

23 Ein rechtliches Interesse muss im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bzw. der angefochtenen Entscheidung (noch) bestehen. Eine an ein ‑ im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ‑ abgeschlossenes Geschehen anknüpfende Feststellung über ein Recht oder Rechtsverhältnis muss der Abwendung zukünftiger Rechtsgefährdung des Antragstellers dienen (vgl. zuletzt VwGH 17.1.2022, Ra 2022/03/0001 bis 0002, mwN).

24 Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist Prozessvoraussetzung für ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ‑ wie auch dem Verwaltungsgericht ‑ das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses an der inhaltlichen Erledigung. Ein solches ist immer dann zu verneinen, wenn es (etwa auf Grund geänderter Umstände) für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für ihn keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen somit insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung haben, wenn also durch Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse des Revisionswerbers an der Entscheidung wegfällt. Liegt das Rechtsschutzbedürfnis schon bei Einbringung der Revision nicht vor, ist diese unzulässig (§ 34 Abs. 1 VwGG), fällt die Voraussetzung erst nach Einbringung einer zulässigen Revision weg, so führt dies zu einer Einstellung des Verfahrens als gegenstandslos (§ 33 Abs. 1 VwGG).

Die danach maßgeblichen Kriterien für das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof sind auch für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht maßgebend (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 20.12.2021, Ro 2021/03/0003, mwN).

25 Im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes war ein Feststellungsinteresse des Revisionswerbers auf Basis der vom Verwaltungsgericht dargestellten Parameter nicht mehr erkennbar, was insofern von der Revision gar nicht in Frage gestellt wird. Daran ändert nichts, dass im Zeitpunkt des fraglichen Abschusses wie auch der behördlichen Entscheidung über den Feststellungsantrag ein Feststellungsinteresse gegeben gewesen sein mag.

26 Die Revision bringt nicht vor, dass (und gegebenenfalls in welcher Weise) die begehrte bescheidmäßige Feststellung der Abwendung einer zukünftigen Rechtsgefährdung des Revisionswerbers dienen könnte.

27 Die Zulässigkeitsbegründung schließlich, die Entscheidung sei „in formeller Sicht fehlerhaft“, ist auf Basis des oben unter Rn. 24 Gesagten nicht zielführend (vgl. in diesem Zusammenhang auch ‑ dort betreffend die Abweisung anstatt Zurückweisung eines Antrags ‑ VwGH 8.2.2022, Ra 2021/22/0009, mwN).

28 In der Revision werden nach dem Gesagten keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 5. Mai 2022

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