BVwG W161 2242869-1

BVwGW161 2242869-116.12.2021

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W161.2242869.1.00

 

Spruch:

W161 2242869-1/3E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Kosovo, vertreten durch Mag. Michael-Thomas REICHENVATER, Rechtsanwalt in 8010 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.04.2021, Zl. 791519303/201077250, beschlossen:

 

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird zurückgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (in Folge: „BF“), eine kosovarische Staatsangehörige, reiste erstmals im Dezember 2009 illegal gemeinsam mit ihrer Mutter und vier Geschwistern in das österreichische Bundesgebiet ein.

2. Am 06.12.2009 stellte sie einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.01.2010, Zl. 09 15.193-EAST West, wurde dieser Antrag abgewiesen und der Status einer Asylberechtigten sowie der Status einer subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Diese Entscheidung wurde gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 mit einer Ausweisung in die Republik Kosovo verbunden und einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung gemäß § 38 Abs. 1 AsylG aberkannt. Die Entscheidung erwuchs mangels Beschwerdeerhebung am 11.02.2020 in Rechtskraft.

3. Am 02.02.2010 reiste die BF freiwillig aus dem Bundesgebiet wieder aus.

4. Am 20.10.2020 langte ein Erhebungsersuchen beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: „BFA“) ein, aus welchem hervorgeht, dass die BF unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sei.

5. Am 30.10.2020 stellte die BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK „Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens“ gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005.

6. Im Zuge der am 24.03.2021 vor dem BFA abgehaltenen niederschriftlichen Einvernahme gab die BF an, dass sie zuletzt am 19.11.2015 erneut in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei, da sie hier bei ihrer Familie bleiben und arbeiten wolle. Seither lebe sie mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern zusammen. Als sie 2010 in ihr Heimatland zurückgekehrt sei, habe sie kurzzeitig als Näherin gearbeitet und bei ihrer Tante gelebt. Nachdem ihr Onkel ihr gesagt hätte, dass sie sich selbst versorgen müsse, sei sie zu ihrer anderen Tante gezogen. Ihre Mutter, eine Schwester sowie ein Bruder seien im Besitz eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt - EU“, sie selbst besitze keinen Aufenthaltstitel. Der gegenständliche Antrag sei der erste Antrag, den sie stelle. Auf Nachfrage, warum sie sich erst am 20.05.2020 behördlich gemeldet habe, antworte die BF, dass sie Angst gehabt hätte. Als sich jedoch ihre beiden anderen Geschwister angemeldet hätten, habe sie sich entschlossen, dies auch zu tun. Sie sei wegen Verstoß gegen das Meldegesetz bereits angezeigt worden. Einer Beschäftigung gehe sie nicht nach und sie besitze auch keine eigenen Geldmittel, sondern werde von ihrem Bruder und ihrer Schwester finanziert. Den Arbeitsvorvertrag habe sie durch eine Freundin erhalten. Im Kosovo leben ihr Vater, drei Onkel väterlicherseits sowie drei Onkel mütterlicherseits mit deren Familien und Kindern. Ihr Vater sei krank und werde von einem der Onkel versorgt. Sie habe bisher nur die A2-Deutschprüfung bestanden. Sie sei nicht kranken-, sondern nur unfallversichert. Von der Möglichkeit einer Stellungnahme zu den Länderfeststellungen ihres Herkunftsstaates werde sie nicht Gebrauch machen, da ihr die Lage bekannt sei und sie mit keinen Problemen zu rechnen hätte. Nach persönlicher Durchsicht habe sie keine Einwände und nichts weiter hinzuzufügen.

Die BF legte ihren kosovarischen Reisepass, ihre Geburtsurkunde, einen Arbeitsvorvertrag als Promotorin vom 09.07.2020, ein Unterstützungsschreiben mit diversen Unterschriften, ein Zeugnis zur Integrationsprüfung auf A2-Sprachniveau vom 21.10.2020, einen Nachweis der Kranken-Selbstversicherung der ÖGK beginnend mit 20.05.2020 sowie einen Kontoauszug der Kranken-Selbstversicherung für die Zeit von 01.06.2020 – 03.07.2020 und eine Meldebestätigung vom 20.05.2020 vor.

4. Mit dem oben angeführten Bescheid wies das BFA den Antrag der BF vom 30.10.2020 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Kosovo zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Außerlandesbringung insgesamt keinen Eingriff in das in Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens darstelle. Es stehe fest, dass die BF nach ihrer negativen Entscheidung freiwillig am 02.02.2010 das Bundesgebiet verlassen habe. Ein Aufenthalt der BF in Österreich seit dem Jahr 2015 könne nicht festgestellt werde, da ihr Reisepass keine diesbezüglichen Stempel und sie erst ab dem Jahr 2020 eine behördliche Meldung im Bundesgebiet aufweise. Die BF habe sich zu einem Zeitpunkt niedergelassen, zu dem sie nicht von einem dauerhaften Verbleib in Österreich ausgehen hätte dürfen. Ihre deutschen Sprachkenntnisse seien auf niedrigem Niveau, sie habe noch nie in Österreich gearbeitet, habe kein aktuelles offizielles Einkommen, lebe von den Zuwendungen ihres Bruders und ihrer Schwester und habe auch sonst keine relevanten persönlichen Beziehungen zu Österreich. Der vorgelegte unverbindliche Arbeitsvorvertrag sei aufgrund der noch vorherrschenden Corona-Krise mit Vorbehalt anzusehen, zumal dieser eine gültige Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung voraussetze. Da der Vertrag durch eine Bekannte zustande gekommen sei, sei davon auszugehen, dass es sich um ein Gefälligkeitsschreiben handle, welches aufgrund der derzeit hohen Arbeitslosen- und prekären Arbeitgeberlage als nicht bindend anzusehen sei. Die BF habe keinerlei Ausbildungen in Österreich absolviert, lediglich einen A2-Deutschkurs. Es sei nicht auszuschließen, dass ihr Aufenthalt zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, zumal sie auch keinen leistungspflichtigen Krankenversicherungsschutz besitze. Sie habe den überwiegenden Teil ihres Lebens im Herkunftsland verbracht, dort die Schule besucht und zuletzt als Näherin gearbeitet sowie nach wie vor Anknüpfungspunkte in Form von Verwandten. Der gestellte Antrag stelle eine Umgehung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen zum Zwecke der Niederlassung dar. Sie habe die Möglichkeit einen zukünftigen Aufenthalt entsprechend der Vorgaben des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) von ihrem Herkunftsstaat aus zu legalisieren. Zudem seien ihr Bruder XXXX und ihre Schwester XXXX von denselben aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen und müssten jene ebenfalls in den Kosovo zurückreisen.

5. Nach Bescheiderlassung übermittelte die BF dem BFA auszugsweise Kopien ihres Mutter-Kind-Passes.

6. Gegen den genannten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. In dieser wird zusammengefasst vorgebracht, dass abgesehen von dem vorgelegten Mutter-Kind-Pass, welchem zu entnehmen sei, dass der voraussichtliche Geburtstermin im September 2021 stattfinde, die BF mit ihrer Mutter, zwei Brüdern sowie zwei Schwestern im gemeinsamen Haushalt lebe. Eine weitere Schwester lebe im gesondertem Haushalt, doch führe die BF zu allen ihren im Bundesgebiet aufhältigen Verwandten eine enge familienrechtliche Bande. Aufgrund der finanziellen Unterstützung ihrer Familienmitglieder sei der Aufenthalt der BF als finanziell abgesichert anzusehen. Die vorgelegten Urkunden seien nur unzureichend zu ihren Gunsten berücksichtigt worden. In Wahrheit sei überhaupt keine Interessenabwägung vorgenommen worden, womit ein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 2 EMRK vorliege. Die Interessen der BF an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet seien höher anzusetzen, als jene der Republik. Die BF sei gerichtlich unbescholten und ein weiterer Aufenthalt stelle keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar. Feststehe, dass die BF in ihrem Heimatland über keine existentielle Grundlage verfüge, geschweige denn es ihr möglich sei, in ihrem Heimatland eine Existenz aufzubauen.

7. Am 30.11.2021 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine weitere Urkundenvorlage ein, welche die Geburtsurkunde sowie eine Bestätigung der Meldung der Tochter der BF und einen Arbeitsvorvertrag der BF für die Tätigkeit als Reinigungskraft samt Informationsabrechnung beinhaltete.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister und Strafregister werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen:

Die BF ist eine volljährige, ledige, kosovarische Staatsangehörige, ihre Identität steht fest.

Sie reiste erstmals im Jahr 2009 illegal mit ihrer Mutter und vier Geschwistern in das Bundesgebiet ein und stellte am 06.12.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.01.2010, Zl. 09 15.193-EAST West, hinsichtlich des Status einer Asylberechtigten sowie des Status einer subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde. Diese Entscheidung wurde gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 mit einer Ausweisung in die Republik Kosovo verbunden und einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung gemäß § 38 Abs. 1 AsylG aberkannt. Diese Entscheidung erwuchs am 11.02.2020 in Rechtskraft.

Am 02.02.2010 reiste die BF freiwillig aus dem Bundesgebiet in ihren Herkunftsstaat Kosovo aus, wohnte bei ihrer Tante, welche sie auch versorgte und war kurzzeitig als Näherin tätig.

Nach eigenen Angaben halte sie sich wieder seit 2015 durchgehend in Österreich auf. Im Zentralen Melderegister scheint eine Hauptwohnsitzmeldung der BF wiederum erst seit 20.05.2020 auf, wodurch der tatsächliche Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet nicht bestimmt werden kann.

Die BF ist gesund, arbeitsfähig und verfügt in Österreich über keinen Aufenthaltstitel. Die meiste Zeit ihres Lebens hat sie in ihrem Herkunftsstaat verbracht sowie dort auch die Schule besucht. Familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat bestehen anhand des dort lebenden Vaters, Onkels, Cousins und Cousinen. Sowohl gegenüber ihrer Schwester XXXX als auch ihrem Bruder XXXX bestehen rechtskräftige durchsetzbare Rückkehrentscheidungen im Hinblick auf die Republik Kosovo, zumal XXXX mittlerweile nachweislich freiwillig in den Kosovo gereist ist, wodurch die BF auch über ihre Geschwister familiäre Bezugspunkte im Herkunftsstaat verfügt. Die Mutter ( XXXX ), ein Bruder ( XXXX und eine Schwester ( XXXX ) der BF verfügen über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht („Daueraufenthalt – EU“) der Steiermärkischen Landesregierung. Die BF war seit ihrer Einreise zu keinem Zeitpunkt im Bundesgebiet berufstätig, sie verfügt über kein eigenes Konto und über kein offizielles Einkommen und wird finanziell von ihren Geschwistern unterstützt. Sie spricht Deutsch auf A2-Niveau und hat zwei Arbeitsvorverträge in Vorlage gebracht.

Am XXXX ist die Tochter der BF, XXXX , in Graz zur Welt gekommen. Der Kindesvater ist unbekannt und kann somit auch kein Familienleben zu diesem festgestellt werden, zumal ein solches auch im gesamtem Verfahren nicht vorgebracht wurde.

Die BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Es konnten keine Umstände festgestellt werden, die eine Abschiebung der BF in ihren Herkunftsstaat gemäß § 46 FPG 2005 unzulässig erscheinen ließen.

Das Verfahren betreffend den Bruder der BF, XXXX , wurde hinsichtlich der Antragstellung auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 vom BFA am 25.09.2020 negativ entschieden und die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.03.2021 zu GZ W232 2236128-1/3E als unbegründet abgewiesen. Die Behandlung der Beschwerde an den VfGH wurde mit Beschluss vom 08.06.2021 von diesem abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten. In weiterer Folge wurde die außerordentliche Revision mit Beschluss vom 19.08.2021 zurückgewiesen (Ra 2021/22/0164-6).

Auch das Verfahren betreffend die Schwester der BF, XXXX , wurde hinsichtlich der Antragstellung auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 vom BFA am 16.04.2021 negativ entschieden und die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.12.2021 als unbegründet abgewiesen. XXXX reiste am 16.07.2021 freiwillig in den Kosovo aus.

 

Zur maßgeblichen Situation in der Republik Kosovo:

Politische Lage

Die am 15. Juni 2008 in Kraft getretene Verfassung sieht eine parlamentarische Demokratie mit Gewaltenteilung vor. Die politische Macht konzentriert sich beim Ministerpräsidenten. Ein umfassender Schutz der anerkannten Minderheiten ist gewährleistet (AA 19.4.2020). Durch die Verfassung als ethnische Minderheit anerkannt sind Serben, Roma, Ashkali, Ägypter, Türken, Bosniaken und Gorani (CIA 7.4.2020; vgl. GIZ 3.2020b). Im Parlament stehen diesen 20 von 120 Sitzen zu, wobei 10 Sitze für Repräsentanten der serbischen Minderheit reserviert sind (GIZ 3.2020a). Die Republik Kosovo ist international von mehr als 110 Staaten anerkannt, nicht jedoch von Serbien. Das ungeklärte Verhältnis zu Serbien behindert die Annäherung Kosovos an EU und NATO. Seit 2011 vermittelt die EU einen politischen Dialog zwischen den beiden Ländern mit dem Ziel einer ehestmöglichen und umfassenden Normalisierung der gegenseitigen Beziehungen. Inzwischen wurden mehrere wichtige Vereinbarungen erzielt, die zu einer deutlichen Entspannung geführt haben. In Kosovo sind einige internationale Missionen tätig: Die NATO-Mission KFOR mit ca. 3500 Soldaten, die EU-Rechtsstaatlichkeitsmission (EULEX), die Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen (UNMIK) sowie die OSZE-Mission (OmiK) (AA 19.4.2020).

Generell werden die Konsolidierung der Demokratie im Kosovo sowie deren Effizienz und Reaktionsfähigkeit im politischen Prozess durch eine Reihe von Faktoren wie beispielsweise eine mangelnde Rechenschaftspflicht der politischen Klasse untergraben. Die demokratischen Institutionen werden oftmals als undurchsichtig und wenig kooperativ in der Zusammenarbeit wahrgenommen. Trotzdem ist etwa ein Drittel der Bevölkerung mit Regierung und Parlament zufrieden. In den letzten vier Jahren konnte - wenngleich von einem niedrigen Niveau ausgehend - doch eine deutliche Verbesserung verzeichnet werden. Eine Umfrage der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) aus dem Jahr 2010 ergab, dass 75% der Kosovaren eine positive Einstellung zur Demokratie haben. Die hohe Zustimmung zur Demokratie hat unter den sozioökonomischen Veränderungen, dem Versöhnungsprozess der Regierung mit Serbien und den serbischen Gemeinden im Kosovo und den 2015 von der Opposition organisierten Straßenprotesten gelitten (BS 2020).

Am 5.10.2019 fanden im Kosovo vorgezogene Parlamentswahlen statt. Diese Wahl war erforderlich geworden, weil der amtierende Ministerpräsident und ehemalige UCK-Kommandeur Ramush Haradinaj wegen einer Vorladung zum Sondertribunal für Kriegsverbrechen in Den Haag vom Amt als Regierungschef zurückgetreten war (DS 7.10.2019; NZZ 7.10.2019). Die Wahlen wurden – bei einer Wahlbeteiligung von 44% - von den bisherigen Oppositionsparteien gewonnen. Den Kampf um den ersten Platz und damit um den Regierungsauftrag entschied mit knapp 25,6% der Stimmen die groß-albanische, nationalistische und EU-kritische Oppositionspartei Vetëvendosje (Selbstbestimmung) mit ihrem Spitzenkandidaten Albin Kurti, für sich. Dicht dahinter folgte mit 24,9% der Stimmen die moderat-konservative Demokratische Liga des Kosovo (LDK) mit ihrer Spitzenkandidatin Vjosa Osmani. Den dritten Platz belegte mit 21,1% die – von Staatspräsident Hashim Thaci dominierte - Demokratische Partei des Kosovo (PDK). Die Allianz für die Zukunft des Kosovo (AAK) des nur zwei Jahre amtierenden Ministerpräsidenten Ramush Haradinaj kam auf 11,6% der Stimmen (NZZ 7.10.2019; vgl. DP 7.10.2019).

Der Wahlausgang wurde als Signal gegen Korruption und Stillstand gewertet und bedeutete zunächst das Ende der langjährigen Dominanz der PDK von Staatspräsident Hashim Thaci über die kosovarische Politik (ORF 6.10.2019). Mehr als die Hälfte aller Stimmen konnten zwei Politiker auf sich vereinen, deren Karriere nicht in der UCK begann und die für einen klaren Bruch mit dem Klientelsystem des politischen Establishments stehen (NZZ 7.10.2019). Wie von Beobachtern erwartet, kam es zu einem Regierungsbündnis zwischen den nunmehr siegreichen bisherigen Oppositionsparteien unter Führung von Kurti und Osmani. Beide kündigten an, die grassierende Korruption bekämpfen und den Rechtsstaat stärken zu wollen (Spiegel 9.2.2020; vgl. DP 7.10.2019).

Nach nur etwa 50 Tagen im Amt wurde die Regierung von Ministerpräsident Albin Kurti per Misstrauensvotum gestürzt. Hintergrund war ein Streit um Verhandlungen mit Serbien, das die Unabhängigkeit des Kosovo bis heute nicht anerkennt (Standard 2.5.2020).

Während Kurti baldige Neuwahlen favorisierte, forderte Präsident Hashim Thaci die Bildung einer Einheitsregierung; dies hätte zu einer Regierungsbeteiligung der oppositionellen Demokratischen Partei des Kosovo, der PDK, führen können, jener Partei, die Thaci bis zur Übernahme der Präsidentschaft vor vier Jahren geleitet hatte (AA – 6.4.2020, vgl. BBC 26.3.2020).

Ein vorläufiges Dekret von Präsident Thaci, mit dem ein Politiker der Mitte-Rechts-Partei LDK den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten hatte, wurde jedoch vom Verfassungsgericht ausgesetzt, womit die Regierungsbildung bis zu einer endgültigen Gerichtsentscheidung nunmehr auf Eis liegt (Standard 2.5.2020).

 

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (19.4.2020): Außen- und Europapolitik, Kosovo. Politisches Portrait, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kosovo-node/politisches-portraet/207468?openAccordionId=item-207450-0-panel , Zugriff 4.5.2020

- AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf , Zugriff 3.4.2020

- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (6.4.2020): Briefing Notes, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027827/briefingnotes-kw15-2020.pdf , Zugriff 3.4.2020

- BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Kosovo, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_RKS.pdf , Zugriff 17.4.2020

- BBC (26.3.2020): Coronavirus row helps topple Kosovo government, https://www.bbc.com/news/world-europe-52044136 , Zugriff 7.4.2020

- CIA – Central Intelligence Agency (7.4.2020): The Worlöd Factbook. Europe. Kosovo, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/kv.html , Zugriff 17.4.2020

- DS - Der Standard (7.10.2019): Riskante Wachablöse im Kosovo, https://www.derstandard.at/story/2000109598474/riskante-wachabloese-im-kosovo , Zugriff 6.4.2020

- DP - Die Presse (7.10.2019): Kosovos Rebell greift nach der Macht, https://www.diepresse.com/5702091/kosovos-rebell-greift-nach-der-macht , Zugriff 8.10.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020a): Kosovo - Geschichte/Staat, https://www.liportal.de/kosovo/geschichte-staat/ , Zugriff 4.5.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Kosovo - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kosovo/gesellschaft/ , Zugriff 4.5.2020

- NZZ - Neue Zürcher Zeitung (7.10.2019): Wahlerfolg der Opposition: In Kosovo weht ein neuer Wind, https://www.nzz.ch/international/wahlen-im-kosovo-bisherige-oppositionsparteien-liegen-vorn-ld.1513769 , Zugriff 3.4.2020

- ORF - Österreichischer Rundfunk (6.10.2019): Opposition gewinnt Parlamentswahl im Kosovo, https://orf.at/stories/3139956/ , Zugriff 8.10.2019

- Spiegel (9.2.2020): Kurti stellt die Systemfrage, https://www.spiegel.de/politik/ausland/kosovo-albin-kurti-will-als-premier-alles-anders-machen-a-9cbb96a8-c191-4366-ae0d-66a0e9b8ac0d , Zugriff 7.4.2020

- Standard (2.5.2020): Verfassungsgericht im Kosovo stoppt Bildung einer neuen Regierung, https://www.derstandard.at/story/2000117242247/verfassungsgericht-im-kosovo-stoppt-bildung-einer-neuen-regierung , Zugriff 7.4.2020

Sicherheitslage

Ethische Spannungen konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Beziehungen zwischen der serbischen Minderheit und der albanischen Mehrheit. Zu differenzieren sind dabei die Beziehungen zu den im Norden in einem zusammenhängenen Gebiet lebenden Serben und jenen Serben, die im restlichen Kosovo in kleineren versprengten Gemeinden wohnen. Letztere unterhalten relativ gute Beziehungen zu den kosovo-albanischen Autoritäten und beteiligen sich an der gesellschaftspolitischen Ausgestaltung im Rahmen der kosovarischen Institutionen. Ganz anders ist hingegen die Situation im Nordkosovo. Die hier lebenden Serben weigern sich, die Unabhängigkeit des Kosovo und zum Teil die Institutionen des neu geschaffenen Staates anzuerkennen. Dementsprechend schwierig gestaltet sich die Zusammenarbeit. Besonders problematisch sind speziell Fragen der Grenze zwischen dem Kosovo und Serbien, zumal diese von den im Norden lebenden Serben nicht anerkannt wird (GIZ 9.2018a).

Somit bleibt die Lage im Norden des Kosovo (Gemeinden Zubin Potok, Leposavic, Zvecan und Nord-Mitrovica) angespannt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es auch künftig zu isolierten sicherheitsrelevanten Vorkommnissen kommt, die die allgemeine Bewegungsfreiheit einschränken (AA 2.5.2020).

Mit der Ausnahme des Nordkosovo gilt die Sicherheitslage allgemein als entspannt. Allerdings kann es zu punktuellen Spannungen kommen (GIZ 9.2018a).

In Pristina und anderen Städten des Landes kann es gelegentlich zu Demonstrationen und damit zu einer Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit kommen. In allen anderen Landesteilen Kosovos ist die Lage grundsätzlich ruhig und stabil. Teilweise gewalttätige Protestaktionen der Opposition gegen die Regierung haben sich seit dem ersten Halbjahr 2016 nicht mehr ereignet, das Potential für solche Proteste besteht aber weiterhin (AA 2.5.2020).

Eine Studie des angesehenen Kosovo Center for Security Studies zum Sicherheitsgefühl der Kosovaren aus dem Jahr 2018 ergab, dass sich 85,5% der Befragten in ihrem Zuhause (Wohnung, Haus), 78,8% in ihrer Stadt und 52,4% im Kosovo sicher fühlten. Albanische und nicht-serbische Minderheitenangehörige fühlen sich im Kosovo sicherer als Serben (KCSS 7.2019).

 

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (2.5.2020): Kosovo: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/kosovosicherheit/207442 , Zugriff 4.5.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2018a): Kosovo - Geschichte/Staat, https://www.liportal.de/kosovo/geschichte-staat/ , Zugriff 23.12.2019

- KCSS - Kosovo Center for Security Studies (7.2019): Kosovo Security Barometer – Trends of Citizens’ Perceptions on Public safety in Kosovo (2016 – 2018), https://www.academia.edu/40117450/REPORT_BY_KCSS_TRENDS_OF_CITIZENS_PERCEPTIONS_ON_PUBLIC_SAFETY_IN_KOSOVO , Zugriff 23.12.2019

Rechtsschutz / Justizwesen

Die gesetzgebende Gewalt wird vom kosovarischen Parlament ausgeübt, die exekutive Gewalt von der Regierung (Premierminister, Minister) und die richterliche Gewalt von den Gerichten, einschließlich des Obersten Gerichtshofs, der höchsten richterlichen Behörde, und des Verfassungsgerichts. Die Exekutive hat sich jedoch wiederholt (informell) in die Arbeit von Legislative und Judikative eingemischt und das Parlament wurde immer wieder dafür kritisiert, dass es sein verfassungsmäßiges Mandat zur Kontrolle der Regierung nicht ausübt. Die parlamentarischen Ausschüsse in der Versammlung wurden von der Exekutive ignoriert, wodurch ihre parlamentarische Kontrollfunktion wesentlich geschmälert wurde. Die Kontrolle und Ausgewogenheit der demokratisch gewählten Institutionen ist zwar formell festgelegt, in der Realität jedoch schwach und ineffizient (BS 2020).

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, aber diese Unabhängigkeit wird nach wie vor durch politische Autoritäten und ein hohes Maß an Korruption beeinträchtigt. EULEX und seine kosovarischen Pendants haben einige Fortschritte in Bezug auf Nachhaltigkeit, Rechenschaftspflicht, Freiheit von politischer Einmischung und Multiethnizität, einschließlich der Einhaltung europäischer Best Practices und internationaler Standards, erzielt. Dennoch hat eine 2016 durchgeführte Umfrage über die Wahrnehmung des Justizsystems durch die Bürger ergeben, dass nur 12,3% die Gerichte für unabhängig hielten, während 61,2% der Ansicht waren, dass Personen mit politischen Verbindungen weniger wahrscheinlich bestraft würden. 50,5% meinten, dass Justizbeamte Bestechungsgelder erhielten oder verlangten und nur 36% konnten jüngste Verbesserungen im Justizsystem feststellen, während 24,4% davon überzeugt waren, dass keine Verbesserungen erzielt wurden (BS 2020).

Die Effizienz bei der Fallbearbeitung hat sich verbessert, aber es gibt immer noch einen beachtlichen Rückstau an offenen Fällen. Ein Disziplinarverfahren gegen Richter und Staatsanwälte ist zwar vorhanden, aber ineffizient. Eine unabhängige staatliche Rechtshilfekommission stellt kostenlose Rechtshilfe für Personen mit niedrigen Einkommen zur Verfügung; diese ist jedoch nicht adäquat finanziert und funktioniert nicht wie vorgesehen. Bei Verletzung der Prozessrechte können sich Geschädigte an den Verfassungsgerichtshof wenden (USDOS 11.3.2020).

Die Verfahren werden nicht immer ordnungsgemäß abgewickelt. Nach Angaben der Europäischen Kommission, der NGOs und der Institution der Ombudsperson ist die Justizverwaltung langsam und es fehlen die Mittel, um die Rechenschaftspflicht der Justizbeamten zu gewährleisten. Die Justizstrukturen sind politischer Einflussnahme ausgesetzt, mit umstrittenen Ernennungen und unklaren Mandaten (USDOS 11.3.2020). Die lokale Rechtsprechung sieht sich Einflüssen von außen, v.a. seitens der Exekutive, ausgesetzt und sorgt nicht immer für faire Prozesse (FH 4.2.2019).

Im Laufe des Jahres 2019 förderte das Justizministerium Änderungen eines Gesetzes von 2010 über die disziplinarische Verantwortung von Richtern und Staatsanwälten, mit denen die Unparteilichkeit des kosovarischen Justizwesens erreicht werden sollte (USDOS 11.3.2020). Darüber hinaus wurden Register zur Erfassung von Beschwerden gegen Richter auf Ebene der Gerichte und des KJC, des „kosovarischen Justizrates“, fertiggestellt und allen Gerichten zur Überprüfung übergeben. Im Einklang mit der Disziplinarordnung wählte die KJC 70 von den Gerichtspräsidenten empfohlene Richter für die Mitgliedschaft in Gremien aus, die für die Untersuchung von Disziplinarbeschwerden zuständig sind. Ihr Mandat ist gestaffelt, um Kontinuität zu gewährleisten: 25 Richter wurden nach dem Zufallsprinzip für eine Amtszeit von einem Jahr, 23 für eine zweijährige und 22 für eine dreijährige Amtszeit ausgewählt. Jährlich sollen neue Mitglieder ausgewählt werden, um eine volle Besetzung von 70 zu gewährleisten. Seit Inkrafttreten des neuen Disziplinarverfahrens sind bei den Gerichtspräsidenten als den zuständigen Behörden 75 Beschwerden gegen Richter eingegangen; der kosovarische Justizrat setzte ein entsprechendes Untersuchungsgremium ein (USDOS 11.3.2020).

Manchmal versäumen es die Behörden, gerichtlichen Anordnungen u.a. auch des Verfassungsgerichts nachzukommen, insbesondere wenn die Urteile Minderheiten begünstigen, wie in zahlreichen Fällen der Rückgabe von Eigentum an Kosovo-Serben. Keiner der Beamten, die 2019 an der Nichtumsetzung von Gerichtsbeschlüssen beteiligt waren, wurde sanktioniert (USDOS 11.3.2020).

 

Das Gesetz sieht faire und unparteiische Verfahren vor und trotz gravierender Mängel im Justizsystem wie etwa politischer Einmischung, wird das Recht im Allgemeinen umgesetzt. Die Prozesse sind öffentlich, die Angeklagten haben ein Recht auf die Unschuldsvermutung, auf unverzügliche Information über die gegen sie erhobenen Anklagen und auf ein faires, öffentliches Verfahren, bei dem sie sich in ihrer Muttersprache an das Gericht wenden können. Sie haben das Recht, zu schweigen oder sich der Aussage zu entschlagen, Beweise einzusehen, einen eigenen Rechtsbeistand zu haben und gegen Urteile zu berufen. Das Kosovo wendet keine Geschworenenprozesse an (USDOS 11.3.2020).

 

Die "Free Legal Aid Agency“ (FLAA) ist von der Regierung beauftragt, Personen mit niedrigem Einkommen kostenlosen Rechtsbeistand zu gewähren und führt entsprechende Kampagnen durch, die sich an benachteiligte und marginalisierte Gemeinschaften richteten. Im Mai 2019 finanzierten die Vereinten Nationen das Zentrum für Rechtshilfe, welches über NGOs Frauen kostenlosen Rechtsbeistand in Fällen wie der Überprüfung von Eigentumsrechten, Klagen wegen sexueller Gewalt und Rentenansprüchen aus Serbien garantiert (USDOS 11.3.2020).

Kosovo befindet sich in einem Frühstadium in Bezug auf die Anwendung des aquis communautaire und europäischer Standards im Justizbereich. Ein gewisses Ausmaß an Fortschritt wurde erreicht, unter anderem bei der Untersuchung hochrangiger Korruptionsfälle. Korruption ist dennoch weit verbreitet und bleibt ein problematischer Themenbereich. Die Verabschiedung verschiedener Rechtsdokumente im Bereich Korruptionsbekämpfung stellt einen wichtigen Schritt dar, wesentlich ist nun die konsequente Umsetzung (EC 29.5.2019).

 

Am 8.6.2018 hat der Rat beschlossen, das Mandat der Rechtsstaatlichkeitsmission der EU, EULEX Kosovo, neu auszurichten. Die Mission hatte seit ihrer Einrichtung vor 10 Jahren zwei operative Ziele: das Ziel der Beobachtung, Anleitung und Beratung durch Unterstützung der Rechtsstaatlichkeitsinstitutionen des Kosovo und des Dialogs zwischen Belgrad und Pristina und zweitens ein exekutives Ziel, nämlich die Unterstützung verfassungs- und zivilrechtlicher gerichtlicher Entscheidungen sowie strafrechtlicher Ermittlungen und gerichtlicher Entscheidungen in ausgewählten Strafsachen. Mit dem Beschluss wird der justizielle exekutive Teil des Mandats der Mission beendet und das Kosovo nimmt nun die Verantwortung für alle übertragenen Ermittlungen, Strafverfolgungen und Gerichtsverfahren wahr. Seit dem 14.6.2018 konzentrierte sich EULEX darauf, ausgewählte Fälle und Gerichtsverfahren in den Straf- und Zivilrechtsinstitutionen des Kosovos zu beobachten, den Justizvollzugsdienst des Kosovos zu beobachten, anzuleiten und zu beraten und die operative Unterstützung für die Umsetzung der von der EU geförderten Dialogvereinbarungen zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo fortzusetzen. Der Ratsbeschluss sieht vor, dass das überarbeitete Mandat bis zum 14.6.2020 gilt (REU 8.6.2018).

Quellen:

- BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Kosovo, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_RKS.pdf , Zugriff 4.5.2020

- EC - Europäische Kommission (29.5.2019): Kosovo* 2019 Report, https://ec.europa.eu/neighbourhood-enlargement/sites/near/files/20190529-kosovo-report.pdf , Zugriff 7.4.2020

- FH - Freedon House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Kosovo, https://www.ecoi.net/en/document/2015997.html , Zugriff 7.4.2020

- REU - Rat der Europäischen Union (8.6.2019): EULEX Kosovo: neue Rolle für die Rechtsstaatlichkeitsmission der EU, https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2018/06/08/eulex-kosovo-new-role-for-the-eu-rule-of-law-mission/# , Zugriff 23.12.2019

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Kosovo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026405.html , Zugriff 17.4.2020

Sicherheitsbehörden

Die innere Sicherheit der Republik Kosovo beruht auf drei Komponenten: der Kosovo Polizei (KP), den unterstützenden internationalen EULEX-Polizeikräften (EU-Rechtstaatlichkeitsmission, Anm.) und den KFOR-Truppen (mit 3.500 Soldaten) (AA 21.3.2019).

Als eine ihrer Operationslinien unterstützt die KFOR Aufbau und Training der multiethnischen und zivil kontrollierten, leicht bewaffneten Sicherheitskräfte „Kosovo Security Force“ (KSF), die nach dem bisherigen Gesetzesrahmen nicht mehr als 2.500 Mitglieder und maximal 800 Reservisten hatten. Die KSF übernimmt derzeit primär zivile Aufgaben wie Krisenreaktion, Sprengmittelbeseitigung und Zivilschutz. Das am 14.12.2018 mit überwältigender parlamentarischer Mehrheit verabschiedete Gesetzespaket zur Transition in reguläre, defensiv ausgerichtete Streitkräfte unterwirft die KSF einem 10-jährigen Übergangsprozess, an dessen Ende ca. 5.000 leicht bewaffnete Defensivkräfte stehen sollen. Die kosovarische Regierung hat der NATO gegenüber schriftlich die volle Transparenz des Prozesses, die Bewahrung des multiethnischen Charakters der KSF sowie das Festhalten an den Bedingungen von UNSCR 1244 und dem KFOR-Mandat bekundet (AA 21.3.2019).

Die Polizei (Kosovo Police, KP) hat derzeit eine Stärke von ca. 9.000 Personen. Der Frauenanteil in der KP beträgt 14%; der Anteil der Angehörigen von Minderheiten liegt bei 16%. EULEX-Polizisten beraten und unterstützen Polizeidienststellen im gesamten Land. Für die parlamentarische Kontrolle der Sicherheitskräfte ist im Parlament der Ausschuss für Inneres, Sicherheitsfragen und Überwachung der KSF zuständig (AA 21.3.2019). Weiterhin sollen die Polizeistrukturen im Kosovo vereinheitlicht und Mitglieder serbischer Sicherheitskräfte in die kosovarische Polizei integriert werden. Die Polizeikräfte im serbischen Norden sollen die Bevölkerungsverhältnisse widerspiegeln und unter Führung eines kosovo-serbischen Regionalkommandanten stehen (GIZ 3.2020a). Es gibt 436 Polizeibeamte (Angehörige der KP) pro 100.000 Einwohner. Dies übertrifft den EU-Durchschnitt, der sich im Jahr 2016 gemäß Eurostat auf 318 Beamte belief. Die Polizei ist relativ gut ausgebildet und ausgerüstet. Sie verfügt über moderne IT-Infrastruktur. Die „Kosovo Academy for Public Safety“ gewährleistet eine gute Ausbildung für Polizeibeamte und andere Angehörige des Sicherheitsapparats (Zollbeamte, Beamte des Strafvollzugs) sowohl im Bereich der Grundausbildung als auch im Bereich der berufsbegleitenden Weiterbildung. Die Kapazität der Polizei zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist gut, jedoch unterliegt die Polizei immer noch Korruption und politischem Druck (EC 29.5.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf , Zugriff 10.4.2020

- EC - Europäische Kommission (29.5.2019): Kosovo 2019 Report, S33 u. S35, https://ec.europa.eu/neighbourhood-enlargement/sites/near/files/20190529-kosovo-report.pdf , Zugriff 27.11.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020a): Kosovo - Geschichte/Staat, https://www.liportal.de/kosovo/geschichte-staat/ , Zugriff 5.5.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2018a): Kosovo - Geschichte/Staat, https://www.liportal.de/kosovo/geschichte-staat/ , Zugriff 23.12.2019

Allgemeine Menschenrechtslage

Das Bekenntnis zu unveräußerlichen Menschenrechten ist in der Verfassung verankert. Nach Art. 22 der Verfassung gelten viele internationale Menschenrechtsabkommen unmittelbar und haben Anwendungsvorrang. Seit November 2000 gibt es die Einrichtung einer Ombudsperson, die für alle Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen oder Amtsmissbrauch durch die zivilen Behörden im Kosovo zuständig ist, Hinweisen auf Menschenrechtsverletzungen nachgeht und in einem Jahresbericht an das Parlament Empfehlungen für deren Behebung gibt. Im Juli 2015 hat das Parlament ein neues Gesetz zur Ombudsperson verabschiedet, das die Ombudsperson zum nationalen Präventionsmechanismus (NPM) ernannt und die Unabhängigkeit dieser Institution und ihre Rolle als unabhängiger Beobachter und Hüter der Grundrechte und Grundfreiheiten im Kosovo gestärkt hat (AA 21.3.2019).

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen garantieren den Schutz der Menschenrechte sowie der fundamentalen Rechte gemäß europäischen Standards. Es sind jedoch weitere Anstrengungen zur Durchsetzung nötig. Die Anwendung der menschenrechtlichen Gesetzgebung und Strategien wird oft durch unzureichende finanzielle Mittel oder Mangel an anderen Ressourcen, durch fehlende politische Priorisierung und schlechte Koordination unterminiert. Die existierenden Mechanismen zur Koordination und Implementierung von Menschenrechten sind ineffizient. Es besteht eine starke Abhängigkeit von ausländischen Gebern (EC 25.2.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf , Zugriff 6.4.2020

- EC - Europäische Kommission (29.5.2019): Kosovo* 2019 Report, S33 u. S35, https://ec.europa.eu/neighbourhood-enlargement/sites/near/files/20190529-kosovo-report.pdf , Zugriff 6.4.2020

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind durch die kosovarische Verfassung garantiert (AA 21.3.2019; vgl. USDOS 11.3.2020) und werden im Allgemeinen von der Regierung, EULEX und KFOR gewährleistet. Demonstrationen werden allerdings aus Sicherheitsgründen gelegentlich eingeschränkt (BS 2020).

Die politische Opposition wurde in ihrer Betätigung nicht eingeschränkt (AA 21.3.2019).

In den meisten Teilen des Landes operieren die politischen Parteien frei und es gibt keine nennenswerten Hindernisse für deren Registrierung. In den kosovo-serbischen Mehrheitsbezirken berichteten oppositionelle und unabhängige Kandidaten, dass Druck ausgeübt worden wäre, sich von den Wahlen zurückzuziehen, und von Druck auf die Wähler, die Srpska-Liste zu unterstützen. Vertreter der kosovo-serbischen Opposition berichteten von Gewaltandrohungen während der Bürgermeisterwahlen am 19. Mai von Anhängern der Srpska-Liste und der serbischen Regierung. Die Parteizugehörigkeit spielt oft eine Rolle beim Zugang zu staatlichen Diensten und sozialen und Beschäftigungsmöglichkeiten (USDOS 11.3.2020).

Bereits 2015 und 2016 haben die damaligen Oppositionsparteien Vetevendosje!, AAK und NISMA die Arbeit des Parlaments massiv blockiert. Ein beliebtes Mittel war dabei der Einsatz von Tränengas, welches von einzelnen Mitgliedern der Opposition in das Parlament geschmuggelt und dort gezündet wird. Aber auch Eier wurden wiederholt auf Regierungsmitglieder geworfen. Die kosovarische Justiz hat in diesem Zusammenhang mehrere Ermittlungsverfahren eingeleitet. Hintergrund des Protests sind, nach Aussage der Opposition, zwei Abkommen welche die kosovarische Regierung mit den Nachbarländern Montenegro und Serbien geschlossen hat (GIZ 3.2020a). Von ebenso großer Relevanz ist das Abkommen mit Serbien, welches die Bildung einer Gemeinschaft (serb. zajednica) der serbischen Gemeinden im Kosovo regelt, womit eine Übertragung bestimmter Kompetenzen an die Gemeinschaft verbunden ist. Vetevendosje! fordert von der Regierung eine Annullierung dieses Abkommens. Bei Protesten, an denen sich auch Teile der Zivilgesellschaft beteiligten, versammelten sich schätzungsweise bis zu 40.000 Kosovaren, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen. Ein Großteil der Proteste verlief friedlich (GIZ 3.2020a).

Im Jänner 2018 wurde der prominente kosovo-serbische Politiker Oliver Ivanović bei einem Attentat in Nord-Mitrovica erschossen. Die Hintergründe des Mordes sind bis dato nicht aufgeklärt. Die von der EU vermittelten Normalisierungsgespräche zwischen Vertretern der kosovarischen und serbischen Regierung wurden vorübergehend ausgesetzt. Ivanović galt als einer der wichtigsten Politiker in Kosovo, der sich um den Ausgleich zwischen Kosovo-Serben und Kosovo-Albanern bemühte (GIZ 3.2020a; vgl. SZ 16.1.2018).

 

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf , Zugriff 7.4.2020

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Kosovo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2015997.html , Zugriff 7.4.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020a): Kosovo - Geschichte/Staat, https://www.liportal.de/kosovo/geschichte-staat/ , Zugriff 4.5.2020

- SZ – Süddeutsche Zeitung (16.1.2018): Serbisch-kosovarischer Politiker auf offener Straße erschossen, https://www.sueddeutsche.de/politik/attentat-serbischer-kosovo-politiker-auf-offener-strasse-erschossen-1.3827367 , Zugriff 13.4.2020

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Kosovo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026405.html , Zugriff 5.5.2020

 

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie das Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts sind in Art. 22 und 24 der kosovarischen Verfassung verankert. Die UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW) ist unmittelbar anwendbar. Die Agentur für Gleichberechtigung im Büro des Ministerpräsidenten soll die Umsetzung der Gleichstellungsmaßnahmen steuern und überwachen. Im Familienrecht ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau durch das Gesetz für Gleichberechtigung der Geschlechter am 7.6.2004 in Kraft gesetzt worden. Nach Art. 6 dieses Gesetzes ist die Ombudsperson zuständig für Beschwerden mit Bezug auf geschlechtsspezifische Diskriminierungen. Beamte des Büros für die Einhaltung des Diskriminierungsverbots werden in jedem Ministerium und in jeder Kommunalverwaltung eingesetzt (AA 21.3.2019). Das gesetzliche Regelwerk bezüglich der Gleichstellung von Mann und Frau ist weitgehend im Einklang mit europäischen Standards (EC 29.5.2019).

Gleichwohl ist die Gleichberechtigung der Geschlechter nicht durchgehend verwirklicht (AA 21.3.2019), auch wenn sich die gesellschaftliche, ökonomische und politische Position der Frauen langsam, aber stetig verbessert. Einen besonderen Schub bekam die Gleichberechtigung in der Politik mit der neuen Regierung im Februar 2020: erstmals waren 5 der insgesamt 15 Minister/innen Frauen, während Vjosa Osmani von der LDK als erste Frau zur Parlamentspräsidentin gewählt wurde (GIZ 3.2020b).

Frauen sind häufig geschlechtsspezifischer Gewalt und Diskriminierungen ausgesetzt (EC 29.5.2019). Häusliche Gewalt und sexuelle Belästigungen stellen ein verbreitetes Phänomen dar (GIZ 3.2020b). (Häusliche) Misshandlungen und sexuelle Gewalt sind verbreitet, werden aber gesellschaftlich tabuisiert und von den Betroffenen aus Angst vor Repressalien und fehlender sozialer Unterstützung durch Familie und Gesellschaft nur selten zur Anzeige gebracht. Soweit Fälle von Gewalt gegen Frauen überhaupt vor die kosovarischen Gerichte gelangen, dauern die Verfahren oft sehr lange. Die rechtliche Stellung betroffener Frauen wurde z.B. durch das Gesetz Law No.03/L –182 „On Protection against Domestic Violence“ sowie durch das Strafgesetzbuch verbessert. Daneben wurden Spezialeinheiten gegen Missbrauch und Misshandlungen in jeder größeren Polizeiwache sowie Anlaufstellen bei Gericht und bei Nichtregierungsorganisationen eingerichtet (AA 21.3.2019).

Trotzdem ist häusliche Gewalt im Kosovo nach wie vor ein Problem, da die Polizei nur unzureichend reagiert, es kaum zu strafrechtlicher Verfolgung kommt und die Richter weiterhin keine einstweiligen Verfügungen gegen missbrauchende Partner erlassen haben. Im April 2019 richteten die Behörden eine landesweit einheitliche Datenbank ein, die es ermöglicht, Fälle häuslicher Gewalt zu überwachen und strafrechtlich zu verfolgen. Das Verfassungsgericht entschied im Februar 2019, dass die Kosovo-Versammlung die Verfassung dahingehend ändern könne, dass sie die Konvention des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt und häuslicher Gewalt (auch als Istanbuler Konvention bekannt) anerkennt (HRW 14.1.2020).

Verteilt auf die kosovarischen Regionen bestehen derzeit in Pec/Peja, Gjakova/Djakovica, Prizren, Gjilan/Gnjilane, (Süd-)Mitrovica und Nord-Mitrovica sechs Frauenhäuser, die als "sichere Häuser" bezeichnet werden. Das Frauenhaus in Pristina musste im Sommer 2017 mangels einer ausreichenden Finanzierung schließen. Im April 2017 wurde eine Nationale Strategie zum Schutz vor häuslicher Gewalt vorgestellt. Im Mai 2017 wurde das Gesetz über die Entschädigung von Opfern von Straftaten dahingehend erweitert, dass auch Opfer von häuslicher Gewalt, Menschenhandel, Vergewaltigung und sexuellem Kindesmissbrauch erfasst werden. Allerdings gewähren die Behörden nur wenigen betroffenen Personen angemessenen Schutz. Frauen können in den Frauenhäusern bis zu einer Dauer von 6 Monaten untergebracht werden. In Ausnahmefällen ist eine Unterbringung auch länger möglich. Viele Frauen gehen aus Mangel an (wirtschaftlichen) Alternativen oft nach nur kurzer Aufenthaltsdauer zurück zu ihrem Ehepartner (AA 21.3.2019).

Sowohl in der Regierung als auch in den Gemeinden sind Frauen unterrepräsentiert. Die effektive Umsetzung des Gesetzes zur Geschlechtergleichstellung ist mangelhaft (EC 29.5.2019). Auch aufgrund wirtschaftlicher Abhängigkeit innerhalb von Ehe und Familie sind Frauen gesellschaftlich schlechter gestellt als Männer. So sind z.B. nur bei 15% des Grundeigentums in Kosovo Frauen als Eigentümerinnen registriert. Die Partizipation von Frauen im Arbeitsmarkt liegt bei 35%, weniger als 10% der registrierten Unternehmen werden von Frauen geführt (AA 21.3.2019).

Kosovos patriarchalisch geprägte Gesellschaft ist gekennzeichnet von mannigfaltigen geschlechtsspezifischen Diskriminierungen, von denen der Zugang zu Beschäftigung und Bildung am augenscheinlichsten sind. Während die Beschäftigungsquote von Frauen deutlich niedriger ist als die der Männer, ist die Arbeitslosenrate unter Frauen deutlich höher. Aber auch soziale Gewohnheiten und Einstellungen hinsichtlich der Teilhabe am politischen Leben, Eigentum und/oder häusliche Gewalt sind als problematisch zu identifizieren. Frauen sind bei der Entscheidungsfindung in allen Bereichen und auf allen Ebenen in Parlamenten auf zentralstaatlicher wie kommunaler Ebene und in Ministerien deutlich unterrepräsentiert. In der Geschichte Kosovos war überhaupt erst eine Frau Bürgermeisterin. Ungefähr 80% der Personen, die Geldüberweisungen in den Kosovo tätigen, sind männlich und 90% der Personen, die diese Geldtransfers im Kosovo empfangen und verwalten, sind ebenfalls männlich (GIZ 3.2020b).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf , Zugriff 13.4.2020

- EC - Europäische Kommission (29.5.2019): Kosovo* 2019 Report, S33 u. S35, https://ec.europa.eu/neighbourhood-enlargement/sites/near/files/20190529-kosovo-report.pdf , Zugriff 27.11.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Kosovo - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kosovo/gesellschaft/ , Zugriff 8.5.2020

- HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Serbia/Kosovo, https://www.ecoi.net/en/document/2022694.html , Zugriff 8.5.2020

 

Bewegungsfreiheit

Gesetzlich ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes vorgesehen, ebenso wie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung und die Regierung respektiert diese Rechte üblicherweise (USDOS 11.3.2020).

Alle Ethnien können sich im Kosovo grundsätzlich frei bewegen. Die Sicherheitskräfte bemühen sich um einen verstärkten Schutz für Minderheitengebiete und Enklaven. Angehörige von Minderheiten verlassen diese Gebiete – oftmals aufgrund eines subjektiv empfundenen Unsicherheitsgefühls und auch sprachlicher Barrieren – nur selten. Von der Freizügigkeit wird von Kosovo-Serben und Kosovo-Albanern in jenen Gegenden, wo sich diese Gruppen in der Minderheit befinden, zum Teil kein Gebrauch gemacht. Ziele der Binnenmigration für Kosovo-Serben sind in der Regel mehrheitlich serbisch bewohnte Ortschaften (AA 9.12.2015).

Die Regierung betrachtet serbisch ausgestellte Personaldokumente mit Namen kosovarischer Städte nicht als gültige Reisedokumente, was es vielen Mitgliedern der kosovo-serbischen Gemeinschaft erschwert, frei nach und aus dem Kosovo zu reisen, es sei denn, sie benutzten die beiden Grenzübergänge zu Serbien, die sich in den kosovo-serbischen Mehrheitsgemeinden im Norden befinden (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf , Zugriff 30.3.2020

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Kosovo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026405.html , Zugriff 17.4.2020

IDPs und Flüchtlinge

Laut UNHCR waren nach dem Krieg 90.000 Personen aufgrund des Krieges als intern vertrieben registriert. 8.367 Personen, hauptsächlich Kosovo-Serben, ließen sich bei UNHCR für eine Rückkehr in den Kosovo registrieren. Die Regierung veröffentlichte keine Informationen über die Anzahl der Personen, die tatsächlich im Laufe des Jahres 2019 in das Land zurückgekehrt sind; allerdings berichtete das Ministerium für Gemeinden und Rückkehrer, dass 2019 bis Juni 57 Personen, zumeist Kosovo-Serben, an ihren Herkunftsort im Land zurückgekehrt waren. Zu den Hindernissen für die Rückkehr gehörten fehlende Landzuweisungen für den Wiederaufbau von Wohnungen, fehlende wirtschaftliche Perspektiven und gesellschaftliche Diskriminierung. Im Laufe des Jahres genehmigte das Ministerium für Gemeinden und Rückkehrer den Bau von 108 Häusern für Rückkehrer serbischer, aschkalischer, romanischer und balkan-ägyptischer Ethnizität. Im Jahr 2018 und im Laufe des Jahres stellte die Regierung mehr als 3,5 Millionen Dollar für den Wohnungsbau für alle nicht-serbischen ethnischen Gemeinschaften zur Verfügung, mit Ausnahme der Gorani, die im Einvernehmen mit den ethnisch-serbischen Mitgliedern der Versammlung eine Fraktion bilden. Die Regierung fördert die sichere und freiwillige Rückkehr der Vertriebenen. Über das Ministerium für Gemeinschaften und Rückkehr fördert sie eine Politik und den Schutz von Binnenvertriebenen im Einklang mit der EU-Politik und arbeitet mit einheimischen und internationalen Organisationen zusammen, um den Binnenvertriebenen Zugang zu ihrem Eigentum und den Instrumenten für ihre nachhaltige Rückkehr zu gewährleisten. Dazu gehören Hilfe bei der Wiederinbesitznahme von Eigentum, Landzuweisungen für den Wohnungsbau und verbesserte sozioökonomische Aussichten (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Kosovo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026405.html , Zugriff 27.4.2020

Grundversorgung

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Das Warenangebot entspricht in der Auswahl (nicht immer in der Qualität) westeuropäischen Standards. Die Sozialhilfe bewegt sich auf niedrigem Niveau. Sozialleistungen reichen zur Befriedigung der Grundbedürfnisse kaum aus. Das wirtschaftliche Überleben sichert in der Regel zum einen der Zusammenhalt der Familien, zum anderen die im Kosovo ausgeprägte zivilgesellschaftliche Solidargemeinschaft. Im Jahr 2017 erhielten 26.111 Familien bzw. 106.649 Personen Sozialhilfe (AA 21.3.2019).

Obwohl das Wirtschaftswachstum des Kosovo in den letzten zehn Jahren besser war als das seiner Nachbarn und weitgehend integrativ, reichte es nicht aus, um genügend formelle Arbeitsplätze, insbesondere für Frauen und Jugendliche, bereitzustellen oder die hohen Arbeitslosenquoten deutlich zu senken. Das Wachstumsmodell stützt sich in hohem Maße auf Überweisungen, um den Binnenkonsum anzukurbeln, hat sich aber in jüngster Zeit auf ein stärker investitions- und exportgetriebenes Wachstum verlagert (WB o.D.).

Die kosovarische Wirtschaft wuchs in der Zeit nach der globalen Finanzkrise beständig über dem Durchschnitt des Westbalkans, wenn auch von einer niedrigen Basis aus. Das Pro-Kopf-BIP stieg von 1.088 US-Dollar im Jahr 2000 auf 4.458 US-Dollar im Jahr 2019. Trotz dieses Anstiegs des Pro-Kopf-Einkommens in den letzten 20 Jahren ist das Kosovo gemessen am Pro-Kopf-BIP nach wie vor das drittteuerste Land in Europa. Das jährliche Wachstum wird auf vier Prozent geschätzt, angetrieben durch den Konsum, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich, und durch Dienstleistungsexporte. Das Leistungsbilanzdefizit fiel von 7,6% des BIP im Jahr 2018 auf 5,5% im Jahr 2019, da sich das Importwachstum verlangsamte. Die Erwerbsbeteiligung ist mit durchschnittlich 40,5% der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter im Jahr 2019 nach wie vor chronisch niedrig. Die Arbeitslosenquote sank um 3,9 Prozentpunkte auf 25,7%. Die Staatsverschuldung ist gering, hat aber in den letzten Jahren rasch zugenommen. Die öffentliche und staatlich garantierte Verschuldung wird für Ende 2019 auf 17,7% des BIP geschätzt und ist damit die niedrigste auf dem Westbalkan, was dem Land Raum für die Aufnahme von Krediten zu Vorzugsbedingungen für produktive Investitionen mit einer hohen Rendite bietet. Der von den Banken dominierte Finanzsektor im Kosovo ist gesund und solide. Sowohl Kredite als auch Einlagen nahmen weiter zu (WB 2020).

Die kosovarische Wirtschaft leidet an einer unzureichenden Infrastruktur. Während es in den letzten Jahren zwar deutliche Verbesserungen hinsichtlich der Verkehrsinfrastruktur, v.a. beim Ausbau des Autobahnnetzes gegeben, hat, stellt die instabile Energieversorgung weiterhin ein schwerwiegendes Entwicklungsproblem dar. Problematisch ist auch die politische Instabilität mit häufigen Regierungswechseln und fehlender entwicklungsorientierter Wirtschaftspolitik. Das Wirtschaftssystem weist klare Charakteristika politischer Patronage auf, mit der Dominanz des öffentlichen Sektors. Dazu gehören einerseits die öffentliche Verwaltung, in der - basierend auf einer parteipolitisch motivierten Personalpolitik - extrem hohe Gehälter bezahlt werden, und andererseits ineffiziente, politisch kontrollierte öffentliche Unternehmen bei gleichzeitig schleppend voranschreitender Privatisierung. Hinzu kommt ein schwacher Rechtsstaat mit einer schwachen und politisierten Justiz und Polizei, teils kriegsbedingt noch immer unklaren Eigentumsverhältnissen, der mangelnden auch wirtschaftlichen Kontrolle über Teile des kosovarischen Territoriums, in erster Linie der vier mehrheitlich serbisch bewohnten Gemeinden im Norden, sowie das Problem grassierender, systematischer Korruption (GIZ 3.2020c).

Vor diesem Hintergrund blüht weiterhin ein substantieller informeller Wirtschaftssektor, welcher marktwirtschaftliche Regeln unterläuft, Arbeiterrechte und den Sozialstaat aushöhlt. Die EU-Kommission schätzte 2019 den Anteil der Schattenwirtschaft am Bruttosozialprodukt auf 30%. Das extreme Handelsbilanzdefizit macht Kosovo in hohem Maße von ausländischer Hilfe und Überweisungen abhängig. Der Anteil der informellen Wirtschaftsleistung ist immens – schätzungsweise zwischen 27% und 45%. Weitere Probleme sind die unzureichende Infrastruktur (Energie, Wasser und Verkehr), ungelöste rechtliche Verhältnisse, mangelnde Transparenz, Korruption, Kriminalität, etc. (GIZ 3.2020c).

Kosovos Arbeitslosenquote belief sich laut nationalem Statistikamt im Jahr 2019 auf 25,70% (gegenüber 29,60% im Jahr 2018). Dies ist der geringste Wert, der seit zwanzig Jahren gemessen wurde (CEIC 2.4.2020; vgl. WB 2020). Trotzdem bleibt die Arbeitslosigkeit mit einer Zahl von ca. 130.000 Unbeschäftigten Ende 2019 eines der zentralen Probleme. Der Arbeitsmarkt im Kosovo ist geprägt durch eine niedrige Erwerbsbeteiligung (Beschäftigungsqoute Ende 2019: 30,7%), ein hohes Maß an langfristiger Arbeitslosigkeit (über 70% aller Arbeitslosen) und Jugendarbeitslosigkeit (Jugendarbeitslosigkeitsquote 2019, Q4: 49,1%) sowie durch erhebliche Genderdisparitäten (Frauenbeschäftigungsquote 2016, Q4: 22,4%, gegenüber einer Männerbeschäftigungsquote von 60,2%). Im Kosovo existiert allerdings ein sehr ausgedehnter informeller, nicht von der Statistik erfasster Sektor, welcher z. B. einen Großteil der Frauen umfasst, die in Subsistenzwirtschaften Leistungen im Agrarsektor erbringen. Folgen der Informalität sind Einnahmeeinbußen bei den Sozialabgaben sowie ein Mangel an sozialer und arbeitsrechtlicher Absicherung der Arbeitnehmer. Eine staatliche Arbeitslosenversicherung existiert im Kosovo nicht. Jährlich drängen ungefähr 36.000 junge Arbeitssuchende neu auf den Arbeitsmarkt, von denen nur ein geringer Teil absorbiert werden kann. Für die überwiegende Mehrheit bleibt daher eine der folgenden Optionen: (weiterführende) Aus- und Weiterbildung, Studium, Arbeitslosigkeit, informelle Beschäftigung oder Migration. Etwa ein Drittel aller jungen Kosovaren geht weder einer Schulbildung, Ausbildung oder Beschäftigung nach. Die Arbeitgeber bemängeln, dass der Ausbildungsstand der jungen Kosovaren nicht den Bedürfnissen der Unternehmen nach qualifizierten Arbeitskräfte entspricht. Hieraus resultiert das Paradoxon der Gleichzeitigkeit von hoher Arbeitslosigkeit und unbesetzter Arbeitsstellen. Ein weiteres Problem ist, dass die ökonomischen und sozialen Statistikdaten immer noch unvollständig und Teils von mangelnder Qualität sind, was sowohl die Bewertung der effektiven Wirtschaftsentwicklung beeinträchtigt als auch die wirtschafts- und sozialpolitische Planung (GIZ 3.2020c).

Etwa 18% der kosovarischen Bevölkerung leben in absoluter Armut (täglich verfügbares Einkommen geringer als € 1,72) und 5,2% in extremer Armut (€ 1,20). Obwohl die einzelnen Studien und Armutsberichte nicht direkt vergleichbar sind, gibt es Hinweise dafür, dass sich das Ausmaß der Armut im Kosovo in den letzten zehn Jahren leicht reduziert hat. Armutsgefährdung korreliert stark mit Ethnizität (insbesondere die Gruppen der RAE (Roma, Ashkali, Ägypter) – Minderheiten sind von Armut überproportional stark betroffen), Alter (Kinder), Bildung (Geringqualifizierte), Geographie und Haushaltsgröße (große Familien, sowie Familien mit weiblichem Haushaltsvorstand). Der Lebensstandard ist im Kosovo sehr ungleich verteilt, mit Unterschieden in der durchschnittlichen Lebenserwartung von bis zu 10 Jahren zwischen einzelnen Gemeinden. Ein konsistentes geographisches Muster lässt sich jedoch nicht feststellen. Ein bedeutender Teil der Gesellschaft ist als mehrdimensional arm zu bezeichnen: Neben dem Mangel an pekuniären Ressourcen ist der Zugang zu sozialer Infrastruktur bzw. die Befriedigung grundlegender Bedürfnisse, wie z. B. fließendes Wasser, für viele Menschen begrenzt. Der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel und der Ausgaben für Wohnraum an den gesamten Konsumausgaben eines Haushalts liegt im Kosovo im Durchschnitt bei 73%, die Ausgaben für Bildung und Gesundheit entsprechen 4% der gesamten Konsumausgaben. Der Human Development Index für Kosovo liegt laut dem Human Development Report Kosovo 2016 bei 0.741 (2015), was eine deutliche Steigerung gegenüber 2011 (0.713) bedeutet, jedoch einen der niedrigsten Werte in der Region darstellt (GIZ 3.2020b).

 

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf , Zugriff 6.4.2020

- CEIC-Data – (2.4.2020): Kosovo. Arbeitslosenquote, https://www.ceicdata.com/de/indicator/kosovo/unemployment-rate , Zugriff 10.4.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Kosovo - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kosovo/gesellschaft/ , Zugriff 5.5.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020c): Kosovo – Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/kosovo/wirtschaft-entwicklung/ , Zugriff 5.5.2020

- WB – Weltbank (o.D.): The World Bank in Kosovo, https://www.worldbank.org/en/country/kosovo/overview , Zugriff 5.5.2020

Sozialbeihilfen

Die Leistungsgewährung von staatlichen Sozialhilfeleistungen für bedürftige Personen erfolgt auf Grundlage des Gesetzes No. 2003/15. Jede Gemeinde verfügt über ein Zentrum für Soziales. Angehörige der Minderheiten werden zusätzlich von den in jeder Gemeinde eingerichteten Büros für Gemeinschaften und Rückkehrer (Municipal Office for Communities and Return, MOCR) betreut. Die Freizügigkeit wird für Sozialhilfeempfänger nicht eingeschränkt. Für den weiteren Sozialhilfebezug ist in der Kommune des neuen Wohnortes ein entsprechender Antrag zu stellen. Die Sozialhilfe bewegt sich auf niedrigem Niveau. Sozialleistungen reichen zur Befriedigung der Grundbedürfnisse kaum aus. Das wirtschaftliche Überleben sichert in der Regel zum einen der Zusammenhalt der Familien, zum anderen die in Kosovo ausgeprägte zivilgesellschaftliche Solidargemeinschaft. Im Jahr 2017 erhielten 26.111 Familien bzw. 106.649 Personen Sozialhilfe (AA 21.3.2019).

Das Gesetz über die soziale Grundsicherung umfasst zwei Kategorien von Leistungsempfängern. Kategorie I definiert Familien als Leistungsempfänger, in denen alle Familienmitglieder temporär oder dauerhaft dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen, z.B. Kinder bis 14 Jahre, Jugendliche bis 18 Jahren, sofern diese in das Bildungssystem integriert sind, Alleinerziehende mit mindestens einem Kind unter 15 Jahren, Personen mit schwerer und dauerhafter Behinderungen über 18 Jahre, ältere Personen über 65 Jahre. Kategorie II umfasst jene Familien, in denen mindestens ein Familienmitglied dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht und in denen mindestens ein Kind jünger als 5 Jahre bzw. ein/e Waise jünger als 15 Jahre versorgt wird. Die Leistungen aus beiden Kategorien sind an strenge Bedürftigkeitsprüfungen gebunden. Die monatliche Unterstützungsleistung variiert von € 50 für eine einzelne Person bis zu maximal € 150 für eine Familie mit sieben oder mehr Mitgliedern, was einer Lohnersatzquote von 11.2% (Einzelperson) entspricht. 2018 empfingen ca. 25.300 Familien mit ca. 103.409 Familienmitgliedern Sozialhilfe, ein Bevölkerungsanteil von 6%. Die Gesamtaufwendungen sind mit ca. € 32.9 Mio. bzw. einem Anteil von 0.5% des BIPs gering. Im Kosovo gibt es zwei spezielle Institutionen, die sich auf die Versorgung von Erwachsene mit psychischen Erkrankungen (in Shtime) bzw. auf die Versorgung älterer Menschen (in Prishtina) spezialisiert haben. Daneben wurden jüngst fünf kommunale Einrichtungen für Menschen mit geistiger Behinderung sowie Einrichtungen für ältere Menschen eröffnet. Die Institutionen in Shtime und Prishtina wurden in der Vergangenheit wiederholt mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht (GIZ 3.2020b).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf , Zugriff 7.4.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Kosovo - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kosovo/gesellschaft/ , Zugriff 17.4.2020

Medizinische Versorgung

Die mangels eines öffentlichen Krankenversicherungssystems weiterhin staatlich finanzierte medizinische Grundversorgung der Bevölkerung ist auf drei Ebenen organisiert: Die erste Ebene umfasst die hausärztliche Grundversorgung, insgesamt 422 Praxen und regionale Gesundheitszentren (GIZ 3.2020b; vgl. AA 21.3.2019). In letzteren werden Patienten durch Ärzte für Allgemeinmedizin sowie durch weitere Fachärzte, wie Ärzte für Pädiatrie, Dermatologie, Ophthalmologen, Gynäkologen und Zahnärzte behandelt. Zur Beseitigung des Personalmangels wurde im Jahr 2017 das Personal der primären Erstversorgung umfangreich aufgestockt. Die ambulant Grundversorgung durch Allgemeinmediziner und andere Fachärzte sowie medizinisches Assistenzpersonal erfolgt in sogenannten Familien-Gesundheitszentren. Diese Gesundheitszentren werden in Verantwortung der jeweiligen Gemeinden betrieben; die Finanzierung der erforderlichen Sachmittel erfolgt durch die Gemeinden, jene der Personalkosten aus staatlichen Mitteln des Gesundheitsministeriums (AA 21.3.2019).

Die staatliche sekundäre Versorgung beinhaltet die ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung in den Regionalkrankenhäusern in Ferizaj/Urosevac, Gjakova/Djakovica, Gjilan/Gnjilane, Mitrovica-Nord und -Süd, Peja/Pec, Prizren und Vushtrri/Vucitrn (GIZ 3.2020b; vgl. AA 21.3.2019). Die tertiäre Gesundheitsversorgung wird durch die Universitätsklinik Pristina sowie staatliche Institute gewährleistet, die umfassende, auch komplexe medizinische Dienstleistungen anbieten. Gleichzeitig ist die Universitätsklinik für die sekundäre Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung der Region Pristina zuständig und wird dementsprechend stark frequentiert. Die Bettenkapazität zur stationären Behandlung von Patienten in den Krankenhäusern ist ausreichend (AA 21.3.2019).

Die Zahl der lizenzierten privaten Krankenhäuser in Kosovo belief sich 2019 auf 23. Die Nachfrage nach (lebenswichtigen) Medikamenten kann, trotz Verbesserungen in den letzten Jahren, nicht vollständig befriedigt werden, was einen Nährboden für die Entwicklung schwarzer und grauer Märkte bietet. Kosovo und Albanien besitzen die höchste Rate an intra-Krankenhaus-Infektionen im europäischen Vergleich, was insbesondere auf hygienische Probleme zurückzuführen ist. Die medizinische Infrastruktur im Kosovo bleibt trotz erheblicher Investitionen lückenhaft. Zusammen mit dem Mangel an medizinischem Fachwissen führt dies zum Problem, dass bestimmte Krankheiten (z. B. Leukämie, Nierenversagen) im Kosovo nicht behandelt werden können. Ein effizientes Informationsverarbeitungssystem fehlt gänzlich. Die Doppelfunktion von medizinischem Personal, welches gleichzeitig in öffentlichen und privaten Institutionen beschäftigt ist, führt zu substantiellen Interessenkonflikten. Entscheidungen über die Budgetverteilung scheinen zuweilen klar politisch motiviert zu sein und sind kaum evidenzbasiert. Schließlich erschweren die finanziellen Barrieren den Zugang zum Gesundheitssystem, was gravierende Ungleichheiten zur Folge hat. Wohlhabende Patienten fragen in zunehmendem Maße Leistungen privater Anbieter nach und/oder nutzen das Angebot (privater) medizinischer Akteure im Ausland (GIZ 3.2020b).

Bereits im Dezember 2012 wurde ein Gesetz zur Reform des Gesundheitssystems verabschiedet, im April 2014 ergänzend das Gesetz über die Krankenversicherung. Das Krankenversicherungsgesetz sieht eine staatliche, für alle kosovarischen Bürger obligatorische Krankenversicherung vor. Viele Einzelheiten sind aber nach wie vor ungeklärt. Die Implementierung der Krankenversicherung wird deshalb immer wieder verschoben.. Eine sofortige Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung nach Einführung des öffentlichen Krankenversicherungssystems wird derzeit als nicht realistisch eingestuft (AA 21.3.2019).

Als Folgen der andauernden Unterfinanzierung der Budgets sind staatlich finanzierte Basismedikamente der Essential Drug List sowie Zytostatika zur Behandlung von Tumorerkrankungen für berechtigte Empfänger nur selten kostenlos erhältlich. In der Realität können staatlicherseits Basis-Medikamente der Essential Drug List nicht regelmäßig und im benötigten Umfang zur Verfügung gestellt werden. Deshalb haben es insbesondere Neuerkrankte schwer, in den Genuss eines kostenlosen Bezugs staatlich finanzierter Medikamente zu kommen. Für Betroffene bleibt in einer solchen Situation nur die Möglichkeit, benötigte Medikamente privat finanziert zu beschaffen. Patienten erhalten vom behandelnden Arzt eine Liste mit benötigten Medikamenten und Verbrauchsmaterialien, die der Patient bzw. ein ihn betreuender Verwandter in einer der vielen Apotheken privat kaufen muss. Lediglich Medikamente für die Behandlung von an TBC oder AIDS erkrankten Patienten gehören wie Insulin zu den regelmäßig kostenlos vom Gesundheitsministerium zur Verfügung gestellten Medikamenten (AA 21.3.2019).

Trotz kontinuierlicher Verbesserungen der meisten Gesundheitsindikatoren bleibt die Gesundheitssituation insgesamt alarmierend. Die Säuglings- und Müttersterblichkeit gehört jeweils zu den höchsten in ganz Europa. Die Immunisierungsrate hat sich jüngst auf über 90% erhöht, bleibt allerdings niedrig unter den RAE-Minderheiten. Das Ausmaß der Umweltverschmutzung sowie der Umgang mit suchtgefährdenden Substanzen, insbesondere Tabak, stellen ein enormes Risiko für die Gesundheit der kosovarischen Bevölkerung dar (GIZ 3.2020b).

In Ermangelung einer universellen Gesundheitsversorgung sind Gemeinschaften von Roma und Ashkali, aufgrund ihrer schwierigen sozio-ökonomischen Lage, besonderen Schwierigkeiten beim Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen ausgesetzt. Nur der Zugang zu sehr grundlegenden Dienstleistungen ist kostenlos (EC 29.5.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf , Zugriff 13.4.2020

- EC - Europäische Kommission (29.5.2019): Kosovo 2019 Report, S33 u. S35, https://ec.europa.eu/neighbourhood-enlargement/sites/near/files/20190529-kosovo-report.pdf , Zugriff 27.11.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Kosovo - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kosovo/gesellschaft/ , Zugriff 5.5.2020

Rückkehr

Die meisten europäischen Staaten haben mit Kosovo bilaterale Rückübernahmeabkommen abgeschlossen (AA 21.3.2019). Diese Rückübernahmeabkommen werden problemlos implementiert. Asylanträge kosovarischer Bürger in der EU sinken seit 2015, dementsprechend sinken auch die Rückführungen. Die Zahl der aus den EU-Staaten in den Kosovo zurückgeführten Personen ist von 18.789 im Jahr 2015, 11.030 im Jahr 2016 und 4.509 im Jahr 2017 auf 2.395 im Jahr 2018 gefallen (1.668 zwangsweise und 727 freiwillig). Im Jahr 2017 betrug die Rückkehrrate der in der EU aufhältigen kosovarischen Bürger, die seitens der Gastländer zum Verlassen des Territoriums angehalten wurden, in den Kosovo 85,9% (EC 29.5.2019).

Das kosovarische Innenministerium prüft vor seiner Zustimmung zu einer Rückführung aus Drittstaaten anhand von Dokumenten, bestehenden Registereinträgen und/oder Zeugenaussagen die Herkunft einer Person aus Kosovo und das Vorliegen der Voraussetzungen nach Art. 32 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes für die kosovarische Staatsangehörigkeit. Daher ist davon auszugehen, dass in Rückführungsfällen die formellen Voraussetzungen für die Registrierung als „Resident of Kosovo“ erfüllt werden. Probleme entstehen für Eltern bei der Registrierung von im Ausland geborenen Kindern, wenn lediglich Geburtsanzeigen vorgelegt werden können, weil Standesämter mangels fehlender Identitätsdokumente der Eltern keine Geburtsurkunden ausstellen können. Seit Mai 2010 hat die kosovarische Regierung Strategien für die Reintegration von Rückkehrern verabschiedet (AA 21.3.2019).

Geleitet wird der gesamte Reintegrationsprozess von der Abteilung für die Reintegration von Rückkehrern im kosovarischen Innenministerium. Für diese Abteilung arbeiten u.a. sechs sogenannte Regionalkoordinatoren, die dezentral in den größeren Gemeinden des Kosovo (auch Nord-Mitrovica) tätig sind und als Ansprechpartner für die in jeder Gemeinde eingerichteten Büros für Gemeinschaften und Rückkehrer (Municipal Office for Communities and Return, MOCR) fungieren sollen sowie auch Mitglieder der kommunalen Ausschüsse für Reintegration (Municipal Committees for Reintegration, MCR) sind. Zu den Aufgaben der Regionalkoordinatoren gehört auch ein Monitoring der MOCR und der MCR. Zudem können sie im Bereich der Wohnraumbeschaffung eigenständig tätig werden. Die erste Kontaktaufnahme zu den Rückkehrern findet bereits unmittelbar nach deren Ankunft in einem eigenen Büro der „Abteilung für die Reintegration von Rückkehrern“ [DRRP - Department for Reintegration of Repatriated Persons] im Flughafen Pristina statt. Falls erforderlich, werden Transport in die Heimatgemeinde oder eine befristete Unterkunft in einer Einrichtung in Pristina angeboten sowie Ansprechpartner in den Kommunen benannt. Im Bedarfsfall können individuelle medizinische Versorgungsmöglichkeiten über die Abteilung für die Reintegration von Rückkehrern in Zusammenarbeit mit den kosovarischen Behörden organisiert werden (AA 21.3.2019).

 

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf , Zugriff 21.4.2020

- EC - Europäische Kommission (29.5.2019): Kosovo* 2019 Report, S33 u. S35, https://ec.europa.eu/neighbourhood-enlargement/sites/near/files/20190529-kosovo-report.pdf , Zugriff 21.4.2020

Dokumente

Personen mit gewöhnlichem Wohnsitz in Kosovo oder im Ausland lebende Kosovaren, die im zentralen Zivilregister erfasst sind, erhalten seit Ende Juli 2008 bis zu zehn Jahre gültige kosovarische Reisepässe (seit November 2011 auch mit biometrischen Merkmalen), die von Deutschland anerkannt werden (AA 21.3.2019).

 

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf , Zugriff 31.3.2020

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus den unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalten basierend auf dem vorgelegten Verwaltungsakt des BFA sowie dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Identität der BF sowie ihr Personenstand stehen aufgrund der vorgelegten Dokumente und ihren diesbezüglichen Angaben fest.

Die Feststellungen über die im Jahr 2009 erstmals erfolgte illegale Einreise sowie die Antragstellung auf internationalen Schutz und der darauffolgenden freiwilligen Ausreise am 02.02.2010 in die Republik Kosovo ergeben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt, ihren Angaben sowie aus der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister.

Dass die BF nach ihrer freiwilligen Ausreise bei ihrer Tante, welche sie versorgte, wohnte und kurzzeitig als Näherin tätig war, ergibt sich aus den diesbezüglich unbedenklichen eigenen Angaben vor dem BFA.

Der Umstand, dass der tatsächliche Zeitpunkt der Einreise nicht festgestellt werden kann, ergibt sich aus den Angaben der BF und der dazu widersprüchlichen Meldung im Zentralen Melderegister. Andere, eine Einreise im Jahr 2015 bestätigende Beweismittel, wurden nicht vorgelegt.

Die Feststellungen zu ihren Familienangehörigen und ihrem Gesundheitszustand beruhen auf ihren eigenen, im Verfahren unstrittig gebliebenen Angaben sowie dem unzweifelhaften Akteninhalt, insbesondere auf Auszügen des Zentralen Fremdenregisters.

Die vorhandenen Sprachkenntnisse auf A2-Niveau ergeben sich aus dem vorgelegten Sprachzertifikat sowie dem Umstand, dass die BF sich während ihrer niederschriftlichen Einvernahme auf Deutsch verständigen konnte.

Der Umstand, dass die BF einen Arbeitsvorvertrag als Reinigungskraft besitzt, ergibt sich aus dem vorgelegten Arbeitsvorvertrag selbst.

Die Geburt der Tochter der BF, XXXX , am XXXX in Graz ergibt sich einerseits aus dem vorgelegten Mutter-Kind-Pass sowie aus der vorgelegten Geburtsurkunde der Tochter.

Die Tatsache, dass weder der Kindesvater noch ein Familienleben zu diesem bekannt ist und somit auch nicht festgestellt werden können, ergibt sich daraus, dass die BF zu keinem Zeitpunkt während des Verfahrens etwaiges vorgebracht hat. Des Weiteren befinden sich auf der Geburtsurkunde keine Angaben über den Kindesvater.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit der BF ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

Der Verfahrensausgang in den Verfahren der beiden Geschwister ergibt sich aus den unbedenklichen Akteninhalten der diesbezüglichen Verfahrensakten betreffend XXXX (AZ W161 2242868-1) und XXXX (AZ W232 2236128-1).

Der Feststellung betreffend die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG 2005 in den Kosovo beruht darauf, dass die BF weder vor der belangten Behörde noch in der Beschwerde konkrete Angaben dahingehend getätigt hat, denen zufolge eine rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung anzunehmen gewesen wäre. Auch von Amts wegen ergibt sich kein Hinweis auf das mögliche Vorliegen einer im Fall einer Abschiebung drohenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit der BF. Es wurden weder im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch vor dem Bundesverwaltungsgericht Rückkehrbefürchtungen auf ihren Herkunftsstaat bezogen geäußert.

Kosovo gilt aufgrund der Ermächtigung nach § 19 Abs. 5 Z 2 BFA-VG laut § 1 Z 2 der Verordnung der Bundesregierung, mit der Staaten als sichere Herkunftsstaaten festgelegt werden (Herkunftsstaaten-Verordnung - HStV) als sicherer Herkunftsstaat.

Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen, welche in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen wurden. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

Zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheides:

§ 55 AsylG 2005 lautet:

"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration, 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-,

Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in

dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 und § 52 Abs. 3 FPG 2005 ist die Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 grundsätzlich mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG 2005 in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei Beurteilung der Frage, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zur Aufrechterhaltung des Privat- und/oder Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung zuletzt etwa VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0034, Rn 9, mwN).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner langjährigen Rechtsprechung zu Ausweisungen Fremder wiederholt ausgesprochen, dass die EMRK Fremden nicht das Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Land garantiert und die Konventionsstaaten im Allgemeinen nicht verpflichtet sind, die Wahl des Aufenthaltslandes durch Einwanderer zu respektieren und auf ihrem Territorium die Familienzusammenführung zu gestatten. Dennoch könne in einem Fall, der sowohl die Achtung des Familienlebens, als auch Fragen der Einwanderung betrifft, der Umfang der staatlichen Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat ansässigen Personen Aufenthalt zu gewähren, - je nach der Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse - variieren (vgl. z.B. EGMR 05.09.2000, Solomon v. Niederlande, Appl. 44328/98; EGMR 09.10.2003, Slivenko v. Lettland, Appl. 48321/99; EGMR 22.04.2004, Radovanovic v. Österreich, Appl. 42703/98; EGMR 31.01.2006, da Silva und Hoogkamer v. Niederlande, Appl. 50435/99; EGMR 31.07.2008, Darren Omoregie ua v. Norwegen, Appl. 265/07).

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Sowohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als auch der Verwaltungsgerichtshof stellen in ihrer Rechtsprechung darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen bewusst waren, der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes sei derart, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist (VwGH 30.04.2009, 2009/21/086, VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721 und die dort zitierte EGMR-Judikatur).

Vor diesem Hintergrund ist im vorliegenden Fall nach Maßgabe einer Interessenabwägung die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat-und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geboten:

Die erwachsene BF verfügt zwar im Bundesgebiet über familiäre Anknüpfungspunkte in Person ihrer Mutter und Geschwister. Es wird auch nicht verkannt, dass die BF nach eigenen Angaben bereits seit einigen Jahren im gemeinsamen Haushalt mit ihren Angehörigen im Bundesgebiet lebt und von ihrer Familie finanzielle Unterstützung erhält. Hierbei ist jedoch einerseits darauf zu verweisen, dass sie erst seit Kurzem eine Wohnsitzmeldung in Österreich aufweist, andererseits ist jedoch unabhängig davon darauf hinzuweisen, dass die BF im Kosovo geboren und aufgewachsen ist, dort die Schule absolviert hat und berufstätig war. Ihr Vater und weitere Verwandte leben weiterhin im Kosovo. Die BF hat sehr starke Bindungen zu ihrem Herkunftsstaat, zumal sie bis zu ihrer Einreise in das österreichische Bundesgebiet die meiste Zeit ihres Lebens im Kosovo verbracht hat. Im Hinblick auf diese Ausführungen relativiert sich ein besonderes Naheverhältnis zwischen den Familienangehörigen in Österreich und der erwachsenen BF. Der gemeinsame Wohnsitz mit der Familie wurde zudem zu einem Zeitpunkt begründet, als sich die BF ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste, zumal sie selbst angab, ihren Wohnsitz nicht gemeldet zu haben, da sie Angst gehabt habe.

Hinsichtlich der drei Monate alten Tochter der BF ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die BF im gesamten Verfahren vor dem BFA das Kind bewusst verschwiegen hat. So hat sie in der niederschriftlichen Einvernahme am 24.03.2021 die Frage nach ihrem Personenstand mit „Ich bin ledig, habe keine Kinder und befinde mich in keiner Lebensbeziehung.“ beantwortet, obwohl laut Mutter-Kind-Pass Untersuchungen bereits am 04.02.2021 stattgefunden haben, sie somit zum Zeitpunkt der Einvernahme von dem Kind gewusst haben muss.

Gemäß § 39 Abs. 2a AVG hat jede Partei ihr Vorbringen so rechtzeitig und vollständig zu erstatten, dass das Verfahren möglichst rasch durchgeführt werden kann (Verfahrensförderungspflicht). Gegen diese Pflicht hat die BF verstoßen, indem die BF erst nach erfolgter Befragung zu ihren persönlichen Umständen und nach Bescheiderlassung ihren Mutter-Kind-Pass sowie die Geburtsurkunde ihrer Tochter übermittelte. § 39 Abs. 3 AVG wurde durch BGBl I Nr. 57/2018 neu gefasst. Im Gegensatz zur vorherigen Rechtslage soll nach den EB (RV 193 BlgNR 26. GP , 3) § 39 Abs. 3 AVG künftig zur Folge haben, dass die Behörde den Bescheid auf Grund des von ihr zum Zeitpunkt des Schlusses des Ermittlungsverfahrens vorliegenden Sachverhaltes erlassen kann. Um Verschleppungstendenzen zu vermeiden, sollen die in Abs. 4 leg cit genannten besonderen Voraussetzungen für die Fortsetzung des Ermittlungsverfahrens gelten. Hat die Behörde das Ermittlungsverfahren geschlossen und hat es die Partei unterlassen, Tatsachen und Beweismittel rechtzeitig geltend zu machen, wird sie dies nicht mit Erfolg in der Beschwerde geltend machen können (RV 193 BlgNR 26. GP , 4). Da § 39 AVG sinngemäß im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwenden ist (§ 17 VwGVG), gelten diese Erwägungen auch für dieses Verfahren. Dass die BF den Umstand, dass sie ein Kind erwartet, ohne Verschulden nicht geltend gemacht hatte, behauptet sie nicht. Es muss daher zu ihrem Lasten gewertet werden, dass die BF diesen Umstand bewusst absichtlich verschwiegen hat.

Gemäß § 31 Abs. 4 FPG 2005 halten sich Kinder, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, während der ersten sechs Lebensmonate rechtmäßig im Bundesgebiet auf, sofern die Mutter oder ein anderer Fremder, dem Pflege und Erziehung des Kindes zukommt, rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen ist; dies gilt, solange der Betreffende rechtmäßig niedergelassen bleibt, bei Ableitung vom Vater überdies nur, wenn diesem das Recht zur Pflege und Erziehung allein zukommt. Außerdem sind solche Kinder während der ersten sechs Lebensmonate rechtmäßig aufhältig, sofern und solange deren Pflege und Erziehung einem österreichischen Staatsbürger mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet allein zukommt.

Da die BF nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig ist und andere Tatbestandselemente nicht vorgebracht wurden, ist davon auszugehen, dass die minderjährige Tochter ebenso nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig ist.

Bezüglich der minderjährigen Tochter ist hierbei auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes einzugehen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung unter Bezugnahme auf Judikatur des EGMR bereits Folgendes ausgesprochen: Soweit Kinder bzw. Minderjährige von einer Rückkehrentscheidung betroffen sind, sind die besten Interessen und das Wohlergehen dieser Kinder, insbesondere das Maß an Schwierigkeiten, denen sie im Heimatstaat begegnen, sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Aufenthaltsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen (vgl. dazu etwa die Urteile des EGMR vom 18. Oktober 2006, Üner gegen die Niederlande, Beschwerde Nr. 46410/99, Randnr. 58, und vom 6. Juli 2010, Neulinger und Shuruk gegen die Schweiz, Beschwerde Nr. 41615/07, Randnr. 146). Maßgebliche Bedeutung hat der EGMR dabei in seiner Rechtsprechung den Fragen beigemessen, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie ihre Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaats sprechen, und insbesondere, ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter ("adaptable age"; vgl. dazu die Urteile des EGMR vom 31. Juli 2008, Darren Omoregie und andere gegen Norwegen, Beschwerde Nr. 265/07, Randnr. 66, vom 17. Februar 2009, Onur gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 27319/07, Randnr. 60, und vom 24. November 2009, Omojudi gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 1820/08, Randnr. 46) befinden (vgl. zum Ganzen etwa VwGH vom 21. April 2011, 2011/01/0132).

Führt die Überprüfung des Kriteriums nach § 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG zu dem Ergebnis, dass eine Minderjährige zum Heimatland keine oder nur mehr äußerst geringe Bindungen aufweist, wird das - vorausgesetzt, sie ist unbescholten und hat in Österreich einen ausreichenden Grad an Integration erreicht - in der Regel dafür sprechen, ihr den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, und zwar jedenfalls dann, wenn nicht - in zumutbarer Weise - erwartet werden kann, dass sie sich im Falle einer Rückführung an die Verhältnisse im Heimatland, etwa das Erlernen der dortigen Sprache, den Aufbau neuer Kontakte, die Fortsetzung einer begonnenen Ausbildung, usw., wieder anpassen kann.

In einem solchen Fall kommt auch bei einer verhältnismäßig kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich den fehlenden Bindungen der Minderjährigen zum Heimatstaat im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung großes Gewicht zu. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt darauf hingewiesen, dass die Aufenthaltsdauer nach § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien darstellt, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist (vgl. etwa VwGH vom 30. Juli 2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058). Allerdings hat er auch betont, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (siehe das soeben zitierte Erkenntnis; weiters etwa VwGH vom 21. Jänner 2016, Ra 2015/22/0119, vom 10. Mai 2016, Ra 2015/22/0158, und vom 15. März 2016, Ra 2016/19/0031).

Wie bereits festgestellt, wurde die Tochter der BF am XXXX 2021 in Graz geboren. Diese hält sich sohin seit ihrer Geburt durchgehend im Bundesgebiet auf. Eine Mutter-Kind-Beziehung wird vom EGMR aufgrund des biologischen Bandes ab dem Zeitpunkt der Geburt als Familienleben qualifiziert, ohne dass weitere Aspekte der Intensität geprüft werden müssten (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx gegen Belgien, Nr. 6833/74, Z. 31). Die Beziehung zwischen der BF und ihrer minderjährigen Tochter stellt somit ein Familienleben iSd Art. 8 EMRK dar. Der BF kommt die Obsorge für ihr Kind zu, die auf die Betreuung und Pflege durch die BF angewiesen ist.

Unbeschadet dessen ist es – der Rechtsprechung des EGMR folgend – Kindern in einem jungen oder anpassungsfähigem Alter ohne unbillige Härte zumutbar, mit ihren Eltern in deren Herkunftsstaat zurückzukehren. Dies auch angesichts des Umstandes, dass diesen die dortige Kultur nicht vertraut ist und sie dort nie gelebt haben (vgl. EGMR 26.01.1999, Sarumi, Zl. 43279/98 [Kinder im Alter von sieben und elf Jahren]).

Eine Trennung von Familienangehörigen, mit denen ein gemeinsames Familienleben im Herkunftsland nicht zumutbar ist, ist im Ergebnis nur dann gerechtfertigt, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme insgesamt ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie etwa bei Straffälligkeit des Fremden oder bei einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regeln über den Familiennachzug (vgl. VwGH 23.03.2017, Ra 2016/21/0199, mwN [Trennung von einem österreichischen Ehepartner]; 23.02.2017, Ra 2016/21/0235 [Trennung von der in Österreich asylberechtigten Ehefrau und asylberechtigten minderjährigen Kindern]; 24.09.2019, Ra 2019/20/0446).

Der EGMR hat zwar in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass eine biologische Verwandtschaft zwischen einem leiblichen Elternteil und einem Kind allein – d.h. ohne weitere rechtliche oder tatsächliche Merkmale, die auf das Vorliegen einer engen persönlichen Beziehung hindeuten – nicht ausreiche, um unter den Schutz von Art. 8 EMRK zu fallen. In der Regel ist das Zusammenleben eine Voraussetzung für eine Beziehung, die einem Familienleben gleichkommt. Ausnahmsweise können auch andere Faktoren als Nachweis dafür dienen, dass eine Beziehung beständig genug ist, um faktische „familiäre Bindungen“ zu schaffen. Ferner hat der Gerichtshof die Auffassung vertreten, dass auch ein beabsichtigtes Familienleben ausnahmsweise unter Art. 8 EMRK fallen kann, und zwar vor allem dann, wenn der Umstand, dass das Familienleben noch nicht vollständig hergestellt war, nicht dem Beschwerdeführer zuzurechnen ist. Sofern es die Umstände rechtfertigen, muss sich das „Familienleben“ insbesondere auch auf die potentielle Beziehung erstrecken, die sich zwischen einem nichtehelichen Kind und dessen leiblichem Vater entwickeln kann. Zu den maßgeblichen Kriterien für das tatsächliche und praktische Vorliegen enger persönlicher Bindungen in diesen Fällen gehören unter anderem die Art der Beziehung zwischen den leiblichen Eltern sowie das nachweisbare Interesse des Vaters an dem Kind und sein Bekenntnis zu ihm sowohl vor als auch nach der Geburt (vgl. EGMR 15.09.2011, Fall Schneider, Appl. 17.080/07 mwN).

Abgesehen davon, dass die BF von Anfang an die Umgehung der Regeln über den Familiennachzug beabsichtigte, wurde zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens der Kindesvater genannt und weist auch die Geburtsurkunde keine Hinweise auf diesen auf.

Da die Tochter knapp drei Monate alt ist, sich somit in einem anpassungsfähigen Alter befindet, ihre Mutter ihr Hauptbezugspunkt ist, ein Privatleben außerhalb der Mutter-Kind-Beziehung noch nicht entstehen konnte sowie der Mutterschutz von acht Wochen bereits vergangen ist, kann jedenfalls davon ausgegangen werden, dass es für das Kind zumutbar ist, mit seiner Mutter in den Herkunftsstaat zurückzureisen.

Zudem ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Tochter zu den dort lebenden zahlreichen Verwandten (Großvater, Großtanten, Tante, Schwester etc.) in raschem zeitlichen Zusammenhang eine vertiefte soziale Beziehung aufbauen und anfangs auf eine Unterstützung dieses familiären Netzes zurückgegriffen werden kann.

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen (vgl. EGMR 15.01.2007, Sisojeva ua. gegen Lettland, Appl. 60654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541).

Zu Gunsten der BF ist zu werten, dass sie bemüht ist, die deutsche Sprache zu erlernen. Weitere Aspekte einer Integration, sei es in wirtschaftlicher oder sozialer Hinsicht wurden nicht vorgebracht.

Zu den vorgelegten „bedingten Arbeitsvorverträgen“ ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Dieser hat im Hinblick auf die Vorlage von Einstellungszusagen, die eine (zukünftige) berufliche Integration belegen sollen, ausgeführt, dass aus bedingten Bestätigungen potenzieller zukünftiger Arbeitgeber nicht ein bereits erreichter Grad an Integration in wirtschaftlicher Hinsicht ableitbar ist, sondern bloß die noch ungewisse Möglichkeit deren künftigen Eintretens. In ständiger Rechtsprechung wird zum Ausdruck gebracht, dass der Ausübung einer Beschäftigung sowie einer etwaigen Einstellungszusage oder Arbeitsplatzzusage eines Asylwerbers, der lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügt hat, keine wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. VwGH vom 22.02.2011, Zl. 2010/18/0323 mit Hinweis auf VwGH vom 15.09.2010, Zl. 2007/18/0612 und vom 29.06.2010, Zl. 2010/18/0195 jeweils mwN). In diesem Zusammenhang kommt es auch nicht entscheidungswesentlich darauf an, ob den Betroffenen ein „Vorwurf“ im Hinblick auf eine unterlassene Integration am Arbeitsmarkt zu machen ist, sondern darauf, ob ihnen diese objektiv gelungen ist oder nicht (vgl. VwGH vom 19.04.2012, Zl. 2010/21/0242). Des Weiteren ist dieser Umstand insoweit zu mindern, als die BF ein drei Monate altes Kleinkind hat und somit einer Erwerbstätigkeit allenfalls nur sehr eingeschränkt nachgehen kann.

Zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides war die Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthalts bereits abgelaufen. Die BF verfügt bis zum jetzigen Zeitpunkt über keine Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich bzw. im Schengen- Raum. Auch der Umstand der Stellung des gegenständlichen Antrages ändert daran nichts, zumal durch die Stellung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 und durch eine Beschwerde gegen eine zurück- oder abweisende Entscheidung in dieser Sache kein Aufenthalts- oder Bleiberecht eingeräumt wird. Unbeachtlich der (vorgebrachten langen) Dauer des unrechtmäßigen Verbleibens in Österreich ist vor allem auch der Umstand von maßgeblicher Bedeutung, dass die BF offenbar zwar stets die Absicht hatte, in Österreich zu bleiben, jedoch bisher keinerlei Schritte unternahm, ihren illegalen Aufenthalt allenfalls zu legalisieren. Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens aber ein hoher Stellenwert zu.

Es sind keine Umstände hervorgekommen, weshalb es der BF bisher nicht möglich gewesen und auch künftig nicht möglich sein sollte, zum Zweck eines beabsichtigten längerfristigen Aufenthalts in Österreich einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) für sich und ihre Tochter zu stellen. Der Umstand, dass eine solche Antragstellung allenfalls nachweis-, gebühren- und quotenpflichtig ist, vermag daran nichts zu ändern, da eine Antragstellung nach den Bestimmungen des Asylgesetzes mit einer von Anfang an beabsichtigen Umgehung der Bestimmungen des NAG als missbräuchlich anzusehen wäre.

Dass die BF strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder ihr persönliches Interesse an einem Verbleib in Osterreich zu verstärken, noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (z.B. VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.04.2012, 2011/18/0253).

Das Bundesverwaltungsgericht vermag keine unzumutbaren Härten in einer Rückkehr der BF und ihrer Tochter in ihren Herkunftsstaat erkennen. Insbesondere führt ein Vergleich zwischen den Lebensverhältnissen der BF in Österreich mit jenen im Kosovo, zu dem Schluss, dass beide im Herkunftsstaat über enge familiäre Anknüpfungspunkte verfügen. Die BF ist im Kosovo geboren, aufgewachsen, zur Schule gegangen und berufstätig gewesen. Im Hinblick auf die finanzielle Unterstützung ihrer Geschwister ist darauf zu verweisen, dass davon ausgegangen werden kann, dass sie diese Unterstützung, sofern diese weiterhin benötigt wird, auch im Kosovo erhalten kann. Zudem ist es der Familie möglich, sich durch Besuche im Kosovo weiterhin zu sehen und den Kontakt über moderne Kommunikationsmittel aufrechtzuerhalten.

Den privaten Interessen der BF an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (zB VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG überwiegt das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes der BF sowie ihrer Tochter im Bundesgebiet ihre persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG 2005 stellt sohin keine Verletzung des Rechts auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist ebenfalls nicht geboten.

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung gemäß § 46 leg.cit. in einen bestimmten Staat zulässig ist.

Nach § 50 Abs. 1 FPG 2005 ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG 2005 ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

Nach § 50 Abs. 3 FPG 2005 ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Ausgehend von den vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dargestellten allgemeinen Länderberichten zum Herkunftsstaat besteht kein Grund davon auszugehen, dass jeder zurückgekehrte Staatsangehöriger der Republik Kosovo einer reellen Gefahr einer Gefährdung gemäß Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Die BF hat auch weder ein ausreichend substantiiertes Vorbringen in diese Richtung geäußert, noch sind notorische gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung sprechende Umstände erkennbar (vgl. VwGH 24.5.2016, Ra 2016/21/0101).

Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation der BF und ihrer Tochter ist in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erkennen, dass diese im Fall einer Abschiebung in den Kosovo in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würden, eine Verletzung ihrer durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass eine Rückkehr in den Kosovo sowohl für die BF als auch für die Tochter möglich ist. Die BF hat nicht detailliert und konkret dargelegt, dass exzeptionelle Umstände vorliegen, die ein reales Risiko einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten. Der Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung der BF in den Herkunftsstaat erfolgte demnach zu Recht.

Im Ergebnis war die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides daher ebenfalls unbegründet.

Zu Spruchpunkt IV. und V. des angefochtenen Bescheides:

Die sofortige Ausreise der unrechtmäßig in Österreich aufhältig gewesenen BF erwies sich im Interesse der öffentlichen Ordnung zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens als erforderlich. Die BF hat durch ihr bisheriges Verhalten gezeigt, dass sie bislang nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten, indem sie trotz des Umstandes, dass das Stellen des gegenständlichen Antrages kein weiteres Aufenthalts- und Bleiberecht begründet, weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben ist. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und damit zusammenhängend die Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise sind somit zu Recht erfolgt und war daher im Ergebnis die Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV. und V. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

Die BF beantragte in ihrer Beschwerde auch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Wie zuvor ausgeführt, wurde der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid die aufschiebende Wirkung zu Recht aberkannt.

Da der BF im vorliegenden Fällen kein Antragsrecht in Bezug auf die begehrte Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zugekommen ist, war der dahingehend gestellte Antrag zurückzuweisen (vgl. VwGH 21.2.2017, Fr 2016/18/0024).

Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Für eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht hinreichend nachgekommen. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt.

Die BF hat den Umstand, dass sie eine Tochter erwartet, bewusst verspätet vorgebracht. Darüber hinaus hat sie keine Angaben über den Kindesvater bzw. ein Familienleben zu diesem vorgebracht. Aufgrund des Alters von gerade einmal drei Monaten und unter Berücksichtigung, dass bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass eine Verletzung nach Art. 8 EMRK nicht vorliegt und eine Rückkehr für beide in ihren Herkunftsstaat zulässig ist, konnte die zusätzliche Verschaffung eines persönlichen Eindrucks unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der Verfahrensgegenstand überwiegend im Bereich der Tatsachenfragen angesiedelt war. Die maßgebliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde unter Punkt A) wiedergegeben.

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