BVwG I406 2270944-1

BVwGI406 2270944-12.5.2023

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z4
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:I406.2270944.1.00

 

Spruch:

 

 

I406 2270944-1/3E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Max KAPFERER, Dr. Thomas LECHNER und Dr. Martin DELLASEGA, Schmerlingstraße 2/2, 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 22.03.2023, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, stellte am 16.02.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er in der Erstbefragung wie folgt begründete:

„Ich spiele Football seit ich klein war. Ich brauchte auch eine gute Mannschaft um gut Football zu spielen und es kam die Möglichkeit in der Ukraine als Profi zu spielen. Deshalb bin ich aus Nigeria ausgereist.

Ich komme aus dem südlichen Teil von Nigeria. Dort herrschen zurzeit große Terrorprobleme, die IPOB Organisation will einen eigenen Staat kreieren und kidnappen die Leute und schaden dem Rechtstaat. Meine Oma ist schon 2x entführt worden und ich mache mir selbst große Sorgen, dass ich auch gekidnappt werde.“

2. Am 27.02.2023 und am 09.03.2023 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Als er in der Einvernahme am 27.02.2023 gebeten wurde, seine Gründe für die Ausreise aus Nigeria zu schildern, erstattete er folgendes Vorbringen;

„Meine Familie war arm, sie hatte kein Geld. Mein ganzes Leben habe ich Fußball gespielt. Mit 15 Jahren habe ich meine Familie schon verlassen und bin in ein Fußballcamp nach Lagos gezogen, wo ich bis zu meiner Ausreise in die Ukraine geblieben bin. Meine Familie hatte finanzielle Probleme. Ich habe dann ein Visum für die Ukraine bekommen.“

3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich Asyl sowie subsidiären Schutz als unbegründet ab (Spruchpunkt I. und II.). Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Ferner erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.) und stellte fest, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VII.).

4. Dagegen richtet sich die im vollen Umfang erhobene Beschwerde vom 24.04.2023.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der oben angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, Staatsangehöriger von Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben. Er gehört der Volksgruppe der Igbo an. Seine Identität steht fest.

Er ist gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer lebte vor seiner Ausreise aus Nigeria in Lagos. In Nigeria besuchte er die Grundschule und studierte drei Jahre lang an einer Universität. Seine Eltern, seine fünf Brüder und seine Schwester leben nach wie vor in Nigeria. Mit seinen Familienangehörigen steht er über WhatsApp in Kontakt. In Österreich hat er keine Verwandten und keine maßgeblichen privaten Beziehungen.

Im März 2020 reiste der Beschwerdeführer legal mit gültigem Reisedokument und mit einem ukrainischen Visum auf dem Luftweg aus Nigeria in die Ukraine aus, um dort Fußball zu spielen. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine gelangte er im März 2022 nach Ungarn und kurze Zeit darauf nach Österreich. Zumindest seit dem 13.06.2022 hält er sich in Österreich auf. Seit 07.07.2022 hat er einen aufrecht gemeldeten Hauptwohnsitz im Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf und ging bislang im Bundesgebiet keiner legalen und der Pflichtversicherung unterliegenden Erwerbstätigkeit nach. Er ist in Österreich nicht vorbestraft.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer hat Nigeria nicht aufgrund individueller Verfolgung verlassen, sondern ist aus Nigeria ausgereist, um in der Ukraine Fußball zu spielen.

Im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria wird der Beschwerdeführer keiner Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt sein.

Es liegen auch keine sonstigen Gründe vor, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat Nigeria entgegenstünden.

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass er bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in seiner Person gelegenen Gründen oder auf Grund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK geschützten Rechte oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in Nigeria ausgesetzt wäre.

1.3. Zur (auszugsweise wiedergegebenen) Lage im Herkunftsstaat (mit Angabe der Quellen), soweit sie für den vorliegenden Beschwerdefall von Relevanz sind:

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 25.01.2023

Nigeria sieht sich mit einer beispiellosen Welle unterschiedlicher, sich überschneidender Sicherheitskrisen konfrontiert. Fast jeder Teil des Landes ist aktuell von Gewalt und Kriminalität betroffen. Zu den landesweiten und regionsunspezifischen Bedrohungen gehören: (Kindes)Entführungen, Raub, Klein- und Cyberkriminalität, Verbrechen, Terrorismus/Aufstände, Auseinandersetzungen zwischen den Volksgruppen, Landstreitigkeiten, Ausbruch von Krankheiten, Proteste und Demonstrationen. In jüngster Zeit konnte eine Eskalation von einigen Konflikten beobachtet werden: So löste Nigeria mit April 2022 den Irak mit den meisten vom sog. Islamischen Staat (IS) beanspruchten Attentaten ab (ÖB 9.2022). Entführungen, Gewaltverbrechen und interkommunale Gewalt kommen in allen Regionen Nigerias vor (UKFCDO 17.1.2023).

Im Vorfeld der Wahlen im Februar 2023 wird mit einer Zunahme der Gewalt (RANE 27.10.2022) bzw. mit einem gesteigerten Aufkommen von Demonstrationen gerechnet (UKFCDO 17.1.2023). Vorbote war der Jahrestag der #EndSARS Proteste (Demonstrationen, die nach einem Massaker am 20.10.2020, wobei zwölf Menschen zu Tode kamen, zur Auflösung der für Gewaltanwendung gegen und Tötung von Zivilisten bekannten Spezialeinheit SARS - Special Anti-Robbery Squad führten), wo erneute Demonstrationen nicht zum Ort des damaligen Massakers durchgelassen wurden (RANE 27.10.2022). [Anm.: Die Einheit wurde tatsächlich nicht aufgelöst, sondern in SWAT (Special Weapons and Tactics Team) umbenannt (EASO 6.2021).] Die politischen Spannungen sind groß, während sich Nigeria auf die Parlamentswahlen 2023 vorbereitet, bei denen ein neuer Präsident gewählt werden soll. Die Wahlen finden inmitten einer zunehmenden Unsicherheit und der Bedrohung durch mehrere bewaffnete Gruppen statt (HRW 12.1.2023).

Im Nordwesten des Landes ist organisierte Bandenkriminalität präsent, v. a. in den Bundesstaaten Zamfara, Katsina und Kaduna. Bei schweren Überfällen auf Dörfer werden dabei regelmäßig Zivilisten getötet, verschleppt und vertrieben (AA 24.11.2022; vgl. EASO 6.2021). Der Nordwesten Nigerias (Bundesstaaten: Kaduna, Kano, Jigawa, Kebbi, Sokoto, Zamfara) erlebt einen komplexen, multidimensionalen Konflikt, den verschiedene Banden und ethnische Milizen gegen die Regierung führen. Die Zahl an Todesopfern im Nordwesten übersteigt mittlerweile jene im Nordosten (Stand 2021) (ÖB 9.2022). Zudem haben sich die Aktivitäten der Islamisten von den nordöstlichen Staaten in die nordwestlichen Bundesstaaten ausgeweitet (EASO 6.2021).

Im Nordosten hat sich die Sicherheitslage nach zeitweiliger Verbesserung (2015-2017) seit 2018 weiter verschlechtert (AA 24.11.2022). Angriffe erfolgen vorwiegend durch Boko Haram sowie ISWA [Islamischer Staat Westafrika] in den Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa sowie Gombe (UKFCDO 17.12023).

Der seit Jahrzehnten schwelende und immer wieder aufflammende Konflikt zwischen Hirten und Bauern im sog. „Middle Belt“ in Zentralnigeria um knapper werdende Ressourcen dauert weiter an (AA 24.11.2022; vgl. FH 28.2.2022). Beide Seiten machen sich Hassreden und Gewaltverbrechen schuldig (AA 24 .111.2022). Standen zu Beginn vor allem die Bundesstaaten Kaduna und Plateau im Zentrum der Auseinandersetzungen, haben sich diese südlich nach Nasarawa, Benue, Taraba und Adamawa ausgeweitet (AA 24.11.2022; vgl. EASO 6.2021). Bei Zusammenstößen um begrenzte Ressourcen wurden bereits tausende Menschen getötet sowie Sachbeschädigungen, Brandschatzungen und Vergewaltigungen begangen (ÖB 9.2022).

Die Lage im Südosten des Landes („Biafra“) bleibt latent konfliktanfällig. In Nigeria selbst haben die Auseinandersetzungen zwischen Regierung und der seit 2017 als „terroristische Vereinigung“ verbotenen IPOB (Indigenous People of Biafra) zugenommen (AA 24.11.2022). In der letzten Zeit hat es dort eine zunehmende Zahl von Angriffen gegeben (UKFCDO 17.1.2023). Im Niger-Delta (Zentrum der Erdöl- und Erdgasindustrie) klagt die dortige Bevölkerung über massive, auch durch internationale Ölförderkonzerne verursachte, Umweltdegradation, jahrzehntelange Benachteiligung, kaum vorhandene Infrastruktur oder Bildungseinrichtungen und Korruption (AA 24.11.2022).

Die Kriminalitätsrate in Nigeria ist sehr hoch, die allgemeine Sicherheitslage hat sich in den vergangenen Jahren laufend verschlechtert. In allen Regionen können unvorhersehbare lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser, gesellschaftlicher oder ethnischer Art. Insbesondere die Bundesstaaten Zamfara, das westliche Taraba und das östliche Nasarawa, das nördliche Sokoto und die Bundesstaaten Plateau, Kaduna, Benue, Niger und Kebbi sind derzeit von bewaffneten Auseinandersetzungen bzw. inner-ethnischen Konflikten zwischen nomadisierenden Viehzüchtern und sesshaften Farmern sowie organisierten kriminellen Banden betroffen. In den südöstlichen und südlichen Bundesstaaten Imo, Rivers, Anambra, Enugu, Ebonyi und Akwa-Ibom kommt es derzeit gehäuft zu bewaffneten Angriffen auf Institutionen staatlicher Sicherheitskräfte. Die nigerianische Polizei hat nach einem erheblichen Anstieg von Sicherheitsvorfällen am 19.5.2021 die "Operation Restore Peace" in diesen Bundesstaaten begonnen. Dies kann lokal zu einer höheren polizeilichen Präsenz führen. In den nordöstlichen Landesteilen werden fortlaufend terroristische Gewaltakte, wie Angriffe und Sprengstoffanschläge von militanten Gruppen auf Sicherheitskräfte, Märkte, Schulen, Kirchen und Moscheen verübt. Auch Angriffe auf dort tätige humanitäre Hilfsorganisationen waren zu verzeichnen. In den nördlichen bzw. nordwestlichen Bundesstaaten, insbesondere im Grenzgebiet zu Niger, kommt es verstärkt zu Entführungen und schweren Gewaltakten, deren Urheberschaft nicht eindeutig ist, die aber unter Umständen ebenfalls terroristischen Gruppen zuzuschreiben sind. Demonstrationen und Proteste sind insbesondere in Abuja und Lagos, aber auch anderen großen Städten möglich und können zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Im Juli/August 2019 und im Oktober 2020 [Anm.: im Rahmen der EndSARS Proteste] forderten diese in Abuja, Lagos und anderen Städten zahlreiche Todesopfer (AA 18.11.2022).

Das Risiko terroristischer Angriffe hat sich durch im Jahr 2022 erfolgte Attacken des ISWA im Federal Capital Territory (FCT) erhöht (UKFCDO 17.1.2023).

In der Zeitspanne Dezember 2021 bis Dezember 2022 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (2.068), Niger (1.192), Zamfara (995). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer niedrigen Zahl hervor: Ekiti (4), Gombe (9), Kano (17) (CFR 1.2023). Intensive Unsicherheit und Gewalt haben seit 2018 in Nigeria Bestand bzw. haben diese zugenommen (EASO 6.2021).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf , Zugriff 9.1.2023

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (18.11.2022): Nigeria: Reise- und Sicherheitshinweise

(Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/205788#content_5 , 18.1.2023

CFR - Council on Foreign Relations (1.2023): Nigeria Security Tracker, https://www.cfr.org/nigeria/nigeria-security-tracker/p29483 , Zugriff 18.1.2023

EASO - European Asylum Support Office (6.2021): Nigeria - Security Situation Version 1.1, https://www.ecoi.net/en/file/local/2053722/2021_06_EASO_COI_Report_Nigeria_Security_situation.pdf , Zugriff 3.10.2022

FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068780.html , Zugriff 3.10.2022

HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2022 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085483.html , Zugriff 18.1.2023

ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (9.2022): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079209/NIGR_%C3%96B-Bericht_2022_09.pdf , Zugriff 11.10.2022

RANE Worldview (27.10.2022): Two Years After the 'Lekki Massacre,' Police Brutality Still Looms Large Over Nigerian Elections, kostenpflichtiger Thinktank, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf, https://worldview.stratfor.com/article/two-years-after-lekki-massacre-police-brutality-still-looms-large-over-nigerian-elections?id=743c2bc617&e=43cabd063c&uuid=6937d4b7-893f-49da-915f-228fcd1e0261&mc_cid=04da2dd08c&mc_eid=43cabd063c ,Zugriff 10.11.2022

UKFCDO - United Kingdom Foreign, Commonwealth & Development Office [Großbritannien] (17.1.2023): Foreign travel advice - Nigeria, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria , Zugriff 18.1.2023

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 26.01.2023

Die Verfassung sieht die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz vor (AA 24.11.2022; vgl. FH 28.2.2022, ÖB 9.2022, USDOS 12.4.2022). In der Realität ist die Justiz allerdings der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen ausgesetzt (AA 24.11.2022; vgl. USDOS 12.4.2022, FH 28.2.2022). Die Justiz kann ein volles Ausmaß der Checks and Balances nicht gewährleisten (BS 23.2.2022). Vor allem auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) versuchen Politiker die Justiz zu beeinflussen (USDOS 12.4.2022). Die insgesamt zu geringe personelle und finanzielle Ausstattung sowie mangelnde Ausbildung behindern die Funktionsfähigkeit des Justizapparats und machen ihn chronisch korruptionsanfällig (AA 24.11.2022; vgl. FH 28.2.2022, USDOS 12.4.2022, ÖB 9.2022). Trotz allem hat die Justiz in der Praxis ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht (FH 28.2.2022).

Die Verfassung unterscheidet zwischen Bundesgerichten, Gerichten des Hauptstadtbezirks sowie Gerichten der 36 Bundesstaaten (ÖB 9.2022). Letztere haben die Befugnis, per Gesetz erstinstanzliche Gerichte einzusetzen (AA 24.11.2022). Daneben bestehen noch für jede der 774 LGAs eigene Bezirksgerichte (District Courts). Bundesgerichte, die nur staatlich kodifiziertes Recht anwenden, sind der Federal High Court (Gesetzgebungsmaterie des Bundes, Steuer-, Körperschafts- und auch Verwaltungssachen), der Court of Appeal (Berufungssachen u.a. der State Court of Appeal und der State Sharia and Customary Court of Appeal) sowie der Supreme Court (Revisionssachen, Organklagen) (ÖB 9.2022). An Militärgerichten finden nur Verfahren gegen Militärangehörige statt, Berufungen können allerdings an die Zivilgerichte gehen (USDOS 12.4.2022).

Mit Einführung der erweiterten Scharia-Gesetzgebung in neun nördlichen Bundesstaaten sowie den überwiegend muslimischen Teilen dreier weiterer Bundesstaaten 2000/2001 haben die staatlichen Scharia-Gerichte strafrechtliche Befugnisse erhalten, während sie zuvor auf das islamische Personenstandsrecht beschränkt waren (AA 22.2.2022). Laut Bundesverfassung wird die Verfassung und Zuständigkeit der Gerichte seit 1999 betreffend das anzuwendende Rechtssystem (Common Law oder Customary Law) durch Gesetze der Bundesstaaten festgestellt. Einzelne Bundesstaaten haben neben Gerichten für Common Law und Customary Law auch Scharia-Gerichte geschaffen. Mehrere Bundesstaaten, einschließlich die gemischt-konfessionellen Bundesstaaten Benue und Plateau, haben auch Scharia-Berufungsgerichte eingerichtet (ÖB 9.2022).

Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität oder Ähnliches diskriminiert, ist nicht erkennbar. Das bestehende System benachteiligt jedoch tendenziell Ungebildete und Arme, die sich weder von Beschuldigungen freikaufen noch eine Freilassung auf Kaution erwirken oder sich einen Rechtsbeistand leisten können. Zudem ist vielen eine angemessene Wahrung ihrer Rechte aufgrund von fehlenden Kenntnissen selbst elementarster Grund- und Verfahrensrechte nicht möglich (AA 24.11.2022). Gesetzlich vorgesehen sind prozessuale Rechte wie die Unschuldsvermutung, zeitnahe Information über die Anklagepunkte, das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren in angemessener Zeit, das Recht auf einen Anwalt, das Recht auf ausreichende Zeit zur Vorbereitung der Verteidigung, nicht gezwungen werden, auszusagen oder sich schuldig zu bekennen, Zeugen zu befragen und das Recht auf Berufung. Diese Rechte werden jedoch nicht immer gewährleistet, vor allem aufgrund von Personalmangel (USDOS 12.4.2022). Vor allem das Recht auf ein zügiges Verfahren wird jedoch kaum gewährleistet. Auch der gesetzlich garantierte Zugang zu einem Rechtsbeistand oder zu Familienangehörigen wird nicht immer ermöglicht (AA 24.11.2022).

Der Zugang zu staatlicher Prozesskostenhilfe ist in Nigeria beschränkt: Das Institut der Pflichtverteidigung wurde erst vor Kurzem in einigen Bundesstaaten eingeführt. Lediglich in den Landeshauptstädten existieren NGOs, die sich zum Teil mit staatlicher Förderung der rechtlichen Beratung von Beschuldigten bzw. Angeklagten annehmen. Gerade in den ländlichen Gebieten gibt es jedoch zahlreiche Verfahren, bei denen Beschuldigte und Angeklagte ohne rechtlichen Beistand mangels Kenntnis ihrer Rechte schutzlos bleiben (AA 24.11.2022). Dauerinhaftierungen ohne Anklage oder Urteil, die sich teils über mehrere Jahre hinziehen, sind weit verbreitet (AA 24.11.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Entgegen gesetzlicher Vorgaben ist die Untersuchungshaft nicht selten länger als die maximal zu erwartende gesetzliche Höchststrafe des jeweils infrage stehenden Delikts. Außerdem bleiben zahlreiche Häftlinge auch nach Verbüßung ihrer Freiheitsstrafen in Haft, weil ihre Vollzugsakten unauffindbar sind (AA 24.11.2022).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf , Zugriff 9.1.2023

BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 - Nigeria Country Report, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2022_NGA.pdf , Zugriff 3.10.2022

FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068780.html , Zugriff 3.10.2022

ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (9.2022): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079209/NIGR_%C3%96B-Bericht_2022_09.pdf , Zugriff 11.10.2022

USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071178.html , Zugriff 3.10.2022

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 26.01.2023

Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsaufgaben obliegen der rund 360.000 Mann starken (Bundes-)Polizei [Anm.: National Police Force - NPF], die dem Generalinspekteur der Polizei in Abuja untersteht (AA 24.11.2022; vgl. EASO 6.2021). Das Verhältnis von Polizei zu Bevölkerung, etwa ein Polizist pro 400-500 Nigerianer, ist im UN-Vergleich sehr niedrig (ÖB 9.2022). Gemäß einer anderen Quelle verfügt Nigeria in absoluten Zahlen zwar über eine der größten Polizeitruppen der Welt, dennoch liegt die Rate von Polizeibeamten zur Bevölkerungszahl von demnach 1:600 deutlich unter der von der UN empfohlenen Rate von 1:450 (EASO 6.2021). Die nigerianische Polizei ist zusammen mit anderen Bundesorganisationen die wichtigste Strafverfolgungsbehörde. Das Department of State Service (DSS), via nationalen Sicherheitsberater dem Präsidenten unterstellt, ist ebenfalls für die innere Sicherheit zuständig (USDOS 12.4.2022).

Die nigerianischen Streitkräfte, die dem Verteidigungsministerium unterstehen, sind für die äußere Sicherheit zuständig, haben aber auch einige Zuständigkeiten im Bereich der inneren Sicherheit (USDOS 12.4.2022). Die nigerianischen Streitkräfte umfassen 2021 schätzungsweise 135.000 Mann, davon 100.000 in der Armee, 20.000 Marine und Küstenwache, sowie 15.000 in der Luftwaffe. Paramilitärische Gruppen werden auf eine Gesamtstärke von 80.000 geschätzt (EASO 6.2021).

In vielen Bundesstaaten wurden als Reaktion auf zunehmende Gewalt, Unsicherheit und Kriminalität, welche die Reaktionsfähigkeit der staatlichen Sicherheitskräfte überstiegen, lokale "Sicherheits"-Organisationen geschaffen. Diese lokalen Kräfte unterstehen dem Gouverneur des Staates (USDOS 12.4.2022).

Etwa 100.000 Polizisten sollen bei Personen des öffentlichen Lebens und einflussreichen Privatpersonen als Sicherheitskräfte tätig sein. Alle Sicherheitsorgane (Militär, Staatsschutz sowie paramilitärische Einheiten, die sogenannten Rapid Response Squads) werden neben der Polizei auch im Innern eingesetzt (AA 24.11.2022).

Die National Drug Law Enforcement Agency (NDLEA) ist für alle Straftaten in Zusammenhang mit Drogen zuständig. Der NDLEA wird im Vergleich zu anderen Behörden mit polizeilichen Befugnissen eine gewisse Professionalität attestiert. In den Zuständigkeitsbereich dieser Behörde fällt Dekret 33, welches ein zusätzliches Verfahren für im Ausland bereits wegen Drogendelikten verurteilte, nigerianische Staatsbürger vorsieht. Dagegen zeichnen sich die NPF und die Mobile Police (MOPOL) durch geringe Professionalität, mangelnde Disziplin, häufige Willkür und geringen Diensteifer aus (ÖB 9.2022). Die Polizei ist durch niedrige Besoldung sowie schlechte Ausrüstung, Ausbildung und Unterbringung gekennzeichnet (AA 24.11.2022).

Polizei, DSS und Militär sind zivilen Autoritäten unterstellt, sie operieren jedoch zeitweise außerhalb ziviler Kontrolle (USDOS 12.4.2022). Die Regierung scheiterte an der Reorganisation des Militärs und der Polizei trotz hohen finanziellen und personellen Einsatzes (BS 23.2.2022). Die Regierung verwendete regelmäßig Disziplinarkommissionen und andere Mechanismen, um Verbrechen während des Dienstes durch Beamte zu untersuchen, aber die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden oft nicht veröffentlicht. Die Beschwerdestelle der nigerianischen Polizei versucht, das Vertrauen der Bürger in die Polizei wiederherzustellen, indem sie die Täter zur Verantwortung zieht. Die neu gestaltete Beschwerdestelle wurde weitgehend als glaubwürdige, wenn auch erst im Entstehen begriffene Maßnahme der Regierung zur Sammlung und Bearbeitung von Beschwerden der Bürger über polizeiliches Fehlverhalten wahrgenommen. Darüber hinaus hat der Polizeiminister im April einen Ausschuss für öffentliche Beschwerden bei der Polizei eröffnet, der es den Bürgern ermöglicht, offizielle Beschwerden über Missstände oder Fehlverhalten von Polizeibeamten einzureichen (USDOS 12.4.2022).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf , Zugriff 9.1.2023

BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 - Nigeria Country Report, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2022_NGA.pdf , Zugriff 3.10.2022

EASO - European Asylum Support Office (6.2021): Nigeria - Security Situation Version 1.1, https://www.ecoi.net/en/file/local/2053722/2021_06_EASO_COI_Report_Nigeria_Security_situation.pdf , Zugriff 3.10.2022

ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (9.2022): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079209/NIGR_%C3%96B-Bericht_2022_09.pdf , Zugriff 11.10.2022

USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071178.html , Zugriff 3.10.2022

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 26.01.2023

Die 1999 in Kraft getretene Verfassung Nigerias enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog (AA 24.11.2022; vgl. ÖB 9.2022). Dieser ist zum Teil jedoch weitreichenden Einschränkungen unterworfen (AA 24.11.2022). Seit Amtsantritt der Zivilregierung im Jahr 1999 hat sich die Menschenrechtssituation zwar verbessert (Freilassung politischer Gefangener, relative Presse- und Meinungsfreiheit, nur vereinzelte Vollstreckung der Todesstrafe) (ÖB 9.2022), doch bleibt die Umsetzung der eingegangenen menschenrechtlichen Verpflichtungen in vielen Bereichen deutlich hinter internationalen Standards zurück (AA 24.11.2022) und viele Probleme bleiben ungelöst, wie etwa Armut, Analphabetentum, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, die Scharia-Rechtspraxis, Entführungen und Geiselnahmen sowie das Problem des Frauen- und Kinderhandels. Zudem ist der Schutz von Leib und Leben der Bürger gegen Willkürhandlungen durch Vertreter der Staatsmacht keineswegs verlässlich gesichert und besteht weitgehend Straflosigkeit bei Verstößen der Sicherheitskräfte und bei Verhaftungen von Angehörigen militanter Organisationen. Das hohe Maß an Korruption auch im Sicherheitsapparat und der Justiz wirkt sich negativ auf die Wahrung der Menschenrechte aus (ÖB 9.2022).

Zu den schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen gehören glaubwürdige Berichte über: rechtswidrige und willkürliche Tötungen durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; gewaltsames Verschwindenlassen durch die Regierung, Terroristen und kriminelle Gruppen; Folter und Fälle von grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung durch die Regierung und terroristische Gruppen (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022); harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Verhaftungen oder Inhaftierungen; politische Gefangene; schwerwiegende Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz; willkürliche oder unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre; schwerwiegende Misshandlungen in einem Konflikt, einschließlich Tötungen, Entführungen und Folter von Zivilisten (USDOS 12.4.2022); schwerwiegende Einschränkungen der freien Meinungsäußerung und der Medienfreiheit, einschließlich Gewalt oder Drohungen gegen Journalisten und die Existenz von Verleumdungsgesetzen (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022, AI 29.3.2022); schwerwiegende Einschränkungen der Internetfreiheit (USDOS 12.4.2022); erhebliche Eingriffe in die friedliche Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (USDOS 12.4.2022; vgl. AI 29.3.2022); schwerwiegende Korruption in der Regierung; fehlende Ermittlungen und Rechenschaftspflicht bei geschlechtsspezifischer Gewalt, einschließlich, aber nicht beschränkt auf häusliche und intime Partnergewalt, sexuelle Gewalt, Kinder-, Früh- und Zwangsverheiratung, weibliche Genitalverstümmelung/-beschneidung und andere schädliche Praktiken; Gewaltverbrechen, die sich gegen Angehörige nationaler/rassischer/ethnischer Minderheiten richten (USDOS 12.4.2022); das Vorhandensein oder die Anwendung von Gesetzen, die einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen unter Strafe stellen (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022); und das Vorhandensein der schlimmsten Formen von Kinderarbeit (USDOS 12.4.2022). Frauen sind allgegenwärtiger Diskriminierung ausgesetzt (FH 28.2.2022).

Die in den Jahren 2000/2001 eingeführten, strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia in zwölf nördlichen Bundesstaaten führten zu Amputations- und Steinigungsurteilen. Die wenigen Steinigungsurteile wurden jedoch jeweils von einer höheren Instanz aufgehoben; auch Amputationsstrafen wurden in den vergangenen Jahren nicht vollstreckt (USDOS 12.4.2022). Nach Kenntnis des Auswärtigen Amts wurden in den frühen 2000er-Jahren drei Amputationsurteile vollstreckt, weitere Vollstreckungen sind nicht bekannt geworden. Die Dunkelziffer liegt ggf. höher, da Scharia-Gerichte Vollstreckungen nicht systematisch dokumentieren (AA 24.11.2022). Im Jahr 2021 gab es Berichte über Auspeitschen in den Bundesstaaten Kaduna und Kano (USDOS 12.4.2022).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf , Zugriff 9.1.2023

AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Nigeria 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070310.html , Zugriff 3.10.2022

FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068780.html , Zugriff 3.10.2022

ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (9.2022): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079209/NIGR_%C3%96B-Bericht_2022_09.pdf , Zugriff 11.10.2022

USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071178.html , Zugriff 3.10.2022

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Letzte Änderung: 26.01.2023

Die Versammlungsfreiheit wird durch die Verfassung garantiert. Allerdings wird sie bisweilen durch das Eingreifen der Sicherheitsorgane gegen politisch unliebsame Versammlungen (z. B. von Schiiten oder Biafra-Aktivisten) in der Praxis eingeschränkt (AA 24.11.2022; vgl. USDOS 12.4.2022; FH 28.2.2022). Die Regierung verbietet gelegentlich gezielt Versammlungen, wenn sie zu dem Schluss kommt, dass deren politischer, ethnischer oder religiöser Charakter zu Unruhen führen könnte. Die Regierung schränkt öffentliche Versammlungen ein, einschließlich vorübergehender Verbote von Gottesdiensten in einigen Bundesstaaten, als Reaktion auf COVID-19 (USDOS 12.4.2022).

Die Vereinigungsfreiheit wird durch die Verfassung ebenso garantiert (AA 24.11.2022; vgl. ÖB 9.2022) wie das Recht, einer politischen Partei oder einer Gewerkschaft anzugehören (AA 24.11.2022). Dies wird auch praktiziert (ÖB 9.2022) und hat zur Herausbildung einer lebendigen Zivilgesellschaft mit zahlreichen NGOs geführt. Gleichzeitig gibt es verschiedene Versuche der Regierung, zivilgesellschaftlichen Handlungsspielraum durch repressive Gesetzgebung und Verwaltungspraxis einzuschränken. Gewerkschaften können sich grundsätzlich frei betätigen (AA 24.11.2022).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf , Zugriff 9.1.2023

FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068780.html , Zugriff 3.10.2022

ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (9.2022): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079209/NIGR_%C3%96B-Bericht_2022_09.pdf , Zugriff 11.10.2022

USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071178.html , Zugriff 3.10.2022

OPPOSITION, INKL. IPOB UND IMN UND YORUBA-SEPERATISTEN

Letzte Änderung: 26.01.2023

In Nigeria kann sich die politische Opposition grundsätzlich frei betätigen. Das gilt nicht nur für die parlamentarische Opposition, sondern auch für außerparlamentarische Parteien und Gruppen. Bislang sind auch – meist marginale – Gruppen mit sezessionistischen Zielen (etwa Biafra) weitgehend toleriert worden (AA 24.11.2022).

Die Indigenous People of Biafra (IPOB) sind im September 2017 und die schiitische „Islamic Movement of Nigeria“ (IMN) im August 2019 verboten worden (AA 24.11.2022). Im Jahr 2021 kam es vermehrt zu Agitationen seitens IPOB im Südosten und der Yoruba Nation im Südwesten. Dies unterstreicht die steigenden Spannungen im Land. Die Behörden reagieren darauf manchmal mit exzessiver Gewalt (HRW 13.1.2022). Sicherheitskräfte und Bürgerwehren, die gegen die Separatisten vorgehen, sind in Misshandlungen, einschließlich außergerichtlicher Tötungen, in der Region verwickelt. Nigerianische Medien berichteten, dass zwischen Jänner und Mai 2022 über 287 Menschen im Südosten des Landes getötet wurden (HRW 12.1.2023).

IPOB: Die separatistische Gruppe Indigenous People of Biafra (IPOB) strebt die Abspaltung von einigen Bundesstaaten im Südosten (einschließlich dem ölreichen Niger Delta) an, die hauptsächlich aus Angehörigen der ethnischen Gruppe der Igbo (Christen) besteht und die Ausrufung der unabhängigen Nation Biafra anstrebt. IPOB wurde 2014 von Nnamdi Kanu gegründet (er muss sich derzeit wegen Terrorismus und Hochverrats vor Gericht verantworten) (ÖB 9.2022). Den nigerianischen Behörden gelang im Juni 2021 die neuerliche Verhaftung Kanos (ÖB 10.2021; vgl. HRW 13.1.2022). Ihm werden elf Delikte, darunter Terrorismus, Verrat, unerlaubter Waffenbesitz und Verbreitung verleumderischer Nachrichten, zur Last gelegt (ÖB 10.2021; vgl. BAMF 5.7.2021). Der Prozess gegen Nnamdi Kanu, den Anführer der Gruppe Indigenous People of Biafra (IPOB), die für die Abspaltung des Südostens Nigerias eintritt, wegen Hochverrats und Terrorismus wurde durch ein Vorverfahren verzögert, bei dem das Gericht zwei Kautionsanträge ablehnte. Der Richter strich außerdem acht der fünfzehn gegen Kanu erhobenen Anklagen, weil er keine gültigen Straftaten nachweisen konnte. Im Oktober 2022 wurde Kanu vom nigerianischen Berufungsgericht von den verbleibenden Anklagen entlastet und freigesprochen, blieb aber in Haft, nachdem die Regierung erneut Berufung beim Obersten Gerichtshof eingelegt hatte, um diese Entscheidung anzufechten (HRW 12.1.2023).

2020 wurde der bewaffnete Arm der IPOB, das Eastern Security Network (ESN), gegründet. Das ESN wird mit zahlreichen tödlichen Anschlägen auf Polizeistationen und andere öffentliche Einrichtungen in Verbindung gebracht (ÖB 10.2021). Im August 2020 kam es bei einem Treffen der IPOB in der Stadt Enugu zu Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften. Gemäß IPOB sind demnach 21 Mitglieder getötet und 47 verhaftet worden (BAMF 24.8.2020), laut Polizei wurden hingegen vier IPOB-Mitglieder verhaftet und vier getötet (BAMF 24.8.2020; vgl. AI 7.4.2021). Zwischen September 2020 und Mai 2021 gab es eine Welle von Angriffen auf Polizeistationen und öffentliche Gebäude im Südwesten Nigerias, die dem ESN zugeschrieben werden (BBC 4.7.2021). Nach Medienangaben wird dem ESN vorgeworfen, in den letzten Monaten vor Juli 2021 mindestens 60 Menschen - zumeist Polizeiangehörige - getötet zu haben (BAMF 5.7.2021). Die Mitgliederzahl des ESN beläuft sich nach Angaben der nigerianischen Armee auf etwa 50.000. Das ESN unterhält in verschiedenen Teilen des Südostens Nigerias Ausbildungslager. Es behauptet auch, Ausbildungslager in anderen Teilen der Süd-Süd-Region zu haben. Es gibt eine Kommandostruktur. Der Anführer der IPOB, Mazi Nnamdi Kanu, kann als sein Oberbefehlshaber angesehen werden (VA ÖB 27.5.2022).

IMN: Die Regierung hat in den letzten Jahren heftig auf die Aktivitäten des IMN reagiert. 2015 überfielen Sicherheitskräfte das Gelände von el-Zakzaky, verhafteten ihn und seine Frau und töteten mindestens 300 IMN-Mitglieder. Dutzende Weitere wurden bei einem Armeeeinsatz im Jahr 2018 getötet (FH 28.2.2022). Die IMN ist im August 2019 verboten worden (AA 24.11.2022). Im September 2021 wurden acht Menschen getötet und 57 festgenommen, als Sicherheitskräfte und das IMN in Abuja zusammenstießen (FH 28.2.2022). Die seit Ende 2015 andauernde Inhaftierung von Ibrahim Zakzaky führte immer wieder zu Straßenprotesten in der Hauptstadt Abuja, in deren Folge es bei gewaltsamen Zusammenstößen mit Sicherheitskräften zu Dutzenden Toten gekommen war. Nach fast sechs Jahren in Haft wurden Ibrahim Zakzaky und seine Ehefrau am 28.7.2021 infolge eines Freispruchs durch den Obersten Gerichtshof des Bundesstaats Kaduna freigelassen. Die Staatsanwaltschaft soll die Freilassung des Paares bestätigt und Berufung gegen den Freispruch angekündigt haben. Nach zahlreichen Freisprüchen von Mitgliedern der IMN in den Jahren 2019 und 2020 war zuletzt nur noch das Ehepaar in Haft gesessen. Vorgeworfen wurde dem Paar u.a. Mord, Verschwörung und Störung des Friedens (BAMF 2.8.2021).

Yoruba Seperatisten: Auch der Südwesten Nigerias, lange Zeit die friedlichste Region des Landes, blieb von den jüngsten Spannungen und Unruhen zwischen den Volksgruppen nicht verschont. Anders als in anderen Teilen des Landes beruhen die Konflikte nicht auf religiösen Extremismus oder Terrorismus, sondern werden als Ausdruck der versuchten Unterdrückung der Yoruba durch die (muslimischen) Fulani gesehen, die demnach aufgrund ihrer Vertretung in der Bundesregierung im Verdacht stehen, Immunitäten für ihre Straftaten zu genießen. Durch die zunehmenden Spannungen wurde das – bisher inaktive – Engagement der Yoruba-Separatisten verschärft. Sie streben die Ausrufung der "Oduduwa-Republik" an (ÖB 9.2022).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf , Zugriff 9.1.2023

AI - Amnesty International (7.4.2021): Amnesty Report, Nigeria, 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048597.html , Zugriff 4.10.2022

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (2.8.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw31-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=2 , Zugriff 4.10.2022

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (17.10.2022): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw42-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=4 , Zugriff 10.11.2022

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (5.7.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw27-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=3 , Zugriff 4.10.2022

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (24.8.2020): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/BADE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2020/briefingnotes-kw35-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=4 , Zugriff 4.10.2022

BBC - British Broadcasting Corporation (4.7.2021): Nnamdi Kanu's arrest leaves Nigeria's Ipob separatists in disarray, https://www.bbc.com/news/world-africa-57693863 , Zugriff 4.10.2022

FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068780.html , Zugriff 3.10.2022

HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2022 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085483.html , Zugriff 18.1.2023

HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/document/2066473.html , Zugriff 4.10.2022

ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (9.2022): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079209/NIGR_%C3%96B-Bericht_2022_09.pdf , Zugriff 11.10.2022

ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2021): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2066259/NIGR_%C3%96B-Bericht_2021-10.pdf , Zugriff 4.10.2022

TG - The Guardian (30.9.2022): Court schedules hearing on Kanu’s extraordinary rendition case, https://guardian.ng/news/nigeria/court-schedules-hearing-on-kanus-extraordinary-rendition-case/ , Zugriff 4.10.2022

VA ÖB - Vertrauensanwalt der ÖB Abuja (27.5.2022): Antwort des VA in Abuja übermittelt von der ÖB am 27.5.2022

Bewegungsfreiheit

Letzte Änderung: 26.01.2023

Die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land sowie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung. Allerdings schränken Sicherheitsbeamte die Bewegungsfreiheit durch Ausgangssperren ein, vor allem in Gebieten, in denen es Terroranschläge oder ethnisch motivierte Gewalt gibt (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022). Dies betrifft aufgrund der Operationen gegen Boko Haram und ISIS-WA vor allem die Bundesstaaten Adamawa, Borno und Yobe. Auch in anderen Bundesstaaten kommt es in Reaktion auf gewaltsame Auseinandersetzungen in ländlichen Regionen mitunter zu Ausgangssperren. Bei Operationen von Sicherheitskräften in Städten und an Hauptverkehrsstraßen werden gelegentlich Checkpoints eingerichtet (USDOS 12.4.2022).

Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen (USDOS 12.4.2022). Grundsätzlich besteht in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen (AA 24.11.2022). In den vergangenen Jahrzehnten hat eine fortgesetzte Durchmischung der Wohnbevölkerung auch der „Kern“-Staaten der drei Hauptethnien (Hausa-Fulani, Yoruba, Igbo) stattgefunden. So ist insbesondere eine starke Nord-Süd-Wanderung feststellbar, wodurch Metropolen wie Lagos heute weitgehend durchmischt sind. Es bestehen daher innerstaatliche Fluchtalternativen (ÖB 9.2022). Ein innerstaatlicher Umzug kann allerdings mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, an dem keine Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder der Dorfgemeinschaft leben. Angesichts der Wirtschaftslage, ethnischem Ressentiment und der Bedeutung großfamiliärer Bindungen in der Gesellschaft ist es für viele Menschen schwer, an Orten ohne ein bestehendes soziales Netz erfolgreich Fuß zu fassen. Für alleinstehende Frauen besteht zudem die Gefahr, bei einem Umzug in die Großstadt von der eigenen Großfamilie keine wirtschaftliche Unterstützung mehr zu erhalten (AA 24.11.2022).

Bundesstaats- und Lokalregierungen diskriminieren regelmäßig ethnische Gruppen, die in ihrem Gebiet nicht einheimisch sind. Dies nötigt gelegentlich Personen dazu, in jene Regionen zurückzukehren, aus denen ihre ethnische Gruppe abstammt, obwohl sie dort über keine familiäre Bindung mehr verfügen (USDOS 12.4.2022). Im Allgemeinen gibt es Teile des Landes, in denen eine Person keine begründete Furcht vor Verfolgung haben muss bzw. die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, nicht besteht - abhängig von der Art der Bedrohung durch nicht-staatliche Akteure bzw. die Lebensumstände der Person. Allerdings kann die Umsiedlung für alleinstehende Frauen, Nicht-Einheimische ohne Zugang zu Unterstützungsnetzwerken sowie für Angehörige sexueller Minderheiten schwieriger sein (UKHO 9.2021).

Für Überlandfahrten stehen mehrere Busunternehmen zur Verfügung, so z. B. ABC Transport, Cross Country Limited, Chisco und GUO Transport. Die Busse bieten Komfort, sind sicher, fahren planmäßig und kommen in der Regel pünktlich am Zielort an. Die nigerianische Eisenbahn gilt als preisgünstiges, aber unzuverlässiges Transportmittel. Günstige Inlandflüge zwischen den Städten werden von mehreren nigerianischen Fluggesellschaften angeboten. Um innerhalb einer der Städte Nigerias von einem Ort zum anderen zu gelangen, stehen Taxis, Minibusse, Dreirad, die Keke und Motorradtaxis, die Okada genannt werden, zur Verfügung (GIZ 9.2020).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf , Zugriff 9.1.2023

FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068780.html , Zugriff 3.10.2022

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Nigeria - Alltag, https://www.liportal.de/nigeria/alltag/ , Zugriff 1.9.2021 [Anm.: Der Link ist mit Stand 3.5.2022 nicht abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und abrufbar]

ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (9.2022): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079209/NIGR_%C3%96B-Bericht_2022_09.pdf , Zugriff 11.10.2022

UKHO - United Kingdom Home Office [Großbritannien] (9.2021): Country Policy and Information Note Nigeria: Internal relocation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060292/NGA_CPIN_Internal_Relocation.pdf , Zugriff 11.10.2022

USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071178.html , Zugriff 3.10.2022

MELDEWESEN

Letzte Änderung: 26.01.2023

Ein Meldewesen ist nicht vorhanden (ÖB 9.2022; vgl. AA 24.11.2022; EASO 24.1.2019), wie u. a. zahlreiche Quellen bei EASO angeben. Nur eine Quelle behauptet, dass es eine Art Meldewesen gibt. Es bestehen gesetzliche Voraussetzungen, damit Bundesstaaten ein Meldewesen einrichten können. Bislang hat lediglich der Bundesstaat Lagos davon Gebrauch gemacht (EASO 24.1.2019). Auch ein funktionierendes nationales polizeiliches Fahndungssystem existiert nicht. Daraus resultiert, dass eine Ausforschung einmal untergetauchter Personen kaum mehr möglich ist. Das Fehlen von Meldeämtern und bundesweiten polizeilichen Fahndungsbehörden ermöglicht es in den allermeisten Fällen, bereits in der näheren Umgebung unterzutauchen (ÖB 9.2022).

Im Sheriffs and Civil Process Act Chapter 407, Laws of the Federation of Nigeria 1990 sind Ladungen vor Gericht geregelt. Der Sheriff oder von ihm bestellte Gerichtsvollzieher (Bailiffs) müssen die Ladungen in ganz Nigeria persönlich zustellen (ÖB 9.2022).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf , Zugriff 9.1.2023

EASO - European Asylum Support Office (24.1.2019): Query Response - Identification documents system in Nigeria, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf

ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (9.2022): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079209/NIGR_%C3%96B-Bericht_2022_09.pdf , Zugriff 11.10.2022

Grundversorgung

Letzte Änderung: 26.01.2023

Nigeria ist als bevölkerungsreichstes Land Afrikas mit geschätzten mehr als 218 Millionen Einwohnern neben Ägypten und Südafrika eine der größten Volkswirtschaften des Kontinents (ÖB 9.2022). Vor einigen Jahren zog das westafrikanische Land in puncto Wirtschaftsleistung an Südafrika vorbei. Wegen des Doppelschocks (Covid-19-Pandemie, Verfall der Ölpreise) war Nigerias Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2020 real um 1,8 Prozent geschrumpft. Danach ging es wieder bergauf: Im Jahr 2021 sind die Ölpreise kräftig gestiegen und auch andere Bereiche der Wirtschaft haben sich zunehmend erholt (ABG 12.2022). 2021 erreichte die nigerianische Wirtschaft vor allem aufgrund der deutlich gestiegenen Ölpreise und der fortschreitenden Erholung des privaten Sektors ein deutlich über den Erwartungen des IWF liegendes reales Wachstum von 3,6 Prozent. Damit gelang nach sechs Jahren wirtschaftlichen Wachstums, welches durchgehend niedriger als das Bevölkerungswachstum war, eine Trendumkehr (WKO 13.6.2022).

Nigeria leidet, ebenso wie andere ressourcenreiche Entwicklungsländer, unter dem sogenannten Erdöl-Fluch. Dieser hat in den letzten 40 Jahren zur Vernachlässigung vieler anderer Wirtschaftszweige geführt und die Importabhängigkeit des Landes in vielen Bereichen sehr groß werden lassen. Der Erdölsektor erwirtschaftet über 95 Prozent der Exporteinnahmen und über 60 Prozent der Staatseinnahmen Nigerias. Er stagnierte während der letzten Jahre jedoch in seiner Entwicklung und trägt lediglich ca. acht Prozent zum BIP bei. Die große Abhängigkeit von Erdöl und Erdgas im Bereich des Exports und damit der Einnahme von Devisen war die grundlegende Ursache der nigerianischen Wirtschaftskrisen der Jahre 2016, 2017 und 2020. Gleichzeitig stellt der Import von raffinierten Erdölprodukten den größten Ausgabeposten bei den Importen dar. Dies ist einerseits durch die mangelnde Funktionstüchtigkeit der vier großen staatlichen nigerianischen Raffinerien zu erklären, andererseits aber auch dadurch, dass die Stromversorgung von Produktionsbetrieben und Infrastruktureinrichtungen sowie von wohlhabenderen Haushalten zum Großteil auf den Betrieb von Dieselgeneratoren beruht. Eine deutliche Verbesserung der Situation sollte sich aus den Ergebnissen der Turn-Around-Wartungsarbeiten an den großen staatlichen Raffinerien sowie aus der Inbetriebnahme der weltgrößten Einstrang-Ölraffinerie durch die private Dangote Group ergeben (ÖB 9.2022).

Das Wirtschaftswachstum liegt in Nigeria unter dem Bevölkerungswachstum. Auch mittelfristig ist keine nennenswerte Veränderung dieser Situation zu erwarten (geschätztes BIP-Wachstum für 2022: 2,5 Prozent; geschätztes Bevölkerungswachstum 2,6-3,2 Prozent). Gemäß Weltbank ist das geschätzte Wirtschaftswachstum für 2022-2024 durchschnittlich 3,2 Prozent. Die Ungleichheit in Bezug auf Einkommen und Chancen ist nach wie vor groß und hat sich negativ auf die Armutsbekämpfung ausgewirkt (WB 14.9.2022). Die Verarmung des Großteils der nigerianischen Bevölkerung wird sich fortsetzen. Das Fehlen wirtschaftlicher Chancen bei gleichzeitig hohem Bevölkerungswachstum gilt als Hauptantrieb für Migration. Sozio-ökonomisch betrachtet gehören die Migranten eher zur wachsenden gebildeten unteren Mittelklasse und kommen oft aus Städten des Südens und Südwestens Nigerias (vor allem aus dem Bundesstaat Edo). Dort gibt es seit Jahrzehnten eine hohe Mobilität landwirtschaftlicher Arbeitskräfte, Schmuggel- und Menschenhandelsnetzwerke, eine prekäre Arbeitssituation und kaum Aussicht für Jugendliche, das angestrebte Lebensziel zu verwirklichen. Sozio-kulturelle Zwänge sowie ein von sozialen Medien falsches kolportiertes Bild von Europa sind weitere Push-Faktoren (ÖB 9.2022).

Stärken der nigerianischen Wirtschaft: Reiche Erdöl- und Gasvorkommen; relativ breit aufgestellte Industrie in Lagos; größter Verbrauchermarkt Afrikas mit mehr als 210 Millionen Einwohnern; großer Pool an motivierten Arbeitskräften. Schwächen: schlechte Infrastruktur; Korruption und Vetternwirtschaft in der öffentlichen Verwaltung; hohe Standortkosten und steigende Sicherheitskosten; Großteil der Bevölkerung mit rückläufiger Kaufkraft (ABG 12.2022). Nigeria verfügt durch in den 1950er bzw. 1970er-Jahren entdeckte umfangreiche Öl- und Gasvorkommen, großteils noch unerschlossene Bodenschätze, eine ausreichende Agrarbasis, ein relativ günstiges Klima und fruchtbare Böden, eine vergleichsweise gut ausgebaute, jedoch unzureichend instandgehaltene Infrastruktur und einen Binnenmarkt von mehr als 200 Millionen Menschen über deutlich bessere Entwicklungschancen als die meisten anderen Staaten Westafrikas (ÖB 9.2022).

Nigeria ist im Bereich der Landwirtschaft keineswegs autark, sondern auf Importe, vor allem von Reis, angewiesen. Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertriebenenbewegungen als Folge der Attacken durch Boko Haram und ISWAP, herrschen lang andauernde Hungerperioden in den nördlichen, insbesondere nordöstlichen Bundesstaaten (ÖB 9.2022). Die Inflation bei Lebensmitteln in Nigeria erreichte im Juli 2022 22 Prozent und verursachte große Probleme, da die Familien darum kämpfen, sich Lebensmittel leisten zu können. Im Juni 2022 gab die Bundesregierung bekannt, dass 2 Millionen Haushalte von ihrem Conditional Cash Transfer (CCT) Programm profitieren (HRW 12.1.2023).

Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt. Etwa 60 Prozent der geschätzten 200 Millionen Menschen leben in absoluter Armut (BS 23.2.2022). Gemäß Schätzungen der Weltbank leben ca. 40 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze von 1,9 US-Dollar pro Tag, 30 Prozent (ca 70 Millionen Menschen) in extremer Armut (ÖB 9.2022). Nach Schätzungen der Weltbank leben über 95 Millionen Nigerianer in Armut und müssen mit etwa 1,90 US-Dollar pro Tag auskommen. Eine Untersuchung von Human Rights Watch aus dem Jahr 2021 ergab, dass Nigeria über kein funktionierendes Sozialschutzsystem verfügt, das die Bürger vor wirtschaftlichen Schocks schützt. Außerdem wurde festgestellt, dass Ad-hoc-Initiativen wie das CCT-Programm nicht in der Lage waren, das Recht der Menschen auf einen angemessenen Lebensstandard während der Covid-19-Pandemie zu schützen (HRW 12.1.2023).

Die letzten offiziellen Zahlen des nigerianischen National Bureau of Statistics (NBS) die Arbeitslosigkeit betreffend stammen aus dem 4. Quartal 2020. Demnach waren Ende 2020 56,1 Prozent der arbeitsfähigen nigerianischen Bevölkerung entweder arbeitslos (33,3 Prozent) oder unterbeschäftigt (22,8 Prozent). Damit hat sich die Arbeitslosigkeit laut offiziellen Daten innerhalb von fünf Jahren mehr als vervierfacht. Zumindest jeder zweite erwerbsfähige nigerianische Bürger ist völlig ohne Arbeit oder unterbeschäftigt (ÖB 9.2022). Laut NBS sind mit Stand Mai 2022 immer noch die Zahlen aus Q4 2020 die aktuellsten. Die Arbeitslosigkeit lag im Q4 2020 bei 33,3 Prozent (NBS 2022). Verschiedene Programme auf Ebene der Bundesstaaten aber auch der Zentralregierung zielen auf die Steigerung der Jugendbeschäftigung ab (ÖB 9.2022; vgl. BS 23.2.2022).

Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Eine immer noch geringe Anzahl von Nigerianern (acht Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 23.2.2022).

Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige (ÖB 9.2022). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 23.2.2022). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 9.2022).

Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Die Nahrungsmittelkrise infolge der russischen Invasion in der Ukraine treibt die Getreidepreise beträchtlich in die Höhe (ÖB 9.2022).

Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für "peppersoup", "garri" oder "pounded yam", für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch "mini-farming" eine Möglichkeit, selbstständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als "bushmeat" gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun "grasscutter" (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als "bushmeat" gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und "grasscutter" finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbstständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden zehn Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB 10.2021).

Ende Dezember 2021 wurde von Präsident Buhari mit dem National Development Plan eine neue Initiative für die Jahre 2021 bis 2025 vorgestellt. Diese beinhaltet als Ziele ein durchschnittliches reales Wirtschaftswachstum von 4,6 Prozent (so wie bereits im ERGP), das Schaffen von 21 Millionen Vollzeit-Arbeitsstellen und die Reduktion des absolut armen Teils der Bevölkerung um 35 Millionen Menschen. Die Finanzierung des Plans, welcher Gesamtinvestitionen im Wert von Naira 348 Billionen (USD 838,5 Milliarden) vorsieht, soll mangels geringer staatlicher Mittel zu über 85 Prozent durch die Privatwirtschaft erfolgen (WKO 6.2022).

Infolge massiver Überschwemmungen im September und Oktober 2022 sind nach Einschätzung der Vereinten Nationen (UN) in Nigeria mittlerweile mehr als 2,5 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Dazu zählen demnach 1,5 Millionen Kinder, die durch sich ausbreitende Krankheiten, Hunger oder Ertrinken bedroht sind. Es handelt sich um die schlimmsten Überflutungen der vergangenen zehn Jahre. 34 der insgesamt 36 Bundesstaaten sind von den Überschwemmungen betroffen. Mehr als 600 Menschen sind ums Leben gekommen, mehr als 200.000 Einwohnerinnen und Einwohner haben ihr Zuhause verloren (TS 22.10.2022).

Quellen:

ABG - Africa Business Guide (12.2022): Länderprofil Wirtschaft in Nigeria, https://www.africa-business-guide.de/de/maerkte/nigeria , Zugriff 17.1.2023

BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 - Nigeria Country Report, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2022_NGA.pdf , Zugriff 3.10.2022

HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2022 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085483.html , Zugriff 18.1.2023

NBS - National Bureau of Statistics [Nigeria] (2022): Homepage, https://www.nigerianstat.gov.ng/ , Zugriff 17.1.2023

ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (9.2022): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079209/NIGR_%C3%96B-Bericht_2022_09.pdf , Zugriff 11.10.2022

ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2021): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2066259/NIGR_%C3%96B-Bericht_2021-10.pdf , Zugriff 4.10.2022

TS - Tagesschau / NDR (22.10.2022): Überschwemmungen in Nigeria - 2,5 Millionen Menschen brauchen humanitäre Hilfe, https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/nigeria-ueberschwemmungen-un-101.html , Zugriff 9.11.2022

WB - World Bank (14.9.2022): Nigeria - Overview, https://www.worldbank.org/en/country/nigeria/overview , Zugrifff 11.11.2022

WKO - Wirtschaftskammer Österreich (13.6.2022): Die nigerianische Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-nigerianische-wirtschaft.html , Zugriff 13.10.2022

WKO - Wirtschaftskammer Österreich (6.2022): Wirtschaftsbericht Nigeria, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/nigeria-wirtschaftsbericht.pdf , Zugriff 13.10.2022

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 26.01.2023

Nigeria verfügt über ein pluralistisches Gesundheitssystem, in dem die Gesundheitsfürsorge gemeinsam vom öffentlichen und privaten Sektor sowie durch moderne und traditionelle Systeme erbracht wird. Die Verwaltung des nationalen Gesundheitssystems ist dezentralisiert in einem dreistufigen System zwischen Bundes-, Landes- und Lokalregierungen (EUAA 4.2022). Die medizinische Versorgung in den Haupt- und größeren Städten in Nigeria sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor hat sich verbessert. So ist mittlerweile insbesondere für Privatzahler eine medizinische Versorgung für viele Krankheiten und Notfälle erhältlich. Trotzdem ist die Gesundheitsversorgung - vor allem auf dem Land - mangelhaft (AA 24.11.2022). Die Bundesregierung gibt weniger für Gesundheit und Bildung aus als fast jedes andere Land der Welt (0,6 Prozent des BIP für Gesundheit) (ÖB 9.2022).

Obwohl die durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt gestiegen ist (54,7 Jahre laut Human Development Report 2020), hat die Verbesserung des Zugangs zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung in Nigeria keine hohe Priorität. Aufgrund von Konflikten, Terroranschlägen, sozioökonomischen Bedingungen, Unterernährung, Klimawandel, Zugang zu Wasser, sanitären Einrichtungen und Hygiene gibt es nach wie vor große Unterschiede im Gesundheitszustand zwischen den Bundesstaaten und geopolitischen Zonen (ÖB 9.2022).

Es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser. Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor, die im öffentlichen Gesundheitssektor allerdings in der Regel unter europäischem Standard liegt. Der private Sektor bietet hingegen in einigen Krankenhäusern (z. B. in Abuja, Ibadan, Lagos) westlichen Medizinstandard (AA 24.11.2022).

Wie die meisten afrikanischen Länder leidet auch Nigeria unter einem kritischen Mangel an Fachkräften beim Gesundheitspersonal (HRH). Obwohl das Land einen der größten Bestände an Gesundheitspersonal hat, ist die Dichte an Ärzten, Krankenschwestern und Hebammen unzureichend (1,95 pro 1.000). Nach Schätzungen der Weltbank kamen im Jahr 2018 etwa 0,4 Ärzte auf 1.000 Einwohner während die Zahl der Krankenschwestern und Hebammen im Jahr 2019 auf 1,5 pro 1.000 Einwohner geschätzt wurde. Weitere Herausforderungen im Bereich der Humanressourcen sind die ungleiche Verteilung des Gesundheitspersonals auf die Bundesstaaten, Finanzierungslücken und Abwanderung von qualifiziertem Gesundheitspersonal in andere Länder (EUAA 4.2022).

Es existiert kein mit westlichen Standards vergleichbares Psychiatriewesen (AA 24.11.2022). Es gibt so gut wie keine Dienste für die psychische Gesundheit (ÖB 9.2022). Im ambulanten Bereich gibt es in Einzelfällen in den größeren Städten qualifizierte Psychiater, die nicht einweisungspflichtige Patienten mit klassischen Psychosen und Persönlichkeitsstörungen behandeln können (AA 24.11.2022). Es gibt weniger als 300 Psychiater für eine Bevölkerung von mehr als 200 Millionen Menschen, und angesichts der geringen Kenntnisse über psychische Störungen in der Primärversorgung sind die Familien in den ländlichen Gebieten auf sich allein gestellt, wenn es darum geht, ihre betroffenen Familienmitglieder zu versorgen. Auch die Zahlen für psychosoziale Fachkräfte sind niedrig, denn die Gesamtzahl der Fachkräfte im Bereich der psychischen Gesundheit liegt bei 0,9 pro 100.000 Einwohner, aufgeschlüsselt (jeweils pro 100.000 Einwohner) in 0,70 Krankenschwestern, 0,02 Psychologen, 0,10 Psychiater, 0,04 Sozialarbeiter und 0,01 Ergotherapeuten (EUAA 4.2022). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker Rückkehrer an. Die Kosten für den Empfang durch ein medizinisches Team des Krankenhauses direkt am Flughafen sollten im Einzelfall vorher erfragt werden. Die Behandlungskosten sind je nach Schwere der Krankheit unterschiedlich (AA 24.11.2022).

Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten jedoch im informellen Sektor (AA 24.11.2022). Die Krankenversicherung hat in Nigeria, was die prozentuale Abdeckung der Bevölkerung angeht, kaum an der Oberfläche gekratzt. 97 Prozent der nigerianischen Bevölkerung sind in keiner Weise krankenversichert. Die drei Prozent der Bevölkerung, die krankenversichert sind, werden durch die Krankenversicherung der Arbeitnehmer abgedeckt. Von diesen drei Prozent sind 56,7 Prozent Männer und 43,3 Prozent Frauen. Der Zugang zu einer erschwinglichen Gesundheitsversorgung bleibt für die meisten Nigerianer unerreichbar, insbesondere für diejenigen, die keine formelle Beschäftigung haben. Trotz der Einführung verschiedener Krankenversicherungsprogramme ist es dem National Health Insurance Scheme (NHIS) nicht gelungen, diejenigen zu erfassen, die nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen. Die kumulierte Deckungsrate dieser anderen Programme lag bei weniger als einem Prozent der Krankenversicherten. Die Alternative zur Krankenversicherung sind enorme individuelle Ausgaben für die Gesundheit, und im Jahr 2018 war Nigeria das Land mit den dritthöchsten privat getätigten Ausgaben für die Gesundheit. 76,6 Prozent der Gesundheitsausgaben in dem Land wurden aus eigener Tasche bezahlt (Dataphyte 24.12.2021).

Apotheken und in geringerem Maße private Kliniken verfügen über essenzielle Medikamente. Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Für Medikamente muss man selbst aufkommen. Das Preisniveau ist insgesamt uneinheitlich, selbst Generika können bisweilen durchaus teurer als in, zum Beispiel, deutschen Apotheken sein (AA 24.11.2022). Die Kosten medizinischer Behandlung und Medikamente müssen im Regelfall selbst getragen werden; die Kosten für Medikamente sind hoch und für die meisten Nigerianer unerschwinglich. Medikamente gegen einige weitverbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/AIDS können teilweise kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben (ÖB 9.2022). Gemäß einer weiteren Quelle werden Medikamente für sogenannte vorrangige Krankheiten in staatlichen Gesundheitseinrichtungen kostenlos zur Verfügung gestellt, darunter antiretrovirale Medikamente sowie Medikamente gegen Tuberkulose und multiresistente Tuberkulose. Probleme in der Versorgungskette haben zur Bildung informeller Arzneimittelmärkte geführt. Die Medikamentenpreise variieren in den nördlichen und südlichen Regionen; sie sind im Norden höher, weil die Verteilung von den südlichen Häfen in die nördlichen Regionen kostenintensiver ist (EUAA 4.2022).

Die Qualität der Produkte auf dem freien Markt ist zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte vertrieben werden (bis zu 25 Prozent aller verkauften Medikamente), die nur eingeschränkt wirken (AA 24.11.2022). Der unerlaubte Verkauf von Medikamenten und die schlechte Qualität von gefälschten Arzneimitteln sind weitere große Herausforderungen (ÖB 9.2022).

Gerade im ländlichen Bereich werden „herbalists“ und traditionelle Heiler aufgesucht (ÖB 9.2022).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf , Zugriff 9.1.2023

Dataphyte (24.12.2021): Health Insurance in Nigeria – Only 3% of Nigerians are Covered, https://www.dataphyte.com/latest-reports/development/health-insurance-in-nigeria-only-3-of-nigerians-are-covered/ , Zugriff 21.10.2022

EUAA - European Union Agency for Asylum (4.2022): Report on medical care (political context; economy; socio-cultural features; organisation of the health system; healthcare human resources; pharmaceutical sector; patient pathways; insurance; cost; treatments; mental healthcare; selected medicines price list), https://www.ecoi.net/en/file/local/2071828/2022_04_EUAA_MedCOI_Report_Nigeria.pdf , Zugriff 21.10.2022

ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (9.2022): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079209/NIGR_%C3%96B-Bericht_2022_09.pdf , Zugriff 11.10.2022

Rückkehr

Letzte Änderung: 26.01.2023

Zum Zeitpunkt der Berichtslegung kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die allgemein herrschende Situation in Nigeria stellt keine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK dar. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 9.2022).

Die Österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations (JRO) gemeinsam mit FRONTEX und anderen EU-Mitgliedstaaten. Nach der COVID-19 bedingten Suspendierung der Repatriierungsflüge wurden diese im März 2022 wieder aufgenommen und Landegenehmigungen erteilt (ÖB 9.2022).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt. Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 24.11.2022). Die Rückgeführten verlassen nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung durch die nigerianischen Behörden das Flughafengebäude und steigen zumeist in ein Taxi oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann aufgrund von fehlenden Erfahrungen jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden zu gewärtigen haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 9.2022).

Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten (AA 24.11.2022). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets "overstay" angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 9.2022).

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, sodass z. B. die Angebote nicht bekannt sind oder eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne Weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure betreiben Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. IOM ist ebenfalls in Abuja und Lagos vertreten. Gleichermaßen haben im Herbst 2018 in Lagos, Abuja und Benin City Migrationsberatungszentren der GIZ ihren Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert und es werden Aus- oder Weiterbildungsprojekte angeboten (AA 24.11.2022).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf , Zugriff 9.1.2023

ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (9.2022): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079209/NIGR_%C3%96B-Bericht_2022_09.pdf , Zugriff 11.10.2022

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Nigeria.

Ergänzend wurden Auszüge aus dem zentralen Melderegister, dem Strafregister, dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung und der Sozialversicherungsdatenbank eingeholt.

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen gründen sich primär auf den Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung und in den niederschriftlichen Einvernahmen.

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund der im Akt einliegenden Kopie von seinem Reisepass fest.

Dass er bislang keiner der Pflichtversicherung unterliegenden Erwerbstätigkeit nachging, ergibt sich aus dem abgefragten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem und dem eingeholten Sozialversicherungsdatenauszug. Der aufrecht gemeldete Wohnsitz ergibt sich aus dem eingeholten Auszug aus dem Melderegister.

Die Feststellung zur mangelnden Integration des Beschwerdeführers ergibt sich aus der kurzen Aufenthaltsdauer und dem Fehlen von maßgeblichen Integrationsschritten.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus dem Strafregister der Republik Österreich.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer gab im Verfahren an, aus Nigeria in die Ukraine ausgereist zu sein, um in der Ukraine Fußball zu spielen (Protokoll vom 16.02.2023, S. 5, 7 und Protokoll vom 27.02.2023, S. 3).

Aus diesem Vorbringen lässt sich eine aktuelle, gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr nicht ableiten. Der Beschwerdeführer antwortete auch mit; „Ja“ auf die Frage, ob der Grund, in der Ukraine Fußball zu spielen, der einzige Grund gewesen sei, Nigeria zu verlassen (Protokoll vom 27.02.2023, S. 3).

Zwar erwähnte der Beschwerdeführer an anderer Stelle, dass seine Familie finanzielle Schwierigkeiten sowie mit IPOB Probleme gehabt habe und das Sicherheitsproblem in Nigeria groß sei, weil immer wieder Leute entführt werden, daraus erschließt sich jedoch in Bezug auf den Beschwerdeführer keine individuell konkrete Verfolgungsgefahr (Protokoll vom 27.02.2023, S. 3, 4).

Auf Nachfrage in der Einvernahme am 27.02.2023 hin, verneinte der Beschwerdeführer zudem, selbst jemals Probleme mit IPOB oder Mitgliedern von IPOB gehabt zu haben (Protokoll vom 27.02.2023, S. 4).

Konkrete Anhaltspunkte, die annehmen lassen, dass ihm gegenwärtig in Nigeria eine Verfolgung droht, liegen somit nicht vor.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl

3.1.1. Rechtslage

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt, reiste der Beschwerdeführer aus seinem Herkunftsstaat aus, um in der Ukraine Fußball zu spielen, und droht ihm in Nigeria keine Verfolgung.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 3 Abs 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz

3.2.1. Rechtslage

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein – über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).

3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Dem Beschwerdeführer droht in Nigeria keine asylrelevante Verfolgung und ganz allgemein besteht in Nigeria derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPEMRK) ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind keine Umstände bekannt geworden und ergeben sich auch nicht aus dem Länderinformationsblatt zu Nigeria, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

Auch dafür, dass ihm im Falle einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er ist in der Lage, in Nigeria einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, um seinen Lebensunterhalt zu sichern.

Ausweislich der Länderinformationen wird auch selbst eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird.

Damit ist der Beschwerdeführer durch die Abschiebung nach Nigeria nicht in seinem Recht gemäß Art. 3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Nigeria bessergestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde in Nigeria keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 8 Abs 1 Z 1 AsylG abzuweisen war.

3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen

3.3.1. Rechtslage

Gemäß § 58 Abs 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2).

Gemäß § 58 Abs 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

3.3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen:

Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46a Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs 1 Z 3 AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 57 AsylG, abzuweisen war.

3.4. Zur Rückkehrentscheidung

3.4.1. Rechtslage

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

3.4.2. Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall

Zu prüfen ist daher, ob die von der belangten Behörde verfügte Rückkehrentscheidung mit Art 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Art 8 EMRK ist aus folgenden Gründen gegeben:

Der VwGH hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet, noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchgeführte Interessensabwägung zukommt (vgl. VwGH 15.3.2016, Zl. Ra 2016/19/0031-0034, mit Verweis auf VwGH vom 30.7.2015, Zl. Ra 2014/22/0055 bis 0058, vom 21.1.2016, Zl. Ra 2015/22/0119 und vom 15.12.2015, Zl. Ra 2015/19/0247, mwN).

Das vorliegende Asylverfahren wurde zügig abgeschlossen und ging auf keine erheblichen Verzögerungen zurück. Der andauernde Aufenthalt des Beschwerdeführers beruhte dessen ungeachtet auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb er während der gesamten Dauer des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durfte, sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen zu können.

Das Gewicht seiner privaten Interessen wird daher dadurch gemindert, dass sie in einem Zeitpunkt entstanden, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war (vgl VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721; 30.04.2009, 2009/21/0086; VfSlg. 18.382/2008 mHa EGMR 24.11.1998, 40.447/98, Mitchell; EGMR 11.04.2006, 61.292/00, Useinov).

Der Beschwerdeführer führt keine Lebensgemeinschaft oder eine „familienähnliche“ Beziehung in Österreich und es fehlen alle Sachverhaltselemente, aus denen sich die Existenz gewisser unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens relevanter Bindungen allenfalls hätte ergeben können, wie etwa die Teilnahme am Erwerbsleben und am sozialen Leben in Österreich, die Selbsterhaltungsfähigkeit oder der Erwerb von nachweisbaren Sprachkenntnissen.

Gleichzeitig hat der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und einen Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat, sprachliche und kulturelle Verbindungen und auch familiäre Anknüpfungspunkte.

Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK - aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaigen wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG mit einzubeziehen (vgl. dazu VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Eine diesbezüglich besonders zu berücksichtigende Situation liegt jedoch im Fall des Beschwerdeführers nicht vor.

Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich (bzw Europa) stehen öffentliche Interessen gegenüber.

Ihm steht das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind – gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz – auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung – und damit eines von Art 8 Abs 2 EMRK erfassten Interesses – ein hoher Stellenwert zukommt (vgl zB VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086), schwerer als die schwach ausgebildeten privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.

Ebenso wenig vermag die strafgerichtliche Unbescholtenheit seine persönlichen Interessen entscheidend zu stärken (VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029).

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG nicht in Betracht kommt.

Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach § 10 Abs 1 Z 3 AsylG und § 52 Abs 2 Z 2 FPG sind erfüllt. Sie ist auch sonst nicht (zB vorübergehend nach Art 8 EMRK, vgl § 9 Abs 3 BFA-VG und VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146) unzulässig. Der Beschwerdeführer verfügt auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs 2 Z 2 FPG abzuweisen war.

3.5. Zum Ausspruch, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig ist

3.5.1. Rechtslage

Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

3.5.2. Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall

Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig wäre.

Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse VwGH 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 – 0062).

Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs 2 FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.

Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria erfolgte daher zu Recht. Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 52 Abs 9 FPG abzuweisen war.

3.6. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung

Gemäß § 18 Abs 1 Z 4 BFA-VG kann vom Bundesamt einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt werden, wenn der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat.

Der Beschwerdeführer gab, als er gebeten wurde, seine Gründe für die Ausreise aus Nigeria zu schildern, an, aus Nigeria ausgereist zu, um in der Ukraine Fußball zu spielen. Auch sonst brachte er im Verfahren keine konkreten, ihn individuell betreffende Verfolgungsgründe vor. Das Bundesamt hat daher die aufschiebende Wirkung der Beschwerde zu Recht aberkannt.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes VI. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 18 Abs 1 BFA-VG abzuweisen war.

3.7. Zum Ausspruch, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht

Gemäß § 55 Abs 1a FPG besteht ua eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht, wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird. Hierunter fallen neben Verfahren, in denen einer Beschwerde ex lege keine aufschiebende Wirkung zukam, auch die Verfahren, in denen das BFA die aufschiebende Wirkung aberkannt hat und in denen jeweils keine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG erfolgt ist.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde einer Beschwerde gegen den bekämpften Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Nach § 18 Abs 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Wie bereits oben erörtert, besteht bei der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Nigeria keine Gefahr, dass ihm die Todesstrafe, die Folter, eine unmenschliche Behandlung oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes drohen. Ein von Art 8 EMRK geschützter Eingriff in sein Privat- und Familienleben ist ebenfalls mangels Bestehens eines schützenswerten Privat- und Familienleben in Österreich nicht zu befürchten.

Die durchzuführende Interessensabwägung zwischen den Interessen des Beschwerdeführers und jenen Österreichs ergibt, wie bereits oben ausgeführt, einen Überhang der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheides. Damit waren keine Gründe für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG gegeben.

Zu Recht hat daher die belangte Behörde § 55 Abs 1a FPG zur Anwendung gebracht. Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes VII. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG abzuweisen war.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017).

Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben worden und weist die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Das Beschwerdevorbringen ist unsubstantiiert und es waren auch keine Beweise aufzunehmen.

Das Bundesverwaltungsgericht musste sich auch keinen persönlicher Eindruck vom Beschwerdeführer im vorliegenden Fall trotz des Vorliegens einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verschaffen, da selbst unter Berücksichtigung aller zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Fakten auch dann für den Beschwerdeführer kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht von ihm einen persönlichen Eindruck verschafft (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233; 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 bis 0423, Ra 2017/19/0424).

Zudem liegt ein Verfahren nach § 18 BFA-VG vor, welches das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet innert 7 Tagen zu entscheiden, es sei denn es lägen Gründe vor, die aufschiebende Wirkung nach § 18 Abs 5 BFA-VG zuzuerkennen. Dies war im gegenständlichen Fall aber nicht gegeben.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung betreffend die Glaubhaftmachung von Fluchtgründen oder die Nichtzuerkennung subsidiären Schutzes an einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann mit familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine zu lösende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

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