VwGH Ra 2021/05/0066

VwGHRa 2021/05/006625.5.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger, Mag. Liebhart‑Mutzl, Dr.in Sembacher und Dr.in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revisionen 1. der P GmbH (protokolliert zu Ra 2021/05/0066) und 2. der P GmbH und der P KG (protokolliert zu Ra 2021/05/0067 und 0068), alle vertreten durch die CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich jeweils vom 18. Februar 2021, 1. LVwG‑AV‑1066/001‑2020 (zu Ra 2021/05/0066) und 2. LVwG‑AV‑1113/001‑2020 (zu Ra 2021/05/0067 und 0068), betreffend Feststellung in einer abfallrechtlichen Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: zu 1. Bezirkshauptmannschaft Mistelbach; zu 2. Landeshauptfrau von Niederösterreich), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1
AVG §56
AVG §6 Abs1
AWG 2002 §13g Abs1 Z1
AWG 2002 §13j
AWG 2002 §13m
AWG 2002 §14 Abs1
AWG 2002 §6
AWG 2002 §6 Abs1
AWG 2002 §6 Abs1 Z3
AWG 2002 §6 Abs3
AWG 2002 §6 Abs5
B-VG Art10 Abs1 Z12
EURallg
VerpackV 2014
VerpackV 2014 §3 Abs1
VerpackV 2014 §3 Abs7
VerpackV 2014 §3 Abs8
VwRallg
31994L0062 Verpackung-RL
32008L0098 Abfall-RL
32015L0720 Nov-31994L0062
32018L0851 Nov-32008L0098

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021050066.L00

 

Spruch:

Die Revisionen werden als unbegründet abgewiesen.

Die revisionswerbenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen von insgesamt € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die revisionswerbenden Parteien brachten am 20. August 2020 insgesamt drei (idente) Feststellungsanträge betreffend die Feststellung, „dass dem Inverkehrsetzen von Kunststofftragetaschen mit einer Mindestwandstärke von 50 Mikron durch die Antragstellerinnen in Österreich nicht das Verbot des § 20 [gemeint wohl: 13j] AWG 2002 entgegensteht“ ein, wobei jeweils ein ‑ von den revisionswerbenden Parteien gemeinsam gestellter ‑ Antrag an die Landeshauptfrau von Niederösterreich, an die Bezirkshauptmannschaft M. in Niederösterreich sowie an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus gerichtet war. Insbesondere führten die revisionswerbenden Parteien in den Anträgen aus, sie würden Bedenken gegen die Unionsrechtskonformität des § 13j Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) hegen; nach der Rechtsauffassung der revisionswerbenden Parteien stünde der Anwendung des Verbots des Inverkehrsetzens von Kunststofftragetaschen unmittelbar anwendbares Unionsrecht entgegen. Die innerstaatlichen Maßnahmen in Bezug auf Kunststofftragetaschen, speziell solche mit einer Foliendicke ab 50 Mikron, seien mit der Richtlinie 2015/720/EU zur Änderung der Richtlinie 94/62/EG betreffend die Verringerung des Verbrauchs von leichten Kunststofftragetaschen nicht vereinbar.

2 Begründend führten die revisionswerbenden Parteien aus, die erstrevisionswerbende Partei mit Sitz in W., Österreich, beliefere seit Jahren den österreichischen Markt mit Tragetaschen aus verschiedenen Materialien und habe bis zum Inkrafttreten des Verbots nach § 13j AWG 2002 ihre Kunden auch mit Kunststofftragetaschen im Sinne des § 2 Abs. 10 Z 1 AWG 2002, die nicht unter die Ausnahme des § 13k AWG 2002 fallen würden, beliefert. Die zweitrevisionswerbende Partei mit Sitz in M., Deutschland, produziere Tragetaschen, darunter auch solche, die unter das Verbot des § 13j AWG 2002 fielen, und vertreibe diese europaweit. Die erstrevisionswerbende Partei beziehe ihre Tragetaschen von der zweitrevisionswerbenden Partei, wobei die Übergabe der vom Verbot betroffenen Taschen bis zum 31. Dezember 2019 im Hochregallager der erstrevisionswerbenden Partei in W., Bezirk M., stattgefunden habe. Da beide revisionswerbenden Parteien auch in Zukunft die unter das Verbot des § 13j AWG 2002 fallenden Tragetaschen mit einer Wandstärke von mehr als 50 Mikron in Verkehr setzen wollten und sie der Ansicht seien, dass das Verbot des § 13j AWG 2002 für Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke von mindestens 50 Mikron aufgrund des Unionsrechts nicht anwendbar sei, würden sie die antragsgegenständliche Feststellung begehren. Die Voraussetzungen für die Feststellung seien gegeben, die revisionswerbenden Parteien hätten Interesse an der Klärung der Frage und es sei kein anderes Verfahren zur Klärung vorgesehen. Insbesondere sehe das AWG 2002 keine Möglichkeit zur Erlangung einer Ausnahmegenehmigung für das Inverkehrsetzen der vom Verbot des § 13j AWG 2002 betroffenen Kunststofftragetaschen vor. Würden sie sich dem Verbot widersetzen, drohe ihnen eine Verwaltungsstrafe; dies sei einem Antragsteller jedoch nicht zumutbar.

3 Nachdem sowohl die Landeshauptfrau von Niederösterreich als auch die Bezirkshauptmannschaft M. den revisionswerbenden Parteien unter näherer Begründung die in einem Schreiben der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie vom 2. September 2020 geäußerte Rechtsansicht, wonach diese selbst für die Entscheidung über die Feststellungsanträge zuständig sei, mitgeteilt hatten, beharrten die revisionswerbenden Parteien jeweils auf der bescheidmäßigen Erledigung ihrer Feststellungsanträge.

Zu Ra 2021/05/0066:

4 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft M. vom 16. September 2020, adressiert und nachweislich zugestellt lediglich an die erstrevisionswerbende Partei, wurde der an sie gerichtete Feststellungsantrag mangels Zuständigkeit zurückgewiesen. In der Begründung wird festgehalten, dass sich die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie im Zuge der Prüfung der Zuständigkeit für zuständig erklärt und dies mit dem sachlichen Zusammenhang mit dem Verbot des Inverkehrsetzens von bestimmten Kunststofftragetaschen gemäß § 13j AWG 2002 begründet habe. Der bei der Bezirkshauptmannschaft eingebrachte Antrag sei aus diesem Grund an die Bundesministerin gemäß § 6 AVG weitergeleitet worden. Sodann sei ein Antrag auf bescheidmäßige Erledigung gestellt worden. Der Feststellungsantrag sei aufgrund mangelnder Zuständigkeit zurückzuweisen.

5 Gegen diesen Bescheid erhoben beide revisionswerbenden Parteien Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Landesverwaltungsgericht), die sie im Zusammenhang mit der Zuständigkeit für die Entscheidung über die gegenständlichen Feststellungsanträge damit begründeten, dass ihrer Ansicht nach die Bezirkshauptmannschaft als zur Durchführung eines allfälligen Verwaltungsstrafverfahrens wegen einer Übertretung des § 79 Abs. 2 Z 2c AWG 2002 zuständige Behörde die sachnächste Behörde darstelle und sich die örtliche Zuständigkeit aus dem Sitz der erstrevisionswerbenden Partei im örtlichen Wirkungsbereich der Bezirkshauptmannschaft ergebe.

6 Das Landesverwaltungsgericht wies mit der erstangefochtenen Entscheidung vom 18. Februar 2021 die Beschwerde der erstrevisionswerbenden Partei als unbegründet ab und jene der zweitrevisionswerbenden Partei als unzulässig zurück. Unter einem sprach das Landesverwaltungsgericht jeweils aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei. Es führte zur Zurückweisung der Beschwerde der zweitrevisionswerbenden Partei aus, diese sei nicht Adressat des zurückweisenden Bescheides gewesen und aus diesem Grund nicht beschwerdelegitimiert. Zur Abweisung der Beschwerde der erstrevisionswerbenden Partei erwog das Landesverwaltungsgericht nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensgangs, der rechtlichen Grundlagen sowie einer Zusammenfassung der hg. Judikatur zu Feststellungsanträgen ohne gesetzliche Grundlage und zum Interesse an der beantragten Feststellung, dass für die beantragte Feststellung keine ausdrückliche Regelung, weder in § 6 AWG 2002 noch in einer anderen Vorschrift im AWG 2002, vorliege, weshalb ein Feststellungsbescheid von Behörden außerhalb einer ausdrücklichen Regelung nur im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit und nur unter der Voraussetzung, dass die Feststellung entweder im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse des Antragstellers liege und die Verwaltungsvorschriften nichts anderes ausdrücklich bestimmten, erlassen werden dürfte. Ein öffentliches Interesse sei weder festgestellt noch behauptet worden, der Antrag liege lediglich im Interesse der revisionswerbenden Parteien. In Ermangelung einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage käme nach näher zitierter Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts nur jene Behörde als zuständige in Betracht, „zu deren Wirkungsbereich der engste sachliche Zusammenhang besteht, insbesondere wenn sie durch die Rechtsordnung zur Gestaltung (Begründung, Änderung oder Aufhebung) des betreffenden Rechtsverhältnisses berufen wäre“. Es sei somit jene Behörde zur Entscheidung berufen, die zur Entscheidung über jene Angelegenheiten berufen sei, „welche der Angelegenheit des Antrages“ am ähnlichsten sei. Zum einen handle es sich beim Hochregallager der erstrevisionswerbenden Partei in W. um keine „AWG‑Anlage“, zum anderen würden die Kunststofftragetaschen nicht nur in W. oder nur in Niederösterreich, sondern im gesamten Bundesgebiet in Verkehr gesetzt. Die Inkaufnahme einer Bestrafung sei kein zumutbarer Weg, die Bezirkshauptmannschaft aus diesem Grund als Verwaltungsstrafbehörde nicht die sachnächste Behörde. Auch der Landeshauptfrau von Niederösterreich komme der von der Rechtsprechung geforderte Entscheidungsrahmen nicht zu, zumal das Verbot des § 13j AWG 2002 nicht standortbezogen sei, sondern für die Geltung im gesamten Bundesgebiet vorgesehen sei. Weder liege eine derartige Zuständigkeit der Landeshauptfrau vor, noch könne aus der Tatsache, dass ihr in der Vollziehung des AWG 2002 überwiegende Zuständigkeiten zukämen, geschlossen werden, dass sie auch für die vorliegenden Anträge zuständig sei. Es liege auch keine planwidrige Lücke vor. Der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie komme gemäß § 90 Abs. 1 AWG 2002 eine subsidiäre Zuständigkeit zu, wobei daneben die Zuständigkeit der Bundesministerin gemäß § 6 Abs. 5 AWG 2002 zur Erlassung der dort genannten Feststellungsbescheide bei begründeten Zweifeln über die Einordnung einer Sache unter eine Verordnung gemäß § 14 Abs. 1 AWG 2002 sowie die ebendort situierte Verordnungsermächtigung iVm § 14 Abs. 2 Z 11 AWG 2002 zu beachten seien. In dieser Verordnung könne die Bundesministerin „ein Verbot der unentgeltlichen Abgabe von Kunststofftragetaschen an Letztverbraucher, Mindestentgelte für die Abgabe von Kunststofftragetaschen, aber auch Aufzeichnungs‑ und Meldepflichten über die Menge der in Verkehr gesetzten Kunststofftragetaschen festlegen“, wodurch der Gesetzgeber in § 6 Abs. 5 AWG 2002 betreffend die Verordnung der Bundesministerin gemäß § 14 Abs. 2 Z 11 AWG 2002 ein explizites Feststellungsverfahren bezüglich Kunststofftragetaschen statuiert habe. Unter Anwendung des Prinzips des engsten sachlichen Zusammenhangs erweise sich aufgrund der zuvor genannten Zuständigkeit nach § 6 Abs. 5 und § 14 Abs. 1 AWG 2002 die Bundesministerin als zuständige Behörde, wobei die Tatsache, dass die Bundesministerin eine Verordnung gemäß § 14 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 11 AWG 2002 noch nicht erlassen habe, kein Hindernis darstelle, komme es doch auf die abstrakte Kompetenz an.

7 Die von der erstrevisionswerbenden Partei gegen diese Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts ‑ ausschließlich im Umfang der Abweisung ihrer Beschwerde ‑ erhobene Revision wurde am Verwaltungsgerichtshof zu Ra 2021/05/0066 protokolliert.

Zu Ra 2021/05/0067 und 0068:

8 Mit Bescheid vom 25. September 2020 wies auch die Landeshauptfrau von Niederösterreich den an sie gerichteten Feststellungsantrag der beiden revisionswerbenden Parteien mangels Zuständigkeit zurück und begründete dies damit, dass § 6 AWG 2002 einen Feststellungsantrag wie den vorliegenden nicht vorsehe und deshalb auf die allgemeine Regelung des § 56 AVG zurückzugreifen sei. Erstens sei die Vollzugskompetenz der Landeshauptfrau von Niederösterreich in Frage zu stellen, da das Hochregallager der erstrevisionswerbenden Partei keine Abfallbehandlungsanlage sei und ein Zusammenhang mit dem AWG 2002 fehle, zudem handle es sich bei § 13j AWG 2002 nicht um eine standortbezogene Vorschrift. Zweitens habe sich die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie für zuständig erklärt.

9 In der dagegen erhobenen Beschwerde führten die revisionswerbenden Parteien unter Aufrechterhaltung und Wiederholung der Begründung ihrer Anträge aus, dass die Zuständigkeit der Landeshauptfrau von Niederösterreich bestehe, da es sich bei ihr um jene Behörde handle, zu deren Wirkungsbereich der engste sachliche Zusammenhang bestehe, und ihr damit nach der Rechtsprechung die Zuständigkeit zur Erlassung eines Feststellungsbescheides außerhalb einer besonderen gesetzlichen Regelung zukomme. Die überwiegenden Zuständigkeiten in der Vollziehung des AWG 2002 kämen der Landeshauptfrau zu, insbesondere auch die Erlassung bestimmter Feststellungsbescheide gemäß § 6 AWG 2002. Ihre örtliche Zuständigkeit ergebe sich aus dem Inverkehrsetzen der Tragetaschen am Standort des Hochregallagers der erstrevisionswerbenden Partei in W. § 6 Abs. 3 AWG 2002 sei analog anzuwenden und sollte dies nicht der Fall sein, so bestehe die Zuständigkeit der Landeshauptfrau von Niederösterreich aufgrund ihres Wirkungsbereiches und des engsten sachlichen Zusammenhangs.

10 Diese Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht mit dem zweitangefochtenen Erkenntnis vom 18. Februar 2021 als unbegründet ab. In dieser zweiten, zu jener im Verfahren zu Ra 2021/05/0066 nahezu wortgleichen Entscheidung stützte sich das Landesverwaltungsgericht auf dieselben Argumente wie im Beschwerdeverfahren über den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft M. vom 16. September 2020 und kam zum Schluss, dass die Landeshauptfrau aus näher genannten Gründen nicht zuständig sei, sondern aufgrund der gemäß § 6 Abs. 5 und § 14 Abs. 1 AWG 2002 vorliegenden Zuständigkeit als Behörde mit Entscheidungsbefugnis über die sachnächste Angelegenheit die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie zur Entscheidung über die gegenständlichen Feststellungsanträge zuständig sei, weshalb die Beschwerde abzuweisen gewesen sei. Unter einem sprach es aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

11 Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der erst‑ und zweitrevisionswerbenden Parteien wurde zu Ra 2021/05/0067 und 0068 protokolliert.

12 Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass zum dritten gleichlautenden Antrag der revisionswerbenden Parteien am 1. Juli 2021 ein Bescheid der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie erging, in dem diese ihre Zuständigkeit bejahte und den Feststellungsantrag mangels Feststellungsinteresses zurückwies. Gegen das die dagegen erhobene Beschwerde abweisende Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts vom 1. Februar 2022 erhoben die revisionswerbenden Parteien eine ordentliche Revision, die unter Ro 2022/07/0009 und Ro 2022/07/0010 am Verwaltungsgerichtshof protokolliert wurden.

13 Gegen die Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichts jeweils vom 18. Februar 2021 wenden sich nun die vorliegenden Revisionen, die beide ihre Zulässigkeit unter näheren Ausführungen im Wesentlichen damit begründen, es fehle Rechtsprechung zur Frage der Zuständigkeit für Feststellungsanträge wie die vorliegenden, insbesondere dazu, welche Behörde die sachnächste Behörde sei; zudem sei das Landesverwaltungsgericht von näher genannter Rechtsprechung zur Zuständigkeit für die Entscheidung über Feststellungsanträge, für die es keine gesetzliche Grundlage gebe, abgewichen.

14 Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (zu Ra 2021/05/0066 sowie zu Ra 2021/05/0067 und 0068) als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde und die Landeshauptfrau von Niederösterreich (zu Ra 2021/05/0067 und 0068) als in diesem Verfahren belangte Behörde erstatteten Revisionsbeantwortungen und beantragten die Abweisung der Revisionen. Darüberhinaus beantragte die Landeshauptfrau von Niederösterreich die Zuerkennung von Aufwandersatz im gesetzlichen Ausmaß.

Der Verwaltungsgerichtshof, der die Revisionsverfahren wegen ihres sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden hat, hat erwogen:

15 Die Revisionen erweisen sich, soweit sie eine fehlende Rechtsprechung zur Frage der Zuständigkeit für derartige Feststellungsanträge geltend machen, als zulässig. Sie sind jedoch nicht begründet.

16 Die im vorliegenden Fall relevanten Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002), BGBl. I Nr. 102/2002 in der Fassung BGBl. I Nr. 8/2021, lauten:

Begriffsbestimmungen

§ 2. (...)

(10) Im Hinblick auf das in den §§ 13j bis 13m festgelegte Verbot des Inverkehrsetzens von Kunststofftragetaschen ist oder sind

1.‚Kunststofftragetaschen‘ Tragetaschen mit Tragegriff oder ohne Tragegriff aber mit Griffloch aus Kunststoff, die den Verbrauchern in der Verkaufsstelle der Waren oder Produkte oder bei Übergabe der Waren oder Produkte angeboten werden;

2.‚Kunststoff‘ ein Polymer im Sinne von Artikel 3 Nummer 5 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94, der Richtlinie 76/769/EWG sowie der Richtlinien 91/155/EWG , 93/67/EWG , 93/105/EG und 2000/21/EG , ABl. Nr. L 396 vom 30.12.2006 S. 1, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2017/1000 , ABl. Nr. L 150 vom 14.06.2017 S. 14, dem unter Umständen Zusatzstoffe oder andere Stoffe zugesetzt wurden und das als Hauptstrukturbestandteil von Tragetaschen oder sonstigen Kunststoffprodukten dienen kann; ausgenommen sind natürliche Polymere, die nicht chemisch modifiziert wurden;

3.‚sehr leichte Kunststofftragetaschen‘ Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke unter 0,015 mm;

4.‚leichte Kunststofftragetaschen‘ Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke unter 0,05 mm;

5.‚Inverkehrsetzen‘ die erwerbsmäßige Übergabe an eine andere Rechtsperson, einschließlich des Fernabsatzes, in Österreich;

6.....

...

Feststellungsbescheide

§ 6. (1) Bestehen begründete Zweifel,

1.ob eine Sache Abfall im Sinne dieses Bundesgesetzes ist,

2.welcher Abfallart diese Sache gegebenenfalls zuzuordnen ist oder

3.ob eine Sache gemäß den unionsrechtlichen Abfallvorschriften, insbesondere der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 über die Verbringung von Abfällen (im Folgenden: EG-VerbringungsV), ABl. Nr. L 190 vom 12.07.2006 S. 1, bei der Verbringung notifizierungspflichtiger Abfall ist,

hat der Landeshauptmann dies entweder von Amts wegen oder auf Antrag des Verfügungsberechtigten oder auf Veranlassung der Bundespolizei nach Maßgabe des § 82 oder der Zollorgane nach Maßgabe des § 83 mit Bescheid festzustellen. Ein Feststellungsbescheid gemäß Z 2 darf nur beantragt werden, sofern nicht § 7 zur Anwendung kommt.

(2) ....

(3) Örtlich zuständige Behörde für Feststellungsbescheide gemäß Abs. 1 ist der Landeshauptmann, in dessen Wirkungsbereich sich die Sache zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens befindet.

(4) ....

(5) Bestehen begründete Zweifel, ob oder inwieweit eine Sache einer Verordnung gemäß § 14 Abs. 1 unterliegt, hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf Antrag eines Verpflichteten oder von Amts wegen innerhalb von drei Monaten einen Feststellungsbescheid zu erlassen.

(6) Der Landeshauptmann hat auf Antrag eines Projektwerbers oder des Umweltanwaltes oder von Amts wegen innerhalb von drei Monaten festzustellen, ob

1.eine Anlage der Genehmigungspflicht gemäß § 37 Abs. 1 oder 3 oder gemäß § 52 unterliegt oder eine Ausnahme gemäß § 37 Abs. 2 gegeben ist,

2.eine Anlage eine IPPC‑Behandlungsanlage ist,

3.eine Änderung einer Behandlungsanlage der Genehmigungspflicht gemäß § 37 Abs. 1 oder 3 unterliegt oder gemäß § 37 Abs. 4 anzeigepflichtig ist.

Parteistellung hat neben dem Projektwerber der Umweltanwalt.

(7) Bestehen begründete Zweifel über den Umfang

1.einer Erlaubnis gemäß § 24a oder

2.einer Genehmigung gemäß den §§ 37, 52 oder 54, insbesondere hinsichtlich der Abfallarten, Abfallmengen oder der Anlagenkapazität,

hat der Landeshauptmann auf Antrag des Inhabers der Berechtigung oder der Anlagengenehmigung oder von Amts wegen einen Feststellungsbescheid zu erlassen.

...

Pflichten für Primärverpflichtete von Verpackungen

§ 13g. (1) Als Primärverpflichtete für Verpackungen gelten folgende Personen, die unabhängig von der Vertriebsmethode, einschließlich des Fernabsatzes im Sinne des § 5a KSchG, Verpackungen in Österreich erwerbsmäßig in Verkehr setzen:

1.Hersteller und Importeure von Serviceverpackungen im Sinne einer Verordnung gemäß § 14 Abs. 1 mit Sitz oder Niederlassung im örtlichen Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes,

(...)

...

Verbot des Inverkehrsetzens von Kunststofftragetaschen

§ 13j. Das Inverkehrsetzen von Kunststofftragetaschen ab dem 1. Jänner 2020 ist verboten.

Ausnahmen vom Inverkehrsetzungsverbot von Kunststofftragetaschen

§ 13k. Ausgenommen vom Verbot des Inverkehrsetzens gemäß § 13j sind

1.sehr leichte Kunststofftragetaschen, die nachweislich aus überwiegend nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden und entsprechend dem Stand der Technik für eine Eigenkompostierung geeignet sind, sowie

2.wiederverwendbare Taschen, die folgende Kriterien erfüllen:

a)bestehend aus Kunststoffgewebe oder Materialien von vergleichbarer Stabilität, die einen Kunststoffanteil aufweisen,

b)mit vernähten Verbindungen oder Verbindungen mit vergleichbarer Stabilität und

c)mit vernähten Tragegriffen oder Tragegriffen mit vergleichbarer Stabilität.

Übergangsbestimmungen für Kunststofftragetaschen

§ 13l. Letztvertreiber können Kunststofftragetaschen bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 an Letztverbraucher abgeben.

Meldungen von Kunststofftragetaschen

§ 13m. (1) Hersteller und Importeure von Kunststofftragetaschen (§ 13g Abs. 1 Z 1) haben zumindest einmal jährlich, spätestens bis zum 15. März, die Anzahl der von ihnen im vorangegangenen Kalenderjahr in Österreich in Verkehr gesetzten Kunststofftragetaschen gegliedert nach

1.sehr leichten Kunststofftragetaschen gemäß § 2 Abs. 10 Z 3 und

2.leichten Kunststofftragetaschen gemäß § 2 Abs. 10 Z 4 mit einer Wandstärke ab 0,015 mm

dem entpflichtenden Sammel‑ und Verwertungssystem für Haushaltsverpackungen zu melden.

(2) Sammel- und Verwertungssysteme für Haushaltsverpackungen haben die gemäß Abs. 1 gemeldeten Daten gegliedert nach sehr leichten Kunststofftragetaschen und leichten Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke ab 0,015 mm jeweils zusammenzufassen und der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus im Tätigkeitsbericht gemäß § 9 Abs. 6 Z 4 Verpackungsverordnung 2014 mitzuteilen.

Maßnahmen für die Abfallvermeidung und -verwertung

§ 14. (1) Soweit dies zur Erreichung der Ziele und Grundsätze der Abfallwirtschaft, insbesondere der Ziele gemäß § 9 zur Verringerung der Abfallmengen und Schadstoffgehalte und zur Förderung der Kreislaufwirtschaft erforderlich ist, wird der Bundesminister für Land‑ und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ermächtigt, Maßnahmen gemäß Abs. 2 zur Wahrung der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) und unter Bedachtnahme auf die Vorgaben des Bundes-Abfallwirtschaftsplans im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend mit Verordnung festzulegen. Dabei ist auf die Erfüllung der Anforderungen an die Warenverteilung und auf die technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten Bedacht zu nehmen.

...

Vollziehung

§ 90. (1) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist, sofern sie dem Bund zukommt und die Abs. 2 bis 4 nicht anderes bestimmen, der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betraut, und zwar hinsichtlich der §§ 14 Abs. 1, 6 und 7, 23 Abs. 1 und 3, 36 und 65 Abs. 1 bis 3 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend.

(2) Mit der Vollziehung der §§ 70 Abs. 3, 83 und 87 Abs. 4 ist der Bundesminister für Finanzen betraut.

(3) Mit der Vollziehung des § 82 ist der Bundesminister für Inneres betraut.

(4) Mit der Vollziehung des § 38 Abs. 1, 2 und 4, soweit sie dem Bund zukommt, ist der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betraut.

(5) Mit der Vollziehung der Art. 11 bis 15 der EU‑QuecksilberV ist betreffend Quecksilberabfälle die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betraut.“

17 Dazu ist anzumerken, dass die in den hier zitierten Bestimmungen des AWG 2002 normierte Zuständigkeit des Bundesministers für Land‑ und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zunächst aufgrund der Bundesministeriengesetz‑Novelle 2020, BGBl. II Nr. 8/2020 (vgl. § 17 BMG), nachfolgend aufgrund der AWG‑Novelle BGBl. I Nr. 200/2021, zur nunmehr zuständigen Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wechselte.

18 Die Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen und bestimmten Warenresten (VerpackV 2014), BGBl. II Nr. 184/2014, lautet auszugsweise:

„Begriffsbestimmungen

§ 3. Im Sinne dieser Verordnung ist oder sind

1.‚Verpackungen‘ aus verschiedenen Packstoffen hergestellte Packmittel, Packhilfsmittel oder Paletten zur Aufnahme, zum Schutz, zur Handhabung, zur Lieferung und zur Darbietung von Waren. Der Begriff Verpackungen wird zusätzlich durch die nachstehenden Kriterien bestimmt. Die in Anhang 2 angeführten Gegenstände sind Beispiele für die Anwendung dieser Kriterien.

...

7.‚Serviceverpackungen‘ Verpackungen wie Tragetaschen, Stanitzel, Säckchen, Flaschen oder ähnliche Umhüllungen, sofern diese Verpackungen in einer technisch einheitlichen Form hergestellt und üblicherweise in oder im Bereich der Abgabestelle an den Letztverbraucher befüllt werden.

8.‚Packstoffe‘ folgende Materialien, aus denen unmittelbar Packmittel oder Packhilfsmittel oder Paletten hergestellt werden:

...

e)Kunststoffe gemäß § 2 Abs. 10 Z 2 AWG 2002;

...“

19 Die beiden angefochtenen Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichts gehen im Wesentlichen davon aus, dass die beantragte Feststellung eine Angelegenheit aus dem Bereich der Vollziehung des Bundes darstellt, die aus Gründen der Sachnähe der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie zukommt. Diese Auffassung erweist sich aufgrund der folgenden Erwägungen als zutreffend:

20 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung eines Feststellungsbescheides nur dann zulässig, wenn sie entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn eine gesetzliche Regelung zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheides aber im öffentlichen Interesse liegt, oder wenn sie insofern im Interesse einer Partei liegt, als sie für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Ein Feststellungsbescheid als subsidiärer Rechtsbehelf ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens entschieden werden kann (vgl. VwGH 15.9.2020, Ro 2020/16/0028).

21 In bestimmten Fallkonstellationen ist ausnahmsweise über die Frage der Zuständigkeit bescheidmäßig ‑ durch Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrages ‑ abzusprechen, etwa wenn berechtigte Zweifel an der Unzuständigkeit der Behörde bestehen und der Einschreiter auf einer Zuständigkeitsentscheidung beharrt (vgl. VwGH 10.12.2018, Ro 2018/12/0017, mwN).

22 Wie das Landesverwaltungsgericht in den beiden hier angefochtenen Erkenntnissen zutreffend ausführt, ist weder in § 6 AWG 2002 noch in einer anderen Norm des AWG 2002 eine Rechtsgrundlage für die von den revisionswerbenden Parteien begehrte Feststellung, dass dem Inverkehrsetzen von Kunststofftragetaschen mit einer Mindestwandstärke von 50 Mikron in Österreich nicht das Verbot des § 13j AWG 2002 entgegenstehe, explizit vorgesehen.

23 Bei Fehlen einer ausdrücklichen Zuständigkeitsnorm ist jene Behörde zur Erlassung eines Bescheides als zuständig anzusehen, zu deren Wirkungsbereich der engste sachliche Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 25.6.1996, 96/09/0088). Dieses Prinzip des „engsten sachlichen Zusammenhanges“ kommt auch in jenen Fällen zum Tragen, in denen es um die Beurteilung der Zulässigkeit eines Feststellungsantrages geht (vgl. VwGH 30.5.2006, 2003/12/0102).

24 Im Bereich des Abfallwirtschaftsrechts liegt ausweislich Art. 10 Abs. 1 Z 12 B‑VG, wonach die Gesetzgebung und die Vollziehung bezüglich „Abfallwirtschaft hinsichtlich gefährlicher Abfälle, hinsichtlich anderer Abfälle nur soweit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften vorhanden ist“ Bundessache ist, im Hinblick auf nicht gefährliche Abfälle eine Bedarfskompetenz des Bundes vor. Der Verfassungsgerichtshof hat zum „Bedürfnis“ im Sinne dieser Norm festgehalten, dass es hierbei nicht auf das Gutdünken des Gesetzgebers ankommt, sondern „auf das objektive Bedürfnis nach zweckentsprechenden bundeseinheitlichen Regelungen, insbesondere aus umweltpolitischer Sicht“ (vgl. dazu insbesondere VfGH 15.10.1999, KII‑1/98, VfSlg. 15.637/1999, mwN).

25 Die gegenständlichen Anträge zielen darauf ab, die Feststellung einer Ausnahme für näher bestimmte Kunststofftragetaschen mit einer Mindestwandstärke von 0,05 mm oder 50 Mikron vom Verbot des Inverkehrsetzens von Kunststofftragetaschen gemäß § 13j AWG 2002 zu erreichen. Bei § 13j AWG 2002 handelt es sich um eine im Rahmen der Bedarfskompetenz des Bundes erlassene Bestimmung, die der Vermeidung von Abfall dient.

26 Die Materialien zur Einführung des § 13j AWG 2002 halten dazu Folgendes fest (IA 887/A 26. GP , S. 9 und 10):

„Aufbauend auf europäischen Festlegungen wie dem Kreislaufwirtschaftspaket und der Plastikstrategie sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, in verschiedenen Bereichen Maßnahmen gegen die Entstehung von Kunststoffabfällen bzw. deren Verteilung in die Umwelt zu treffen. Auf Grund der Richtlinie (EU) 2015/720 zur Änderung der Richtlinie 94/62/EG betreffend die Verringerung des Verbrauchs von leichten Kunststofftragetaschen besteht Umsetzungsbedarf in Österreich, der durch diese Bestimmung erfüllt werden soll.

Um dauerhafte Verringerungen des durchschnittlichen Verbrauchs an leichten Kunststofftragetaschen zu fördern, sollen die Mitgliedstaaten Maßnahmen treffen, um den Verbrauch an leichten Kunststofftragetaschen im Einklang mit den allgemeinen Zielen der Abfallpolitik der Union und der Abfallhierarchie im Sinne der Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle (im Folgenden: Abfallrahmenrichtlinie), ABl. Nr. L 312 vom 22. 11. 2008 S 3, zuletzt geändert durch die Richtlinie (EU) 2018/851 , ABl. Nr. L 150 vom 14.06.2018 S. 109 deutlich zu verringern. Mitgliedstaaten können abweichend von Artikel 18 der Richtlinie 94/62/EG über Verpackungen und Verpackungsabfälle (im Folgenden: Verpackungsrichtlinie), ABl. Nr. L 365 vom 31.12.1994 S 10, zuletzt geändert durch die Richtlinie (EU) 2018/852 , ABl. Nr. L 150 vom 14.06.2018 S. 141 auch Marktbeschränkungen wie Verbote erlassen, sofern diese Beschränkungen verhältnismäßig und nicht diskriminierend sind.

Bereits Art. 4 der Richtlinie 94/62/EG , gibt den Mitgliedstaaten vor, präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Verpackungsabfällen zu setzen.

Für Kunststofftragetaschen existiert zwar bereits seit 2016 eine freiwillige Vereinbarung mit ausgewählten Handelsunternehmen, Tragetaschen (nicht nur jene aus Kunststoff) nur noch gegen Entgelt abzugeben, um damit neben weiteren Maßnahmen zu einer merklichen Einsparung zu gelangen. Es kann aber nur mit einem Verbot der Zielsetzung der weitest gehenden Vermeidung, in Einklang mit der Abfallrahmenrichtlinie und der Verpackungsrichtlinie, ausreichend Rechnung getragen werden.

Gemäß der Abfallhierarchie hat die Vermeidung oberste Priorität.

Der derzeit bestehende Verbrauch an Kunststofftragetaschen führt zu einer ineffizienten Ressourcennutzung. Wenn keine Maßnahmen getroffen werden, ist mit einem weiteren Anstieg des Verbrauchs zu rechnen.

Das achtlose Wegwerfen von Kunststofftragetaschen führt europaweit zu Umweltbelastungen und verschärft das weitverbreitete Problem der Ansammlung von Abfällen in Gewässern, die weltweit die aquatischen Ökosysteme bedrohen.

Es soll daher ein generelles Verbot des Inverkehrsetzens von Kunststofftragetaschen normiert werden, das für alle Branchen gelten soll. Dieses Inverkehrsetzungsverbot soll mit Anfang 2020 gelten.

Von diesem Verbot soll es nur wenige, klar begrenzte Ausnahmen geben, etwa für sehr leichte Tragetaschen, die biologisch vollständig abbaubar sind und aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden.

Durch Bewusstseinsbildung und Information der Letztverbraucher wird darauf zu achten sein, dass eine Substitution der Einwegkunststofftragetasche durch eine Einwegtragetasche aus anderen Materialien vermieden wird. Ziel ist es, dass mehrmals verwendbare Einkaufstaschen, ‑körbe oder sonstige Mehrwegbehältnisse verwendet werden.

Nicht zuletzt um ein Ausweichverhalten hintanzuhalten, soll das Verbot Kunststofftragetaschen jeglicher Wandstärke betreffen, also auch jene mit einer Dicke von mehr als 0,05 mm.“

27 Hieraus ergibt sich eindeutig, dass es sich bei dem Verbot des Inverkehrsetzens von Kunststofftragetaschen um eine der Umsetzung von Unionsrecht dienende, bundeseinheitlich zu treffende Maßnahme der Vermeidung im Sinne der Abfallwirtschaft handelt, mit dem eindeutig formulierten Ziel, dass Kunststofftragetaschen im Sinne dieser Bestimmung nicht mehr in Umlauf kommen sollen.

28 Bei Kunststofftragetaschen handelt es sich im Allgemeinen um Serviceverpackungen (vgl. dazu § 3 Abs. 1, 7 und 8 VerpackV 2014; vgl. weiters auch die Materialien zur Einführung des § 13m AWG 2002, IA 887/A 26. GP , S. 11 f.), deren Hersteller und Importeure gemäß § 13g Abs. 1 Z 1 AWG 2002 als Primärverpflichtete gelten. § 14 Abs. 1 AWG 2002 ermächtigt den zuständigen Bundesminister unter den dort vorgesehenen Voraussetzungen zur Verordnungserlassung. Auf dieser Grundlage wurde die ‑ teilweise oben wiedergegebene ‑ VerpackV 2014 erlassen.

29 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, ist gemäß § 6 Abs. 5 AWG 2002 ein Feststellungsbescheid bzw. darauf zielender Antrag, ob oder inwieweit eine Sache der VerpackV 2014 unterliegt, bei Vorliegen begründeter Zweifel zulässig (vgl. VwGH 22.9.2022, Ra 2022/07/0023). Die Zuständigkeit für einen Feststellungsantrag nach § 6 Abs. 5 AWG 2002 wiederum liegt nach der letztgenannten Bestimmung bei der dort genannten Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie.

30 Nichts anderes kann für den vorliegenden Fall, in dem die revisionswerbenden Parteien aus ‑ hier nicht näher auszuführenden und für die vorliegende Zuständigkeitsfrage auch nicht relevanten Gründen ‑ Zweifel hegen, ob eine Sache ‑ hier: die von ihnen bezogenen bzw. produzierten Kunststofftragetaschen mit einer Mindestwandstärke von 50 Mikron in Österreich ‑ unter das Verbot des § 13j AWG 2002 fällt, gelten.

31 Aus diesen Erwägungen erweist sich die in § 6 Abs. 5 AWG als zuständige Behörde für die dort geregelten Feststellungsanträge benannte Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie als sachnächste Behörde für die gegenständlichen Feststellungsanträge und damit als die für die Entscheidung über diese Feststellungsanträge zuständige Behörde.

32 Zum Vorbringen der revisionswerbenden Parteien, bei den Kunststofftragetaschen handle es sich um Abfall, weshalb ihr Feststellungsantrag auf § 6 Abs. 1 AWG 2002 zu gründen sei und in die Zuständigkeit der Landeshauptfrau gemäß § 6 Abs. 3 AWG 2002 falle, ist festzuhalten, dass es den begehrten Feststellungen, die die Feststellung einer Ausnahme von dem, der Vermeidung im Sinne der Abfallwirtschaft dienenden Verbot des § 13j AWG 2002 begehren, an Sachnähe zur Frage fehlt, ob Kunststofftragetaschen Abfall sind, welcher Abfallart sie zuzuordnen sind oder ob es sich um notifizierungspflichtigen Abfall im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 AWG 2002 handelt. Entgegen der von den revisionswerbenden Parteien geäußerten Rechtsansicht fehlt es damit aber auch der Landeshauptfrau an Sachnähe zur Frage der gegenständlichen Feststellungsanträge.

33 Aufgrund der oben angeführten Erwägungen vermag auch die Ansicht der revisionswerbenden Parteien, wonach die Bezirkshauptmannschaft M. allein aufgrund ihrer sachlichen und örtlichen Zuständigkeit für ein Verwaltungsstrafverfahren im Falle eines Verstoßes gegen § 13j AWG 2002 zuständig sei, den Revisionen nicht zum Erfolg verhelfen, stellt diese doch ebenso nicht die sachnächste Behörde dar.

34 Das Landesverwaltungsgericht hat somit in den vorliegenden Fällen zutreffend die Beschwerden der revisionswerbenden Parteien abgewiesen, indem es die Auffassung der Landeshauptfrau von Niederösterreich und der Bezirkshauptmannschaft M., für Feststellungsanträge wie die vorliegenden nicht zuständig zu sein, bestätigt hat.

35 Die Revisionen waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

36 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 25. Mai 2023

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