BVwG W250 2128649-2

BVwGW250 2128649-225.10.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W250.2128649.2.00

 

Spruch:

W250 2128649-2/9E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Edward W. DAIGNEAULT, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.06.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

 

A)

 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist nicht zulässig.

 

BEGRÜNDUNG:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 31.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

 

2. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass die Taliban und die IS gegen Hazara seien. Er habe nicht legal aus seiner Heimatstadt ausreisen können. Er könne nicht mehr in seinen Geburtsort zurückkehren und befürchte im Falle einer Rückkehr keine Arbeit zu finden. Nach Rückübersetzung der Niederschrift gab der Beschwerdeführer ergänzend an, dass seine Volksgruppe in Afghanistan immer unterdrückt worden sei. Die IS und die Taliban würden junge Hazara zur Teilnahme an Kämpfen gegen die Regierung zwingen. Zudem habe er weder die Schule besuchen noch einen Beruf erlernen können.

 

3. Am 19.05.2016 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass die Sicherheitslage sehr schlecht sei und Hazara von den Taliban verfolgt werden würden. Zudem sei nun auch die IS in Afghanistan aktiv. Zudem sei eines Abends auf seinem Heimweg ein Auto an ihm vorbeigefahren, jemand habe die Hand durchs Fenster gestreckt und ihn zu Boden gestoßen. Er sei daraufhin in den Iran geflohen.

 

4. Mit Bescheid vom 26.05.2016 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt 1.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt 2.) ab und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt 3.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt 4.).

 

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft gemacht habe und eine solche im Verfahren auch nicht hervorgekommen sei. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehe.

 

5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass er seine Heimat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung von privater Seite und mangels Fähigkeit des Herkunftsstaates ihn vor diesen Übergriffen zu schützen, verlassen habe. Zudem brachte der Beschwerdeführer vor, dass die Situation in Afghanistan angespannt sei.

 

6. Mit Schreiben vom 15.06.2016 in Dari brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass in Afghanistan Krieg herrsche, sein Leben in Gefahr sei und der afghanische Staat nicht für seine Sicherheit sorgen könne. Zudem habe er immer die Wahrheit gesagt.

 

7. Mit Beschluss vom 04.05.2017 des Bundesverwaltungsgerichts wurde der Bescheid vom 26.05.2016 gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverwiesen. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass es das Bundesamt verabsäumt habe ausreichend aktuelle Feststellungen zur Sicherheitslage, Rückkehrsituation und Erreichbarkeit der Provinz Ghazni zu treffen. Im Bescheid vom 26.05.2016 seien auch keine Feststellungen zur Sicherheitslage in der ursprünglichen Heimatregion des Beschwerdeführers getroffen worden. Es fehle daher an der wesentlichen Grundlage für die Beurteilung der Sicherheitslage (und Rückkehrsituation). Zudem habe das Bundesamt das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die IS und die Taliban die jungen Hazara zum Kämpfen gegen die Regierung zwingen würden, völlig außer Acht gelassen.

 

8. Das Bundesamt vernahm den Beschwerdeführer am 22.06.2017 neuerlich ein. Der Beschwerdeführer gab betreffend seine Fluchtgründe an, dass jedes Jahr im ersten Monat die Kuchis, welche Taliban seien, in sein Heimatdorf gekommen seien. Die Kuchis hätten junge Leute zur Mitarbeit gezwungen. Leute die sich geweigert hätten mit den Taliban zusammenzuarbeiten, seien umgebracht worden. So seien zwei Personen vor den Augen des Beschwerdeführers erschossen worden. Die Taliban hätten den Beschwerdeführer mitnehmen wollen, jedoch habe der Busfahrer gesagt, dass er schnell einsteigen solle. Die Taliban seien daraufhin zum Vater des Beschwerdeführers gegangen und hätten diesem aufgetragen, den Beschwerdeführer zu ihnen zu schicken. Nach einigen Monaten sei der Beschwerdeführer mit dem Fahrrad unterwegs gewesen, als ein Auto an ihm vorbeigefahren sei und ihn aus dem offenen Autofenster umgestoßen habe. Die Leute seien aus dem Auto ausgestiegen und hätten den Beschwerdeführer mitnehmen wollen, dieser sei jedoch mit dem Fahrrad entkommen. Die Taliban hätten dem Beschwerdeführer nachgerufen und geschossen. Sie seien daraufhin wieder zum Vater des Beschwerdeführers gegangen, der dem Beschwerdeführer empfohlen habe auszureisen.

 

9. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26.06.2017 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

 

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft gemacht habe und eine solche im Verfahren auch nicht hervorgekommen sei. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. So verfüge der Beschwerdeführer über einen Onkel mütterlicherseits in Kabul, von dem er Unterstützung erwarten könne. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehe, zumal der Beschwerdeführer nur über wenige Deutschkenntnisse verfüge und aufgrund der kurzen Zeit in Österreich keine besonderen privaten Beziehungen und Bindungen in Österreich habe.

 

10. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass die Einordnung des Beschwerdeführers als "unglaubwürdig" mangelhaft sei. Dem Beschwerdeführer sei aufgrund seiner zutreffenden Angst vor Zwangsrekrutierung der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen gewesen. Das Bundesamt habe richtig erkannt, dass ihm die Rückkehr ihn seine Heimatprovinz Ghazni nicht zumutbar sei. Das Bundesamt habe jedoch eine Fluchtalternative in Kabul angenommen, weil er dort einen Onkel mütterlicherseits habe. Der Beschwerdeführer habe zu diesem jedoch keinen Kontakt. Nach den Länderberichten sei es nicht realistisch anzunehmen, dass der Beschwerdeführer als alleinstehender Rückkehrer eine Unterkunft und Arbeit finde. Der Beschwerdeführer wäre daher mittellos und seien auch die Flüchtlingslager überfüllt, weshalb dem Beschwerdeführer jedenfalls der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei.

 

11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 26.08.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers sowie eines Vertreters des Bundesamtes eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

 

12. Mit Schreiben vom 23.09.2019 wurde eine Bestätigung der Teilnahme des Beschwerdeführers an einem Kurs zum Nachholen des Pflichtschul-/Hauptschulabschlusses seit 16.09.2019 bis voraussichtlich Ende Mai 2020 vom 18.09.2019 vorgelegt.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Der volljährige Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an, bekennt sich zum schiitisch-muslimischen Glauben und spricht Dari als Muttersprache. Er ist ledig und hat keine Kinder (AS 5, 62, 213, 215; Protokoll vom 26.08.2019 - OZ 7, S. 6).

 

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Ghazni, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren und ist dort gemeinsam mit seinen Eltern und seinen fünf Geschwistern (zwei Brüder und drei Schwestern) in einem Eigentumshaus aufgewachsen. Der Beschwerdeführer hat keine Schule besucht. Er hat in der Moschee und zuhause mit seiner Mutter gelernt (AS 5; OZ 7, S. 7). Die Familie des Beschwerdeführers besitzt mehrere Grundstücke, die von den Familienmitgliedern bewirtschaftet werden (AS 213; OZ 7, S. 7). Der Beschwerdeführer hat jahrelang seinem Vater in der Landwirtschaft geholfen. Ca. seit seinem 13. Lebensjahr hat der Beschwerdeführer auch Hilfsarbeiten auf Baustellen als Fliesenleger, Bauarbeiter oder Steinarbeiten ausgeführt (AS 213; OZ 7, S. 7).

 

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am 31.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz (AS 5 ff).

 

Die Eltern des Beschwerdeführers sowie seine Geschwister leben nach wie vor im Heimatdorf des Beschwerdeführers (AS 214; OZ 7, S. 7 f). Der jüngere Bruder sowie die jüngste Schwester des Beschwerdeführers leben noch mit seinen Eltern im Eigentumshaus. Die zwei ältesten Schwestern des Beschwerdeführers sind verheiratet und Hausfrauen. Deren Ehemänner arbeiten in der Landwirtschaft für andere Personen (OZ 7, S. 8). Die Familie des Beschwerdeführers verfügt nach wie vor über Grundstücke im Heimatdorf des Beschwerdeführers, die von seinen Brüdern bewirtschaftet werden (AS 214; OZ 7, S. 8). Der Beschwerdeführer hat regelmäßig Kontakt zu seinen Eltern und seinem Bruder (AS 215; OZ 7, S. 8; 11).

 

Eine Tante des Beschwerdeführers väterlicherseits lebt in Herat und ist verheiratet (AS 214; OZ 7, S. 9). Er hat darüber hinaus einen Onkel mütterlicherseits sowie einen Onkel väterlicherseits im Iran in XXXX . Beide Onkel des Beschwerdeführers haben Kinder, die sich ebenfalls im Iran aufhalten. Der Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers arbeitet aufgrund von Schmerzen derzeit nicht; sein Onkel mütterlicherseits sammelt Restmüll, Metalle und Essensreste und verkauft diese. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seinen Onkeln im Iran (OZ 4, S. 9).

 

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, er ist gesund und arbeitsfähig.

 

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

 

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

 

1.2.1. Der Beschwerdeführer wurde nicht von den Taliban bzw. Kuchi zur Zusammenarbeit aufgefordert. Der Beschwerdeführer hätte von den Taliban auch nicht als Tanzjunge ausgebeutet werden sollen. Die Taliban haben nicht den Vater des Beschwerdeführers zuhause aufgesucht. Es hat weder der Vorfall, wonach die Taliban den Beschwerdeführer mitnehmen wollten, er jedoch in den Bus eingestiegen sei, noch der Vorfall bei dem der Beschwerdeführer von einem vorbeifahrenden Auto niedergestoßen bzw. auf seinem Fahrrad umgestoßen worden sei, stattgefunden. Der Beschwerdeführer und seine Familie wurden nie von den Taliban bzw. den Kuchi mit dem Tod oder der Ausübung von psychischer oder physischer Gewalt bedroht.

 

Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in seine körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.

 

Im Falle der Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität seitens der Taliban, den Kuchi oder durch andere Personen.

 

1.2.2. Darüber hinaus droht dem Beschwerdeführer keine konkrete und individuelle physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan wegen seiner ethnisch-religiösen Zugehörigkeit zu den schiitischen Hazara. Es kann nicht festgestellt werden, dass Angehörige der Religions-gemeinschaft der Schiiten oder der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan allein aufgrund der Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt sind.

 

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

 

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr in seine Heimatprovinz Ghazni ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

 

Dem Beschwerdeführer ist es jedoch möglich und zumutbar sich in der Stadt Mazar-e Sharif anzusiedeln. Die Wohnraum- und Versorgungslage in Mazar-e Sharif ist zwar sehr angespannt, der Beschwerdeführer kann jedoch bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Beschwerdeführer ist mit den Gepflogenheiten in Afghanistan vertraut und zudem anpassungsfähig. Er hat keine Sorgepflichten. Er kann zumindest anfänglich mit finanzieller Unterstützung seiner Familie rechnen und dann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen.

 

Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

 

1.4. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

 

Der Beschwerdeführer ist seit seiner Antragsstellung am 31.12.2015 aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung in Österreich nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig.

 

Der Beschwerdeführer hat an Deutschkursen für die Stufe A1 teilgenommen (Beilage ./I, ./J) und Deutschkurse auch im Zuge seiner Schulbesuche besucht(Beilage ./P; OZ 7, S. 10). Er hat keine Deutschprüfung abgelegt. Er verfügt über sehr gute Deutschkenntnisse (OZ 7, S. 10). Der Beschwerdeführer hat die Übergangsstufe an einer Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule abgeschlossen (Beilage ./O). Er hat im Schuljahr 2018/19 als außerordentlicher Schüler die

5. Klasse eines Gymnasiums besucht (Beilage ./M und ./P) Er wurde für das Wintersemester 2019/2020 an einer Polytechnischen Schule zugelassen (OZ 18).

 

Der Beschwerdeführer hat an einem Werte- und Orientierungskurs (Beilage ./F), einem Workshop zu Geschlechterrollen und Geschlechterstereotypen (Beilage ./G), an der Veranstaltung XXXX (Beilage ./N) teilgenommen sowie einen Erste-Hilfe Grundkurs absolviert (Beilage ./R).

 

Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung. Er ist in Österreich nie legal einer beruflichen Tätigkeit nachgegangen. Der Beschwerdeführer hat keine gesicherte Einstellungszusage vorgelegt.

 

Er hat von Juni 2016 bis zumindest Februar 2017 immer wieder monatlich gemeinnützige Tätigkeiten für eine Gemeinde erbracht. Von Juli 2016 bis November 2016 hat er regelmäßig gemeinnützig auf einer Sportanlage mitgearbeitet (Beilage ./E und ./Q). Seit 18.05.2019 unterstützt der Beschwerdeführer ehrenamtlich einen Sozialmarkt (Beilage ./L). Er spielte Fußball in einer Hobbymannschaft in Österreich (Beilage ./D).

 

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten in Österreich. Er wird von seinen Lehrern, Bekannten und der Dorfgemeinschaft sehr geschätzt (Beilage ./A, ./B, ./H, ./J und ./K). Er konnte in Österreich auch freundschaftliche Kontakte knüpfen (OZ 7, S. 11), er verfügt jedoch über keine engen Bindungen.

 

Der Beschwerdeführer ist kein begünstigter Drittstaatsangehörige und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet war nie geduldet. Er ist weder Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen noch Opfer von Gewalt.

 

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

 

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

 

1.5.1. Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundes-verwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019, wiedergegeben:

 

Sicherheitslage

 

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 04.06.2019 - LIB 04.06.2019, S.65).

 

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (LIB 04.06.2019, S.13).

 

Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (LIB 04.06.2019, S.13).

 

Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (LIB 04.06.2019, S.13 f).

 

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst ca. 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (LIB 04.06.2019, S.23).

 

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 04.06.2019, S.69).

 

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 04.06.2019, S.69). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 04.06.2019, S.69 ff).

 

Provinz Ghazni

 

Ghazni ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. Ghazni ist die Provinz mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl, die auf 1.270.3192 Bewohner/innen geschätzt wird. Hauptsächlich besteht die Bevölkerung aus großen Stämmen der Paschtunen sowie Tadschiken und Hazara; Mitglieder der Bayat, Sadat und Sikh sind auch dort vertreten, wenngleich die Vielzahl der Bevölkerung Paschtunen sind (LIB 04.06.2019, S.129).

 

Ghazni ist eine der Schlüsselprovinz im Südosten, die die zentralen Provinzen inklusive der Hauptstadt Kabul mit anderen Provinzen im Süden und Westen verbindet (LIB 04.06.2019, S.129).

 

Die Provinz Ghazni zählt zu den relativ volatilen Provinzen im südöstlichen Teil des Landes; die Provinz selbst grenzt an unruhige Provinzen des Südens. Die Taliban und Aufständische anderer Gruppierungen sind in gewissen Distrikten aktiv. In der Provinz kommt es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen (LIB 04.06.2019, S.130).

 

Wie in vielen Regionen in Südafghanistan, in denen die Paschtunen die Mehrheit stellen, konnten die Taliban in Ghazni nach dem Jahr 2001 an Einfluss gewinnen. Die harten Vorgehensweisen der Taliban - wie Schließungen von Schulen, der Stopp von Bauprojekten usw. - führten jedoch auch zu Gegenreaktionen. Die Sicherheitslage verbesserte sich, Schulen und Gesundheitskliniken öffneten wieder. Da diese Milizen, auch ALP (Afghan Local Police) genannt, der lokalen Gemeinschaft entstammen, genießen sie das Vertrauen der lokalen Menschen. Nichtsdestotrotz kommt es zu auch bei diesen Milizen zu Korruption und Missbrauch (LIB 04.06.2019, S.130).

 

Im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) (15.12.2017-15.2.2018) haben regierungsfeindliche Elemente auch weiterhin Druck auf die afghanischen Sicherheitskräfte ausgeübt, indem koordinierte Angriffe auf Kontrollpunkte der afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte unter anderem in der Provinz Ghazni verübt wurden (LIB 04.06.2019, S.130).

 

Im gesamten Jahr 2017 wurden 353 zivile Opfer in Ghazni (139 getötete Zivilisten und 214 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten/willkürlichen Tötungen. Dies deutet einen Rückgang von 11% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (LIB 04.06.2019, S.131).

 

Sowohl das Haqqani-Netzwerk, als auch die Taliban sind in manchen Regionen der Provinz aktiv (LIB 04.06.2019, S.132).

 

Mazar-e Sharif:

 

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 04.06.2019, S. 108 f).

 

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist (LIB 04.06.2019, S. 109, 266).

 

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (LIB 04.06.2019, S. 109).

 

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (LIB 04.06.2019, S. 109).

 

Religionsfreiheit

 

Etwa 99,7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84,7-89,7% Sunniten. Schätzungen zufolge, sind etwa 10-19% der Bevölkerung Schiiten. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha'i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus (LIB 04.06.2019, S.309).

 

Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (LIB 04.06.2019, S.311).

 

Schiiten

 

Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10 - 15% geschätzt. Zur schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und ein Großteil der ethnischen Hazara. Die meisten Hazara-Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan leben einige schiitische Belutschen. Afghanische Schiiten und Hazara neigen dazu, weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein als ihre Glaubensbrüder im Iran (LIB 04.06.2019, S.312).

 

Obwohl einige schiitischen Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demographischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiere; auch vernachlässige die Regierung in mehrheitlich schiitischen Gebieten die Sicherheit. Das afghanische Ministry of Hajj and Religious Affairs (MOHRA) erlaubt sowohl Sunniten als auch Schiiten Pilgerfahrten zu unternehmen (LIB 04.06.2019, S.312).

 

Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime ca. 30%. Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (LIB 04.06.2019, S.312).

 

Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen. Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (LIB 04.06.2019, S.312 f).

 

Es wurde zwar eine steigende Anzahl von Angriffen gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige registriert, wovon ein Großteil der zivilen Opfer schiitische Muslime waren. Die Angriffe haben sich jedoch nicht ausschließlich gegen schiitische Muslime, sondern auch gegen sunnitische Moscheen und religiöse Führer gerichtet (LIB 04.06.2019, S.69 ff).

 

Angehörige der Schiiten sind in Afghanistan allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit keiner psychischen und/oder physischen Gewalt ausgesetzt.

 

Ethnische Minderheiten

 

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34.1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.

 

Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (LIB 04.06.2019, S.319).

 

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet.". Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht: Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es werden keine bestimmten sozialen Gruppen ausgeschlossen. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (LIB 04.06.2019, S.319 f).

 

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (LIB 04.06.2019, S.320).

 

Hazara

 

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden; andererseits gehören ethnische Hazara hauptsächlich dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (LIB 04.06.2019, S.321).

 

Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (LIB 04.06.2019, S.322).

 

Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban- Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert; vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (LIB 04.06.2019, S.322).

 

So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. In der afghanischen Gesellschaft existiert die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Mitglieder der Hazara-Ethnie beschweren sich über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft. Die Arbeitsplatzanwerbung erfolgt hauptsächlich über persönliche Netzwerke; Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (LIB 04.06.2019, S.322 f).

 

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf; soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (LIB 04.06.2019, S.323).

 

Angehörige der Hazara sind in Afghanistan allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit keiner psychischen und/oder physischen Gewalt ausgesetzt.

 

Medizinische Versorgung

 

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (LIB 04.06.2019, S.362 f).

 

Psychische Erkrankungen sind in öffentlichen und privaten Klinken grundsätzlich behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patienten nichts für ihre Aufnahme bezahlen. In Mazar-e Sharif gibt es ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. Zwar gibt es traditionelle Methoden bei denen psychisch Kranke in spirituellen Schreinen unmenschlich behandelt werden. Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan. (LIB 04.06.2019, S.364 f).

 

Wirtschaft

 

Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 04.06.2019, S.358).

 

Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 04.06.2019, S.358 f).

 

Rückkehrer:

 

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB 04.06.2019, S.371).

 

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 04.06.2019, S.372 f).

 

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 04.06.2019, S.373 f).

 

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB 04.06.2019, S.374).

 

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 04.06.2019, S.375 f).

 

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 04.06.2019, S.376).

 

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 04.06.2019, S.376).

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass Rückkehrer allein aufgrund ihres Aufenthaltes in Europa in Afghanistan psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt sind.

 

1.5.3. Auszug aus dem EASO-Bericht betreffend Strategien der Aufständischen: Einschüchterung und gezielte Gewalt gegen Afghanen aus Dezember 2012 (Fußnoten entfernt):

 

"[...] 1.1.2 Illegale Kontrollpunkte

 

Der UNAMA zufolge richten die Aufständischen in den Gebieten, in denen sie aktiv sind oder die sie kontrollieren, mobile oder ständige Kontrollpunkte ein und setzen damit Einschränkungen der Bewegungsfreiheit durch. An diesen Kontrollpunkten halten sie Fahrzeuge an, verhören die Insassen, konfiszieren Eigentum, treiben Steuern ein und suchen nach Beweisen für Kontakte zur Regierung oder zu den IMF (indem sie z. B. Mobiltelefone überprüfen). Zivilpersonen beklagen sich über Schikanen an diesen Kontrollpunkten. Das ANSO berichtete in den Jahren 2011 und 2012 über verschiedene Beispiele.

 

1.1.3 Eintreibung von Steuern

 

Die UNAMA berichtete, dass Aufständische in den von ihnen teilweise oder vollständig kontrollierten Gebieten Steuern eintreiben. Sie haben Kontrollpunkte eingerichtet, an denen die Reisenden Steuern entrichten müssen. Sie haben die Erhebung der ushr und der zakat (religiöse islamische Steuern) eingeführt und stützen sich dabei sehr häufig auf den örtlichen Imam, der dann als Mittelsmann für die Taliban fungiert. In Gebieten, in denen Opium angebaut wird, verlangen sie die Zahlung der ushr auf die Opiumernte.

 

Giustozzi und Reuter zufolge dienen diese Steuern einem doppelten Zweck: Einkommen für die Taliban zu generieren und der Bevölkerung zu demonstrieren, dass die Taliban die legitimen Machthaber sind und Kontrolle ausüben. Das ANSO berichtete über Aufständische, die in ein Gebiet kamen und von der örtlichen Bevölkerung religiöse Steuern verlangten, um sie einzuschüchtern (z. B. in Samangan und Balch).

 

Nach Angaben Giustozzis waren die Taliban sogar in der Lage, ihre Steuern in von der Regierung kontrollierten Gebieten einzutreiben. Häufig wurden die Dorfbewohner aufgefordert, außerdem Nahrungsmittel für die Taliban-Kämpfer bereitzustellen. Nur in engmaschig von regierungstreuen Milizen kontrollierten Gebieten oder in der unmittelbaren Nachbarschaft von Stützpunkten der IMF wurden keine Taliban-Steuern erhoben. Es ist nicht genau bekannt, mit welchen Strafen die Taliban auf die Weigerung reagieren, diese Steuern zu entrichten - das Mindeste sind jedoch Schikanen und die Konfiszierung von Waren. Das ANSO berichtete über die Anwendung von Gewalt bei der Eintreibung von Steuern durch die Aufständischen (z. B. Laghman, Dschuzdschan) und über Fälle, in denen Zivilpersonen entführt wurden, wenn sie sich weigerten, Steuern an die Aufständischen zu entrichten (z. B. Ghor, Herat). Im Juni 2012 ermordeten Aufständische in Samangan einen Dorfältesten, der sich geweigert hatte, in ihrem Namen Steuern einzutreiben.

 

1.1.4 Entführungen

 

Im Jahr 2007 wurde berichtet, dass die Taliban zunehmend afghanische Zivilpersonen entführten. Häufig wurde von der Familie des Opfers ein Lösegeld für dessen Freilassung verlangt. Bei den Opfern handelte es sich oft um Geschäftsleute und Investoren. Ein Mitarbeiter einer internationalen Entwicklungshilfeagentur in Afghanistan erklärte, dass "nur ein kleiner Teil der Taliban aus ideologischen Beweggründen handelt, während die überwiegende Mehrheit kriminelle Interessen verfolgt. Darum besteht für Reiche ein größeres Risiko als für die Armen. Viele der reichen Geschäftsleute sind bereits mit ihren Familien nach Dubai ausgewandert und kommen immer nur für ein paar Tage zurück, um ihre Geschäfte abzuwickeln."

 

In seiner Studie über die Taliban in Lugar und Wardak erwähnt Mohammad Osman Tariq Elias die Entführung von Personen durch die Taliban mit dem Ziel, Lösegeld zu erpressen. Er verweist auf die Lahya vom Januar 2007, in der bestimmt wird, dass Taliban für die Freilassung von Mitarbeitern von Regierung, NRO und Privatunternehmen sowie von Lastwagenfahrern, die Ladungen für ausländische Truppen oder die Regierung transportieren, Geld verlangen dürfen. In einigen Fällen kauften Taliban entführte Opfer von Kriminellen, wenn sie sich davon politische oder finanzielle Vorteile versprachen. Den Angaben von Christophe Reuter und Borhan Younus zufolge werden in Ghazni seit 2007 mutmaßliche Taliban-Gegner entführt. Ghazni ist inzwischen eines der Gebiete mit der höchsten Entführungsgefahr für die Mitarbeiter von Regierung und NRO. Beispielsweise berichtete das ANSO im April 2012, dass in der Provinz Sar-i Pul die meisten Entführungen entlang der Straße zwischen den Städten Sar-i Pul und Scheberghan (Dschuzdschan) zielgerichtet waren. Die Zielpersonen waren beispielsweise Regierungsmitarbeiter.

 

1.1.5 Gezielte Tötungen

 

Der UN-Sonderberichterstatter, Philip Alston, stellte fest, dass der Begriff der "gezielten Tötung" im Völkerrecht nicht festgeschrieben sei. Alston nannte die Merkmale einer gezielten Tötung: "‚Gezielte Tötung' ist die absichtliche, vorsätzliche und bewusste Anwendung tödlicher Gewalt durch einen Staat oder Bedienstete des Staates, die unter dem Vorgeben der Rechtmäßigkeit handeln, oder durch eine organisierte bewaffnete Gruppe in einem bewaffneten Konflikt, gegen eine bestimmte Person, die sich nicht im physischen Gewahrsam desjenigen befindet, der die Tat begeht." Weiter erklärte Alston, eine gezielte Tötung verletze zwar unter den meisten Umständen das Recht auf Leben, sie könne jedoch unter dem außergewöhnlichen Umstand des bewaffneten Konflikts rechtmäßig sein. Darüber hinaus stellte Alston fest: "Die Mittel und Methoden, die zur Anwendung kommen, sind vielfältig: Heckenschützen, Schüsse aus nächster Nähe, das Abfeuern von Flugkörpern von Hubschraubern, Kampfhubschraubern oder Drohnen, Autobomben, Vergiftung."

 

Die Vereinten Nationen verzeichneten im Jahr 2010 gegenüber 2009 eine Zunahme der Tötungen und Hinrichtungen durch Taliban. Mehr als die Hälfte aller dieser Morde wurde im Süden verübt. Zu den zivilen Opfern zählten unter anderem Lehrkräfte, Krankenschwestern und -pfleger, Ärzte, Stammesälteste und Anführer anderer Gemeinschaften sowie Provinz- und Bezirksbeamte. Die Vereinten Nationen erfassten im Jahr 2011 495 gezielte Tötungen. Zu den Opfern zählten hochrangige Regierungsbeamte, Provinz- und Bezirksgouverneure, kommunale Beamte und sonstige Mitarbeiter der lokalen Verwaltung, Mitglieder der Provinz- und Friedensräte, Gemeindeälteste, einflussreiche Kommunalpolitiker und Geistliche, Lehrkräfte, Bauarbeiter, Sympathisanten der Regierung oder der IMF sowie Personen, die als solche wahrgenommen wurden. Die UNAMA berichtete, in der ersten Jahreshälfte 2012 seien zunehmend Zivilpersonen, die im Verdacht standen, die Regierung oder die IMF zu unterstützen, Opfer gezielter Gewalt oder gezielter Tötungen durch Aufständische geworden. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2012 wurden 356 Zivilpersonen Opfer gezielter Tötungen oder versuchter gezielter Tötungen durch Aufständische. Im Fokus dieser Angriffe standen in erster Linie Regierungsmitarbeiter, Polizeibeamte in ihrer Freizeit, Zivilpolizisten, Stammesälteste, der Spionage für die Regierung oder die IMF bezichtigte Zivilpersonen und Regierungsbeamte. Im April 2012 stellte das ANSO in einer Analyse fest, dass Zivilpersonen in der Regel Opfer gezielter Tötungen wurden, weil sie angeblich oder tatsächlich mit den ANSF, den IMF oder der Regierung kollaborierten.

 

Zwischen dem 1. Mai und dem 31. Juli verzeichneten die Vereinten Nationen eine Zunahme der gezielten Tötungen von Zivilpersonen, darunter von Beamten und anderen Mitarbeitern der Regierung, Gemeindeältesten und religiösen Führern, um 88 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Darüber hinaus stellte man fest, dass bei gezielten Tötungen immer häufiger USBV eingesetzt wurden.

 

[...]

 

Zusammenfassung: Beamte und Bedienstete der Regierung

 

Die Taliban und andere Gruppierungen Aufständischer hatten die Absicht, durch Einschüchterung, Nachtbriefe, Entführungen und gezielte Tötungen die Unterstützung der Bevölkerung für die Regierung zu unterminieren und einen Keil zwischen die Menschen und die Regierenden zu treiben. Die Aufständischen richteten Kontrollpunkte ein, um Regierungsmitarbeiter aufzuspüren. Personen mit Beziehungen zu den Beamten (z. B. ihre Familienangehörigen) wurden ebenfalls häufig angegriffen, um Druck auf die Beamten auszuüben. Die Taliban und andere Gruppierungen Aufständischer erklärten in öffentlichen Stellungnahmen oder Botschaften, dass Regierungsbeamte Zielpersonen darstellten, und forderten die Menschen auf, nicht länger für die Regierung zu arbeiten.

 

[...]

 

Möglichkeiten, Einschüchterung und gezielter Gewalt zu entgehen

 

[...] Im Rahmen der allgemeinen Zielsetzung der Taliban, durch Einschüchterung und gezielte Gewalt einen Keil zwischen Bürger und Regierung zu treiben, dafür zu sorgen, dass diese keine Unterstützung erfährt, und ihren Einfluss zu untergraben, stellt die Kündigung eingeschüchterter Beamter und Bediensteter einen strategischen Erfolg dar. Darüber hinaus war kein Beleg dafür auszumachen, dass Beamte oder Bedienstete der Regierung nach dem Rückzug von ihrem Posten weiterhin im Visier der Aufständischen standen.

 

[...]

 

Zusammenfassung: Sympathisanten, Kollaborateure und Auftragnehmer der Regierung

 

Afghanen, die mit der Regierung zusammenarbeiten oder mit ihr sympathisieren, sind Gegenstand von Einschüchterungen, Anschlägen, Tötungen, Entführungen und von Taliban-Gerichten ausgesprochenen Todesstrafen. Um Druck auf Kollaborateure der Regierung auszuüben, gehen die Taliban auch gegen deren Familienangehörige mit gezielter Gewalt, Drohungen, Entführungen oder Tötungen vor.

 

In dieser Profilgruppe sind Zivilpersonen vertreten, die angeblich Verbindungen zur Regierung haben, mit dieser sympathisieren oder als Auftragnehmer für sie tätig sind (z. B. Lieferanten der ANP und Bauarbeiter). Ein extremes Beispiel ist die Tötung von fünf örtlichen Bauern durch die Taliban in Helmand wegen des Vorwurfs, Düngemittel und andere landwirtschaftliche Unterstützung aus einem Regierungsprogramm angenommen zu haben.

 

Des Weiteren wurden Kommandeure von Anti-Taliban- oder regierungsfreundlichen Milizen angegriffen. Zahlreiche Stammesälteste, Gemeindeführer und Geistliche, die vermeintlich mit der Regierung sympathisierten, wurden Opfer von Einschüchterung und gezielter Gewalt. Häufig wurden sie von Aufständischen auf Motorrädern mit Kleinwaffen angegriffen. Diese bedrohliche Lage führte dazu, dass Älteste ihre Heimat verließen und Hunderte von ihnen in den Jahren des Aufstands getötet wurden. Zu dieser Personengruppe zählen letztendlich auch Abtrünnige aus den Reihen der Aufständischen.

 

Die Berichte über die Vorkommnisse des Jahres 2012 geben Hinweise auf die derzeitige Entwicklung. Der bei Weitem nicht erschöpfenden Liste der etwa 70 dokumentierten Vorkommnisse des Jahres 2012 sind die folgenden Zahlen zu entnehmen:

 

Im Süden wurden mindestens zwölf Vorfälle von gezielter Gewalt gegen Sympathisanten oder Kollaborateure der Regierung durch Aufständische dokumentiert. Zwei der Vorfälle spielten sich in der Stadt Kandahar ab und einer in der Stadt Tarin Kut (Uruzgan). Im Südosten wurden mindestens vier Vorfälle dokumentiert, darunter zwei in der Stadt Chost. Im Osten wurden mindestens 17 Vorfälle dokumentiert. In der Landesmitte wurde mindestens ein Vorfall dokumentiert. Im Nordosten wurden mindestens sechs Vorfälle dokumentiert, darunter einer in der Stadt Kunduz. Im Nordwesten wurden mindestens 21 Vorfälle dokumentiert. Im Westen wurden mindestens neun Vorfälle dokumentiert, darunter einer in der Stadt Farah.

 

Von den in allen Regionen insgesamt erfassten Vorfällen waren mindestens 16 gegen Zivilpersonen mit vermeintlichen Verbindungen zur Regierung, 15 gegen Kommandeure oder andere Angehörige regierungsfreundlicher Milizen, 28 gegen Stammesälteste oder örtliche Gemeindeführer, sieben gegen regierungsfreundliche Geistliche und fünf gegen abtrünnige Aufständische gerichtet, die ins Visier der Aufständischen geraten waren.

 

In mindestens acht Fällen wurden die Anschläge während der Freizeit oder auf die Privatwohnung der Opfer verübt. In mindestens sechs Fällen wurde berichtet, dass Angehörige von Sympathisanten der Regierung Zielscheibe der Aufständischen waren.

 

Analyse: Einschüchterung und gezielte Gewalt gegen Sympathisanten, Kollaborateure oder Auftragnehmer der Regierung

 

In mehreren Quellen wurde eine intensive Kampagne der Einschüchterung und gezielten Gewalt Aufständischer gegen Sympathisanten und Kollaborateure der Regierung erwähnt. In diesem Bericht sind mindestens 70 Vorkommnisse des Jahres 2012 dokumentiert. Diese Zahl ist nicht als erschöpfend zu betrachten und lässt keine Schlussfolgerungen hinsichtlich der Häufigkeit der Vorfälle zu. Es handelt sich hier lediglich um eine veranschaulichende Aufstellung, die Hinweise auf die Entwicklungen des Jahres 2012 gibt und zeigt, dass die Aufständischen nach wie vor gegen diese Profilgruppe vorgehen.

 

Darüber hinaus wurden Belege für unmittelbare Anschläge auf Familienangehörige der Zielpersonen vorgelegt. Die Opfer wurden zudem regelmäßig angegriffen, wenn sie als Privatperson unterwegs oder zuhause waren. Es wurde berichtet, dass mehrere Opfer vor Taliban-Gerichte gestellt und verurteilt wurden. Diese Merkmale weisen darauf hin, dass die Aufständischen gezielt Einzelpersonen aufspüren.

 

Zu den Opfern zählen sowohl weniger bekannte Personen (z. B. normale Zivilpersonen mit Verbindungen zur Regierung oder örtliche Auftragnehmer wie Lebensmittellieferanten) als auch bekannte Personen (z. B. Stammesälteste, Geistliche und Kommandeure). Wichtig ist, wie die Profilgruppen von den Akteuren, sprich den Aufständischen, wahrgenommen werden. Ahmad Quraishi erklärte beispielsweise, dass die Taliban den Einfluss der Stammesführer mehr fürchten als einfache Regierungsmitarbeiter [...].

 

Regionale Unterschiede

 

[...] Philip Alston zufolge töten die Taliban im Süden des Landes nach der Übernahme der Kontrolle über ein Gebiet dort häufig Älteste, die zuvor mit der Regierung und ausländischen Truppen kollaboriert haben. In Gebieten, die anhaltend von den Taliban kontrolliert werden, handelt es sich bei den Opfern eher um vermeintliche Spione. Giustozzi und Reuter führen ein Beispiel dafür an, wie die Taliban in Char Darah (Kunduz) vor der Übernahme der vollständigen Kontrolle über das Gebiet mit Ältesten umgingen oder jene eliminierten, die ihnen Widerstand leisteten. Van Bijlert stellt fest, dass selbst Anführer, die in relativ sicheren Gebieten leben, regelmäßig von den Taliban bedroht werden [...].

 

Zudem sind oben stehend in diesem Abschnitt Berichte über Einschüchterungen und gezielte Gewalt gegen Sympathisanten, Kollaborateure und Auftragnehmer der Regierung in den Städten Kandahar, Tarin Kut (Uruzgan), Chost, Kunduz und Farah aufgeführt. Belege für Einschüchterungen und gezielte Gewalt durch Aufständische gegen Sympathisanten, Kollaborateure und Auftragnehmer der Regierung waren in allen Regionen Afghanistans (Süden, Südosten, Osten, Landesmitte, Nordosten, Nordwesten und Westen) auszumachen.

 

Möglichkeiten, Einschüchterung und gezielter Gewalt zu entgehen

 

[...] Eine Kontaktperson im Südosten Afghanistans stellte klar, dass die Taliban sich nicht mit der Kündigung eines ins Visier genommenen Opfers zufriedengäben, wenn dieses für die ANSF tätig gewesen sei. Für Personen, die am militärischen Widerstand gegen die Aufständischen beteiligt waren, wie beispielsweise Mitglieder der regierungstreuen Milizen oder Auftragnehmer der ANSF, gelten die für ANSF-Angehörige gezogenen Schlussfolgerungen [...]. Dies wird bestätigt durch die Befürchtung des ANSO, dass Kämpfer der CIP-Einheiten aufgrund der von den Aufständischen ausgehenden Bedrohung nicht nur ihren Dienst quittieren, sondern erneut die Seiten wechseln und zu den Aufständischen überlaufen könnten [...]. Ein politischer Analyst stellte fest, dass das Risiko für eine Person, die ihre Tätigkeit einstellt, von den jeweiligen Umständen abhängig ist. Möglicherweise ist es notwendig, sich den Taliban anzuschließen oder sich zumindest mit ihnen in Verbindung zu setzen. Die betreffende Person könnte allerdings anschließend weiterhin im Visier der Aufständischen stehen. Dieses Risiko beschränkt sich keineswegs auf für die Taliban gut zugängliche Gebiete.

 

SCHLUSSFOLGERUNGEN

 

Für bekannte Personen besteht in allen Teilen Afghanistans ein reales Risiko, Opfer von Einschüchterung oder gezielter Gewalt durch Aufständische zu werden. Für weniger bekannte Personen besteht in Gebieten, in denen die Aufständischen anhaltende Kontrolle oder starken Einfluss ausüben, ebenfalls ein reales Risiko, Opfer von Einschüchterung oder gezielter Gewalt zu werden. In sichereren Landesteilen, die nicht von Aufständischen kontrolliert werden, wie beispielsweise in den Städten Kabul, Herat und Mazar-i Scharif, besteht für sie jedoch kein großes Risiko. Liegen jedoch bestimmte individuelle Umstände vor, könnten diese ein höheres Risiko nach sich ziehen.

 

Weniger bekannte Personen haben die Möglichkeit, der von den Aufständischen ausgehenden Bedrohung zu entgehen, indem sie ihre Tätigkeit einstellen oder ihre Arbeitsstelle kündigen, sofern nicht bestimmte individuelle Umstände vorliegen, die zu einer fortgesetzten gezielten Gewalt führen könnten. Ein solcher Umstand wäre beispielsweise die Beteiligung am militärischen Widerstand gegen die Aufständischen (z. B. Angehörige der PGM oder Auftragnehmer der ANSF).

 

Stellt eine weniger bekannte Person ihre Tätigkeit ein und gelingt es ihr, aus der Region zu fliehen und sich in einem sichereren Gebiet niederzulassen, kann sie in der Regel den Einschüchterungen und der gezielten Gewalt der Aufständischen entkommen, sofern nicht bestimmte individuelle Umstände vorliegen, die eine solche Möglichkeit ausschließen.

 

[...]"

 

1.5.4. Auszug aus einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 19.01.2018 betreffend Afghanistan zu Stammeskonflikten, Blutrache und Paschtunwali:

 

"[...] Konflikte um Privateigentum, Frauen und Körperverletzung unter Paschtunen können oft zu Blutfehden zwischen Familien und ganzen Clans führen. Das Paschtunwali, der ungeschriebene Verhaltenskodex der Paschtunen in den pakistanischen Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan, sowie den paschtunischen Gebieten Afghanistans, basiert auf den Grundsätzen von Gleichheit und Vergeltung. Jeder Verstoß gegen den Kodex kann schwerwiegende Folgen haben, wie z.B. das Abbrennen des Hauses, Vertreibung aus der Region, usw. Die Blutrache ist ein Phänomen das eng mit dem paschtunischen Konzept der Ehre, das auch im Paschtunwali verankert ist, verbunden. Morde können im Zusammenhang mit K+onflikten jederlei Art in Blutrache enden. Dabei sind Konflikte um Land und Wasser sehr häufig Grund von Blutfehden, gefolgt von Familienkonflikten.

 

Das soziale Gefüge der Paschtunen verändert sich und passt sich neuen Gegebenheiten an. So ist das Paschtunwali, laut einem Experten, kein statischer Prinzipienkanon, sondern lebendig; es entwickelt sich dynamisch. Jahrelang anhaltende und verheerende Kriege haben dabei die Autorität der Stammesältesten teilweise durch jüngere militärischer Führer ersetzt. Ihre oft gewaltsame Selbstbehauptung gegenüber traditionellen Sitten, sowie ihre Missachtung der traditionellen Autorität der Ältesten, haben "neue Werte" geschaffen, die zu den traditionellen Werten oft im Widerspruch stehen und Gewalttaten und Misshandlungen rechtfertigen.

[...]

 

Laut dem Bericht zu Blutfehden, paschtunischem Gewohnheitsrecht und traditioneller Konfliktresolution, der 2011 vom norwegischen COI-Unit LandInfo erstellt worden ist, ist die Blutrache primär ein paschtunisches Phänomen, welches eng mit dem Konzept der Ehre verbunden ist. Das Versäumnis Vergeltung zu leisten wird als Zeichen moralischer Schwäche verstanden und kann dazu führen, dass ganze Verwandtschaftsgruppen als charakterlos gesehen werden. Wenn z.B. ein Mord den Behörden gemeldet wird, oder eine finanzielle Entschädigung mit der Familie des Täters ausgehandelt wird, kann das als Schwäche interpretiert werden und als Zeichen, dass die Gruppe [Anm.: Familie, Clan, etc.] nicht stark genug ist, ihre Ehre zu verteidigen. Ein Rechtsspruch, der im staatlichen Justizsystem bzgl. eines bestimmten Falles gefällt wurde, schließt nicht aus, dass in dem Fall trotzdem gewaltsam Vergeltung gesucht wird. Es kann weiterhin erwartet werden, dass die Familie des Opfers den Mörder, wenn er entlassen wird, umbringt (es sei denn es kommt zu einer Übereinkunft, in der die Fehde beigelegt wird). Die Gemeinde vor Ort würde einen Blutmord nicht als Straftat ansehen, sondern als durch die Tradition legitimiert.

 

Morde gehen oft auf bestehende Konflikte zurück. Prinzipiell, können Morde im Zusammenhang mit jederlei Konflikten in Blutrache enden. Jedoch kommen Blutfehden, laut LandInfo, öfter im Zusammenhang mit bestimmten Arten von Konflikten vor als mit anderen. Wenn es beispielsweise in einer bestimmten Gegend zahlreiche Landkonflikte gibt, kommt es auch dementsprechend öfter zu Blutfehden, die auf Landkonflikte zurückzuführen sind. Laut Konfliktanalysen, die von der "Cooperation for Peace and Unity" (CPAU) in fünf verschiedenen Provinzen in Afghanistan durchgeführt wurden, waren Konflikte um Land und Wasser am häufigsten; Familienkonflikte (Ehe/Scheidung, häusliche Gewalt) folgten an zweiter Stelle. Laut Thomas Barfield [Anm. der Staatendokumentation: ein Afghanistan Experte der Boston University], muss die Blutrache normalerweise den Mörder bzw. Täter selbst treffen. Jedoch können unter bestimmten Umständen auch sein Bruder bzw. andere männliche Verwandte als Ersatz ins Visier genommen werden. Rache kann nicht gegen Frauen oder Kinder ausgeübt werden. Die Person, die die Rache ausübt, sollte ein enger männlicher Verwandte des Opfers sein. In Ausnahmefälle können auch angeheuerte Mörder die Rache ausführen. Im Idealfall sollte der Mord "von Mann zu Mann", und "Angesicht zu Angesicht" ausgeführt werden. Jedoch sind Überfälle aus dem Hinterhalt auch zulässig. Blutfehden können lang Zeit ruhen, bis die Familie des Opfers in der Lage ist die Rache auszuüben. Junge Söhne können die Verantwortung übertragen bekommen, ihren ermordeten Vater zu rächen wenn sie das Erwachsenenalter erreichen. Rache kann nach Monaten, Jahren, in manchen Fällen sogar erst nach Generationen ausgeübt werden. Laut Bericht verfügt LandInfo über keine Informationen, die darauf hindeuten würden, dass "präventive Rache" verbreitet wäre (z.B. dass die männlichen Verwandten eines Opfers auch ermordet würden, um so zu verhindern dass die Familie den ersten Mord rächen könnte). Solche Szenarien sind laut LandInfo unwahrscheinlich, da sie das Paschtunwali verletzen würden und von örtlichen Gemeinden gegebenenfalls als inakzeptabel betrachtet würden. [...]"

 

1.5.5. Auszug aus einer ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan betreffend Grundstücksstreitigkeiten insbesondere zwischen Verwandten vom 10.12.2014:

 

"[...] Die US Agency for International Development (USAID), eine US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit, erwähnt in einem Bericht vom Juli 2010, dass Grundstücksstreitigkeiten in Afghanistan alltäglich und oftmals gewaltsam seien. Die verbreitetsten Gründe für Grundstücksstreitigkeiten seien erstens, die Unfähigkeit der formellen und informellen Systeme, sich der Beanspruchung von Land durch zurückkehrende Flüchtlinge und Binnenvertriebene zu widmen, zweitens, Beschlagnahmung von Grundstücken durch Eliten und Warlords, drittens, ethnische Spannungen zwischen paschtunischen und nicht-paschtunischen Interessen, viertens, die Verbreitung von gefälschten Grundstücksdokumenten, fünftens, das Fehlen von Vereinbarungen zu Rechten auf Weideland und Wälder, sechstens, das Recht Privateigentum zu erben und siebentens, Bevölkerungsdruck in städtischen Gebieten [...]

 

Der UNO-Nachrichtendienst Integrated Regional Information Network (IRIN) erwähnt in einem Artikel vom September 2013, dass Landfragen durch das Zivilgesetzbuch, die Scharia, Gewohnheitsrecht und Gesetzesnormen geregelt würden. Die afghanische Grundstücksbehörde habe kürzlich das Mandat erhalten, das Landverwaltungsgesetz aus dem Jahr 2008 abzuändern [...]

 

Örtliche Regierungsbeamte würden laut dem IRIN kleinere Grundstücksstreitigkeiten an informelle Rechtssysteme, wie Schuras, verweisen. Die Anwendung von Verweisen oder der Registrierung von größeren Grundstücksstreitigkeiten hänge vom Wert des Eigentums und der Reputation der örtlichen Regierungsbeamten ab. Je korrupter die Beamten seien, desto weniger wahrscheinlich würden Streitigkeiten angezeigt. Es gebe zudem Unterschiede nach Gebieten. In Provinzen wie Kundus, wo es weniger Grundstücksstreitigkeiten und mehr registrierte Grundstücke gebe, seien die Streitparteien hinsichtlich der Anzeige von Fällen oder dem Ansuchen um behördliche Bestätigung weniger zurückhaltend ("less sensitive"). In Nangarhar jedoch, wo Grundstücksenteignungen ("land grabs") und Korruption alltäglicher seien und nur wenige rechtliche Dokumente existieren würden, hätten die BewohnerInnen mit großer Mehrheit angegeben, dass sie unwillig seien, der Regierung Streitigkeiten zu melden [...]

 

USAID schreibt im oben erwähnten Bericht vom Juli 2010, dass die afghanische Bevölkerung Grundstücksstreitigkeiten primär mithilfe informeller Mechanismen und Institutionen löse. Die geschädigten Parteien würden Streitigkeiten zuerst an Familienmitglieder, Nachbarn und eineangesehene Person oder einen Anführer herantragen. Sie könnten Streitigkeiten zudem vor eine Schura oder Dschirga bringen oder sich an einen Vorsteher eines breiter gefassten Gemeindegebietes wenden. AfghanInnen würden diese Personen und Einrichtungen als zugänglicher und weniger teuer als formelle Institutionen einstufen und ihnen mehr Kapazitäten zugestehen. In einigen Gebieten würden nomadische Gruppen und sesshafte Bauern mithilfe örtlicher Foren eine Koexistenz oder Vereinbarung über eine gemeinsame Nutzung ausarbeiten. Das formelle Gerichtssystem verfüge über Gerichte auf Bezirks-, Gemeinde- und Provinzebene sowie auf nationaler Ebene, aber habe nur eingeschränkte Kapazitäten, werde von vielen als korrupt wahrgenommen und nur Wenige würden einen Gang vor formelle Gerichte erwägen. Die Regierung habe im Jahr 2002 ein spezielles Gericht für Grundstücksstreitigkeiten eingerichtet, um sich Grundstücksstreitigkeiten in städtischen und ländlichen Gebieten zu widmen. Das Gericht sei hinsichtlich Verfehlungen bei der Ausübung seines Mandats kritisiert worden. Über den Status der Aktivitäten des Gerichts werde nicht berichtet [...]

 

USAID schreibt in seinem Bericht weiters, dass die im Jahr 2004 beschlossene neue Verfassung ein rechtliches Rahmenwerk zum Eigentumsrecht beinhalte, das das Recht auf Eigentum schütze. Ein Regelwerk aus dem Jahr 2007 habe sich Engstellen bei der Verwaltung von Grundstücksrechten und Überschneidungen bei den Zuständigkeiten der Institutionen gewidmet. 2008 sei ein Gesetz zur Verwaltung von Grundstücksangelegenheiten in Kraft getreten. Das Gesetz definiere die Prinzipien der Klassifikation und Dokumentation von Grundstücken, regle die Vereinbarung von Grundstücksrechten ("governs settlement of land-rights") und ermutige zu Investitionen in landwirtschaftliche Grundstücke im staatlichen Besitz mit Möglichkeiten zur Langzeitpachtung. Das Justizministerium schätze allerdings, dass 90 Prozent der AfghanInnen sich weiterhin auf das Gewohnheitsrecht und örtliche Streitschlichtungsmechanismen verlassen würden [...]

 

2. Beweiswürdigung:

 

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in Auszüge aus dem Zentralen Melderegister und dem Fremdeninformationssystem, in einen Strafregisterauszug und einen Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem sowie durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Länderberichte (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019; UNHCR-Richtlinie zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018; EASO - Afghanistan Security Report, Juni 2019) und in die in der mündlichen Verhandlung übergebenen Urkunden Beilage ./A bis ./R (Empfehlungsschreiben von XXXX , ohne Datum - Beilage ./A; Empfehlungsschreiben von XXXX vom 22.08.2019 - Beilage ./B; eventuelle Einstellungszusage von XXXX vom 22.08.2019 - Beilage ./C; Empfehlungsschreiben "JUGENDZENTRUM XXXX " vom 19.08.2019, einschließlich Fotos - Beilage ./D; Bestätigung über gemeinnützige Tätigkeiten der Marktgemeinde XXXX , ohne Datum - Beilage ./E; Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs vom 22.08.2018 - Beilage ./F; Zertifikat für interkulturelle Genderkompentenz vom 28.04.2019 - Beilage ./G; Empfehlungsschreiben von XXXX , ohne Datum - Beilage ./H; Kursteilnahmebestätigung, Deutschkurse für AsylwerberInnen vom 29.09.2019 - Beilage ./I;

Empfehlungsschreiben von XXXX , ohne Datum - Beilage ./J;

Empfehlungsschreiben von XXXX vom 19.08.2019 - Beilage ./K;

Empfehlungsschreiben von XXXX vom 16.08.2019 - Beilage ./L;

Schulbesuchsbestätigung Gymnasium XXXX vom 09.08.2019 - Beilage ./M;

Urkunde " XXXX 2019", ohne Datum - Beilage ./N; Bestätigung des Abschlusses der Übergangsstufe BMHS vom 29.06.2019 - Beilage ./O;

Bestätigung HAK/HAS XXXX vom 08.05.2018 - Beilage ./P; Bestätigung der Marktgemeinde XXXX vom 27.02.2017 - Beilage ./Q;

Erste-Hilfe-Kurs vom 24.06. - 26.06.2019 - Beilage ./R) sowie durch Einsichtnahme in die mit Urkundenvorlage vom 23.09.2019 vorgelegten Unterlagen (OZ 8 -Bestätigung Teilnahme am Kurs Nachholen des Pflichtschul-/Hauptschulabschlusses).

 

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

 

2.1.1. Bei der Beurteilung des Vorbringens des Beschwerdeführers findet in die Beweiswürdigung Eingang, dass es sich beim Beschwerdeführer bei den Einvernahmen teilweise um einen Minderjährigen handelte und das behauptete fluchtauslösende Ereignis in der Jugend des Beschwerdeführers zurückliegen würde, sodass die Dichte des Vorbringens des Beschwerdeführers nicht mit "normalen" Maßstäben gemessen werden kann (vgl. VwGH 24.09.2014, 2014/19/0020). Der Beschwerdeführer war bei der Erstbefragung ca. 17 Jahre alt. Das erkennende Gericht nimmt deshalb darauf Bedacht, dass die Erstbefragung aus der Perspektive eines Minderjährigen erfolgte. Bei den Einvernahmen beim Bundesamt und in der Beschwerdeverhandlung war der Beschwerdeführer hingegen bereits volljährig.

 

2.1.2. Die einzelnen Feststellungen beruhen auf den jeweils in der Klammer angeführten Beweismitteln.

 

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

 

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen sowie seine familiäre und wirtschaftliche Situation und den Eigentumsverhältnissen in Afghanistan und seine berufliche Tätigkeit) sowie zu seinem derzeitigen Familienstand gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im Wesentlichen gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

 

Die Feststellungen zur Einreise sowie das Datum der Antragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.

 

2.1.3. Die Feststellungen betreffend die Familienangehörigen des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen diesbezüglich schlüssigen Angaben in der Beschwerdeverhandlung. Sofern der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung jedoch angegeben hat, dass sein jüngster Bruder zuhause sei und nur sein älterer Bruder in der Landwirtschaft seines Vaters arbeite, ist dies nicht glaubhaft, zumal der Beschwerdeführer beim Bundesamt angegeben hat, dass beide Brüder seinem Vater in der Landwirtschaft helfen (AS 214). Zudem habe auch der Beschwerdeführer in Afghanistan bereits "von klein auf" gemeinsam mit seinem Vater auf den eigenen Grundstücken gearbeitet (AS 213). Da der Beschwerdeführer sowohl beim Bundesamt am 22.06.2017 als auch in der Beschwerdeverhandlung am 26.08.2019 angegeben hat, dass sein jüngster Bruder zwölf Jahre alt sei (AS 214; OZ 7, S. 8), ist daraus ableitbar, dass der jüngste Bruder des Beschwerdeführers mindestens vierzehn Jahre alt und somit in einem arbeitsfähigen Alter ist. Das Gericht geht daher davon aus, dass die Grundstücke der Familie des Beschwerdeführers von beiden Brüdern des Beschwerdeführers bewirtschaftet werden.

 

Dass der Beschwerdeführer regelmäßig Kontakt zu seiner Familie in Afghanistan hat, ergibt sich aus seiner Aussage beim Bundesamt und in der Beschwerdeverhandlung, wonach er alle zwei bis drei bzw. drei bis vier Monate Kontakt mit seinen Eltern und Bruder habe (AS 215; OZ 7, S. 7, 11). Sofern der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung weiter ausführte, dass es kein Internet gäbe und das Handysignal sehr schwach sowie Telefonate sehr teuer seien, so dass es seiner Familie nicht möglich sei, ihn anzurufen, ist dies vor dem Hintergrund seiner Angaben regelmäßig Kontakt zu seiner Familie zu haben, nicht glaubhaft.

 

Die Feststellungen zu den weiteren Verwandten des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

 

2.1.4. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung (AS 212; OZ 7, S. 6) und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.

 

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

 

Im vorliegenden Verfahren hat der Beschwerdeführer nach seiner Erstbefragung in der Einvernahme vor dem Bundesamt die Gelegenheit gehabt, seine Gründe umfassend darzulegen. Der aufgrund dieser Befragung festgestellte Sachverhalt und die Beweiswürdigung finden ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid. In Anbetracht des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens sowie angesichts der mündlichen Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichts, hat dieses auch keine Bedenken gegen die (in der Bescheidbegründung zum Ausdruck kommende) Annahme der belangten Behörde, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat keine konkrete und individuelle Verfolgung droht.

 

2.2.1. Soweit der Beschwerdeführer vorbrachte, ihm drohe Lebensgefahr durch die Taliban bzw. Kuchi, weil der Beschwerdeführer mit diesen zusammenarbeiten bzw. von diesen mitgenommen werden sollte, kommt seinem Vorbringen aus nachfolgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:

 

Zunächst ist festzuhalten, dass der zur Entscheidung berufene Richter des Bundesverwaltungsgerichts nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund seines persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers davon ausgeht, dass ihm hinsichtlich seines Fluchtvorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Der Beschwerdeführer wurde zu Beginn der Verhandlung angehalten, sein Vorbringen detailliert, konkret und nachvollziehbar zu gestalten. Diesen Anforderungen ist der Beschwerdeführer jedoch nicht gerecht geworden. So beantwortete er die Fragen und schilderte die Ereignisse derart vage und widersprüchlich, dass sein Vorbringen nicht glaubhaft ist. Zudem vermochte der Beschwerdeführer keine konkreten und lebensnahen Details zu nennen, die für den erkennenden Richter den Eindruck erweckt hätten, die vom Beschwerdeführer geschilderten Ereignisse seien tatsächlich so vorgefallen. Der Beschwerdeführer gab auch ausweichende Antworten und konnte sein Vorbringen nicht konkretisieren ("RI: Beim Bundesamt, im Juni 2017, haben Sie den Vorfall so erzählt, dass die Taliban Burschen in Ihrem Alter "zusammengesammelt" und mitgenommen hätten. Zwei Leute seien vor Ihren Augen erschossen worden. Sie hätten auch von den Taliban mitgenommen werden sollen, dann habe jedoch der Busfahrer gesagt, Sie sollen schnell einsteigen. Können Sie mir diese Ereignisse näher erzählen? Wo in Ihrem Heimatdorf fand das statt, wie wurden die Burschen "zusammengesammelt" und wie gelangten Sie zur Einschätzung, dass auch Sie mitgenommen werden sollten?" BF: In unserem Dorf ist es passiert. RI: Können Sie das genauer sagen? BF: Das Dorf ist klein. RI: Bitte beantworten Sie die anderen Fragen. BF: Die Kutschis sind immer dort im Frühjahr, sie kommen dort rein und machen den Bewohnern dort Probleme. RI: Wie wurden die Burschen - an dem von Ihnen genannten Tag - "zusammengesammelt"? BF: Die Taliban kommen immer im Frühjahr und zwingen die Hazara zur Mitarbeit, die jungen Burschen." [OZ 7, S. 18]). Das Gericht verkennt zwar nicht, dass die behaupteten Vorfälle schon einige Zeit zurück und in der Jugend des Beschwerdeführers liegen und deshalb Erinnerungslücken einer vollkommen detaillierten Erzählung entgegenstehen können. Dass der Beschwerdeführer die Ereignisse jedoch in einer derart oberflächlichen und nicht stringenten Weise wie in der mündlichen Verhandlung schildern würde, wäre allerdings trotz seines Alters nicht anzunehmen, hätten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen und wären sie von fluchtauslösender Intensität. Die erzählte Geschichte erweckte für das Gericht daher den Eindruck, dass es sich lediglich um eine auswendig gelernte konstruierte Geschichte handelt.

 

In der Einvernahme beim Bundesamt am 19.05.2016 nannte der Beschwerdeführer abgesehen von der schlechten Sicherheitslage in Afghanistan insbesondere für Hazara auch den Vorfall, wonach er von einem vorbeifahrenden Auto aus dem Fenster heraus zu Boden gestoßen worden sei, als Fluchtgrund (AS 62 f). Dass es sich bei den Personen im Auto um Taliban bzw. Kuchi gehandelt habe und der Beschwerdeführer aufgefordert worden sei mit ihnen zusammenzuarbeiten, erwähnte er dabei hingegen mit keinem Wort.

 

In der Einvernahme beim Bundesamt am 22.06.2017 führte der Beschwerdeführer betreffend seine Fluchtgründe erstmals aus, dass er gesehen habe wie zwei Leute vor seinen Augen erschossen worden seien und die Taliban bzw. Kuchis versucht hätten ihn mitzunehmen, er aber noch rechtzeitig in den Bus gestiegen und davongefahren sei (AS 216). Der Beschwerdeführer führte auch zum ersten Mal im Verfahren aus, dass die Taliban seinen Vater öfters aufgesucht hätten um den Beschwerdeführer zu ihnen zu schicken (AS 216). Betreffend den Vorfall, wonach er von einem vorbeifahrenden Auto heraus umgestoßen worden sei, gab er diesmal an, dass die Taliban ihm hinterher geschossen hätten (AS 216).

 

In der Beschwerdeverhandlung am 26.08.2019 gab der Beschwerdeführer zunächst nach seinen Fluchtgründen befragt von sich aus lediglich an, dass sein Vater öfters von den Taliban aufgefordert worden sei den Beschwerdeführer zu ihnen zu schicken. Eines Tages sei er mit dem Fahrrad unterwegs gewesen und ein Auto sei ihm nachgefahren. Ihm sei zugerufen worden, dass er anhalten solle, was er jedoch nicht gemacht habe. Deshalb sei auf ihn geschossen worden und der Beschwerdeführer sei zu Fuß geflüchtet (OZ 7, S. 12). Der Beschwerdeführer erwähnte weder, dass er von den Kuchi bzw. Taliban mitgenommen werden sollte, jedoch mit dem Bus entkommen sei, noch, dass er aus einem Auto heraus zu Boden gestoßen worden sei. Erst nach Vorhalt seiner Angaben beim Bundesamt und auf konkrete Nachfrage machte er diesbezüglich Angaben. So gab er zum Vorfall betreffend das vorbeifahrende Auto an, dass auf ihn geschossen worden sei, weshalb er Angst gehabt habe und deshalb nicht mehr wisse was danach geschehen sei (OZ 7, S. 15). Dies ist jedoch absolut lebensfremd, zumal gerade Situationen, die bedrohlich und lebensgefährlich sind, besonders einprägsame Ereignisse darstellen. Dass der Beschwerdeführer die Ereignisse verdrängt habe, ist nicht erkennbar, zumal er beim Bundesamt am 19.05.2016 und 22.06.2017 bereits Angaben dazu gemacht hat (AS 62 f, 216 ff). Nicht nachvollziehbar ist daher, dass sich der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung nicht mehr daran erinnern konnte, dass er von einem Auto aus dem Fenster heraus zu Boden gestoßen worden sei. Festzuhalten ist auch, dass der Beschwerdeführer beim Bundesamt ausgeführt hat, dass er zunächst aus dem vorbeifahrenden Auto heraus umgestoßen und erst danach auf ihn geschossen worden sei, sodass auch vor diesem Hintergrund die Erklärung des Beschwerdeführers, er habe nach dem Beschuss aus Angst nichts mehr wahrgenommen (OZ 7, S. 15), nicht plausibel ist.

 

Nach Vorhalt seiner Aussagen beim Bundesamt betreffend die Mitnahmeabsicht der Kuchi bzw. Taliban gab der Beschwerdeführer lediglich ausweichend an, dass die Kuchis immer dorthin gegangen seien, wo die Taliban die Macht gehabt hätten. Die Taliban seien als Kuchis gekommen und hätten junge Hazara mitnehmen wollen. Jene Hazara die sich geweigert hätten, seien auf der Straße verurteilt und getötet worden (OZ 7, S. 15). Entgegen dem konkreten Vorbringen beim Bundesamt, wonach die Taliban ihn hätten mitnehmen wollen, er jedoch noch schnell in den Bus gestiegen sei (AS 216), verneinte er in der Beschwerdeverhandlung die Frage, ob Kuchis versucht haben ihn mitzunehmen (OZ 7, S. 16). Auf mehrfache Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, dass er gesehen habe wie zwei Personen erschossen worden seien. Er habe große Angst gehabt, weshalb er in den Bus eingestiegen und weggefahren sei (OZ 7, S. 16). Befragt, ob die Taliban etwas zum Beschwerdeführer gesagt hätten, gab er lediglich an, dass er Angst gehabt habe und geflüchtet sei. Die Taliban seien höchstens zehn Meter vom Bus entfernt gewesen, hätten aber nicht versucht den Bus zu stoppen (OZ 7, S. 17). Aus diesen Angaben kann nicht abgeleitet werden, dass die Taliban es auf den Beschwerdeführer abgesehen hätten oder ihn mitnehmen wollten, zumal sie ansonsten zumindest den Bus gestoppt hätten. Nochmals befragt, ob die Taliban ihn an diesem Tag hätten mitnehmen wollen, gab der Beschwerdeführer ausweichend an, dass er dies nicht wisse und Angst gehabt habe. Nach konkreten Vorhalt seiner Angabe beim Bundesamt, wo er ausdrücklich angegeben hat, dass die Taliban ihn hätten mitnehmen wollen, änderte der Beschwerdeführer seine Aussage dahingehend ab, dass die Taliban zwei Personen getötet hätten und ihn mitnehmen hätten wollen, er jedoch geflüchtet sei (OZ 7, S. 18). Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer nicht gleichbleibend angeben konnte, ob die Kuchi bzw. Taliban ihn mitnehmen wollten oder nicht, zumal es sich auch dabei um ein einprägsames Ereignis handelt.

 

Das Gericht verkennt nicht, dass der Beschwerdeführer zu dem Zeitpunkt in dem sich die Vorfälle ereignet hätten, noch minderjährig gewesen ist, allerdings ist es selbst vor dem Hintergrund des jungen Alters des Beschwerdeführers absolut lebensfremd, dass der Beschwerdeführer mindestens drei verschiedene Varianten seines Fluchtvorbringens im Verfahren schildert. Wären die Ereignisse tatsächlich so vorgefallen, hätte der Beschwerdeführer zumindest gleichbleibend angeben können, ob er aufgrund der schlechten Sicherheitslage für Hazara in Afghanistan (Erstbefragung), wegen dem Vorfall, wonach er aus einem vorbeifahrenden Auto heraus zu Boden gestoßen worden sei (Bundesamt am 19.05.2016), wegen dem Vorfall, wonach Kuchi bzw. Taliban ihn hätten mitnehmen wollen und er schnell in den Bus gestiegen sei (Bundesamt am 22.06.2017), wegen der Aufforderungen der Taliban an seinen Vater er solle den Beschwerdeführer zu ihnen schicken (Bundesamt am 22.06.2017, Beschwerdeverhandlung) oder wegen dem Vorfall, wonach auf ihn geschossen worden sei (Beschwerdeverhandlung), Afghanistan verlassen habe. Dass der Beschwerdeführer selbst bei den wesentlichen Elementen des Fluchtvorbringens und nicht nur bei Details, derart voneinander abweichende Angaben tätigte, ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar und das Vorbringen als konstruierte Geschichte zu werten.

 

In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass der Beschwerdeführer die im weiteren Verfahren angeführten - und soeben wiedergegebenen - Vorfälle bei seiner Erstbefragung mit keinem Wort erwähnte, sondern zu seinen Fluchtgründen lediglich angab, dass die Taliban und die IS gegen Hazara seien und er nicht legal aus Afghanistan habe ausreisen können (AS 13).

 

Gemäß § 19 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG) dient die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen (vgl. hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12), ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert. Die Verwaltungsbehörde bzw. das Bundesverwaltungsgericht können im Rahmen ihrer Beweiswürdigung die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.

 

Es wird daher im vorliegenden Fall zwar nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung nicht in erster Linie auf Fluchtgründe des Beschwerdeführers bezog und diese nur in aller Kürze angegeben sowie protokolliert wurden. Dass der Beschwerdeführer die - erst in weiterer Folge - angeblichen konkreten Vorfälle betreffend die Kuchi bzw. Taliban, somit den wesentlichen Teil seiner Fluchtgründe zunächst nicht einmal ansatzweise erwähnte, ist für das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht nachvollziehbar und als weiteres Indiz für ein insgesamt nicht glaubhaftes Fluchtvorbringen zu werten.

 

Das Gericht geht auch aufgrund nachstehender Widersprüche und Ungereimtheiten davon aus, dass es sich bei den Angaben des Beschwerdeführers betreffend seine Fluchtgeschichte nicht um tatsächlich Erlebtes handelt:

 

So gab der Beschwerdeführer beim Bundesamt sowohl am 19.05.2016 als auch am 22.06.2017 an, dass er mit dem Fahrrad unterwegs gewesen sei als er aus dem Fenster eines vorbeifahrenden Autos zu Boden gestoßen worden sei. Als drei Personen aus dem Auto ausgestiegen seien, sei der Beschwerdeführer mit dem Fahrrad entkommen (AS 63, 216). In der Beschwerdeverhandlung gab der Beschwerdeführer hingegen an, dass er, als die Personen aus dem Auto ausgestiegen seien und auf ihn geschossen hätten, das Fahrrad "weggeschmissen" habe und zu Fuß geflüchtet sei (OZ 7, S. 12 f, 15). Auf den Vorhalt dieser widersprüchlichen Angaben, wiederholte der Beschwerdeführer lediglich sein Vorbringen in der Beschwerdeverhandlung (OZ 7, S. 15).

 

Während der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung die Frage, ob er die Personen, die aus dem Auto ausgestiegen seien jemals davor gesehen habe, verneinte und weiters anführte, dass er aber gewusst habe, dass diese Personen bei ihm zuhause gewesen seien, bejahte der Beschwerdeführer beim Bundesamt am 22.06.2017 die Frage und gab an, dass er die Personen insgesamt zweimal gesehen habe, nämlich einmal bei dem Vorfall, als sie ihn mitnehmen hätten wollen und einmal als er mit dem Fahrrad umgestoßen worden sei (OZ 7, S. 15). Der Beschwerdeführer gab bezüglich dieser Widersprüche lediglich an, dass er sich nicht mehr daran erinnern könne, wie er seine Antwort damals beim Bundesamt gemeint habe (OZ 7, S. 15). Zudem ist es unplausibel, dass der Beschwerdeführer gewusst habe, dass die Personen, die aus dem Auto ausgestiegen seien, bereits bei ihm zuhause gewesen seien, zumal er diese davor noch nie gesehen habe und er auch bei den "Besuchen" der Taliban bei seinem Vater nie anwesend gewesen sei (OZ 7, S. 13).

 

In der Beschwerdeverhandlung gab der Beschwerdeführer nachgefragt an, dass der Vorfall, wonach er von den Kuchis bzw. Taliban mitgenommen werden sollte, jedoch durch das Einsteigen in den Bus entkommen sei, Ende 2015 und vor dem Vorfall mit dem Fahrrad stattgefunden habe. Zwischen diesen beiden Vorfällen seien ca. drei oder vier Monate vergangen (OZ 7, S. 16). Beim Bundesamt am 22.06.2017 gab der Beschwerdeführer zunächst ebenfalls an, dass sich der Vorfall, wonach der Beschwerdeführer mit dem Bus vor den Kuchis bzw. Taliban entkommen sei, Ende 2015 stattgefunden habe. Auf Aufforderung dies zu konkretisieren, gab der Beschwerdeführer an, dass dieser Vorfall 1 1/2 Jahre vor seiner Ausreise aus Afghanistan - die ebenfalls Ende 2015 stattgefunden habe (AS 216; OZ 7, S. 16) - erfolgt sei (AS 217). Im Zuge der Einvernahme beim Bundesamt führte der Beschwerdeführer wiederum abweichend aus, dass sich der erste Vorfall ungefähr zwei bis drei Monate vor seiner Ausreise aus Afghanistan ereignet habe. Er sei am Tag, als sich der zweite Vorfall ereignet habe, aus Afghanistan ausgereist (AS 219).

 

Der Beschwerdeführer gab in der Beschwerdeverhandlung an, dass er weder wisse, ob die Taliban versucht hätten seine Brüder mitzunehmen noch, ob die Taliban ein weiteres Mal versucht hätten ihn zuhause aufzusuchen seit er Afghanistan verlassen habe. Die Frage, ob seine Mutter oder sein Bruder ihm von besonderen Vorfällen erzählt hätten, seit er Afghanistan verlassen habe, verneinte er (OZ 7, S. 17). Das Gericht geht davon aus, dass die Familie dem Beschwerdeführer erzählt hätte, wenn die Taliban nach wie vor nach ihm suchen würden bzw. Familienmitglieder in Afghanistan in Gefahr seien, zumal der Beschwerdeführer regelmäßig Kontakt zu seiner Familie hat und diese Vorfälle auch für den Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Verfolgung von Relevanz wären. Da sich die Familienmitglieder des Beschwerdeführers jedoch nach wie vor im Heimatdorf des Beschwerdeführers aufhalten, scheint das Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund, dass der jüngste Bruder des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Einvernahme beim Bundesamt am 22.06.2017 ca. 12 Jahre und zum Zeitpunkt der Beschwerdeverhandlung daher ca. 14 Jahre war und somit ebenfalls als junger Hazara anzusehen ist, nicht plausibel. Es ist auch insbesondere deshalb nicht nachvollziehbar, weil der Beschwerdeführer beim Bundesamt sowohl am 19.05.2016 als auch am 22.06.2017 angegeben hat, dass die Taliban die Volksgruppe der Hazara verfolgen, entführen und töten würden (AS 62 ff, 217). Sofern der Beschwerdeführer angab, dass es seiner Familie möglich sei in Afghanistan zu leben, weil die Taliban nur ihn mitnehmen wollten (OZ 7, s. 19), steht dies im Widerspruch zu seinem bisherigen Vorbringen, wonach die Taliban bzw. Kuchi alle jungen Hazara mitnehmen würden (OZ 7, S. 15) und zu seinen Ausführungen beim Bundesamt, wonach die gesamte Volksgruppe der Hazara von den Taliban verfolgt und bedroht bzw. getötet würde (AS 62 f, 217).

 

Der Beschwerdeführer gab in der Beschwerdeverhandlung erstmals an, dass die Taliban ihn hätten mitnehmen wollen, damit er für sie kämpfe und weil er als Bacha Bazi (Tanzjunge) ausgebeutet werden sollte (OZ 7, S. 19). Er muss sich diesbezüglich eine Steigerung seines Vorbringens vorwerfen lassen, die sein entsprechendes Vorbringen insgesamt in Zweifel zieht. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer nicht bereits in der Einvernahme vor dem Bundesamt Ausführungen zur Ausbeutung als Bacha Bazi tätigte, zumal sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen wäre, bereits im behördlichen Verfahren ein entsprechendes Vorbringen zu erstatten. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein gesteigertes Vorbringen nicht als glaubwürdig anzusehen. Vielmehr müsse grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden (so schon VwGH 08.04.1987, 85/01/0299), weil es der Lebenserfahrung entspricht, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261, mwH). Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer damit versuchte, seinem Vorbringen einen zusätzlichen Aspekt hinzuzufügen.

 

Aus den oben genannten Gründen geht das Gericht davon aus, dass der Beschwerdeführer Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in seine körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen hat.

 

In einer Gesamtschau des Vorbringens ist daher festzustellen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan keine Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die Taliban, die Kuchis oder andere Personen droht.

 

2.2.2. Auch darüber hinaus vermochte der Beschwerdeführer eine individuelle und konkrete Betroffenheit von Verfolgung aufgrund seiner Eigenschaft als schiitischer Hazara nicht aufzuzeigen:

 

Der Beschwerdeführer gab bei beiden Einvernahmen vor dem Bundesamt an, dass er als schiitischer Hazara verfolgt und bedroht werde. Abgesehen von den unter Punkt II.2.2.1. ausgeführten angeblichen Verfolgungshandlungen machte der Beschwerdeführer keine weiteren Verfolgungshandlungen geltend. Dem Beschwerdeführer ist es jedoch nicht gelungen sein unter Punkt II.2.2.1. ausgeführtes Fluchtvorbringen glaubhaft zu machen, weshalb auch keine konkrete Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit abgeleitet werden konnte.

 

Darüber hinaus ist nicht nachvollziehbar, wie es seiner Familie möglich ist nach wie vor im Heimatdorf des Beschwerdeführers zu leben, wenn die Taliban Angehörige der Hazara verfolgen, entführen und töten würden. Der Beschwerdeführer gab diesbezüglich nach mehrmaliger Nachfrage in der Beschwerdeverhandlung lediglich ausweichend an, dass es stimme, dass die Taliban die Hazara "vernichten" wollen. Überall in Kabul und in Ghazni würden Hazara in der Moschee, auf Hochzeiten und in der Schule angegriffen werden und sterben. Zwei Wochen vor der Beschwerdeverhandlung sei ein junger Mann von den Taliban beim Opferfest umgebracht worden, weil dieser Musik gehört habe (OZ 7, S. 19 f). Wären die Umstände in Afghanistan für Hazara tatsächlich so wie der Beschwerdeführer diese schilderte, wäre es seiner Familie nicht möglich problemlos nach wie vor im Heimatdorf des Beschwerdeführers zu leben. Der erkennende Richter kann daher insbesondere auch in Zusammenschau mit den Länderberichten zum Fehlen entsprechend massiver religiöser und volksgruppenbezogener Diskriminierung (siehe Punkt II.1.5.1.), den Schluss ziehen, dass der Beschwerdeführer selbst keiner individuell konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit in Afghanistan ausgesetzt gewesen ist.

 

2.3. Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

 

Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Ghazni ergeben sich aus den o.a. Länderberichten (vgl. Pkt. II.1.5.1.). Daraus geht unter anderem hervor, dass die Provinz Ghazni zu den relativ volatilen Provinzen im südöstlichen Teil des Landes zählt; die Provinz selbst grenzt an unruhige Provinzen des Südens. Taliban und Aufständische anderer Gruppierungen sind in gewissen Distrikten aktiv. In der Provinz kommt es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Taliban bzw. Aufständischen. Wie in vielen Regionen in Südafghanistan, in denen die Paschtunen die Mehrheit stellen, konnten die Taliban in Ghazni nach dem Jahr 2001 an Einfluss gewinnen. Im Zeitraum vom 01.01.2017 bis 30.04.2018 wurden in der Provinz 163 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 353 zivile Opfer in Ghazni registriert (139 getötete Zivilisten und 214 Verletzte). Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten/willkürlichen Tötungen. Auch militärische Operationen und Luftangriffe werden in der Provinz Ghazni durchgeführt.

 

Angesichts dieser Ausführungen kann die Provinz Ghazni nicht zu den "sicheren" Provinzen Afghanistans gezählt werden.

 

Die Feststellungen zu den Folgen einer Ansiedlung des Beschwerdeführers in der Stadt Mazar-e Sharif ergeben sich - unter Berücksichtigung der von UNHCR und EASO aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan - aus den o.a. Länderberichten und aus den Angaben des Beschwerdeführers.

 

Da der Beschwerdeführer in Afghanistan aufgewachsen ist und den Großteil seines Lebens dort verbracht hat, ist er mit der afghanischen Kultur und den Gepflogenheiten vertraut.

 

Die Stadt Mazar-e Sharif ist eine Großstadt, deren Einwohner aus allen Teilen Afghanistans, aber auch aus dem Iran, Pakistan oder Europa kommen. Der Beschwerdeführer wird dort kein Fremder sein, da er mit der afghanischen Kultur vertraut ist.

 

Dass die Wohnraum- und Versorgungslage in Mazar-e Sharif angespannt ist, ergibt sich aus den Länderberichten, wonach in größeren Städten zwar an sich Wohnraum zur Verfügung steht, es jedoch eine erhebliche Anzahl an Rückkehrern gibt, sodass die Lage angespannt ist. Auch gibt es nicht genügend Arbeitsplätze

 

Das Ermittlungsverfahren ergab - insbesondere vor dem Hintergrund der UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 - hinsichtlich dieser Stadt keine Anhaltspunkte dafür, weswegen ausgerechnet der volljährige, junge, gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer aufgrund seiner persönlichen Situation in der Relation zu den anderen dort lebenden Menschen in einem der Stadteile von Mazar-e Sharif nicht sicher leben könne.

 

Die sichere Erreichbarkeit der Stadt Mazar-e Sharif ist durch den örtlichen Flughafen gewährleistet.

 

Die Feststellung zu den fehlenden Unterhaltsverpflichtungen des Beschwerdeführers ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer ledig ist und keine Kinder hat (OZ 7, S. 6).

 

Dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan von seiner Familie - zumindest anfänglich - finanziell unterstützt werden kann, ergibt sich aus der Feststellung, dass die Familie des Beschwerdeführers nach wie vor über landwirtschaftlich genutzte Grundstücke verfügt. Der Familie des Beschwerdeführers ist es auch vor der Ausreise des Beschwerdeführers aus Afghanistan möglich gewesen aus dem Einkommen der Landwirtschaft den Lebensunterhalt aller Familienmitglieder - somit auch des Beschwerdeführers - zu bestreiten. Dass der Vater des Beschwerdeführers beruflich nicht mehr tätig ist, fällt nicht ins Gewicht, zumal die Landwirtschaft nunmehr von den Brüdern des Beschwerdeführers betrieben wird. Darüber hinaus ist den Länderberichten zu entnehmen, dass die Großfamilie die zentrale soziale Institution in Afghanistan bildet und zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder beiträgt sowie eine wirtschaftliche Einheit bildet, in der die Männer der Familie verpflichtet sind, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen (vgl. Punkt II.1.5.1.). Es ist vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auf die regelmäßigen Einnahmen aus der Landwirtschaft sowie auf das vorhandene Vermögen (Eigentumshaus) seiner Familie zurückgreifen kann.

 

Der Beschwerdeführer ist zudem im erwerbsfähigen Alter, gesund, volljährig, alleinstehend und arbeitsfähig. Er verfügt über jahrelange Berufserfahrung in der Landwirtschaft und als Arbeiter auf Baustellen.

 

Der Beschwerdeführer verfügt bereits über sehr gute Deutschkenntnisse. Er hat in Österreich auch eine Übergangsstufe an einer Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule sowie eine Klasse eines Gymnasiums besucht und wurde für einen Kurs zum Nachholen des Pflichtschul-/Hauptschulabschlusses aufgenommen. Der Beschwerdeführer ist daher grundsätzlich in der Lage sich schnell zu Recht zu finden und sich an neue Situationen und auch an neue Städte anzupassen.

 

Unter diesen Voraussetzungen ist es, trotz der diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde, nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif in seiner Existenz bedroht wäre.

 

2.4. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

 

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer und -titel, seinen Deutschkenntnissen, seinen familiären oder sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage (vgl. insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem), auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 7, S. 9 ff) sowie auf die von ihm im Verfahren vorgelegten Unterlagen.

 

Der Beschwerdeführer legte in der Beschwerdeverhandlung ein Schreiben, das als "eventuelle Einstellungszusage" tituliert ist, vor. Darin wird unter anderem ausgeführt: "[...] Sollte er [Anm.

BVwG: der Beschwerdeführer] eine Arbeitsgenehmigung bekommen könnte ich ihn eventuell für 1300 Euro brutto als Hilfsarbeiter beschäftigen" (Beilage ./C). Daraus ist nicht ableitbar, dass die Einstellung des Beschwerdeführers für den Fall, dass er eine Arbeitsgenehmigung erhält, gesichert ist. Der Beschwerdeführer hat daher keine gesicherte Einstellungszusage vorgelegt.

 

Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen stützen sich darauf, dass der Beschwerdeführer in der Verhandlung die auf Deutsch gestellten und nicht übersetzten einfachen Fragen verstanden und fließend auf Deutsch beantwortet hat (OZ 7, S. 10).

 

Dass der Beschwerdeführer über keine Verwandten in Österreich verfügt, ergibt sich aus seinen entsprechenden Angaben (OZ 7, S. 9). Dass der Beschwerdeführer zwar freundschaftliche Kontakte knüpfen konnte, daraus aber keine engen sozialen Bindungen in Österreich entstanden sind, ergibt sich aus der Aussage des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung, wonach er die Namen seiner "Freunde" vergessen habe (OZ 7, S. 11). Da er dies damit zu erklären versuchte, dass "es" [Anmerkung BVwG: wohl gemeint der Kontakt zu seinen "Freunden"] bereits vor zwei Jahren gewesen sei, geht das Gericht davon aus, dass er zwei Jahre keinen Kontakt zu seinen "Freunden" gehabt habe, weshalb eine enge soziale Bindung nicht festgestellt werden konnte. Auch aus den Kontakten zu seinen Fußballkollegen ist eine über den sportlichen Kontakt hinausgehende Bindung nicht erkennbar.

 

Dass der Beschwerdeführer von seinen Lehrern, seinen Bekannten und der Dorfgemeinschaft sehr geschätzt wird, ergibt sich aus den im Verfahren vorgelegten Unterstützungsschreiben (Beilage ./A, ./B, ./H, ./J und ./K).

 

Dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers nie geduldet war, er weder Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen noch Opfer von Gewalt war, ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer Gegenteiliges nie behauptet hat und entsprechendes auch im Verfahren nicht hervorgekommen ist.

 

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (Strafregisterauszug vom 23.08.2019).

 

2.5. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

 

Die den Länderfeststellungen (vgl. Punkt II.1.5.) zu Grunde liegenden Berichte wurden in der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebracht. Dem Beschwerdeführer wurde die Bedeutung dieser Berichte erklärt, insbesondere, dass aufgrund dieser Berichte die Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat getroffen werden, sowie deren Zustandekommen. Ihm wurde in der Beschwerdeverhandlung die Möglichkeit eingeräumt dazu Stellung zu nehmen.

 

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A)

 

3.1 Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides - Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

 

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der GFK genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191, mwN).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH vom 10. 12.2014, Ra 2014/18/0078, mwN).

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd Zivilprozessordnung (ZPO) zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrunde liegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

 

3.1.2. Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" nicht gegeben. Ausgehend von den Sachverhaltsfeststellungen hat der Beschwerdeführer sein Heimatland nicht aufgrund asylrelevanter Verfolgung verlassen. Dem Beschwerdeführer ist es deshalb entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Auch die Durchsicht der aktuellen Länderberichte zur Herkunftsregion des Beschwerdeführers erlaubt es nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen. Sohin kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer aus den von ihm ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.

 

3.1.3. Auch eine konkrete und individuelle Verfolgung aufgrund seiner ethnisch-religiösen Zugehörigkeit zu den schiitischen Hazara konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen (siehe Punkt II.2.2.2.).

 

In Ermangelung von dem Beschwerdeführer individuell drohenden Verfolgungshandlungen bleibt im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu prüfen, ob er im Herkunftsland aufgrund generalisierender Merkmale - etwa wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder zur Religionsgruppe der Schiiten - unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wäre.

 

Für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung ist zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048, mit Verweis auf VfGH 18.09.2015, E 736/2014). Dass ein Angehöriger der ethnischen und religiösen Minderheit der schiitischen Hazara im Falle seiner Einreise nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Verfolgung im Sinne eines ungerechtfertigten Eingriffs von erheblicher Intensität ausgesetzt zu sein, kann das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht erkennen:

 

Die in Afghanistan immer wieder bestehende Diskriminierung der schiitischen Hazara und die beobachtete Zunahme von Übergriffen gegen Hazara (vgl. insb. Punkt II.1.5.1.) erreichen gegenwärtig nicht ein Ausmaß, das die Annahme rechtfertigen würde, dass in Afghanistan schiitische Hazara wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen und religiösen Minderheit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätten, zumal die Gefährdung dieser Minderheit angesichts der in den Länderberichten dokumentierten allgemeinen Gefährdungslage in Afghanistan, die in vielen Regionen für alle Bevölkerungsgruppen ein erhebliches Gefahrenpotential mit sich bringt, (derzeit) nicht jenes zusätzliche Ausmaß erreicht, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Hazara anzunehmen. Eine Gruppenverfolgung ist auch nicht daraus ableitbar, dass Hazara allenfalls Opfer krimineller Aktivitäten werden oder schwierigen Lebensbedingungen ausgesetzt sind. Es wurde zwar eine steigende Anzahl von Angriffen gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige registriert, wovon ein Großteil der zivilen Opfer schiitische Muslime waren. Die Angriffe haben sich jedoch nicht ausschließlich gegen schiitische Muslime, sondern auch gegen sunnitische Moscheen und religiöse Führer gerichtet, sodass die Angriffe keine spezifische Verfolgung schiitischer Muslime darstellen, sondern auf die weltweit zu verzeichnende Zunahme von Terroranschlägen zurückzuführen sind.

 

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zur Minderheit der Hazara - unbeschadet der schlechten Situation für diese Minderheit - nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohen würde (EGMR 05.07.2016, 29.094/09, A.M./Niederlande).

 

Es ist daher eine Gruppenverfolgung - sowohl in Hinblick auf die Religions- als auch die Volksgruppenzugehörigkeit - von Hazara und Schiiten in Afghanistan nicht gegeben.

 

3.1.4. Da insgesamt weder eine individuell-konkrete Verfolgung, eine Gruppenverfolgung oder Verfolgungsgefahr noch eine begründete Furcht festgestellt werden konnten, liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG nicht vor.

 

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

 

3.2 Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides - Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

 

3.2.1. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.

 

Unter realer Gefahr in diesem Sinne ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus (VwGH vom 26.04.2017, Ra 2017/19/0016).

 

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich scheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation eines Asylwerbers begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (VwGH vom 21.02.2017, Ra 2016/18/0137; VwGH vom 25.04.2017 Ra 2017/01/0016).

 

Es obliegt grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Es reicht für den Asylwerber nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen (VwGH vom 25.04.2017, Ra 2017/01/0016; VwGH vom 25.04.2017, Ra 2016/01/0307; VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134).

 

Trotz der weiterhin als instabil bezeichneten Sicherheitslage ist eine Rückkehr nach Afghanistan, im Hinblick auf die regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedliche Sicherheitslage als nicht grundsätzlich ausgeschlossen zu betrachten (vgl. VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369).

 

Für die zur Prüfung der Notwendigkeit von subsidiärem Schutz erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Asylwerbers bei seiner Rückkehr abzustellen. Dies ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (vgl. EuGH 17.02.2009, C-465/07 , Elgafaji; VfGH 13.09.2013, U370/2012; VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0029).

 

Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist auf Grund der dort herrschenden allgemeinen Sicherheitslage volatil. Aus diesem Grund könnte eine allfällige Rückführung des Beschwerdeführers in diese Region für ihn mit einer ernstzunehmenden Gefahr für Leib und Leben verbunden sein, weshalb ihm eine Rückkehr dorthin nicht möglich ist.

 

3.2.2. Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht.

 

Zu prüfen bleibt daher, ob der Beschwerdeführer gemäß § 11 Abs. 2 AsylG auf eine andere Region des Landes - nämlich die Stadt Mazar-e Sharif - aufgrund der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände verwiesen werden kann (VfGH 11.10.2012, U677/12).

 

3.2.2.1. Für die Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative sind zwei getrennte und selbständige Voraussetzungen zu prüfen. Zum einen ist zu klären, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG die Gewährung von subsidiären Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist. Daher scheidet das ins Auge gefasste Gebiet aus, wenn in dieser Region Verhältnisse herrschen, die Art. 3 EMRK widersprechen. Von dieser Frage ist getrennt zu beurteilen, ob dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann, bzw. dass von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, sich in dem betreffenden Gebiet niederzulassen (VwGH vom 23.01.2018, Ra 2018/18/0001).

 

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Frage der Sicherheit des Asylwerbers in dem als innerstaatliche Fluchtalternative geprüften Gebiet wesentliche Bedeutung zukommt. Es muss mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können, dass der Asylwerber in dem ins Auge gefassten Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG die Gewährung von subsidiären Schutz rechtfertigen würden, findet.

 

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so wird dem Asylwerber unter dem Aspekt der Sicherheit regelmäßig auch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative zuzumuten sein. Um von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, muss es möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute des Asylwerbers führen können (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001).

 

3.2.2.2. Ob dem Asylwerber ein Aufenthalt in einem bestimmten Gebiet des Herkunftsstaates zugemutet werden kann, hängt von mehreren Faktoren ab. Dazu müssen die persönlichen Umstände des Betroffenen, die Sicherheit, die Achtung der Menschenrechte und die Aussichten auf wirtschaftliches Überleben in diesem Gebiet beurteilt werden. Ein voraussichtlich niedrigerer Lebensstandard oder eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation sind keine ausreichenden Gründe, um ein vorgeschlagenes Gebiet als unzumutbar abzulehnen. Die Verhältnisse in dem Gebiet müssen aber ein für das betreffende Land relativ normales Leben ermöglichen (VwGH vom 30.01.2018 Ra 2018/18/0001).

 

Nach der Rechtsprechung des VwGH reicht eine schwierige Lebenssituation (bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht), die ein Asylwerber bei Rückführung in das als innerstaatliche Fluchtalternative geprüfte Gebiet vorfinden würde, für sich betrachtet nicht aus, um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen. Mit Bezug auf die Verhältnisse in Afghanistan, könne es zwar zutreffen, dass ein alleinstehender Rückkehrer ohne familiären Rückhalt und ohne finanzielle Unterstützung in der afghanischen Hauptstadt Kabul (anfangs) mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sei. Soweit es sich aber um einen jungen und gesunden Mann, der über Schulbildung und Berufserfahrung verfüge, handle, sei - auf der Grundlage der allgemeinen Länderfeststellungen zur Lage im Herkunftsstaat - nicht zu erkennen, dass eine Neuansiedlung nicht zugemutet werden könne (VwGH vom 23.01.2018 2018/18/0001; VwGH vom 8.8.2017, Ra 2017/19/0118; VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095; VwGH vom 08.09.2016, Ra 2016/20/0063). Eine schwierige Lebenssituation für den Asylwerber im Fall seiner Rückführung in den Herkunftsstaat, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht, primär gestützt auf mangelnde tragfähige Beziehungen oder fehlende Ortskenntnisse in Großstädten, oder eine schwierige Situation bei der Wohnraum- oder Arbeitsplatzsuche, reicht nicht aus, um eine reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit eine Verletzung des Art. 3 EMRK zu begründen bzw. die Voraussetzungen zur Erlangung von subsidiärem Schutz glaubhaft zu machen (VwGH vom 08.09.2016, Ra 2016/20/0063; VwGH vom 05.12.2017, Ra 2017/01/0236; 30.01.2018, Ra 2017/20/0406; VfGH 12.12.2017, E 2068/2017-7).

 

Ob eine innerstaatliche Fluchtalternative möglich und zumutbar ist, erfordert eine Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Asylwerbers. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, wobei die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit zu prüfen ist (vgl. dazu VwGH 8.8.2017, Ra 2017/19/0118, mwN).

 

Laut den Richtlinien des UNHCR müssen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtslage von intern vertriebenen afghanischen Staatsangehörigen bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative berücksichtigt werden, wobei angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft auf Grund jahrzehntelang währender Kriege, massiver Flüchtlingsströme und interner Vertreibung hierfür jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig ist (zur Indizwirkung von UNHCR-Richtlinien vgl. u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103).

 

3.2.3. Für den vorliegenden Fall ist daher Folgendes festzuhalten:

 

Trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage scheint eine Rückkehr nach Afghanistan im Hinblick auf die regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedliche Sicherheitslage nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan, den Länderberichten (vgl. Punkt II.1.5.) - in Zusammenschau mit den vom Beschwerdeführer glaubhaft dargelegten persönlichen Lebensumständen (vgl. Punkt II.1.1.) - aus folgenden Gründen in zumutbarer Weise auf die Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif verwiesen werden:

 

Was die Sicherheitslage betrifft, wird seitens des erkennenden Gerichts im Hinblick auf die Länderfeststellungen zwar nicht verkannt, dass die Situation (auch) in der Stadt Mazar-e Sharif nach wie vor angespannt ist. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Mazar-e Sharif, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktszentren hat. Aus dem vorliegenden Berichtsmaterial geht hervor, dass Anschläge, insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter, in der Stadt nicht auszuschließen sind und in unregelmäßigen Abständen auch stattfinden. Hierzu ist auszuführen, dass die weltweit zu verzeichnende Zunahme von Terroranschlägen für sich alleine betrachtet noch nicht die Schlussfolgerung zu tragen vermag, dass die Ausweisung in einen von Terroranschlägen betroffenen Staat automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde bzw. für den Betroffenen unzumutbar wäre. Die in der Stadt verzeichneten Anschläge ereignen sich - wie sich aus einer Gesamtschau der Länderberichte und dem notorischen Amtswissen ableiten lässt - hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen und richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren. Die genannten Gefährdungsquellen sind in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in Mazar-e Sharif nach wie vor als ausreichend sicher zu bewerten ist.

 

Darüber hinaus ist Mazar-e Sharif eine auf dem Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens sicher erreichbare Stadt.

 

Auch wenn die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist, so ist die Versorgung der afghanischen Bevölkerung in Mazar-e Sharif dennoch zumindest grundlegend gesichert.

 

Wie festgestellt wurde, ist der Beschwerdeführer volljährig, gesund und arbeitsfähig. Er verfügt zwar über keine Schulbildung, er kann jedoch eine jahrelange Berufserfahrung in der Landwirtschaft und als Arbeiter auf Baustellen vorweisen. Er hat zwar bislang noch nicht in der Stadt Mazar-e Sharif gelebt und verfügt dort über keine sozialen bzw. familiären Anknüpfungspunkte, er kann sich jedoch innerhalb kurzer Zeit Ortskenntnisse aneignen. Zudem hat er den überwiegenden Teil seines Lebens in Afghanistan verbracht, wodurch er mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut ist. Darüber hinaus spricht der Beschwerdeführer Dari, eine der Landessprachen Afghanistans, als Muttersprache. Der Beschwerdeführer gehört auch keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.

 

Des Weiteren verfügt der Beschwerdeführer nach wie vor über seine Familie in Afghanistan. Der Beschwerdeführer steht mit seiner Familie auch in regelmäßigem Kontakt und kann von seiner Familie - zumindest anfänglich - finanziell unterstützt werden. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb eine räumliche Trennung die Angehörigen des Beschwerdeführers außer Stande setzen sollte, ihn finanziell zu unterstützen.

 

Darüber hinaus kann der Beschwerdeführer durch die Inanspruchnahme von österreichischer Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Mazar-e Sharif das Auslangen finden, weshalb auch nicht zu befürchten ist, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte.

 

Da der Beschwerdeführer seine Familie auch in den letzten Jahren nicht finanziell unterstützte oder unterstützen musste, liegt keine solche Situation vor, in der der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr auch für die Existenz seiner Familie sorgen müsste, so dass diesbezüglich keine wirtschaftliche Erschwernis für ihn bei einer Rückkehr gegeben ist.

 

Dem Beschwerdeführer ist es daher aufgrund der dargelegten Umstände auch ohne unmittelbar in Mazar-e Sharif bestehende soziale bzw. familiäre Anknüpfungspunkte möglich, sich dort - etwa auch durch Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten, wobei ihm seine jahrelange Berufserfahrung zu Gute kommt - eine Existenz aufzubauen und diese zu sichern sowie eine (einfache) Unterkunft zu finden. Dafür, dass der Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte.

 

3.2.4. Zudem ist den aktuellen UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 (S. 110 englische Version, S. 123 deutsche Version) zu entnehmen, dass junge alleinstehende Männer, ohne besondere Vulnerabilität, sich auch ohne familiäre Unterstützung in urbanen oder semi-urbanen Gebieten mit ausreichender Infrastruktur und unter staatlicher Kontrolle niederlassen können. Eine solche Infrastruktur und staatliche Kontrolle ist in der Stadt Mazar-e Sharif vorhanden, sodass nach den aktuellen UNHCR-Richtlinien eine Ansiedlung des Beschwerdeführers in der Stadt Mazar-e Sharif möglich und auch zumutbar ist.

 

Der Beschwerdeführer hat auch nicht mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos dargelegt, dass gerade ihm im Falle einer Rückführungsmaßnahme eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 19.0.2017, Ra 2017/19/0095).

 

Unter Berücksichtigung der Länderberichte, der UNHCR-Richtlinie und der persönlichen Situation des Beschwerdeführers ist in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erkennen, dass er im Fall seiner Abschiebung nach Afghanistan und einer Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Es liegen keine exzeptionellen Gründe vor, die einer Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif entgegenstehen würden. Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif möglich und auch zumutbar ist.

 

Die Beschwerde betreffend Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ist daher abzuweisen.

 

3.3. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides - Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird.

 

3.3.1. Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 Abs. 1 AsylG

 

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

 

3.3.2. Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG

 

Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

3.3.2.1. Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

 

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG ist, dass dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

 

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

3.3.2.2. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des VfGH und VwGH jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

 

3.3.2.3. Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR vom 14.03.1980, B 8986/80; EuGRZ 1982,

311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (EKMR vom 06.10.1981, B 9202/80; EuGRZ 1983, 215; VfGH vom 12.03.2014, U 1904/2013). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.

 

Da der Beschwerdeführer über keine Verwandten oder sonstigen engen Nahebeziehungen (Ehefrau, Kinder, etc.) in Österreich verfügt, ist ein Eingriff in sein Recht auf Familienleben iSd Art. 8 EMRK auszuschließen. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.

 

3.3.2.3.1. Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). Art. 8 EMRK schützt unter anderem sowohl die individuelle Selbstbestimmung und persönliche Identität, als auch die freie Gestaltung der Lebensführung. In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

 

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwN).

 

Nach der bisherigen Rechtsprechung ist auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

 

3.3.2.3.2. Im gegenständlichen Fall ist der Beschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrollen und somit illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Antragstellung im Dezember 2015, somit seit fast vier Jahren, im Bundesgebiet auf. Der bisherige Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich ist ausschließlich auf seinen Antrag auf internationalen Schutz gestützt, wodurch er nie über ein Aufenthaltsrecht abgesehen des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechts aufgrund seines Antrags auf internationalen Schutz, verfügt hat. Die Dauer des Verfahrens übersteigt mit fast vier Jahren auch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutz-möglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Fall Butt, Appl. 47.017/09).

 

Es ist nach wie vor von einer engen Bindung des Beschwerdeführers nach Afghanistan auszugehen, zumal er sein gesamtes bisheriges Leben bis zum Verlassen des Herkunftsstaates in Afghanistan verbracht hat. Er wurde in Afghanistan sozialisiert und führte dort jahrelang berufliche Tätigkeiten aus. Er spricht auch eine der Landessprachen Afghanistans als Muttersprache. Hinzu kommt, dass er nach wie vor familiäre Anknüpfungspunkte (seine Eltern, seine Geschwister und eine Tante) in Afghanistan hat. Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass er sich in die Gesellschaft seines Herkunftsstaates wieder wird eingliedern können.

 

Im Gegensatz dazu ist der Beschwerdeführer in Österreich nur schwach integriert. Er verfügt zwar über sehr gute Deutschkenntnisse, ist Mitglied in einer Hobby-Fußballmannschaft und hat eine Übergangsstufe an einer Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule sowie eine Klasse eines Gymnasiums als außerordentlicher Schüler besucht und wurde für einen Kurs zum Nachholen des Pflichtschul-/Hauptschulabschlusses aufgenommen. Er geht jedoch keiner regelmäßigen Beschäftigung nach, sondern lebt von der Grundversorgung. Dass der Beschwerdeführer über eine Einstellungszusage eines Unternehmens verfügt, konnte aufgrund des vagen Schreibens - wie bereits unter Punkt II.2.4. ausgeführt - nicht festgestellt werden.

 

Es ist auch im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer sich während seines Aufenthaltes in wirtschaftlicher Hinsicht durch legale Erwerbstätigkeit eine tragfähige Existenz aufgebaut hätte oder er selbsterhaltungsfähig wäre.

 

Der Beschwerdeführer wird von seinen Lehrern, Bekannten und der Dorfgemeinschaft sehr geschätzt. Er konnte sich in Österreich freundschaftliche Kontakte aufbauen. Das Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung seiner privaten Kontakte ist jedoch dadurch geschwächt, dass er sich bei allen Integrationsschritten seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein musste:

Der Beschwerdeführer durfte sich hier bisher nur aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz aufhalten, der zu keinem Zeitpunkt berechtigt war (vgl. zB VwGH 20.02.2004, 2003/18/0347; 26.02.2004, 2004/21/0027; 27.04.2004, 2000/18/0257; sowie EGMR 08.04.2008, Fall Nnyanzi, Appl. 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen). Auch der Verfassungsgerichtshof misst in ständiger Rechtsprechung dem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine, über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfSlg 18.224/2007, 18.382/2008, 19.086/2010, 19.752/2013).

 

Darüber hinaus ist der Zeitraum des Aufenthalts des Beschwerdeführers mit fast vier Jahren im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwH) und der oben getroffenen Ausführungen als relativ kurz zu werten.

 

Dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (zB VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.04.2012, 2011/18/0253).

 

3.3.2.3.3. Den schwach ausgeprägten privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des VwGH kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).

 

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.

 

Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig machen würden.

 

3.3.2.3.4. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar.

 

3.3.2.4. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist ebenfalls nicht geboten.

 

3.3.2.5. Die Voraussetzungen des § 10 AsylG liegen vor: Da der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, ist die Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG zu erlassen. Es ist auch - wie bereits ausgeführt - kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG von Amts wegen zu erteilen (vgl. II.3.3.1.).

 

§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG setzt weiters voraus, dass dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Der Beschwerdeführer hat weder behauptet über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens zu verfügen noch ist ein solches im Ermittlungsverfahren hervorgekommen.

 

3.3.2.6. Die Erlassung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und ist auch nicht unverhältnismäßig.

 

3.3.3. Zulässigkeit der Abschiebung

 

3.3.3.1. Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 leg.cit. in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

3.3.3.2. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG. Das Vorliegen eines entsprechenden Sachverhaltes wird mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verneint (siehe Punkt II.3.2.).

 

3.3.3.3. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wird mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verneint (siehe Punkt II.3.1.).

 

3.3.3.4. Die Abschiebung ist nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Afghanistan nicht.

 

3.3.3.5. Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan ist daher zulässig. Die Beschwerde ist daher auch hinsichtlich Spruchpunkt III. als unbegründet abzuweisen.

 

3.4. Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides - Ausreisefrist

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Gemäß § 55 Abs. 3 FPG kann die Frist bei Überwiegen besonderer Umstände für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben.

 

Derartige besondere Umstände sind im Beschwerdeverfahren nicht vorgebracht worden, weshalb die vom Bundesamt gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise den gesetzlichen Bestimmungen entspricht.

 

Die Beschwerde ist daher auch hinsichtlich Spruchpunkt IV. als unbegründet abzuweisen.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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