BVwG W125 2185038-1

BVwGW125 2185038-123.7.2018

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W125.2185038.1.00

 

Spruch:

W125 2185038-1/6E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. FILZWIESER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Indien, vertreten durch die Österreichische Flüchtlings- und MigrantInnenenhilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 5.1.2018, Zahl 1090315206/151515788, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.4.2018, zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs 1, § 8 Abs 1 AsylG 2005, § 57 AsylG 2005, § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs 2 Z 2 FPG, § 52 Abs 9 FPG, § 46 FPG sowie § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Indien, Angehöriger der Volksgruppe der Rakhra und der Religion der Sikh zugehörig, stellte am 8.10.2015 den dem gegenständlichen Verfahren zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz.

 

Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor der Landespolizeidirektion Niederösterreich am 9.10.2015 brachte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt vor, dass ihm sein Onkel, konkret der Bruder seines Vaters, Ackerland wegnehmen wolle und ihn dieser deshalb schon mehrmals angegriffen und geschlagen habe. Er habe ihn immer wieder verfolgt und auch umbringen wollen, weshalb der Beschwerdeführer schließlich beschlossen habe, Indien zu verlassen.

 

2. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 2.1.2018 von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers der Sprache Punjabi niederschriftlich einvernommen, wobei er zunächst auf seinen Gesundheitszustand angesprochen, vorbrachte, dass es ihm gut gehe, er nicht in ärztlicher Behandlung stehe und auch keine Medikamente einnehme.

 

Zu seinen Lebensverhältnissen brachte er vor, in XXXX geboren worden und dort auch sein gesamtes bisheriges Leben aufhältig gewesen zu sein. Im Heimatland befände sich noch die Mutter des Beschwerdeführers, die mit seiner Schwester in XXXX lebe; wo sich sein Vater aufhalte, wisse er nicht. Seine Familie habe eine Landwirtschaft. Der Beschwerdeführer habe darüber hinaus weitere Verwandte mütterlicherseits im Heimatland, die in verschiedenen Städten, beispielsweise in XXXX, XXXX und Delhi aufhältig seien; der Beschwerdeführer habe sie aber noch nie getroffen.

 

Der Beschwerdeführer brachte über entsprechende Nachfrage vor, derzeit keinen Kontakt zu seinen Familienangehörigen zu haben; er habe aber ein gutes Verhältnis zu seiner Familie gehabt.

 

Der Beschwerdeführer gab weiters an, nicht verheiratet zu sein, sich in keiner Lebensgemeinschaft zu befinden und auch keine Kinder zu haben.

 

In seinem Heimatland habe er für 14 Jahre, bis zum Jahr 2014, die Grundschule besucht. Nach seinem Abschluss sei er zurück nach Hause gegangen; zuvor habe er nämlich für dreieinhalb Jahre in einem Hostel in einer im Akt näher bezeichneten Ortschaft gelebt.

 

Die Frage, ob er zuvor schon einmal aus Indien ausgereist ist, verneinte der Beschwerdeführer.

 

Sein Heimatland habe er im Juli oder August 2015 legal mit einem Reisepass verlassen. Er sei zunächst nach Moskau geflogen und dann Anfang Oktober 2015 über den Landweg illegal nach Österreich gereist. Der Beschwerdeführer habe damals einen indischen Reisepass gehabt; diesen habe ihm jedoch der Schlepper abgenommen.

 

Über weiteres Befragen führte der Beschwerdeführer aus, dass die Entscheidung, Indien zu verlassen, nicht seine eigene, sondern jene seiner Familie gewesen sei. Wann sich diese dazu entschlossen hätten, wisse er nicht.

 

In Österreich habe der Beschwerdeführer keine Familienangehörigen. Österreich sei auch nicht sein Zielland gewesen.

 

Nachgefragt, weshalb er sein Heimatland verlassen habe, führte der Beschwerdeführer aus, dass es seit seiner Geburt viele Probleme in seiner Familie gebe; zuerst habe diese sein Vater gehabt, nun sei der Beschwerdeführer betroffen. Konkret sei es so, dass sein Großvater eine große Landwirtschaft gekauft habe, auf welcher der Vater und der Onkel des Beschwerdeführers gearbeitet hätten. Anfangs sei es ein kleiner Streit gewesen, schließlich habe dann "der Mann" aber die gesamte Landwirtschaft in Besitz nehmen wollen. Sie seien Erzfeinde geworden. Auch sei "der Mann" Mitglied der Kongresspartei gewesen und habe er, da diese an der Macht gewesen sei, viel Einfluss gehabt. Abgesehen davon habe er viel Geld gehabt. Er habe oft den Vater des Beschwerdeführers beschimpft, gegen ihn gekämpft und ihn teilweise schwer verletzt. Da der Großvater des Beschwerdeführers alt gewesen sei, habe dieser auch nichts dagegen unternehmen können. Sie seien mehrmals zur Polizeistation gegangen, jedoch habe die Polizei nichts unternommen, da "der Mann" ein politisches Mitglied in XXXX sei. Der Beschwerdeführer selbst sei von den Problemen betroffen, seit er die neunte Klasse besucht habe. Einmal sei er sogar so brutal geschlagen worden, dass seine Arme gebrochen worden seien. Auch wäre er öfter angehalten worden, als er mit dem Motorrad zum College gefahren sei und hätten sie außerdem ein Feuer gelegt. Der Beschwerdeführer habe dann Unterkunft bei Verwandten in Indien in anderen Städten genommen; sein Onkel habe jedoch, da er guten Kontakt zu Behörden gehabt habe und ein angesehener und mächtiger Mann in ihrer Stadt gewesen sei, immer nach kurzer Zeit herausgefunden, wo er sich befinde. Aus diesem Grund habe der Beschwerdeführer dann Unterkunft in einem Hostel genommen und sei erst nach Hause zurückgekehrt, als er den Abschluss gehabt habe. Dann hätten dieselben Probleme wieder begonnen. Der Verfolger habe in der Folge auch versucht, in das College zu gelangen, um den Beschwerdeführer dort zu schlagen, habe jedoch nicht hineingedurft. Zuletzt sei der Beschwerdeführer 2015 geschlagen worden.

 

Damit konfrontiert, dass die Angaben des Beschwerdeführers vage und unkonkret seien, führte er dann aus, den letzten Vorfall schildern zu wollen. Bei diesem sei sein Verfolger zu ihm nach Hause gekommen und habe ihn mit der Faust ins Gesicht geschlagen. In der Folge, als sich der Beschwerdeführer gewehrt habe, habe er "seine Männer" gerufen, woraufhin insgesamt ungefähr 16 oder 17 Personen gekommen seien. Der Beschwerdeführer habe sich eingesperrt, woraufhin diese draußen mit Pistolen und Steinen auf das Haus der Familie des Beschwerdeführers geschossen beziehungsweise geworfen hätten. Nach ungefähr zwei Stunden sei die Polizei gekommen, diese sei jedoch bereits zuvor von "dem Mann" bestochen worden, damit sie nichts unternehme. Die Familie des Beschwerdeführers sei so oft zur Polizei gegangen, von dieser aber nur "belästigt" worden. Auch von der Oberbehörde der Polizei sei auf ein Schreiben des Beschwerdeführers keine Antwort gekommen.

 

Die Eltern des Beschwerdeführers hätten dann schließlich seine Flucht organisiert. Auch ein Onkel von ihm habe gemeint, dass es das Beste für ihn sei, das Land zu verlassen, da in Indien sein Leben gefährdet sei.

 

Auf entsprechende Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, mehr als zwanzig oder fünfundzwanzig Mal verfolgt worden zu sein. Die Vorfälle hätten sich zugetragen seit er in der neunten Klasse gewesen sei; den genauen Zeitpunkt wisse er nicht mehr, wahrscheinlich seit dem Jahr 2009 oder 2010.

 

Dazu aufgefordert, einen genauen zeitlichen Überblick über die Vorfälle zu geben, führte der Beschwerdeführer aus, dass die Probleme begonnen hätten, als er ein Teenager gewesen sei; er könne sich nicht genau daran erinnern; die Probleme seien schon "normal" gewesen. Das erste Mal hätte sich ein Vorfall ungefähr im Jahr 2008 oder 2009 zugetragen; das letzte Mal sei im Juni 2015 mit der Pistole auf ihn geschossen worden.

 

Nachgefragt, wie sich dies Vorfälle konkret gestaltet haben, führte der Beschwerdeführer aus, dass der Verfolger immer Leute geschickt und immer ein Auge auf ihn geworfen habe. Ab und zu seien, wenn der Beschwerdeführer "draußen" gewesen sei, auch Leute auf ihn zugekommen. Sie hätten ihn öfter angesprochen und gefragt, weshalb der Beschwerdeführer ihm einen Schaden zufüge. Die Person, von welcher der Beschwerdeführer bedroht worden sei, heiße XXXX; er sei ein Politiker und Mitglied der Kongresspartei. Der Beschwerdeführer sei für keine der Parteien in Indien, da diese alle korrupt seien.

 

Die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers seien verhaftet worden, als er das letzte Mal geflüchtet sei. Den Grund hierfür kenne er nicht. Man habe ihnen gesagt, dass sie die Anzeige bei der Oberbehörde zurückziehen sollen. Dieser Vorfall habe sich im Juni 2015 zugetragen. Am nächsten Tag habe ein Onkel des Beschwerdeführers Geld bezahlt, sodass diese schließlich freigekommen seien.

 

Damit konfrontiert, dass der Beschwerdeführer zuvor angegeben habe, seine Verwandten nicht zu kennen, jetzt aber davon spreche, auch bei ihnen untergekommen zu sein, als er geflüchtet sei, führte er aus, dass er bei ihnen in XXXX, XXXXund Delhi untergekommen sei. Von 2010 bis 2014 habe er für ungefähr dreieinhalb Jahre in einem Hostel gelebt.

 

Im Falle einer Rückkehr nach Indien befürchte der Beschwerdeführer, getötet zu werden. Auch seine Familie könnte wegen ihm sterben.

 

Zu seinen derzeitigen Lebensverhältnissen brachte der Beschwerdeführer vor, seinen Aufenthalt in Österreich mit Geld von der Caritas zu bestreiten. Er lebe zusammen mit drei anderen Indern, würde mit diesen aber nicht sprechen, sondern zu Hause eigentlich nur lernen. In seiner Freizeit surfe er im Internet und lerne Deutsch. Derzeit absolviere er einen A2 Kurs; Prüfungen habe er bislang keine abgelegt.

 

3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 5.1.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 8.10.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und diesem ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

 

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde die folgenden Feststellungen zur Lage in Indien:

 

"Politische Lage

 

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die - auch sprachliche - Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9 .2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9 .2016a).

 

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9 .2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9 .2016a).

 

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).

 

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9 .2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).

 

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).

 

Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9 .2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:

FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).

 

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).

 

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9 .2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations - ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9 .2016b).

 

Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.

 

Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9 .2016b).

 

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).

 

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sicherheitslage

 

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

 

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

 

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

 

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

 

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

 

Pakistan und Indien

 

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9 .2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).

 

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9 .2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2016a). Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen. Noch am Weihnachtstag 2015 hatte Premierminister Modi seinem pakistanischen Amtskollegen einen Überraschungsbesuch abgestattet und damit kurzzeitig Hoffnungen auf eine Entspannung aufkeimen lassen (AA 9 .2016b).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rechtsschutz/Justizwesen

 

In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige indische Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig lange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 16.8.2016; vgl. auch:

USDOS 13.4.2016). Eine generell diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption (AA 24.4.2015).

 

Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt (FH 27.1.2016). Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court, das Oberstes Gericht mit Sitz in Delhi; das als Verfassungsgericht die Streitigkeiten zwischen Zentralstaat und Unionsstaaten regelt. Es ist auch Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen wie etwa bei Todesurteilen. Der High Court bzw. das Obergericht ist in jedem Unionsstaat. Kollegialgericht als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen. Er führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen. Subordinate Civil and Criminal Courts sind untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten und in Zivil- und Strafrecht aufgeteilt. Fälle werden durch Einzelrichter entschieden. Richter am District und Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche wie auch strafrechtliche Fälle (als District Judge über Zivilrechtsfälle, als Sessions Judge über Straffälle). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge fungiert der 1st Class Judicial Magistrate und, unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für minder schwere Strafsachen (ÖB 12.2016).

 

Das Gerichtswesen ist auch weiterhin überlastet und der Rückstau bei Gericht führt zu langen Verzögerungen oder der Vorenthaltung von Rechtsprechung. Eine Analyse des Justizministeriums ergab mit 1.8.2015 eine Vakanz von 34% der Richterstellen an den Obergerichten (USDOS 13.4.2016). Die Regeldauer eines Strafverfahrens (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre. Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft. Dies führt dazu, dass Zeugen vor Gericht häufig nicht frei aussagen, da sie bestochen oder bedroht worden sind (AA 16.8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

 

Richter zeigten einen beträchtlichen Einsatz in der Bearbeitung von sogenannten "Public Interest Litigation" (Klagen im öffentlichen Interesse). Insbesondere in unteren Ebenen der Justiz ist Korruption weit verbreitet und die meisten Bürger haben große Schwierigkeiten, ihr Recht bei Gericht durchzusetzen. Das System ist rückständig und stark unterbesetzt, was zu langer Untersuchungshaft für eine große Zahl von Verdächtigen führt. Vielen von ihnen bleiben so länger im Gefängnis, als der eigentliche Strafrahmen wäre (FH 27.1.2016). Die Dauer der Untersuchungshaft ist entsprechend zumeist exzessiv lang. Außer bei von Todstrafe bedrohten Delikten soll der Haftrichter nach Ablauf der Hälfte der drohenden Höchststrafe eine Haftprüfung und eine Freilassung auf Kaution anordnen. Allerdings nimmt der Betroffene mit einem solchen Antrag in Kauf, dass der Fall über lange Zeit gar nicht weiterverfolgt wird. Mittlerweile sind ca. 70% aller Gefangenen Untersuchungshäftlinge, viele wegen geringfügiger Taten, denen die Mittel für eine Kautionsstellung fehlen (AA 16.8.2016).

 

In der Verfassung verankerte rechtsstaatliche Garantien (z.B. das Recht auf ein faires Verfahren) werden durch eine Reihe von Sicherheitsgesetzen eingeschränkt. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt (AA 16.8.2016).

 

Die Inhaftierung eines Verdächtigen durch die Polizei ohne Haftbefehl darf nach den allgemeinen Gesetzen nur 24 Stunden dauern. Eine Anklageerhebung soll bei Delikten mit bis zu zehn Jahren Strafandrohung innerhalb von 60, in Fällen mit höherer Strafandrohung innerhalb von 90 Tagen erfolgen. Festnahmen erfolgen jedoch häufig aus Gründen der präventiven Gefahrenabwehr sowie im Rahmen der Sondergesetze zur inneren Sicherheit, z.B. aufgrund des Gesetzes über nationale Sicherheit ("National Security Act", 1956) oder des lokalen Gesetzes über öffentliche Sicherheit ("Jammu and Kashmir Public Safety Act", 1978). Festgenommene Personen können auf Grundlage dieser Gesetze bis zu einem Jahr ohne Anklage in Präventivhaft gehalten werden. Auch zur Zeugenvernehmung können gemäß Strafprozessordnung Personen über mehrere Tage festgehalten werden, sofern eine Fluchtgefahr besteht. Fälle von Sippenhaft sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt (AA 16.8.2016).

 

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass unerlaubte Ermittlungsmethoden angewendet werden, insbesondere um ein Geständnis zu erlangen. Das gilt insbesondere bei Fällen mit terroristischem oder politischen Hintergrund oder solchen mit besonderem öffentlichem Interesse. Es gibt Fälle, in denen Häftlinge misshandelt werden. Hierbei kann die ethnische oder religiöse Zugehörigkeit sowie die politische Überzeugung des Opfers eine Rolle spielen. Ein im Mai 2016 von der renommierten National Law University Delhi veröffentlichter empirischer Bericht zur Situation der Todesstrafe in Indien zeichnet ein düsteres Bild des indischen Strafjustizsystems. So haben beispielsweise 80% aller Todeskandidaten angegeben, in Haft gefoltert worden zu sein (AA 16.8.2016).

 

Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung, ausgenommen bei Anwendung des "Unlawful Activities (Prevention) Amendment Bill und sie haben das Recht, ihren Anwalt frei zu wählen. Das Strafgesetz sieht öffentliche Verhandlungen vor, außer in Verfahren, in denen die Aussagen Staatsgeheimnisse oder die Staatssicherheit betreffen können. Es gibt kostenfreie Rechtsberatung für bedürftige Angeklagte, aber in der Praxis ist der Zugang zu kompetenter Beratung oft begrenzt (USDOS 13.4.2016). Das Gesetz erlaubt den Angeklagten in den meisten Zivil- und Kriminalfällen den Zugang zu relevanten Regierungsbeweisen, aber die Regierung behält sich das Recht vor, Informationen zurückzuhalten und tut dies auch in Fällen, die sie für heikel erachtet. Die Angeklagten haben das Recht, sich dem Ankläger zu stellen und ihre eigenen Zeugen und Beweismittel zu präsentieren, jedoch konnten Angeklagte dieses Recht manchmal aufgrund des Mangels an ordentlicher Rechtsvertretung nicht ausüben. Gerichte sind verpflichtet Urteile öffentlich zu verkünden und es gibt effektive Wege der Berufung auf beinahe allen Ebenen der Justiz. Angeklagte haben das Recht, die Aussage zu verweigern und sich nicht schuldig zu bekennen (USDOS 13.4.2016).

 

Gerichtliche Ladungen in strafrechtlichen Angelegenheiten sind im Criminal Procedure Code 1973 (CrPC, Chapter 4, §§61-69), in zivilrechtlichen Angelegenheiten im Code of Civil Procedure 1908/2002 geregelt. Jede Ladung muss schriftlich, in zweifacher Ausführung ausgestellt sein, vom vorsitzenden Richter unterfertigt und mit Gerichtssiegel versehen sein.

 

Ladungen werden gemäß CrPC prinzipiell durch einen Polizeibeamten oder durch einen Gerichtsbeamten an den Betroffenen persönlich zugestellt. Dieser hat den Erhalt zu bestätigen. In Abwesenheit kann die Ladung an ein erwachsenes männliches Mitglied der Familie übergeben werden, welches den Erhalt bestätigt. Falls die Ladung nicht zugestellt werden kann, wird eine Kopie der Ladung an die Residenz des Geladenen sichtbar angebracht. Danach entscheidet das Gericht, ob die Ladung rechtmäßig erfolgt ist, oder ob eine neue Ladung erfolgen wird. Eine Kopie der Ladung kann zusätzlich per Post an die Heim- oder Arbeitsadresse des Betroffenen eingeschrieben geschickt werden. Falls dem Gericht bekannt wird, dass der Betroffene die Annahme der Ladung verweigert hat, gilt die Ladung dennoch als zugestellt. Gemäß Code of Civil Procedure kann die Ladung des Gerichtes auch über ein gerichtlich genehmigtes Kurierservice erfolgen (ÖB 12.2016).

 

Im ländlichen Indien gibt es auch informelle Ratssitzungen, deren Entscheidungen manchmal zu Gewalt gegen Personen führt, die soziale Regeln brechen - was besonders Frauen und Angehörige unterer Kasten betrifft (FH 27.1.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Sicherheitsbehörden

 

Die indische Polizei (Indian Police Service) ist keine direkte Strafverfolgungs- oder Vollzugsbehörde (BICC 6.2016) und untersteht den Bundesstaaten (AA 16.8.2016). Sie fungiert vielmehr als Ausbildungs- und Rekrutierungsstelle für Führungsoffiziere der Polizei in den Bundesstaaten. Im Hinblick auf die föderalen Strukturen ist die Polizei dezentral in den einzelnen Bundesstaaten organisiert. Die einzelnen Einheiten haben jedoch angesichts eines nationalen Polizeigesetzes, zahlreichen nationalen Strafrechten und der zentralen Rekrutierungsstelle für Führungskräfte eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Allgemein ist die Polizei mit der Strafverfolgung, Verbrechensprävention und -bekämpfung sowie Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betraut und übt gleichzeitig eine teilweise Kontrolle über die verschiedenen Geheimdienste aus. Innerhalb der Polizei gibt es eine Kriminalpolizei (Criminal Investigation Department - CID), in die wiederum eine Sondereinheit (Special Branch) integriert ist. Während erstere mit nationalen und bundesstaatenübergreifenden Verbrechen betraut ist, hat die Sondereinheit Informationsbeschaffung und Überwachung jeglicher subversiver Elemente und Personen zur Aufgabe. In fast allen Bundesstaaten sind spezielle Polizeieinheiten aufgestellt worden, die sich mit Frauen und Kindern beschäftigen. Kontrolliert wird ein Großteil der Strafverfolgungsbehörden vom Innenministerium (Ministry of Home Affairs) (BICC 6.2016).

 

Ein Mangel an Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Polizei entsteht neben den strukturellen Defiziten auch durch häufige Berichte über Menschenrechtsverletzungen wie Folter, außergerichtliche Tötungen und Drohungen, die mutmaßlich durch die Polizei verübt wurden (BICC 6.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Die Polizei bleibt weiterhin überlastet, unterbezahlt und politischem Druck ausgesetzt, was in einigen Fällen zu Korruption führt. (USDOS 13.4.2016). Versprochene Polizeireformen verzögerten sich 2015 erneut (HRW 27.1.2016).

 

Die Effektivität der Strafverfolgung und der Sicherheitskräfte ist im gesamten Land sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während es einerseits Fälle von Polizisten/Beamten gibt, die auf allen Ebenen ungestraft handeln, so gab es andererseits auch Fälle, in denen Sicherheitsbeamte für ihre illegalen Handlungen zur Verantwortung gezogen wurden (USDOS 13.4.2016).

 

Das indische Militär ist der zivilen Verwaltung unterstellt und hat in der Vergangenheit wenig Interesse an einer politischen Rolle gezeigt. Der Oberbefehl obliegt dem Präsidenten. Ihrem Selbstverständnis nach ist die Armee zwar die "Beschützerin der Nation", aber nur im militärischen Sinne (BICC 6.2016). Das Militär kann im Inland eingesetzt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit notwendig ist (AA 16.8.2016; vgl. auch: BICC 6.2016), wie etwa beim Kampf gegen bewaffnete Aufständische, der Unterstützung der Polizei und der paramilitärischen Einheiten sowie dem Einsatz bei Naturkatastrophen (BICC 6.2016).

 

Für den Einsatz von Streitkräften - vor allem von Landstreitkräften - in Unruhegebieten und gegen Terroristen wird als Rechtsgrundlage der "Armed Forces Special Powers Act" (AFSPA) herangezogen. Der AFSPA gibt den Streitkräften weitgehende Befugnisse zum Gebrauch tödlicher Gewalt, zu Festnahmen ohne Haftbefehl und Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl. Bei ihren Aktionen genießen die Handelnden der Streitkräfte weitgehend Immunität vor Strafverfolgung. Der AFSPA kommt zur Anwendung, nachdem Regierungen der Bundesstaaten ihre Bundesstaaten oder nur Teile davon auf der Basis des "Disturbed Areas Act" zu "Unruhegebieten" erklären. Als Unruhegebiete gelten zurzeit der Bundesstaat Jammu und Kaschmir und die nordöstlichen Bundesstaaten Arunachal Pradesh, Assam, Meghalaya, Manipur, Mizoram und Nagaland (AA 16.8.2016 vgl. USDOS 25.6.2015).

 

Die unter anderem auch in den von linksextremistischen Gruppen (sog. Naxaliten) betroffenen Bundesstaaten Zentralindiens eingesetzten paramilitärischen Einheiten Indiens unterstehen zu weiten Teilen dem Innenministerium (AA 16.8.2016). Dazu zählen insbesondere die National Security Guard (Nationale Sicherheitspolizei NSG), aus Angehörigen des Heeres und der Polizei zusammengestellte Spezialtruppe für Personenschutz, auch als "Black Cat" bekannt, die Rahtriya Rifles, eine Spezialtruppe zum Schutz der Verkehrs- und Nachrichtenverbindungen bei inneren Unruhen und zur Bekämpfung von bewaffneten Rebellionen, die Central Reserve Police Force (CRPF) - die Bundesreservepolizei, eine militärisch ausgerüstete Polizeitruppe für Sondereinsätze -, die Border Security Force (BSF - Bundesgrenzschutz), als größte und am besten ausgestattete Miliz zum Schutz der Grenzen zu Pakistan, Bangladesh und Myanmar. Sie wird aber auch zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung in anderen Landesteilen eingesetzt. Weiters zählen die Assam Rifles - zuständig für Grenzverteidigung im Nordosten-, die Indo-Tibetan Border Force (ITBP) als Indo-Tibetische Grenzpolizei sowie die Küstenwache, die Railway Protective Force zum Schutz der nationalen Eisenbahn und die Central Industrial Security Force, zum Werkschutz der Staatsbetriebe dazu (ÖB 12.2016). Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

 

Die Grenzspezialkräfte ("Special Frontier Force)" unterstehen dem Büro des Premierministers. Die sogenannten Grenzspezialkräfte sind eine Eliteeinheit, die an sensiblen Abschnitten der Grenze zu China eingesetzt werden. Auch für das Handeln der Geheimdienste, das sogenannte Aufklärungsbüro ("Intelligence Bureau" - Inlandsgeheimdienst) und den Forschungs- und Analyseflügel ("Research and Analysis Wing" - Auslandsgeheimdienst), bestehen gesetzliche Grundlagen (AA 24.4.2015; vgl. auch USDOS 25.6.2015).

 

Der "Unlawful Activities (Prevention) Act" (UAPA) wurde verschärft. Die Änderungen beinhalten u.a. eine erweiterte Terrorismusdefinition und in Fällen mit Bezug zu Terrorismus die Möglichkeit zur Ausweitung der Untersuchungshaft ohne Anklage von 90 auf 180 Tage und erleichterte Regeln für den Beweis der Täterschaft eines Angeklagten (die faktisch einer Beweislastumkehr nahekommen) (AA 24.4.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

Folter und unmenschliche Behandlung

 

Indien hat im Jahr 1997 das VN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe unterzeichnet, jedoch bisher nicht ratifiziert (AA 16.8.2016). Es sind außerdem keine für die Ratifizierung notwendigen Änderungen der nationalen Gesetzgebung eingeleitet worden (BICC 6.2016). Ein innerstaatlicher Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Folter, welcher innerstaatliche Voraussetzung der Ratifizierung der VN-Anti-Folterkonvention ist, wurde vom Parlament nicht verabschiedet (AA 16.8.2016).

 

Folter ist in Indien jedoch verboten (AA 16.8.2016) und der indische Staat verfolgt Folterer grundsätzlich und veranstaltet Kampagnen zur Bewusstseinserhöhung der Sicherheitskräfte, doch bleiben Menschenrechtsverletzungen von Polizeibeamten und paramilitärischen Einheiten häufig ungeahndet und führen nicht einmal zu Ermittlungsverfahren. Besonders gefährdet sind Angehörige unterer Kasten und andere sozial benachteiligte Bevölkerungsschichten (ÖB 12.2016). Aufgrund von Folter erlangte Aussagen sind vor Gericht nicht zur Verwertung zugelassen (AA 16.8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Das Gesetz verbietet somit Folter, aber es gibt Berichte von NGOs, dass solche Praktiken verbreitet sind, speziell in Konfliktgegenden (USDOS 13.4.2016). Folter durch Polizeibeamte, Armee und paramilitärische Einheiten bleibt häufig ungeahndet, weil die Opfer ihre Rechte nicht kennen, eingeschüchtert werden oder die Folter nicht überleben (AA 16.8.2016).

 

Nach zuverlässigen Angaben des "Asia Pacific Human Rights Network" wird Folter systematisch von der Polizei als Mittel der Befragung und der Gelderpressung oder der summarischen Bestrafung vermeintlicher Täter angewendet (AA 16.8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016); Todesfälle von Häftlingen stehen nach belastbaren Einschätzungen von NROs mit der Anwendung von Folter in Zusammenhang (AA 16.8.2016).

 

Menschenrechtsexperten zufolge versuchte die Regierung auch weiterhin Personen festzunehmen und ihnen einen Verstoß nach dem - aufgehobenen - Gesetz zur Bekämpfung von Terrorismus, terroristischer Akte und zerstörenden Handlungen anzulasten. Dieses Gesetz besagte, dass Geständnisse, die vor einem Polizisten abgelegt wurden, als zulässige Beweise im Gericht behandelt werden (USDOS 13.4.2016).

 

Nach glaubwürdigen, vertraulichen Schätzungen des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) kommt es weiterhin zu systematischer Folter in den Verhörzentren in Jammu und Kaschmir. Folter wird aber auch in anderen Landesteilen, vor allem in sozial schwachen und bevölkerungsreichen Staaten wie Uttar Pradesh und Bihar, angewandt. Folter und Misshandlungen in Gefängnissen sind nach belastbaren Erkenntnissen von Amnesty International verbreitet (AA 16.8.2016).

 

Trotz der Trainings für senior police officers, bleiben willkürliche Verhaftungen, Folter und erzwungene Geständnisse durch Sicherheitskräfte verbreitet (ÖB 12.2016).

 

Es kommt immer wieder zu willkürlichen Übergriffen der Staatsorgane, insbesondere der Polizeikräfte, vor allem gegenüber Häftlingen in Polizeigewahrsam. In einigen Fällen wird von willkürlichen und nicht gemeldeten Verhaftungen berichtet, bei denen dem Verhafteten mitunter ausreichend Wasser und Nahrung vorenthalten werden. Von etlichen Ausnahmen abgesehen, werden gesetzeswidrige Handlungen in diesem Bereich geahndet. Die angerufenen Gerichte haben hierbei in den letzten Jahren verstärkt Verantwortung gezeigt, zumal NGOs und die Presse kritisch über die ihnen bekannt gewordenen Fälle berichten. Auch über Übergriffe der Militärs und der paramilitärischen Gruppen bei ihren Einsätzen im Inneren (vor allem in Jammu und Kaschmir sowie in Indiens Nordosten) berichten Menschenrechtsorganisationen und die Nationale Menschenrechtskommission. Auch diese werden vereinzelt (militär-) gerichtlich geahndet, Prozess und Prozessausgang bleiben allerdings geheim (ÖB 12.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Korruption

 

Korruption ist weit verbreitet (USDOS 13.4.2016). Indien scheint im Korruptionsindex 2015 von Transparency International auf Platz 76 (Anmerkung: 2014 Platz 85 von 175) von insgesamt 168 Ländern auf (TI 2016).

 

NGOs berichten, dass üblicherweise Bestechungsgelder bezahlt werden, um Dienstleistungen wie Polizeischutz, Schuleinschreibung, Zugang zu Wasserversorgung oder Beihilfen zu beschleunigen (USDOS 13.4.2016). Die unteren Bereiche des Gerichtswesens sind im speziellen von Korruption betroffen und die meisten Bürger haben Schwierigkeiten, Recht durch die Gerichte zu erhalten (FH 28.1.2015). Korruption ist auf allen Regierungsebenen vertreten (USDOS 13.4.2016).

 

Obwohl jedes Jahr Politiker und Beamte bei der Entgegennahme von Bestechungsgeldern erwischt werden, gibt es zahlreiche Korruptionsfälle, die unbemerkt und unbestraft bleiben (FH 27.1.2016). Das Gesetz sieht Strafen für Korruption im öffentlichen Dienst vor, in der Praxis kommen Staatsdiener mit korrupten Praktiken häufig straflos davon (USDOS 13.4.2016). Nationaler und internationaler Druck hat zu gesetzlichen Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption geführt. Durch das vom Präsidenten im Jahr 2014 unterzeichnete Lok Pal und Lokayuktas Gesetz wurden unabhängige, staatliche Gremien eingerichtet, an die man Beschwerden wegen korrupter Beamter oder Politiker richten kann und die ermächtigt sind, die Beschwerden zu untersuchen und Verurteilungen vor Gericht zu verfolgen. Obwohl Modi und Angehörige seiner Regierung Unterstützung für das Gesetz signalisiert haben, gibt es wenig Belege dafür, dass es effektiv umgesetzt wird. Das 2005 geschaffene Recht auf Information (RTI) wird vor allem angewandt, um Transparenz zu steigern und korrupte Machenschaften aufzudecken, wobei es aber Fragen der Umsetzung gibt. Seit der Verabschiedung des Gesetzes sind mindestens 45 "Recht auf Informationsaktivisten" ermordet und mehr als 250 angegriffen oder belästigt worden (FH 27.1.2016).

 

Korruption behindert manchmal auch Regierungsprogramme zur Untersuchung behaupteter Korruption im Regierungsbereich. Einer speziellen Ermittlungsgruppe zufolge haben Beamte der Lokayukta, einem gesetzlichen Organ zur Korruptionsbekämpfung, Bestechungsgelder zum Schutz vor Korruptionsrazzien in Karnataka entgegengenommen. Dabei wurden zehn Personen verhaftet, einschließlich des Sohnes des Gerichtsombudsmannes (Ombudsman Justice Bhaskar) und dem Public Relations Officer von Lokayukta (USDOS 13.4.2016). Im Mai 2015 nahm die Lok Sabha (Volkskammer) Änderungen des Gesetzes zum Schutz von Informanten (Whistleblowers Protection Act) aus 2014 an. Mitglieder der Opposition kritisierten, dass dadurch die ohnehin schon begrenzten Auswirkungen des Gesetzes weiter aufgeweicht würden (FH 27.1.2016).

 

Zivilgesellschaftliche Organisationen lenkten die öffentliche Aufmerksamkeit unter anderem mit öffentlichen Demonstrationen und mittels Websites während des gesamten Jahres 2015 auf das Thema Korruption (USDOS 13.4.2016).

 

Die Zentrale Untersuchungsbehörde (Central Bureau of Investigation - CBI) registrierte im Untersuchungszeitraum [Anm.: Jänner bis November 2015] 583 Korruptionsfälle. Das CBI betreibt ein Webportal und eine gebührenfreie Hotline - um Beschwerden aufzunehmen (USDOS 13.4.2016). Eine neue Helpline, um Menschen im Umgang mit Bestechungsforderung durch Regierungsmitarbeiter in der Hauptstadt Delhi zu unterstützen, erhielt mehr als 4.000 Anrufe in den ersten Stunden ihres Bestehens. Diese Helpline steht 14 Stunden pro Tag zur Verfügung und soll helfen die alltägliche Korruption zu bekämpfen (BBC 9.1.2014).

 

Die Regierung ernannte Hauptüberwachungsbeamte (Chief Vigilance Offifers), um öffentlichen Beschwerden und Missstände im Banken-, Versicherungs- und anderen Sektoren, die durch private, öffentliche und körperschaftliche Gremien bedient werden, nachzugehen. Das Parlament verabschiedete im Dezember 2014 ein Gesetz zu Ombudsmannorganisation, Lok Pal, um Vorwürfe von Regierungskorruption zu untersuchen (USDOS 25.6.2015).

 

Einzelpersonen - oder NGOs im Namen von Einzelpersonen oder Gruppen - können sogenannte Rechtsstreitpetitionen von öffentlichem Interesse ("Public interest litigation petitions") bei jedem Obersten Gericht oder direkt beim Obersten Bundesgericht, dem "Supreme Court" einbringen, um rechtliche Wiedergutmachung für öffentliche Rechtsverletzungen einzufordern. Diese Beschwerden können Verstöße gegen staatliche Aufgaben durch einen Regierungsangestellten oder eine Verletzung von Verfassungsbestimmungen sein. NGOs schätzen diese Anträge sehr, um Regierungsangehörige gegenüber zivilgesellschaftlichen Organisationen für Korruption und Parteilichkeit, zur Rechenschaft zu ziehen (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

 

Indiens Zivilgesellschaft ist vielstimmig; es gibt eine schier unüberschaubare Anzahl von Nichtregierungsorganisationen (offizielle Schätzungen gehen von über 3 Millionen aus), darunter viele in- und ausländischer Menschenrechtsorganisationen (AA 16.8.2016), die sich für soziale Gerechtigkeit, nachhaltige Entwicklung und Menschenrechte einsetzen (USDOS 13.4.2016). Diese können grundsätzlich frei (AA 16.8.2016) und in der Regel ohne Einschränkungen durch die Regierung operieren, Fälle von Menschenrechtsverletzungen untersuchen und die Ergebnisse veröffentlichen (USDOS 13.4.2016). Die Website NGOsIndia.com enthält umfangreiche weiterführende Informationen über die zahlreichen, in den verschiedensten Bereichen und Regionen aktiven Menschenrechtsorganisationen in Indien (NGOsIndia.com o.D.).

 

Es gibt keine systematischen staatliche Behinderungen oder Repressalien gegen Menschenrechtsverteidiger (AA 16.8.2016), in manchen Fällen kommt es aber zu Einschränkungen (USDOS 13.4.2016). NGOs sind nicht selten subtilen Schikanen der Behörden (Verzögerung oder Versagung von Genehmigungen vor allem auch zum Empfang ausländischer Mittel, häufige Rechnungs- und Finanzprüfungen, schleppende Bearbeitung oder Versagung der Visaerteilung für ausländisches Personal, Ausreiseverbote) und auch Drohungen, etwa durch Armee oder Polizei, ausgesetzt (AA 16.8.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016). Einzelne Menschenrechtsverteidiger, vor allem im Bereich sozialer und wirtschaftlicher Rechte, und Journalisten sehen sich durch lokale Behörden/Polizei in ihrer Arbeit eingeschränkt. Vereinzelt werden diese auch Opfer von Gewalt (AA 16.8.2016). Menschenrechtsbeobachter in Jammu und Kaschmir konnten Menschenrechtsverletzungen dokumentieren (USDOS 13.4.2016), jedoch kommt es insbesondere im konfliktbetroffenen Bundesstaat Jammu und Kaschmir und im von separatistischen Gruppen bedrohten Nordosten Indiens kommt es immer wieder zu Einschüchterungsversuchen von Journalisten und Menschenrechtsverteidigern (u.a. Festnahmen, Lizenzentzug), bis hin zu physischen Angriffen. In diesen Gebieten herrscht aufgrund der besonderen gesetzlichen Rahmenbedingungen oftmals Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen (AA 16.8.2016).

 

Obwohl Indien eine starke Zivilgesellschaft und eine akademische Gemeinschaft hat, werden ausländischen Beobachtern, die ins Land reisen wollen, um die Menschenrechte und andere Themen zu untersuchen, manchmal Visa verwehrt. Unter speziellen Umständen erlaubt der "Foreign Contributions Regulation Act" (FCRA) der Bundesregierung, Nichtregierungsorganisationen den Zugang zu ausländischer Finanzierung zu verwehren (FH 27.1.2015). Die Regierung wird bezichtigt, dieses Gesetz für die Bekämpfung der politischen Opposition zu missbrauchen. Im Jahr 2016 annullierten die Behörden die FCRA Lizenzen von etwa 20.000 NGOs wegen Nichteinhaltung von FCRA Bestimmungen, darunter auch wegen nicht genehmigter ausländischer Finanzierung. Damit bleiben 13.000 legale NGOs und es wurden 2000 erstmalige Registrierungsersuchen beim Innenministerium eingebracht (TOI 27.1.2016).

 

Die Regierung traf sich in der Regel mit inländischen NGOs, reagierte auf ihre Anfragen und ergriff als Reaktion auf ihre Berichte und Empfehlungen Maßnahmen. Die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) arbeitet kooperativ mit zahlreichen NGOs zusammen und mehrere Ausschüsse der NHRC arbeiten mit NGO Vertretern zusammen (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Ombudsmann

 

Die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) ist ein unabhängiges und unparteiisches Untersuchungs- und Beratungsorgan der Zentralregierung. Sie hat das Mandat sich mit Menschenrechtsverletzungen oder Unterlassungen der Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen durch öffentlichen Angestellten zu befassen, sich in Gerichtsverfahren einzuschalten, die Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und das öffentliche Bewusstsein für Menschenrechte zu fördern. Die NHRC ist direkt dem Parlament rechenschaftspflichtig. Sie hat die Möglichkeit Zeugen zu laden, Dokumentationen zu erstellen und öffentliche Berichte einzufordern. Sie empfiehlt auch angemessene Entschädigungen in Form von Kompensationen für Familien von Getöteten oder Verletzten. Sie kann aber weder die Umsetzung ihrer Empfehlungen durchsetzen noch Vorwürfen gegen militärisches oder paramilitärisches Personal nachgehen (USDOS 13.4.2016). Die NHRC untersucht Menschenrechtsverletzungen auf Antrag oder von Amts wegen, richtet Empfehlungen an die Regierung oder den Obersten Gerichtshof und kann die Einleitung von Strafverfolgungsmaßnahmen beantragen. Obwohl sie keine Weisungsbefugnis zur Einleitung von Strafverfahren hat und mangels Ermittlungsbefugnissen auf die Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden und Polizei angewiesen ist, trägt sie zunehmend auch durch in der Öffentlichkeit ausgeübten Druck und durch Zusammenarbeit mit NGOs zur Ahndung und zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen bei (ÖB 12.2016). Der NHRC behandelt rund 8000 Beschwerden pro Jahr. Ihr steht ein ehemaliger Richter des Obersten Gerichtshofs vor (FH 27.1.2016).

 

23 Bundesstaaten haben eigene Menschenrechtskommissionen, die eigenständige Untersuchungen durchführen, aber unter der NHRC arbeiten. In sieben Bundesstaaten war die Position des Vorsitzenden nicht besetzt. Menschenrechtgruppen mutmaßen, dass die Menschenrechtskommissionen durch lokale Politik in ihrer Tätigkeit eingeschränkt ist (USDOS 13.4.2016).

 

Es gibt Vorwürfe von Menschenrechtsgruppen, die die finanzielle Abhängigkeit von der Regierung und die Richtlinie, wonach Fälle, die älter als ein Jahr sind, nicht untersucht werden, beanstanden. Sie kritisieren weiter, dass nicht alle Beschwerden registriert werden, Fälle willkürlich abgewiesen werden, Fälle nicht gründlich untersucht werden und Beschwerden zurück zum angeblichen Verletzer geleitet werden sowie, dass die Beschwerdeführer nicht ausreichend geschützt werden (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

Allgemeine Menschenrechtslage

 

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 16.8.2016). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2016). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 16.8.2016). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

 

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit bei (USDOS 13.4.2016).

 

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2016), eine verallgemeinernde Bewertung kaum möglich:

Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 16.8.2016). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 16.8.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2016).

 

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im Maoistengürtel begehen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 13.4.2016).

 

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der Bürger. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 13.4.2016).

 

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o.D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC forderte von den Bundesstaatenregierung, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Behörden haben die Streitkräfte nicht dazu aufgefordert, Todesfälle während der Haft an die NHRC zu melden (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Meinungs- und Pressefreiheit

 

Die Verfassung garantiert Rede- und Meinungsfreiheit. Obwohl die Pressefreiheit in der indischen Verfassung nicht dezidiert erwähnt ist, wird auch diese von der Regierung im Allgemeinen in der Praxis respektiert (USDOS 13.4.2016). Indien befindet sich im Pressefreiheits-Index 2016 auf Platz 133 von 180 Ländern und hat sich im Vergleich zu 2015 um drei Plätze verbessert (RwB 2016).

 

Die unabhängigen Medien drücken eine große Bandbreite von Meinungen und Ansichten ohne Einschränkungen aus. Das Gesetz verbietet Inhalte, die religiöse Gefühle verletzen und Feindschaften zwischen Gruppen provozieren könnten und die Behörden haben sich auf diese Regeln berufen, um Printmedien, Rundfunk und Fernsehen sowie die Veröffentlichung und Verbreitung von Büchern einzuschränken. Der Staat hat auch weiterhin das Monopol auf das AM Radio und beschränkt die Vergabe von Lizenzen an FM Radiostationen auf jene Sender, deren Sendungen Unterhaltungs- und Bildungszwecken dienen. Satellitenfernsehen ist weit verbreitet und stellt für das staatliche Fernsehnetzwerk eine Konkurrenz dar (USDOS 13.4.2016). Menschrechtsverletzungen, Korruption und politische Skandale finden in Berichterstattung breit Niederschlag. Öffentliche Debatten sind wesentlicher Bestandteil indischer Demokratie. Medien, insbesondere die Printmedien, arbeiten frei (AA 16.8.2016).

 

Im Bereich elektronischer Medien übt der Staat Kontrolle aus (Zulassung privater Sender in den Bereichen Radio und Fernsehen). Fälle von staatlicher Einschränkung der Pressefreiheit bzw. Zensur (z.B. Filmverbote, Blockierung von Webseiten im Nachgang von Anschlägen) werden öffentlich diskutiert (AA 16.8.2016). Indien hat mit derzeit ca. 460 Millionen Internetnutzern nach China die zweitgrößte Netzgemeinde der Welt (AA 16.8.2016). Es gibt jedoch einige Beschränkungen des Internetzuganges sowie Berichte, dass die Regierung gelegentlich Nutzer digitaler Medien wie Chatrooms und persönliche Kommunikation überwachte. IT Gesetze erlauben es der Regierung, Internetwebsites und Inhalte zu blockieren und das Senden von Nachrichten mit aufrührerischem oder anstößigem Inhalt zu kriminalisieren (FH 27.1.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Die Sicherheitsbehörden haben weitgehende Überwachungsvollmachten und blockieren vereinzelt in ganzen Regionen den Zugang zum Netz, so z. B. bei den gewalttätigen Patidar-Ausschreitungen in Gujarat im August/September 2015 (AA 16.8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Die Meinungsfreiheit im Internet wird durch IT-Regeln ("Information Technology Rules") eingeschränkt, nach denen z.B. auch rechtswidrige Äußerungen Einzelner strafrechtlich geahndet werden können. Rechtswidrig sind demnach "blasphemische, rassistische, grob verletzende und obszöne" Äußerungen (AA 24.4.2015). Zwischen 25. und 28.9.2015 kam es zu einer Abschaltung des Internets in Jammu und Kaschmir mit der Begründung, eine Verschärfung der Spannungen zwischen muslimischen und hinduistischen Gemeinschaften zu verhindern. Die Abschaltung von 2G, 3G, GPRS und Breitbandinternet dauerte 82 Stunden (RwB 7.10.2015).

 

Aufgrund ihrer Berichterstattung waren einige Journalisten und Medienschaffende Gewalt und Belästigungen ausgesetzt (USDOS 13.4.2016). Wer in Indien Gewalt gegen Journalisten verübt, geht in der Regel straffrei aus. Obwohl im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Korruption, Politik, Verbrechen oder andere sensible Bereiche eine alarmierende Zahl von Journalisten getötet wurde, hat die Regierung noch keine Maßnahmen zum Schutz von Medienmitarbeitern getroffen (RwB 20.1.2016).

 

Im Allgemeinen können Einzelpersonen die Regierung öffentlich oder privat kritisieren, ohne Repressalien fürchten zu müssen. In bestimmten Fällen nutzen lokale Behörden Gesetze gegen Obszönität um Personen festzunehmen, die offenbar politische Reden hielten (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

 

Das Gesetz garantiert die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.4.2016), wenngleich es auch zu Einschränkungen kommen kann. Gemäß §144 der Strafprozessordnung sind die Behörden ermächtigt, das Recht auf freie Versammlung einzuschränken und Ausgangssperren zu verhängen, wann immer "sofortige Prävention oder schnelle Abhilfe" notwendig ist. Staatsgesetze, die auf diesen Vorgaben basieren, werden oft missbraucht, um das Abhalten von Treffen und Versammlungen einzuschränken. Ungeachtet dessen finden regelmäßig Protestveranstaltungen statt (FH 27.1.2016).

 

Ein Antrag für das Abhalten von Versammlungen und Demonstrationen muss vorab bei den zuständigen lokalen Behörden gestellt werden. Vereinzelt werden Anträge abgelehnt, wie beispielsweise in Jammu und Kaschmir, wo die Behörden Separatistengruppen manchmal keine Erlaubnis ausstellt (ÖB 12.2016) und die Sicherheitskräfte manchmal Mitglieder politischer Gruppen, die an friedlichen Protesten teilnehmen, verhaften oder angreifen (USDOS 13.4.2016). In Zeiten von Unruhen in Jammu und Kaschmir ziehen die Behörden die Strafprozessordnung heran, um öffentliche Versammlungen zu verbieten oder Ausgangssperren zu verhängen (USDOS 13.4.2016).

 

Gewerkschaftliche Streiks und öffentliche Protestveranstaltungen können zur Lahmlegung des gesamten öffentlichen Lebens im betroffenen Gebiet und zu Gewalttätigkeiten führen. Gewerkschaften spielen in Indien jedoch eine relativ geringe Rolle, da nur etwa 8% der indischen Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert sind. Der "Essential Services Maintenance Act" erlaubt es der Regierung, Streiks in staatlichen Unternehmen zu verbieten (ÖB 12.2016)

 

Bei der Organisation von internationalen Konferenzen kommt es zu Restriktionen und Genehmigungen aus dem Ministerium für Inneres können nur mithilfe von NGOs erlangt werden. Auch wenn das Genehmigungsverfahren in manchen Fällen langwierig ist, so werden die Berechtigungen von den Behörden doch routinemäßig erteilt (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

Opposition

 

Die politische Opposition kann sich grundsätzlich frei betätigen. Die Wahlen zu den Gemeindeversammlungen, Stadträten und Parlamenten auf bundesstaatlicher wie nationaler Ebene sind frei, gleich und geheim. Sie werden - ungeachtet von Problemen, die aus der Größe des Landes, verbreiteter Armut bzw. hoher Analphabeten-Rate und örtlich vorkommender Manipulationen resultieren - nach Einschätzung internationaler Beobachter korrekt durchgeführt. Behinderungen der Opposition kommen insbesondere auf regionaler und kommunaler Ebene vor, z.B. durch nur eingeschränkten Polizeischutz für Politiker, Versagung von Genehmigungen für Wahlkampfveranstaltungen, tätliche Übergriffe durch Anhänger anderer Parteien. Derartige Vorkommnisse werden von der Presse aufgegriffen und können von den politischen Parteien öffentlichkeitswirksam thematisiert werden. Sie ziehen in der Regel auch Sanktionsmaßnahmen der unabhängigen und angesehenen staatlichen Wahlkommission ("Election Commission of India") nach sich (AA 16.8.2016).

 

Wichtigste Oppositionspartei ist nach ihrer Niederlage bei der jüngsten Lok Sabha-Wahl die Kongresspartei (Indian National Congress - INC) unter Führung von Parteichefin Sonia Gandhi (Schwiegertochter Indira Gandhis und Witwe Rajiv Gandhis). Ihr Sohn Rahul Gandhi, der die Kongresspartei als eine Art unerklärter Spitzenkandidat in den Wahlkampf führte, konnte gegen Narendra Modi und die in Indien weit verbreitete Wechselstimmung wenig Wirkung entfalten. In den letzten Jahren haben eine Reihe von regionalen Parteien an Profil und Einfluss gewonnen (AA 9 .2016a).

 

Indien verfügt über eine vielfältige Parteienlandschaft. Neben den großen nationalen Parteien Kongress (in ihren Wurzeln sozialistisch inspirierte nationale Sammlungsbewegung), Bharatiya Janata Party (BJP, hindu-nationalistisch) sowie überregional wirkenden kommunistischen Parteien gibt es eine Vielzahl von Regionalparteien, die in einzelnen Bundesstaaten allein oder in Koalitionen die Landesregierungen bilden, aber auch auf nationaler Ebene von politischer Bedeutung sind. (AA 16.8.2016).

 

Jede offiziell anerkannte Partei wird entweder als Bundes- oder als Regionalpartei eingestuft. Wenn eine Regionalpartei in mehr als vier Bundesstaaten offiziell anerkannt ist, erhält sie den Status einer Bundespartei. Zu den wichtigsten indischen Parteien gehören Indian National Congress, Bharatiya Janata Party, Bahujan Samaj Party (BSP), Communist Party of India und Communist Party of India (Marxist). Bekannte und einflussreiche regionale Parteien sind Telugu Desam in Andhra Pradesh, Muslim League in Kerala, Shiv Sena in Maharashtra, Dravida Munnetra Kazhagam in Tamil Nadu und Samajwadi Party in Uttar Pradesh (GIZ 12.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

Haftbedingungen

 

Dem Bericht des National Crime Records Bureau (NCRB) aus dem Jahr 2014 zufolge, gab es 1387 Gefängnisse landesweit mit einer genehmigten Kapazität von 356.561 Personen - bei einer Häftlingszahl von 418.536 (USDOS 13.4.2016). Der Anteil der Gefängnisinsassen an der Gesamtbevölkerung liegt mit ca. 0,35% niedrig. Trotzdem sind die Gefängnisse zum Teil massiv überbelegt (AA 16.8.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Dem Bericht der NCRB zufolge waren die Gefängnisse in Chhattisgarh mit 261% und in Delhi mit 216,8% ihrer Kapazität ausgelastet. Es gab 17.681 weibliche Häftlinge - etwa 4,2% der Häftlingszahl - und weniger als 1% Jugendliche (USDOS 13.4.2016). Eine Sonderbehandlung für Ausländer ist nicht vorgesehen (AA 16.8.2016). Untersuchungshäftlinge werden häufig zusammen mit bereits verurteilten Häftlingen inhaftiert, Männer und Frauen werden getrennt untergebracht (USDOS 13.4.2016).

 

Der überwiegende Teil der Häftlinge sind Untersuchungshäftlinge (2014: 67,7%), die wegen der sehr starken Überlastung der Gerichte zum Teil jahrelang auf den Beginn ihres Prozesses warten müssen (AA 16.8.2016; vgl. USDOS 13.4.2016).

 

Die Haftbedingungen können stark variieren. Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet (Standard einer indischen Grundversorgung), für die Hygiene sind die Häftlinge selbst verantwortlich, ärztliche Basisversorgung ist ebenfalls regelmäßig gewährleistet (AA 16.8.2016). Die Sanitäreinrichtungen, das Essen, die medizinische Versorgung und Umgebungsbedingungen sind jedoch oft unzureichend. Trinkwasser ist nur manchmal erhältlich (USDOS 13.4.2016). Häftlinge können sich tagsüber im Gefängnishof bewegen und Sport treiben. Jeder Häftling kann die Haftbedingungen hinsichtlich Unterbringung, Hygiene, Verpflegung und medizinischer Behandlung durch Geldzahlungen verbessern. Es ist ebenfalls üblich, dass Häftlinge von Verwandten zusätzlich versorgt werden (AA 16.8.2016). Gefängnisse und Haftanstalten sind auch weiterhin personell unterbesetzt und eine ausreichende Infrastruktur fehlt. Häftlinge werden physisch schlecht behandelt (USDOS 13.4.2016).

 

Langdauernde, willkürliche Inhaftierung bleibt ein bedeutendes Problem als Folge eines überlasteten und nicht entsprechend ausgestatteten Gerichtssystems sowie wegen mangelnder Rechtssicherheit. Die Regierung unternimmt weiterhin Bemühungen mithilfe von sogenannten "Fast Track-Gerichten", um Überbelegung der Gefängnisse sowie Verringerung langdauernder Inhaftierungen zu reduzieren (USDOS 13.4.2016).

 

Es gab auch weiterhin Berichte über Vergewaltigungen von Häftlingen durch die Polizei. Manche Vergewaltigungsopfer hatten Angst, aufgrund des drohenden sozialen Stigmas und möglichen Vergeltungshandlungen, sich zu melden und das Verbrechen anzuzeigen, speziell dann, wenn der Täter ein Polizist oder ein anderer Beamter war. Die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) hat das Mandat Vergewaltigungsfälle in denen Polizisten involviert sind zu untersuchen. Die NHRC ist gesetzlich befugt, Informationen über Mitglieder des Militärs und den paramilitärischen Streitkräften zu verlangen, jedoch hat sie kein Mandant, um Fälle zu untersuchen, die diese Einheiten betreffen. Es gab Fälle, in den sich Polizeibeamte weigerten, Vergewaltigungen zu registrieren (USDOS 13.4.2016). Todesfälle von Häftlingen stehen nach belastbaren Einschätzungen von NGOs mit der Anwendung von Folter in Zusammenhang. Nach glaubwürdigen, vertraulichen Schätzungen des IKRK (Internationales Komitee des Roten Kreuzes) kommt es weiterhin zu systematischer Folter in den Verhörzentren in Jammu und Kaschmir (AA 16.8.2016).

 

Nach Angaben der NHRC ist ein großer Teil der Todesfälle in Gefängnissen (2014: 1.702) auf Krankheiten wie Tuberkulose und HIV/Aids zurückzuführen, deren Verlauf durch die Haftbedingungen und mangelhafte Versorgung verschlimmert bzw. beschleunigt wird. Es steht in den Gefängnissen eine medizinische Basisversorgung zur Verfügung, bei Bedarf wird ins (oftmals unzureichend ausgestattete) Krankenhaus eingeliefert (AA 16.8.2016).

 

Der Public Safety Act gilt nur in Jammu und Kashmir und erlaubt staatlichen Behörden das Festnehmen von Personen ohne Anklage oder gerichtlicher Überprüfung für bis zu zwei Jahren. Während dieser Zeit ist es den Familienmitgliedern nicht erlaubt, Zugang zu den Häftlingen zu haben. Häftlingen ist der Zugang zu einem Anwalt während Befragungen erlaubt. In der Praxis vollzieht die Polizei in Jammu und Kaschmir regelmäßig willkürliche Verhaftungen und verweigert Häftlingen, speziell den mittelosen, den Zugang zu Anwälten und medizinischer Betreuung (USDOS 13.4.2016).

 

Gefangene haben auch das Recht ihre religiösen Riten abzuhalten, was auch in der Praxis in den meisten Fällen berücksichtigt wird. Die Regierung erlaubt NGOs innerhalb bestimmter Richtlinien, Gefangenen Unterstützung anzubieten. Gefängnisbeamte führen umfangreiche Aufzeichnungen. Für Haftanstalten gibt es keinen Ombudsmann, aber die Gefangenen dürfen sich mit Beschwerden an die Justizbehörden wenden. Alternative Strafvollzugsmethoden werden nur selten angewandt (USDOS 25.6.2015).

 

Der "Arbeitsgruppe Menschenrechte in Indien" und den Vereinten Nationen zufolge, starben zwischen 2001 und 2010 14.231 Menschen in Polizeigewahrsam und werden jedes Jahr rund 1,8 Millionen Menschen Opfer von Polizeifolter - wobei es sich dabei nur um die bei der NHRC registrierte Fällen handelt und die Dunkelziffer wahrscheinlich höher ist (FH 28.1.2015). Der NHRC zufolge, sind während der letzten 8 Monate des Jahres 2015 111 Personen in Polizeigewahrsam gestorben (FH 27.1.2016).

 

Ein im Mai 2016 von der renommierten National Law University Delhi veröffentlichter empirischer Bericht zur Situation der Todesstrafe in Indien zeichnet ein düsteres Bild des indischen Strafjustizsystems. So haben bspw. 80% aller Todeskandidaten angegeben, in Haft gefoltert worden zu sein (AA 16.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Todesstrafe

 

Die indische Regierung hat im Jahr 2012 das inoffizielle Memorandum in Bezug auf die Todesstrafe aufgehoben (HRW 27.1.2016). 59 Straftatbestände verschiedener Gesetze bzw. des indischen Strafgesetzbuch erlauben das Verhängen der Todesstrafe. In Militärgesetzen ist die Todesstrafe als Regelstrafe für schwere Fälle von Kollaboration, Meuterei und Fahnenflucht, seit Ende 2014 auch für gewaltsame Flugzeugentführung mit Todesfolge vorgesehen. Weder die indische Regierung noch die einzelnen Unionsstaaten führen eine Statistik über zum Tode Verurteilte (AA 16.8.2016).

 

Jedes Strafgericht kann die Todesstrafe verhängen. Der Oberste Gerichtshof hat eine restriktive Rechtsprechung zur Verhängung der Todesstrafe aufgestellt, wonach diese nur unter zwei engen Voraussetzungen verhängt werden kann: Die Tat muss außerordentlich schwerwiegend ("rarest of the rare cases") sein, und für den Täter bestehen keine Aussichten auf Resozialisierung (AA 16.8.2016). Eine Erhebung der renommierten National Law University zeigte im Mai 2016 jedoch auf, dass die Todesstrafe von lokalen Strafgerichten weiterhin kontinuierlich verhängt wird; die Gesamtzahl an Gefangenen im Todestrakt beträgt derzeit ca. 400. Zwischen 2000 und 2015 wurden

1.468 Todesurteile verhängt; davon wurden rund 30% in nächster Instanz freigesprochen, nur etwa 5% der Todesurteile wurden letztinstanzlich bestätigt (AA 16.8.2016).

 

Zum Tode Verurteilte haben das Recht, ein Gnadengesuch einzureichen. Das Begnadigungsrecht steht je nach Instanzenzug dem Staatspräsidenten bzw. dem Gouverneur des jeweiligen Bundesstaates zu. Der Oberste Gerichtshof hat am 21.1.2014 eine überlange, nicht zu rechtfertigende Dauer des Gnadenverfahrens als verfassungswidrig qualifiziert. Die Todesurteile von 15 Personen wurden daraufhin in lebenslange Haft umgewandelt. Außerdem urteilte das Gericht, dass eine solche Umwandlung auch bei Geisteskrankheit des Täters - unabhängig vom Zeitpunkt der Erkrankung - erfolgen müsse. Mit Entscheidung vom 18.2.2014 ist das Todesurteil gegen drei Attentäter von Premierminister Rajiv Gandhi vom Supreme Court wegen der überlangen Dauer des Gnadenverfahrens in lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt worden (AA 16.8.2016).

 

Im August 2015 empfahl die Law Commission of India (beratendes Gremium der Regierung) die Abschaffung der Todesstrafe - mit Ausnahme von Straftaten, die mit Terrorismus und Aufstacheln zum Angriffskrieg im Zusammenhang stehen. Da weite Teile von Parlament und Bevölkerung in Indien die Todesstrafe weiterhin befürworten, ist mit einer baldigen Abschaffung nicht zu rechnen. Zuletzt im November 2014 stimmte Indien im Menschenrechtsausschuss der VN-Vollversammlung gegen eine Resolution, die die weltweite Aussetzung der Todesstrafe zum Ziel hat (AA 16.8.2016; vgl. auch:

HRW 27.1.2016).

 

Im April 2014 verhängte ein Gericht in Mumbai die Todesstrafe gegen drei Männer wegen Vergewaltigung. Grundlage des Urteils war ein neues Gesetz aus dem Jahr 2013, das für mehrfache Vergewaltigung die Todesstrafe vorsieht (AI 25.2.2015). Im Jahr 2015 wurde in Indien eine Person hingerichtet und in mehr als 75 Fällen die Todesstrafe verhängt (AI 6.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Ethnische Minderheiten

 

Minderheiten sind nach indischem Recht als religiöse und sprachliche Minderheiten definiert (ÖB 12.2016). Die Verfassung enthält eine Garantie zum Schutz vor Diskriminierungen wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion, Rasse, Kaste, Geschlecht oder Geburtsort. Minderheiten haben das Recht auf eigene Bildungseinrichtungen sowie auf Pflege ihrer Sprache und Kultur (AA 16.8.2016). Das Gesetz räumt dem Präsidenten auch die Befähigung ein, benachteiligte Kasten und Stämme für spezielle Quoten und Begünstigungen zu bestimmen (USDOS 13.4.2016). Gesetze setzen Quoten bei Bildungseinrichtungen und Regierungsanstellungen für sogenannte "registrierte" Kasten (Dalits) und Stämme, sowie einige andere sogenannte "benachteiligte Klassen", fest (FH 27.1.2016).

 

Historisch sind weite Teile der Gesellschaft in Kasten oder Clans organisiert (USDOS 13.4.2016) und Mitglieder unterer Kasten und Minderheiten sind weiterhin alltäglicher Diskriminierung ausgesetzt (FH 27.1.2016). Die Kaste ist ein komplexes traditionelles Hierarchiesystem, das auf ritueller Reinheit und Berufsgruppen beruht. Obwohl mit der Verfassung von 1949 Kastendiskriminierung verboten wurde, bleibt die Registrierung zum Zwecke positiver Förderprogramme bestehen und die Regierung betreibt weiterhin verschiedene Programme, um Mitglieder niederer Kasten zu stärken (USDOS 13.4.2016). Besonders auf dem Land bleiben Diskriminierungen aufgrund der Kastenzugehörigkeit, die in der Struktur der indischen Gesellschaft angelegt sind und auf sozialen und religiösen Traditionen fußen und vielfach implizit verlaufen, jedoch weit verbreitet (USDOS 13.4.2016).

 

Um Minderheiten stärker in das öffentliche Leben zu integrieren und ihre Teilhabe zu erhöhen, erfahren die unterste Schicht der Kastenordnung (sog. "Dalits" oder "Unberührbare") sowie die Adivasis eine positive Diskriminierung, deren Zulässigkeit in der Verfassung festgeschrieben ist. Im Bildungswesen (u.a. Studienplätze) und in der staatlichen Verwaltung (u.a. Stellenvergabe) sind Quoten von bis zu 49,5% für die sogenannten "Scheduled" Castes and "Scheduled" Tribes ("scheduled" = in der Verfassung erwähnte Kasten und Stämme) sowie für andere benachteiligte Gruppen, "Other Backward Castes", vorgesehen. Quoten werden auf zentralstaatlicher Ebene nur nach Kastenzugehörigkeit und sozialem Status, nicht aber nach Religion, zugeordnet. Allerdings gibt es in einigen Bundesstaaten Quotenregelungen für bestimmte religiöse Gemeinschaften, so z.B. in Tamil Nadu, Kerala und Andhra Pradesh für "rückständige" Christen und Muslime (AA 16.8.2016).

 

Trotz dieser umfangreichen positiven Förderprogramme, weitreichender gesetzlichen Schutzbestimmungen und verfassungsmäßigem Verbot von "Unberührbarkeit" (Artikel 17) werden Angehörige von niederen Kasten und Dalits in Indien noch immer massiv und systematisch diskriminiert, vor allem auch durch Polizei und Strafjustiz (AA 16.8.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016).

 

Zum Schutz der benachteiligten Gruppen und zur Gewährleistung ihrer Repräsentation im Unterhaus des Parlaments, muss jeder Bundesstaat Sitze für die geschützten Kasten und Stämme in Proportion zur Bevölkerung des Staates reservieren. Nur Kandidaten, die diesen Gruppen angehören dürfen an den Wahlen in den reservierten Wahlkreisen teilnehmen. Bei den Wahlen 2014 waren 84 Sitze für Kandidaten der geschützten Kasten und 47 für jene der geschützten Stämme reserviert, was insgesamt 24% der Sitze im Unterhaus ergab. Mitglieder der Minderheitenbevölkerung dienten als Premierminister, Vizepräsidenten, Richter des Obersten Gerichts und Mitglieder des Parlaments (USDOS 13.4.2016).

 

Englisch genießt den Status der sekundär offiziellen Sprache, ist aber die wichtigste Sprache für nationale, politische und wirtschaftliche Kommunikation. Hindi ist die am weitest verbreitet gesprochene Sprache und die Hauptsprache von 41% der Menschen. Es gibt 14 weitere offizielle Sprachen: Bengali, Telugu, Marathi, Tamil, Urdu, Gujarati, Malayalam, Kannada, Oriya, Punjabi, Assamese, Kashmiri, Sindhi, und Sanskrit. Hindustani ist eine populäre Variante des Hindi/Urdu und wird weitgehend im Norden Indiens gesprochen, ist aber gemäß Zensus aus dem Jahr 2001 keine offizielle Sprache (CIA Factbook 12.12.2016). Die nationale Volkszählung kategorisiert die Bevölkerung anhand der gesprochenen Sprachen, aber nicht nach rassischen oder ethnischen Gruppen (USDOS 13.4.2016).

 

Vor allem in Indiens abgelegenen Nordosten gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Stämme und Ethnien. Ihr Verhältnis untereinander und gegenüber der Zentralregierung birgt großes

 

Konfliktpotential. Dieses beruht v.a. auf der Missachtung der großen ethnischen und kulturellen Vielfalt der dortigen Bevölkerungsgruppen, ihren Bestrebungen zur Wahrung ihrer kulturellen Identität sowie auf der wirtschaftlichen Vernachlässigung seitens der indischen Zentralregierung (AA 16.8.2016). Kinder aus vulnerablen Gemeinschaften sind Formen der Diskriminierung aufgrund ihrer Kasten- oder Religionszugehörigkeit sowie ihrer Ethnie ausgesetzt (HRW 27.1.2016).

 

Konfliktfördernd ist v.a. auch der als Bedrohung wahrgenommene, unkontrollierte Zustrom illegaler (muslimischer) Einwanderer, vor allem aus Bangladesch. Es gibt ca. 100 Rebellengruppen, deren Aktivitäten bis heute zehntausende Menschenleben gekostet haben. Aktionen von Polizei und Militär richten sich gegen diese militante Gewalt, nicht aber gegen bestimmte Ethnien (AA 16.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Bewegungsfreiheit

 

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.4.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 16.8.2016).

 

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 13.4.2016).

 

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes, an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Verzögerungen bei der Ausstellung eines Passes konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller - geboren in Jammu und Kaschmir -, darunter auch Kinder von Militäroffizieren Berichten zufolge zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 16.8.2016).

 

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan (AA 3.3.2014).

 

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern (AA 3.3.2014).

 

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 16.8.2016). Ob der Betreffende nach der Umsiedlung dort die Möglichkeit hat, sich ein wirtschaftliches Auskommen zu verschaffen, hängt ausschließlich von seiner Eigeninitiative ab (AA 3.3.2014).

 

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Meldewesen

 

Es gibt kein Meldewesen in Indien (AA 16.8.2016).

 

Quellen:

 

 

Grundversorgung/Wirtschaft

 

Indiens Wirtschaft hat sich zuletzt erholt und an Dynamik gewonnen. Indien zählt nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt. Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2015/2016 bei 7,6% (AA 9 .2016).

 

Das Land hat eine aufstrebende urbane Mittelschicht. Die große Zahl an Facharbeitskräften macht es zu einem beliebten Ziel für internationale Firmen, die versuchen ihre Arbeit auszulagern. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung ist weiterhin arm, da deren Leben auch weiterhin durch das altertümliche Hindukastensystem beeinflusst wird, welches jeder Person einen Platz in der sozialen Hierarchie zuweist (BBC 27.9.2016)

 

Das hohe Wachstum der Jahre bis 2011 hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Lande, wo noch knapp 70% aller Inder leben, schärfer hervortreten lassen. Ende September 2014 verkündete Premierminister Modi die "Make in India" Kampagne und rief ausländische Investoren dazu auf, in Indien bei verbesserten Investitionsbedingungen zu produzieren. Zur Ankurbelung der weiteren Industrialisierung werden groß angelegte Infrastrukturprojekte verfolgt. Auch im Bereich Schiene, den Häfen und im Luftverkehr sind erhebliche Investitionen nötig und geplant. Wachstum und Wohlstand verdankt Indien vor allem dem Dienstleistungssektor mit einem Anteil von über 53% am BIP. Hiervon profitiert aber bei einem Beschäftigungsanteil von etwa 30% nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Zur Überwindung der Massenarmut sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, vor allem auch für nicht oder gering qualifizierte Kräfte (AA 9 .2016).

 

Indien hat eine Erwerbsbevölkerung von 404,5 Millionen, von welchen 43 Millionen im formellen Sektor und 361 Millionen im informellen Sektor arbeiten, wo sie weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert sind, noch Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung haben (AA 9 .2016). Der Hauptteil der Menschen, die im informellen Sektor arbeiten, sind im privaten Sektor tätig (BAMF 12.2015). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 17,4% (2015/16) der Gesamtwirtschaft, obgleich rund 50% der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 9 .2016).

 

Die Regierung hat überall im Land mehr als 900 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle im Regierungssekte frei ist. Das MGNREGA Gesetz (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act) ist ein Arbeitsgarantieprogramm. Erwachsenen eines ländlichen Haushalts, welche gewillt sind Handwerksarbeit zum Mindestlohn zu verrichten, wird hierdurch eine gesetzliche Jobgarantie für 100 Tage im Jahr gewährt. Das Kommissariat oder Direktorat der Industrie (The Commissionerates or Directorates of Industries) bieten Hilfe bei der Geschäftsgründung in den verschiedenen Staaten. Einige Regierungen bieten Arbeitslosenhilfe für Personen, die bereits mehr als drei Jahre bei der Stellenbörse registriert sind (BAMF 12.2015)

 

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 1.313 Euro. Etwa 30% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 USD pro Kopf und Tag. Rund 70% haben weniger als 2 USD pro Tag zur Verfügung. Auf dem Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme - UNDP) steht Indien auf Platz 135 unter 187 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 9 .2016).

 

In Indien haben derzeit von 400 Millionen Arbeitskräften nur etwa 35 Millionen Zugang zum offiziellen Sozialen Sicherungssystem in Form einer Altersrentenabsicherung. Dies schließt Arbeiter des privaten Sektors, Beamte, Militärpersonal und Arbeitnehmer von Unternehmen des staatlich öffentlichen Sektors ein (BAMF 8.2014). Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 12.2015).

 

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 12.2015).

 

Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 16.8.2016).

 

Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar ID Nummer ausgestellt. Obwohl diese nicht verpflichtend ist, gaben Beamte an, dass der Nichtbesitz den Zugang zur Staatshilfe limitieren werden könnte (FH 3.10.2013). Die unverwechselbare Identitätsnummer ermöglicht es beispielsweise, dass staatliche Zuschüsse direkt an den Verbraucher übermittelt werden. Anstatt diese auf ein Bankkonto zu senden, wird sie an die unverwechselbare Identitätsnummer überwiesen, die mit der Bank verbunden ist und geht so an das entsprechende Bankkonto. 750 Millionen Inder haben derzeit eine derartige Identitätsnummer, ca. 130 Millionen haben diese auch mit ihrem Bankkonto verknüpft (International Business Times, 2.2.2015).

 

Die Identifizierungsbehörde Indiens wurde eingerichtet, um die rechtliche und technische Infrastruktur zu schaffen, die notwendig ist, um allen indischen Einwohnern eine 12-stellige Identitätsnummer (UID) auszustellen, die online überprüft werden können. Dieses Projekt soll gefälschte und doppelte Identitäten ausschließen. Das neue Identitätssystem wird mit Fotos, demographischen und biometrischen Details (Fingerabdrücke und IrisBild) verbunden. Der Erwerb einer UID ist freiwillig und kostenlos. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung, sich registrieren zu lassen (UK Home Office 2.2015).

 

Da die im Rahmen des UID bzw. Aadhaar Projektes gesammelten Daten nicht in das nationale Bevölkerungsregister (NPR) integriert werden, stellt dieses jedoch nur eine bloße Auflistung von Namen und demographischen Details dar. Bisher wurden 1,04 Milliarden Aadhaar Nummern generiert, mit dem Plan der vollständigen Erfassung der Bevölkerung bis März 2017. Die zuständige Behörde für die einheitliche Identifikationsnummer weigert sich, die gesammelten Daten an das für das Bevölkerungsregister zuständige Innenministerium weiterzuleiten, da sie aufgrund des im Juli 2016 verabschiedeten Gesetzes von einem Datenaustausch ausgeschlossen ist (HT 8.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Medizinische Versorgung

 

Die Struktur von Indiens Gesundheitssystems ist vielseitig. Nach der indischen Verfassung haben die verschiedenen Staaten die Leitung über die meisten Aspekte des Gesundheitswesens, inklusive öffentlicher Gesundheit und Krankenhäuser. Rund 80% der Finanzierung des öffentlichen Gesundheitswesens kommt von den Staaten (BAMF 12.2015).

 

Die gesundheitliche Grundversorgung wird vom Staat kostenfrei gewährt. Sie ist aber durchweg unzureichend (AA 16.8.2016) und schließt keine kostenfreie Gesundheitsversorgung für die gesamte Bevölkerung ein (BAMF 8.2014). Staatliche Krankenhäuser bieten Gesundheitsversorgung kostenfrei oder zu sehr geringen Kosten (BAMF 12.2015).

 

Staatliche Gesundheitszentren bilden die Basis des öffentlichen Gesundheitswesens. Dies sind meist Ein-Mann-Kliniken, die auch kleine Operationen anbieten. Diese Zentren sind grundsätzlich in der Nähe aller Dörfer zu finden. Insgesamt gibt es mehr als 23.000 solcher Kliniken in Indien. Gemeindegesundheitszentren (Community Health Centres) sind als Basis des Gesundheitswesens in städtischen Gegenden verfügbar. Taluk Krankenhäuser werden von der Regierung und dem zuständigen Taluk [Anmerkung: Verwaltungseinheit] betrieben Bezirkskrankenhäuser (District level hospitals) und spezialisierte Kliniken sind für alle möglichen Gesundheitsfragen ausgestattet (BAMF 12.2015).

 

Der private Sektor hat ebenfalls eine wesentliche Rolle bei der Gesundheitsversorgung. (BAMF 12.2015) und da der Andrang auf Leistungen des staatlichen Sektors sehr stark ist, weichen viele für eine bessere oder schnellere Behandlung auf private Anbieter aus. Die privaten Gesundheitsträger genießen wegen der fortschrittlicheren Infrastruktur und des qualifizierteren Personals einen besseren Ruf. In allen größeren Städten gibt es medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Behandlungen durchgeführt werden können. Dies gilt mit den genannten Einschränkungen auch für den öffentlichen Bereich (AA 16.8.2016). Einige wenige private Krankenhäuser in den größten Städten gewährleisten einen Standard, der dem westlicher Industriestaaten vergleichbar ist. Im wirtschaftlich starken Punjab und in New Delhi ist die Gesundheitsversorgung im Verhältnis zu anderen Landesteilen gut (AA 16.8.2016). Private Gesundheitsversorgung ist vergleichbar teuer und den Großteil der Kosten zahlen die Patienten und deren Familien selbst. Für den Zugang zu den Leistungen ist grundsätzlich ein gültiger Personenausweis nötig (Adhaar card, Voter ID, PAN, driving license) (BAMF 12.2015).

 

Mehrere Versicherungsgesellschaften bieten eine Krankenversicherung an, die bestimmte medizinische Kosten abdeckt, unter anderen auch stationären Krankenhausaufenthalt. Die Abdeckung variiert je nach Versicherungspolizze (BAMF 8.2014). Die staatliche Krankenversicherung (Universal Health Insurance Scheme) erfasst nur indische Staatsbürger unterhalb der Armutsgrenze. Für den Rest der Bevölkerung ist eine beitragspflichtige Krankenversicherung durch verschiedene private und staatliche Firmen zu unterschiedlichen Konditionen gegeben. Bekannte Versicherer sind General Insurance, Bharti AAA, HDFC ERGO, Bajaj, Religare, Apollo Munich, New India Assurance, Max Bupa etc. Zudem gibt es viele wohltätige Institutionen, die bezahlbare Behandlungen anbieten (BAMF 12.2015).

 

In Indien sind fast alle gängigen Medikamente auf dem Markt erhältlich (AA 16.8.2016). Medikamentenläden sind in Indien zahlreich und auch in entlegenen Städten vorhanden. (BAMF 12.2015). Die Einfuhr von Medikamenten aus dem Ausland ist möglich. Indien ist der weltweit größte Hersteller von Generika und Medikamente kosten einen Bruchteil der Preise in Europa (AA 16.8.2016). Die Kosten für die notwendigsten Medikamente staatlich kontrolliert, sodass diese weitreichend erhältlich sind (BAMF 12.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Rückkehr

 

Allein die Tatsache, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung. In den letzten Jahren hatten indische Asylbewerber, die in ihr Heimatland abgeschoben wurden, grundsätzlich - abgesehen von einer intensiven Prüfung der (Ersatz-) Reisedokumente und einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden - keine Probleme. Polizeilich gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (AA 16.8.2016). Die indische Regierung hat kein Reintegrationsprogramm und bietet auch sonst keine finanzielle oder administrative Unterstützung für Rückkehrer (BAMF 12.2015).

 

Quellen:

 

 

 

Dokumente

 

Echtheit der Dokumente

 

Der Zugang zu gefälschten Dokumenten oder echten Dokumenten falschen Inhalts ist leicht. Gegen entsprechende Zahlungen sind viele Dokumente zu erhalten. Erleichtert wird der Zugang überdies durch die Möglichkeit, Namen ohne größeren Aufwand zu ändern. Angesichts der Unzuverlässigkeit des Urkundenwesens werden indische öffentliche Urkunden seit dem Jahr 2000 von den deutschen Auslandsvertretungen nicht mehr legalisiert (AA 16.8.2016).

 

Echte Dokumente unwahren Inhalts

 

Echte Dokumente unwahren Inhalts sind problemlos (gegen entsprechende Zahlungen oder als Gefälligkeit) erhältlich. Bei Personenstandsurkunden handelt es sich dabei um echte Urkunden falschen Inhalts, bei Gerichtsentscheidungen (z.B. Scheidung, Sorge) um echte Urteile, die jedoch aufgrund erfundener Sachverhalte und ohne Einhaltung grundlegender Verfahrenserfordernisse (rechtliches Gehör, Interessenabwägung, Begründung) ergehen (AA 16.8.2016).

 

Zugang zu gefälschten Dokumenten

 

Der deutschen Botschaft New Delhi werden im Rahmen laufender Asylverfahren nur sehr selten Unterlagen zur Überprüfung vorgelegt. In der Vergangenheit haben sich Dokumente im Zusammenhang mit Strafsachen und Fahndung sowie dazugehörige Eidesstattliche Versicherungen (affidavits) auch als falsch oder gefälscht herausgestellt. Die Überprüfung der Echtheit von Haftbefehlen gestaltet sich schwierig. Vorgelegte Dokumente ("Warrant of Arrest", "First Investigation Report", Bestätigungsschreiben von Rechtsanwälten, "Affidavits" von Dorfvorstehern oder Angehörigen) stellen sich bei Überprüfung häufig als gefälscht heraus. Überprüfungen im Asylverfahren ergeben häufig, dass weder der Sachvortrag noch die Identität des Betreffenden bestätigt werden kann (AA 16.8.2016).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien"

 

Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft sei und daher nicht davon auszugehen sein, dass dieser in seinem Heimatland Verfolgung zu befürchten habe.

 

Aus der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergebe sich für den Beschwerdeführer ebenfalls keine Gefährdung. Er sei ein gesunder, erwerbsfähiger und arbeitswilliger Mann, der in Indien aufgewachsen sei und dort über soziale Anknüpfungspunkte verfüge. Er verfüge über Schulbildung und wäre es ihm im Falle einer Rückkehr möglich, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Abgesehen davon habe er die Möglichkeit, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen oder sich im Falle von Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden. Er sei mit den örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten inXXXX bestens vertraut. Es bestehe im Falle des Beschwerdeführers kein Hinweis auf das Vorliegen "außergewöhnlicher Umstände", die eine Abschiebung im Sinne von Art 3 EMRK und § 50 FPG unzulässig machen könnten.

 

Was das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich betreffe, so sei insbesondere festzuhalten, dass er im Bundesgebiet keine Familienangehörigen habe und auch sonst keine Abhängigkeiten zu zum Aufenthalt berechtigten Personen vorlägen.

 

Der Beschwerdeführer sei erst seit Oktober 2015 im österreichischen Bundesgebiet aufhältig und habe den wesentlich längeren und prägenderen Teil seines Lebens in Indien verbracht. Er sei illegal eingereist und habe sein Aufenthaltsrecht stets nur auf dem Asylrecht basiert. Der Beschwerdeführer habe bislang auch keine nennenswerten Sprachkenntnisse erworben. Insbesondere aufgrund des noch kurzen Aufenthaltes im Bundesgebiet sei davon auszugehen, dass seine sozialen, familiären und wirtschaftlichen Bindungen im Herkunftsland wesentlich intensiver ausgeprägt seien als in Österreich.

 

Eine Abschiebung nach Indien sei zulässig und sei die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festzusetzen gewesen.

 

4. Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 24.1.2018, mit welcher der Bescheid zur Gänze angefochten wurde.

 

Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass der Beschwerdeführer in logischer Art ein Bedrohungsszenario vorgebracht habe, das jedenfalls einer genaueren Überprüfung bedurft hätte. Eine Pauschalbegründung, das Vorbringen sei unglaubwürdig und von Vornherein nicht asylrelevant, sei keinesfalls ausreichend. Die generellen Länderfeststellungen hätten keinen besonderen Bezug zur Situation und zum Vorbringen des Beschwerdeführers und seien offenbar nur wahllos zusammengestellt worden. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde erweise sich als unbrauchbar und ergebe sich aus der Befragung und dem diesbezüglichen Protokoll die Authentizität des Vorbringens.

 

Die belangte Behörde habe sich weder mit der persönlichen Situation, noch mit den Bindungen des Beschwerdeführers zu Österreich auseinandergesetzt. Der Beschwerdeführer sei ein arbeitsamer, freundlicher und integrationswilliger Mensch, der bereits über ein A1-Deutschzertifikat verfüge. Er arbeite als Zeitungszusteller und seien keinerlei negativen Faktoren ersichtlich. Die Interessenabwägung im Sinne des Art 8 EMRK hätte somit zugunsten des Beschwerdeführers ausgehen können.

 

5. Die Beschwerdevorlage an das Bundesverwaltungsgericht erfolgte am 2.2.2018.

 

6. Am 16.4.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung zur Ermittlung des entscheidungsmaßgeblichen Sachverhaltes statt, an welcher der Beschwerdeführer, der Beschwerdeführervertreter sowie ein Dolmetscher für die Sprache Punjabi teilnahmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl war ordnungsgemäß geladen worden, hatte jedoch bereits zuvor schriftlich mitgeteilt, auf eine Verhandlungsteilnahme zu verzichten.

 

Die gegenständlich relevanten Teile der Verhandlung gestalteten sich wie folgt:

 

"(...)

 

Der RI befragt die anwesende Partei, ob diese psychisch und physisch in der Lage ist, der heute stattfindenden mündlichen Verhandlung zu folgen bzw. ob irgendwelche Hindernisgründe vorliegen.

 

BF: Ich bin gesund. Ich bin ein bisschen verkühlt und nehme Medikamente dagegen.

 

...

 

RI: Wollen Sie eingangs Anträge stellen oder Ausführungen treffen oder Beweismittelvorlagen tätigen?

 

BFV: Nein.

 

BF: Nein. Ich habe nur das mit, was ich immer in der Post gehabt habe.

 

Eröffnung des Beweisverfahrens gemäß § 25 Abs 6 VwGVG

 

RI: Können Sie sich an Ihre im derzeitigen Verfahren getätigten Angaben (Erstbefragung am 09.10.2015, Einvernahme vor dem BFA am 02.01.2018), erinnern?

 

BF: Ja. Ich kann mich erinnern.

 

RI: Haben Sie bisher im Verfahren immer die Wahrheit angegeben oder wollen Sie irgendetwas korrigieren?

 

BF: Ich habe immer wahrheitsgemäß geantwortet. Ich habe nichts zu korrigieren oder zu ergänzen.

 

RI: War bei Ihren Befragungen alles in Ordnung, haben Sie den Referenten bzw. Dolmetscher stets verstanden und konnten Sie alles frei erzählen oder gab es irgendwelche Probleme?

 

BF: Ja. Ich habe alles im Detail erzählt. Probleme gab es keine.

 

Zur Identität und zum Leben in Österreich:

 

RI: Ihre Identität stimmt so wie im Verfahren ersichtlich!?

 

BF: Ja. Ich bin Sikh und meine Kaste ist Schinbe; so bezeichnen wir uns untereinander, so wie man von der Kaste Jat spricht. Schriftlich nennt man uns aber RAKHRA. Auf Nachfrage: Mehr über Schinbe kann ich eigentlich nicht sagen.

 

RI: Wenn im Akt Punjabi als Volksgruppe protokolliert worden ist:

Ist das ein Missverständnis oder ist das auch zutreffend?

 

BF: Punjabi bin ich wegen der Sprache.

 

RI: Welche Personaldokumente hatten Sie in Indien?

 

BF: Zum Beispiel hatte ich Schulzeugnisse, einen Schulausweis. Eine Geburtsurkunde. Ich hatte auch einen Reisepass.

 

RI: Sie sind jetzt seit Jahren in Österreich. Haben Sie nie daran gedacht, sich eines dieser Dokumente in Kopie nachsenden zu lassen oder haben Sie heute eines dieser Dokumente mit?

 

BF: Ich habe das nicht gewusst, dass ich in Österreich Dokumente brauchen werde. Zusätzlich weiß ich auch gar nicht, ob meine Familie alle diese Dokumente parat hätte.

 

RI: Wann haben Sie sich in Indien einen Reisepass ausstellen lassen?

 

BF: Genau weiß ich es nicht. Entweder 2009 oder 2010. Ich habe nicht selbst einen Antrag gestellt. Ich habe mit Hilfe meiner Familienangehörigen einen Antrag gestellt. Das war einfach so. Die Familie wollte, dass ich so ein Dokument habe.

 

RI: Wann ist der Reisepass abgelaufen? Gilt er noch? Wo ist der Reisepass?

 

BF: Das weiß ich nicht, wann der Reisepass abgelaufen ist. Der Schlepper hat ihn mitgenommen, als ich hierhergekommen bin. Nein, er hat ihn mir schon in Russland abgenommen.

 

RI: Den 2010 ausgestellten Reisepass?

 

BF: Ja.

 

RI: Es ist völlig unglaubwürdig, dass Sie Ihren eigenen Reisepass betreffend nicht einmal wissen, wann er abgelaufen ist. Sind Sie sicher, dass Sie die Wahrheit erzählen?

 

BF: Das war alles neu. Damals habe ich das nicht gewusst.

 

RI: Was haben Sie nicht gewusst? Das betraf ja Ihren eigenen Reisepass, den Sie jahrelang in Ihrem Besitz hatten!? BF: Das Dokument habe ich schon gesehen, ich kann mich nicht mehr erinnern, wann es ausgestellt und wann es abgelaufen ist. Normalerweise braucht man den Reisepass nicht so oft.

 

RI: Haben Sie vor 2015 Indien schon einmal verlassen, war das Ihre erste Auslandsreise, die Sie über Moskau nach Österreich geführt hat?

 

BF: In Indien bin ich genug herumgereist. Außerhalb von Indien war das meine erste Reise.

 

RI: Ist es richtig, dass Sie am XXXX mit dem Flugzeug von Neu Delhi nach Moskau geflogen sind und sind die weiteren Angaben über Ihren Fluchtweg, die ich Ihnen jetzt aus dem Akt vorlese (AS 11 und AS 12 des Verwaltungsaktes) richtig und vollständig?

 

BF: Ja. Das ist richtig.

 

RI: Sie bleiben dabei, dass Sie keinerlei Wahrnehmungen gemacht haben, über welche Länder Sie von Moskau nach Österreich gereist sind. Das ist wenig überzeugend!?

 

BF: Ich war drinnen auf der Ladefläche des LKW, wo viel Holz herumgelegen ist. Ich konnte nicht wissen, durch welche Länder wir gebracht wurden.

 

RI: Wie lief die Passkontrolle am Flughafen Moskau ab? Sie müssen ein russisches Visum gehabt haben und es ist anzunehmen, dass Sie von den russischen Grenzbeamten genau kontrolliert wurden!?

 

BF: Der Schlepper ist mit mir gewesen. Er hat gesagt, ich soll den Reisepass vorlegen, diesen habe ich vorgelegt. Es ist genau geschaut worden.

 

RI: Sie hatten da auch nicht in den Pass geschaut, um zu wissen, ob Sie ein russisches Einreisevisum hatten?

 

BF: Ja. Im Reisepass ist irgendein Stempel gewesen, das hat man vorgelegt. Sonst weiß ich es nicht.

 

RI: Verlief die Ausreise in Neu Delhi auch völlig problemlos?

 

BF: Keine Probleme.

 

RI: Hatten Sie mit dem Schlepper explizit Österreich als Ziel ausgemacht?

 

BF: Nein. Er hat mir den Reisepass im Flughafen Delhi abgenommen. Im Flugzeug hat er mir wieder den Reisepass zurückgegeben.

 

RI wiederholt die Frage.

 

BF: Nur, dass ich aus Indien herauskomme. Österreich habe ich erst gehört, als ich in Österreich angekommen bin.

 

RI: Wie viel haben Sie dem Schlepper bezahlt?

 

BF: Das habe ich nicht bezahlt. Es hat mein Onkel eine unbekannte Summe bezahlt. Das könnte nur mein Onkel wissen oder meine Familie. Ich weiß es nicht.

 

RI: Sie hätten auch in Russland bleiben können, wenn Sie wirklich nur vereinbart hätten, aus Indien herauszukommen!?

 

BF: Er hat mir gesagt, dass er mich weiter weg von Russland bringen wird, aber es war nicht ausgemacht, wohin genau.

 

RI: Als Sie in Österreich ankamen, kannten Sie irgendjemanden hier?

 

BF: Nein, niemanden.

 

RI: Haben Sie jetzt in Österreich irgendwelche Familienangehörige, haben Sie eine Lebensgemeinschaft oder Kinder?

 

BF: Nein.

 

RI: Haben Sie vielleicht enge Freunde gewonnen in Ihrer Zeit in Österreich?

 

BF: Nicht enge Freunde. Ich habe schon Freunde. Ich habe auch Inder als Freunde und Menschen aus anderen Ländern.

 

RI: Ist es zutreffend, wie in der Beschwerdevorschrift vorgetragen, dass Sie als Zeitungszusteller arbeiten und so auf bescheidenem Niveau leben können?

 

BF: Ja. Das ist ganz richtig. Ich habe keinen Vertrag mit der XXXX, aber ich arbeite für diese. Die Firma heißt XXXX.

 

RI: Der Aktenlage nach haben Sie den A1-Kurs absolviert. Besuchen Sie aktuell weitere Kurse?

 

BF: Aktuell besuche ich keinen Kurs. Ich lerne Deutsch über Youtube, online über Internet.

 

RI: Verstehen Sie mich, oder den Dolmetscher, wenn wir Deutsch sprechen heute?

 

BF: Ja. Genug.

 

RI: Können Sie sich auch selbst mündlich auf Deutsch verständigen? Wenn ja, wie gut?

 

BF: Einige Wörter, was Sie sprechen, kann ich nicht verstehen.

 

RI wiederholt die Frage.

 

BF: Ich kann es probieren.

 

RI: Erzählen Sie, was Sie heute in der Früh, am Vormittag, gemacht haben, bis Sie hierhergekommen sind.

 

BF: Ich kann Ihnen das auf Punjabi erklären.

 

RI: Was können Sie auf Deutsch erzählen?

 

BF: Ich bin Arbeiter und ich stelle die Zeitung zu. Ich bin mit meiner Arbeit um 04:00 Uhr fertig. Dann bin ich zu Hause. Dann koche ich und esse. Dann surfe ich im Internet. Dann gehe ich schlafen. (auf Deutsch).

 

RI: Sie befinden sich nach der Aktenlage in Österreich in der Grundversorgung der Stadt Wien. Sie bekommen von der GVS Wien finanzielle Unterstützung. Weiß die Grundversorgung des Landes Wien, dass Sie nebenbei für die XXXXarbeiten, ist das bekannt?

 

BF: Ich habe seit kurzem angefangen, die Zeitungen zuzustellen. Ich verdiene auch nicht so viel Geld.

 

RI wiederholt die Frage.

 

BF: Ich habe denen gesagt, dass ich hier den ganzen Tag frei bin. Ich fühle mich wie ein toter Mensch. Bis zu 400 Euro kann ich nebenbei verdienen, haben sie gesagt. Ich verdiene ca. 200 Euro bis 270 Euro.

 

RI: Haben Sie sich sonst in Österreich schon integrieren können? Gehen Sie Freizeitaktivitäten nach (Sport, religiöser Natur)? Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

 

BF: Sie wissen, dass ich aus Indien komme. Meine Religion ist Sikh. Ich gehe in Wien 22 in den Sikh-Tempel. Seit Geburt an spiele ich Kabadi. Das ist international anerkannt. Das ist eine punjabische Sportart. In Österreich spiele ich das nicht. Ich gehe sonst in meiner Freizeit spazieren. Ich gehe zu keinen sonstigen speziellen Veranstaltungen, wo ich teilnehmen kann. Die CARITAS hat mir nahegelegt, dass ich freiwillig an Aktivitäten teilnehmen soll.

 

RI: Hatten Sie, seit Sie in Österreich sind, jemals Probleme mit Verwaltungsbehörden oder mit den Strafgerichten? War alles OK?

 

BF: Es war alles in Ordnung.

 

RI: Zu welchen Familienangehörigen in Indien haben Sie aktuell Kontakt?

 

BF: Mein Vater, meine Mutter, eine Schwester, sonst niemand von der Familie. Über meinen Vater weiß ich nichts, ob er in Indien verschwunden ist, wegen seiner damaligen Probleme.

 

RI wiederholt die Frage.

 

BF: Nein. Ich habe keinen Kontakt zurzeit.

 

RI: Wann hatten Sie das letzte Mal zu einem Familienangehörigen Kontakt? Schildern Sie das genau.

 

BF: Mit meiner Mutter hatte ich das letzte Mal Kontakt.

 

RI: Wann ungefähr?

 

BF: Als ich hierhergekommen bin, hatte ich einen Asylantrag gestellt.

 

RI wiederholt die Frage.

 

BF: Ich weiß kein genaues Datum. Einmal habe ich bei meiner Asylantragstellung mit meiner Mutter 2015 telefoniert.

 

RI: Wo war Ihre Mutter, als Sie 2015 mit ihr telefoniert haben?

 

BF: Zu Hause bei uns. Ich habe nur gesagt, wo ich bin, dass ich hier gut angekommen bin. Meine Mutter fragte, ob ich gesundheitliche Probleme habe. Ich sagte, dass alles OK ist.

 

RI: Warum haben Sie seit 2015 keinen unmittelbaren Kontakt mehr? Das erscheint nicht unmittelbar einsichtig!?

 

BF: Mit meinen Freunden schon, nicht mit meiner Mutter. Meine Freunde sagen, wie es meiner Mutter geht. Direkt habe ich keinen Kontakt.

 

RI: Ist es so schwierig, Ihre Mutter zu erreichen?

 

BF: Ich will nur wissen, ob es der Mutter gut geht. Mit der Schwester habe ich keinen Kontakt.

 

RI: Das erscheint eher unglaubwürdig. Wenn die Möglichkeit eines Kontaktes besteht, hat man mit der eigenen Mutter keinen Kontakt über Jahre

 

BF: Ich glaube, dass sie damit Probleme bekämen. Ich möchte deshalb keinen aufrechten Kontakt.

 

RI: Wie schaut es mit Ihren Freunden aus? Wann hatten Sie genau den letzten Kontakt zu wem?

 

BF: Über Soziale Medien habe ich Kontakt zu meinen Freunden.

 

RI: Was sind das für Freunde, wo wohnen diese, was machen diese?

 

BF: Das sind die Leute, die aus meinem Dorf sind und meine Schulkameraden oder die Leute, mit denen ich so über Facebook in Kontakt gekommen bin.

 

RI: Worüber sprechen Sie mit ihnen in den sozialen Medien?

 

BF: Was machst du, ob alles OK ist!? Nur allgemeine Sachen.

 

RI: Fragen Sie nicht, wie es in Ihrem Heimatdorf zugeht?

 

BF: Ja. Ich frage auch. Ich sage, welche Zustände hier herrschen und wie die Situation hier ist.

 

RI: Was haben Sie zuletzt aus dem Heimatdorf erfahren?

 

BF: Seit ich weggegangen bin, ist alles OK. Meine Mutter hat auch keine Probleme. Ihr geht es auch gut.

 

RI: Haben Sie auch versucht, etwas über den Vater herauszubekommen?

 

BF: Der Vater hat uns verlassen, ich rede nicht viel über ihn. Die Freunde haben mir erklärt, dass die Polizei der Mutter zweimal bis dreimal Probleme gemacht hat. Ich meine, dass die Arbeiter gekommen waren von XXXX.

 

Auf Nachfrage: Das war nach meiner eigenen Ausreise.

 

RI: Ich fragte, ob Sie wissen, wo aktuell Ihr Vater ist.

 

BF: Nein, über den Vater habe ich nichts erfahren. Er war verschwunden, bevor ich Indien verlassen habe. Meine Schwester wohnt zusammen mit der Mutter.

 

RI: Ist es richtig, dass Sie, am 02.01.2018 sagten, dass Sie zu Ihrer Familie ein gutes Verhältnis hatten, obwohl Sie, wie jetzt geschildert, aktuell zu ihnen keinen Kontakt haben?

 

BF: Ja. Ich habe über meine Freunde erfahren, dass es meiner Familie gut geht.

 

RI wiederholt die Frage.

 

BF: Ich kann mit ihnen jetzt nicht sprechen. Sonst sind unsere Beziehungen ganz normal. Ich habe noch andere Verwandte in Indien.

 

RI: Wo? Wen?

 

BF: In XXXX und XXXX habe ich Verwandte, ich bin bei ihnen oft gewesen, auch in XXXX.

 

RI: Was haben diese für Jobs?

 

BF: Das weiß ich nicht. Sie sind, glaube ich, in der Landwirtschaft.

 

RI: Sie glauben, sie sind in der Landwirtschaft, obwohl Sie oft bei Ihnen waren?

 

BF: Ich weiß, dass sie in der Landwirtschaft sind.

 

RI: Der Aktenlage haben Sie von 1999 bis 2013 die Schule besucht und abgeschlossen, was haben Sie nach dem Schulabschluss beruflich gemacht, bis zu den Problemen?

 

BF: Ich habe ein Studium angefangen (B.Tech.).

 

RI: An welcher Universität, wo?

 

BF: XXXX in XXXX.

 

RI: Das Studium konnten Sie nicht abschließen wegen Ihrer Probleme?

 

BF: B. Tech. habe ich nicht fertig gemacht. Ich habe aber eine Art Diplom gemacht.

 

RI: Warum sind Sie nicht fertig geworden, hatte das mit Ihren Problemen zu tun?

 

BF: Ich hatte Probleme. Ich musste dieses Studium weglassen. Ich habe drei Jahre eine Art technische Schule besucht.

 

RI: Wann ist Ihr Vater verschwunden, wie Sie gesagt haben, wann hat er die Familie verlassen?

 

BF: Drei Jahre, bevor ich Indien verlassen habe. Ca. 2012/2011. Ich glaube, es war Ende 2011 gewesen.

 

RI: Ihr Vater ist einfach verschwunden, er war einfach weg von einem Tag auf den anderen?

 

BF: Er hatte viele Probleme und Streitereien.

 

RI: Hat er eine Nachricht hinterlassen?

 

BF: Er hat gemeint, dass man die Probleme nur lösen kann, wenn er von zu Hause weggeht. Er hat gesagt, er möchte nicht sterben und nichts Falsches in die Wege leiten.

 

RI wiederholt die Frage.

 

BF: Das war nicht so plötzlich, dass er sagte, dass er weggeht. Er war viel in Depression. Er hat das mit meiner Mutter und nicht mit mir besprochen.

 

RI: Seit 2012 haben Sie von Ihrem Vater nie mehr etwas gehört?

 

BF: Nein, gar nichts, auch nicht von der Mutter.

 

RI: Haben Sie irgendeine Vermutung, wo er hin ist, ist er noch in Indien?

 

BF: Es ist normal dort in der Gegend, dass man alles zurücklässt.

 

RI: Ihr Vater hatte diese Probleme. Dann geht er weg und lässt Sie als seinen Sohn mit den ganzen Problemen zurück. Das wirkt demnach ungewöhnlich. Daher frage ich Sie.

 

BF: Er ist in Depressionen gewesen.

 

RI: Hat eigentlich die Polizei nach ihm gesucht?

 

BF: Niemand von uns hat das bei der Polizei angezeigt. Wenn man in Indien wegen Problemen einen Ort verlässt, werden diese nicht gelöst.

 

Zu den Fluchtgründen:

 

RI: Ich lese Ihnen zunächst Ihre Angaben dazu vom 02.01. vor (AS 57 bis AS 58 des Voraktes). Die Verwaltungsbehörde meinte, dass nichts davon stimmt. Deswegen müssen wir darüber reden. Bitte gehen Sie auf die Fragen genau ein, die ich Ihnen stellen werde.

 

BF: Korrigieren möchte ich, dass meine Hände nicht gebrochen, sondern nur verletzt wurden.

 

RI: Das war im Wesentlichen Ihr Fluchtgrund. Trifft das zu?

 

BF: Was soll ich dazu sagen? Meine Angaben stimmen.

 

RI: Wie heißt dieser Mann, Ihr Feind?

 

BF: XXXX.

 

RI: Er wohnt aktuell in Ihrem Dorf?

 

BF: Nein, in XXXX.

 

RI: Er ist bei welcher Partei?

 

BF: Congress-Partei.

 

RI: Was in Ihrem ganzen Vorbringen nie klar geworden ist, ist, wie dieser Grundstücksstreit genau entstanden ist und was XXXX damit genau zu tun hat. Wissen Sie davon nichts, weil diese Sache von Ihrem Vater herkommt?

 

BF: Das weiß ich nicht. Der Konflikt ist ein sehr alter Konflikt gewesen. Dieses Grundstück ist sehr teuer. Was er mit diesem Grundstück vorhat, kann ich nicht sagen. Er wollte auch das Grundstück von uns kaufen, das hat er vorher probiert. Das habe ich früher nicht gewusst. Das weiß genauer mein Vater, dass er ein Grundstück kaufen wollte. Wir wollten das Grundstück nicht verkaufen.

 

RI: Ist das Bauland, Landwirtschaft? Größe?

 

BF: Wir haben dort Landwirtschaft betrieben. Es ist sehr groß. 4 Killa ca.

 

RI: Wo ist das Grundstück?

 

BF: Außerhalb unseres Ortes.

 

RI: Wer ist im Grundbuch als Eigentümer dieses Grundstücks eingetragen?

 

BF: Das hat meinem Großvater gehört. Nach dem Tod des Großvaters gehörte es meinem Vater.

 

RI: Aktuell noch immer dem Vater, obwohl er seit Jahren nicht mehr greifbar ist?

 

BF: Nach meinem Vater, wenn er nicht kommt, ist die Mutter da.

 

RI wiederholt die Frage.

 

BF: Im Namen meines Vaters. Meine Mutter betreibt und pflegt dieses Grundstück. Ich weiß nicht, ob meine Mutter schon eingetragen ist.

 

RI: XXXX will unbedingt das Grundstück. Deshalb verfolgt er jetzt Sie, weil der Vater weg ist?

 

BF: Ja. Das kann man sagen. Vielleicht hat er große Projekte.

 

RI: Ist es nicht seltsam, dass Sie überhaupt keine Idee haben, warum XXXX dieses normale landwirtschaftliche Grundstück haben will. Es ist ein jahrelanger Konflikt, er will Sie dafür verletzen, verfolgen und sogar töten. Es wäre doch nahe liegend, dass Sie eine Vorstellung haben, warum dieses Grundstück so begehrt ist!?

 

BF: Ja. Ich weiß es, dass er ein großes Projekt zu verwirklichen hat. In Indien habe ich zu ihm keine Verbindung gehabt, ich weiß gar nichts.

 

RI: Haben die Freunde dazu eine Idee, mit denen Sie kommunizieren?

 

BF: Er will eine Fabrik bauen, ein industrielles Projekt.

 

RI: Ich verstehe auch nicht ganz, Ihrem bisherigen Vorbringen nach, was XXXX damit bezweckt, dass er Sie verfolgt. Sie stehen, Ihrem bisherigen Vorbringen nach, nicht im Grundbuch. Ihre Mutter müsste Ihrem Vorbringen nach demnach eher behelligt werden? Ihre Mutter hat aber Ihrem Vorbringen nach keine Probleme.

 

BF: Weil erstmals es Gesetze und Regeln gibt: Bis zu meinem 18. Lebensjahr ist meine Mutter zuständig. Nachher wird es automatisch in meinem Namen eingetragen.

 

RI: Sie haben vorhin gesagt, Ihr Vater oder allenfalls Ihre Mutter sind eingetragen.

 

BF: Bis zum 18. Lebensjahr ist die Mutter zuständig.

 

RI: Für Sie? Sie sind ja jetzt älter als 18 Jahre!?

 

BF: Wir wollen das nicht verkaufen.

 

RI wiederholt die Frage.

 

RI: Ihrem bisherigen Vorbringen nach dürfen Sie über das Grundstück noch gar nicht verfügen, weil es Ihren Eltern gehört?

 

BF: Das ist eine Regel. Es ist automatisch jetzt auf meinen Namen.

 

RI: Jetzt ist es Ihr Grundstück, obwohl Sie im Ausland sind, gehört es jetzt Ihnen alleine?

 

BF: Ja. Genau. Als ich ein Kind gewesen bin, bis zum 18. Lebensjahr ist die Mutter zuständig für das Grundstück.

 

RI: Sie sind seit 2015 Asylwerber in Österreich. Unbeschadet dessen, ist das Grundstück, das XXXX unbedingt haben will, laut Grundbuch Ihr Grundstück. Ist das wirklich so?

 

BF: Ja, XXXX will mich töten.

 

RI: Wurde mit Ihrem 18. Lebensjahr das Grundstück formell auf Sie umgeschrieben?

 

BF: Ja. Das geht automatisch.

 

RI: Sie waren bei Gericht, als Sie 18 Jahre alt waren?

 

BF: Ja.

 

RI: Er will Sie töten, weil Sie nicht verkaufen, verstehe ich Sie richtig?

 

BF: Ohne Beratung mit meiner Familie kann ich das nicht verkaufen.

 

RI wiederholt die Frage.

 

BF: Ja. Genau. Wir wollen das Grundstück nicht verkaufen, deswegen will er mich töten.

 

RI: Was würde mit dem Grundstück geschehen, wenn Sie tot wären?

 

BF: Ich bin nicht verheiratet. Ich bin ledig. Es würde dann für soziale Zwecke von der Regierung einbehalten.

 

RI: Ihrem bisherigen Vorbringen nach hat Sie XXXX massiv verfolgt. Er hätte sogar mit Pistolen geschossen. In welchem Zeitraum haben die Verfolgungshandlungen gegen Sie begonnen?

 

BF: Viel Zeit.

 

RI: Wann hat es angefangen?

 

BF: Als ich in der 9. Klasse gewesen bin.

 

RI: Bis zu Ihrer Ausreise?

 

BF: Als ich und die Familie entschieden haben, dass ich das Land verlassen soll. Vorher bin ich in Indien in vielen anderen Plätzen gewesen.

 

RI: Wie konnten Sie sich das finanziell leisten, dass Sie sich öfters in Indien an anderen Plätzen niedergelassen haben, um vor XXXX sicher zu sein?

 

BF: Weil ich ein gebildeter Mensch bin. Ich kann arbeiten. Meine Familie hat mich auch unterstützt. Durch die Landwirtschaft hatten wir ein Einkommen.

 

RI: Wo waren Sie? Können Sie ein paar Orte nennen?

 

BF: Zum Beispiel im XXXX, XXXX. Ich habe auch in Delhi gewohnt.

 

RI: Sonst noch irgendwo?

 

BF: Ich bin in vielen Orten gewesen, in anderen Bundesstaaten bin ich gewesen.

 

RI: Wo genau?

 

BF: In Mumbai habe ich auch gewohnt. Rundherum sind viele Orte, wo man wohnen kann.

 

RI: Ob in Delhi oder Mumbai hat Sie dieser Mann oder seine Leute gefunden?

 

BF: Das ist sehr leicht.

 

RI: Wie?

 

BF: Ich muss meinen Ausweis vorlegen, wo immer ich wohne.

 

RI: Die Polizei hat ihn unterstützt Sie aufzufinden?

 

BF: Er hat die nötigen Verbindungen. So kann man sagen. Korruption - mit Geld kann man alles erledigen, was man braucht. Immer, wo ich wohnte, musste ich meinen Ausweis vorlegen und meine Identität vorlegen. Auch mein Bankkonto musste ich offen legen usw.

 

RI: Gibt es über diesen XXXX, über den Sie noch wenig Konkreteres gesagt haben, etwas Besonderes zu wissen? Ihrem Vorbringen nach muss er ja über eine besondere Machtposition verfügen!?

 

BF: Ich bin zum Beispiel zur Polizei gegangen. Als sie gehört haben, dass es um XXXX geht, haben sie plötzlich mich als Beschuldigter geführt. Die Polizei hat mich gefoltert. Damit wollte er seine Macht herzeigen. Das ist aber ganz normal in Indien. Das ist keine Übertreibung.

 

RI: War das nur das eine Mal, dass Sie die Polizei gefoltert hat? Kam das öfters vor?

 

BF: Ich bin nicht nur einmal zur Polizei gegangen. Ich bin auch auf einer höheren Stelle zur Polizei gegangen. Ich habe E-Mails geschickt und Vorsprachen mit denen arrangiert. Sie haben mich unter Druck gesetzt.

 

RI: Was haben Sie vorher gemeint, die Polizei hätte Sie gefoltert?

 

BF: Ich bin zur Polizei gegangen, um um Hilfe zu bitten. Sie haben mir nicht geholfen. Man kann auch psychisch foltern.

 

RI: Die Frage war: Wurden Sie physisch misshandelt? Führen Sie das bitte genauer aus - wenn zutreffend!?

 

BF: Ja. Die Polizei zeigt ihren Druck. Zum Beispiel habe ich gesehen, wie das System hier funktioniert. Das System hier und in Indien, da gibt es einen großen Unterschied. Wenn ich angegriffen worden bin, wenn ich anrufe, dass ich Hilfe brauche, kommt niemand. Es passiert nichts. Er ist so einflussreich und mächtig. Wenn wir hier anrufen, dann kommt jemand gleich.

 

RI: Zur Beschwerde bei der Oberbehörde: Das haben Sie auch schon vor der Verwaltungsbehörde gesagt: Was war das genau für eine Oberbehörde?

 

BF: Es gibt eine Polizei im Dorf.

 

RI: An welche Oberbehörde haben Sie sich konkret gewandt?

 

BF: Zum Beispiel XXXX und XXXX. Auch zur XXXX undXXXX. XXXX ist die höchste Behörde.

 

RI: An diese Behörden haben Sie sich alle gewandt, nicht nur einmal, sondern wiederholt?

 

BF: Ja.

 

RI: Das waren alles Behörden im Punjab?

 

BF: Ja. Auch unter Delhi.

 

RI: Über alle Ihre Kontakte zur Polizei und zu den Oberbehörden, da gab es nie ein schriftliches Dokument, das Sie in die Hand bekommen haben? Haben Sie nie eine schriftliche Bestätigung (zB wegen der Attacken mit Waffen) bekommen?

 

BF: Auf erster Ebene geht man zur örtlichen Polizei.

 

RI: Haben Sie niemals eine schriftliche Bestätigung erhalten, auch nicht bei der Oberbehörde?

 

BF: Die unterste Behörde ist die örtliche Behörde diesbezüglich.

 

RI: Sie hatten auch keine E-Mails erhalten?

 

BF: Damals habe ich in Indien über das Handy ein E-Mail geschrieben.

 

RI: Das konnten Sie nicht ausdrucken, respektive speichern?

 

BF: Nein. Meine Mutter hat auch Berichte erstattet. Ob sie Unterlagen dazu hat weiß ich nicht. Ich kann mich auch nicht genau erinnern.

 

RI: Weiß XXXX, dass Sie hier in Österreich sind?

 

BF: Nein. Deswegen rufe ich auch meine Mutter nicht an. Sie können meine Mutter foltern und herausfinden, wo ich bin.

 

RI: Wenn XXXX überall seine Kontakte hat, könnte er über die sozialen Kontakte auch herausfinden, dass Sie hier sind?

 

BF: Er weiß nicht, wer meine Freunde sind.

 

RI: Was würde jetzt passieren, Ihrer Meinung nach, wenn Sie jetzt plötzlich wieder in Delhi wären oder in Ihrem Heimatort? Könnte es nicht sein, dass sich alles entspannt hat? Könnte er vielleicht sein Industrieprojekt schon woanders gebaut haben?

 

BF: Es ist unmöglich, dass er Projekte woanders verwirklicht. Er war so viele Jahre hinter diesem Land her. Deshalb ist es kaum wahrscheinlich, dass er nach zwei Jahren sein Projekt aufgibt. Das ist unmöglich. Ich weiß durch meine Freunde, dass er kein Land gekauft hat oder ein Projekt gestartet hat.

 

RI: Ihre Freunde wissen das woher?

 

BF: Meine Freunde wissen das. Ich habe sie danach gefragt.

 

RI: Nach Ihrer Ausreise haben Sie von den Freunden erfahren, dass XXXX Leute bei Ihrer Mutter gewesen waren. Was ist da passiert Ihres Wissens nach?

 

BF: Dass er nicht selbst gekommen ist. Er hat seine Arbeiter geschickt. Sie haben meine Mutter gefragt, wo ich bin. Meine Mutter sagt das aber nicht, weil ich mit meiner Mutter keinen Kontakt habe, weiß sie auch nicht, wo ich bin. Vielleicht foltern sie meine Mutter auch. Aber meine Freunde berichten mir das nicht. Diese Person ist nicht "so eine nette" Person, dass sie direkt zur Mutter kommt und fragt, wo ich bin.

 

RI: Wann ist Ihre Mutter das letzte Mal von den Arbeitern so gefragt worden, Ihres Wissens nach?

 

BF: Zwei Monate vorher haben meine Freunde davon berichtet.

 

RI: Wann war das ca.?

 

BF: Im März 2018 habe ich mit denen gesprochen.

 

RI: Was befürchten Sie, würde passieren, wenn Sie in Indien wären, was würde XXXX machen?

 

BF: Er würde mich töten.

 

RI: Würde er nochmals versuchen, mit Ihnen zu reden?

 

BF: Nein.

 

RI: Warum verkaufen Sie das Grundstück eigentlich nicht?

 

BF: Weil wir wenig Einkommen haben. Vom Grundstücksverkauf bekommen wir nicht viel.

 

RI: Könnten Sie sich nicht mit dem Grundstückserlös irgendwo ein anderes Grundstück kaufen?

 

BF: Warum sollen wir verkaufen? Wenn er dort dieses Projekt verwirklichen will, wieso können wir das nicht selbst machen?

 

RI: Würde Ihre Mutter das Grundstück verkaufen?

 

BF: Sie will das nicht. Das weiß ich.

 

RI: Die Schwester lebt Ihrem Vorbringen nach bei der Mutter. Verdient die Schwester selbst den Lebensunterhalt? Ist sie noch in der Schule?

 

BF: Sie hat ihre Ausbildung drei Monate nach meiner Ausbildung fertig gemacht und dann war sie zu Hause.

 

RI: Trotz der Ausbildung?

 

BF: Weil unsere Familie nicht sicher ist, dass sie auch nicht Probleme bekommt. In Indien ist es nicht normal, dass Frauen und Töchter arbeiten gehen. Für mich ist es in Ordnung, wenn man studiert hat. Ich und sie haben vier Jahre studiert.

 

RI: Sie haben vor dem BFA auf Aufforderung den letzten Vorfall, der Ihnen in Indien passiert ist, geschildert, jener Vorfall, bei denen XXXX unter anderem mit Waffen geschossen hätte (AS 59 und AS 61 bis AS 62 des Verwaltungsaktes). Können Sie mir diesen Vorfall möglichst genau schildern, bis zu dem Zeitpunkt, als die Polizei gekommen ist?

 

BF: Die Leute sind zu uns nach Hause gekommen. Ich war damals nicht zu Hause. Ich war mit meinen Freunden außerhalb des Hauses. Als ich dahinter gekommen bin, dass die Leute zu uns gekommen sind, bin ich nach Hause gekommen. Ich habe gefragt, was los ist. Er hat über das Land gesprochen. Ich habe gleich die Polizei angerufen. Ich habe das geahnt. Sie sind viele Leute. Es würde zu einem Streit kommen. Es ist zu einer Rangelei gekommen zwischen mir und XXXX. Er war in Begleitung.

 

RI: Sie waren alleine gegen alle?

 

BF: Ja. Warum nicht?

 

RI: Bitte setzen Sie fort!

 

BF: Er hat gesehen, dass ich nicht zu Hause gewesen bin. Ich bin dann doch nach Hause gekommen. Er hat gewusst, dass ich zu Hause bin. Er wollte zu einem Ende kommen. Es ist zu einem Streit gekommen. Er ist in das Haus gekommen.

 

RI: Er hat im Haus geschossen?

 

BF: Wir waren im Zimmer. Er war außerhalb.

 

RI: Was meinen Sie damit präzise?

 

BF: Es gibt viele Zimmer im Haus. Außerhalb des Zimmers gibt es einen frei liegenden Platz im Bereich des Hauses. Von dort haben sie geschossen. Es waren viele Leute, die verärgert waren.

 

RI: Haben diese Leute also geschossen?

 

BF: Ja.

 

RI: Wohin?

 

BF: Wir waren drinnen. Wir sind hineingegangen. Wir haben die Türe zugesperrt. Sie haben von draußen geklopft.

 

RI: Zu welcher Tageszeit ist das passiert?

 

BF: Am Abend. Genauer gesagt: 3 Uhr, 4 Uhr am Nachmittag. Dann sind viele Leute unserer Gemeinde dorthin gekommen. Deshalb ist er aus dem Haus gegangen.

 

RI: Die Schüsse sind auf die Tür des Zimmers gerichtet gewesen, in dem Sie drinnen waren?

 

BF: Nein. Auch auf die Mauern des Zimmers. Sie haben nicht gewusst, wo wir im Zimmer stehen.

 

RI: Wie viele Schüsse waren das?

 

BF: Viele. Ich habe nicht gezählt.

 

RI: Keine der Schüsse ist durch die Mauern oder Begrenzungen des Zimmers durchgebrochen?

 

BF: Nein. Die Mauern sind nicht aus Holz.

 

RI: War das das erste und einzige Mal, dass mit Waffen letztlich auf Sie geschossen wurde?

 

BF: Nein, auch früher viele Male, hat er seine Waffen hergezeigt.

 

RI: Hat er, abgesehen von dem einen Vorfall, auf Sie persönlich geschossen?

 

BF: Nein. Er hat zum Beispiel seine Schwerter hergezeigt.

 

RI: Dieser Vorfall, von dem wir jetzt gesprochen haben, war wie lange vor Ihrer Ausreise?

 

BF: Kurze Zeit vor meiner Ausreise. Einige Tage. Ca. 2-3 Wochen.

 

RI: War das im September 2015?

 

BF: Im August.

 

RI: Dann waren es ca. 3-4 Wochen?

 

BF: Ja. Ca.

 

RI: Haben Sie da noch dauerhaft in Ihrem Heimatort gelebt? Ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren nach wären Sie schon längere Zeit woanders in Indien gewesen.

 

BF: Nein, damals bin ich nach Hause gekommen, um die Familie zu besuchen. Ich war nicht dauerhaft zu Hause.

 

RI: Kann man sagen, ab wann Sie ca. nicht mehr dauerhaft in Ihrem Heimatort gelebt haben?

 

BF: Ich habe schon geraume Zeit nicht zu Hause gewohnt. In der Studentenzeit war ich ja auch schon im Hostel. Dann war ich bei den Verwandten, bei Freunden. Dort musste ich nicht meine Identität vorlegen.

 

RI: War/ist dieser XXXX eigentlich ein Verwandter von Ihnen? In der Erstbefragung vom 09.10.2015 haben Sie ausdrücklich, eingangs Ihrer Aussage zu den Fluchtgründen, davon gesprochen, dass es der Onkel, Bruder des Vaters, gewesen sei, der Ihnen das Ackerland wegnehmen wollte. Ist XXXX Ihr Onkel oder ist das ein Übersetzungsfehler?

 

BF: Bei uns wird nicht der Name genannt. Die Person wird als Onkel genannt.

 

RI: Dieses Hostel, wo Sie sich jahrelang (3 1/2 Jahre) während des Studiums aufgehalten haben, wo war das genau?

 

BF: Das war in XXXX. Das war das XXXX.

 

RI: In der Zeit im Hostel, waren Sie für jeden auffindbar. Hatten Sie da keine besondere Schwierigkeiten, wenn Sie doch über drei Jahre dort waren?

 

BF: Dorthin ist er auch einige Male gekommen. Ich habe dann das Hostel verlassen. Ich bin zu den Verwandten gegangen. Somit war ich nicht dauerhaft dort. Ich bin auch zu meinen Studienkameraden gegangen.

 

RI: Wann ist Ihr Großvater gestorben?

 

BF: Ich war sehr klein damals.

 

RI: Ihre Mutter und Ihre Schwester leben zusammen in Ihrem Heimatdorf, im selben Haus, in dem Sie früher auch gelebt haben?

 

BF: Ja. Das ist unser eigenes Haus.

 

RI: Ihre Mutter und Ihre Schwester sind also nicht eine Zeitlang außerhalb Ihres Heimatortes gewesen?

 

BF: Wenn ein Problem gekommen ist, dann sind sie 1-2 Tage weggegangen.

 

Zur Relokationsalternative:

 

Könnten Sie nicht an einen anderen Ort nach Indien flüchten, wo Sie Ihr Verfolger nicht finden könnte? Was spricht dagegen, sich woanders eine neue Existenz aufzubauen? In Indien ist die wirtschaftliche Lage sicher nicht mit der in Europa vergleichbar, aber es gibt auch keine Hungersnöte!?

 

BF: Nein. Ich verweise auf mein bisheriges Vorbringen. Ich selbst habe keine Streitereien mit der Polizei, weil ich kein Krimineller bin. Ich bin ein guter Staatsbürger.

 

RI: Ihrem Vorbringen nach ist XXXX ein Mitglied der Congress-Partei, diese regiert zurzeit nur im Punjab. Glauben Sie nicht, dass es für XXXX außerhalb des Punjabs schwierig wäre, seine angebliche Machtposition zu nutzen, um Sie überall zu finden?

 

BF: Weil diese Regierung von seiner Partei im Punjab ist, kann er mich überall in Indien finden. Er ist so mächtig.

 

Folgende Berichte werden - über die in der Entscheidung der Verwaltungsbehörde zugrunde gelegten hinaus - in das Verfahren eingeführt und erörtert. Diese führen zu den unten gemachten Schlussfolgerungen.

 

* Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juli 2017)

 

* Auswärtiges Amt, Reise- und Sicherheitshinweise zu Indien (Stand April 2018)

 

* BBC News India country profile (January 2018)

 

* Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Indien (Stand 09.01.2017, Aktualität zuletzt überprüft am 21.12.2017)

 

* Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformationsblatt Republik Indien (2016)

 

* Human Rights Watch, World Report 2018

 

* India 2016 International Religious Freedom Report

 

* ÖB New Delhi, Indien Asylländerbericht (Stand Oktober 2017)

 

* UK Home Office, Country Information and Guidance, India: Religious minority groups (April 2015)

 

* US Department of State, India 2016 Human Rights Report, März 2017

 

* aktuelle Medienberichte / Informationen aus dem Internet (zB Wikipedia, Hindustan Times) zu Wahlen im Punjab am 04.02.2017 und nachfolgende politische Entwicklungen

 

...

 

RI fragt den BF um seine Stellungnahme zu dieser Beurteilung.

 

BF: Das ganze System muss dort verändert werden. Das ist meine Meinung. Dann kann alles richtig werden. Es ist eine Demokratie dort, aber die Machthaber nutzen das aus. Das ganze System ist zu beschuldigen, dass dort so alles läuft. Wenn das System richtig funktioniert, braucht niemand aus Indien zu flüchten. Ich sage nicht, mein Land Indien ist schlecht. Das ganze System ist schlecht.

 

RI: Die wirtschaftliche Situation hatte nichts mit Ihrer Ausreise zu tun!? Die Behörde hat Ihnen ja vorgehalten, dass der Grund für Ihre Ausreise gewesen sei, dass Sie trotz Ihrer Ausbildung keine adäquate Beschäftigung gefunden hätten?

 

BF: Nein. Wenn man gut gebildet ist, kann man in Indien auch selbständig arbeiten. Indien ist ein sehr großes Land.

 

RI: Was wäre Ihr beruflicher Plan, wenn Sie in Österreich bleiben könnten!?

 

BF: Mir gefällt es nicht, dass ich in Indien mein Studium nicht fertig gemacht habe. Ich werde das nochmals anfangen.

 

RI: Ein EDV-Studium oder ein Computer-Studium?

 

BF: Ich habe ein Diplom in Computer-Wissenschaften gemacht. Ich möchte weiter studieren. Wenn ich glaube, dass mein Studium genug ist, dann werde ich arbeiten gehen.

 

RI: Haben Sie Österreich seit Ihrer Ankunft 2015 verlassen?

 

BF: Ich war die ganze Zeit in Österreich.

 

RI: Gibt es noch einen anderen Grund, warum Sie Indien verlassen haben und Ihrer Ansicht nach nicht zurückkehren können? Gibt es noch etwas anderes, was Sie mir sagen wollen?

 

BF: Nein.

 

RI an BFV: Wollen Sie etwas vortragen, beantragen?

 

BFV führt aus: Im indischen Reisepassgesetz ist eine 10jährige Gültigkeit vorgesehen. Also war der Pass noch gültig bei der Ausreise.

 

BFV: Der BF hat sich an die Oberbehörden gewandt. Er hat vorgetragen, sich an folgende Institutionen gewandt zu haben:XXXX (XXXX). Das ist eine Art Wachkommandant. Dann: XXXX (XXXX). Dieser ist für den ganzen Bezirk zuständig. Schließlich erwähnte er auch, dass er die Oberbehörde in Delhi kontaktiert habe, das ist XXXX(XXXX). Er ist die Oberbehörde, diese ist hier für den Punjab zuständig. Er sitzt in Delhi. Jedes Bundesland hat einen XXXX in Delhi. Der XXXX wird auch als XXXX bezeichnet.

 

Sonst wurde seitens des Richters alles ausführlich gefragt.

 

RI: Wie haben Sie den Dolmetscher heute verstanden?

 

BF: Gut.

 

(...)"

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und dessen vorgebrachten Fluchtgründen:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien. Seine präzise Identität steht nicht fest. Er gehört der Volksgruppe der Rakhra an und bekennt sich zur Glaubensgemeinschaft der Sikh.

 

Der Beschwerdeführer stellte am 8.10.2015 den dem gegenständlichen Verfahren zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz.

 

Der Beschwerdeführer stammt aus XXXX im Punjab in Indien.

 

Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe werden der Entscheidung nicht zugrunde gelegt. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aufgrund asylrelevanter Verfolgung verlassen hat beziehungsweise eine solche im Falle der Rückkehr zu befürchten hätte.

 

Ebenfalls nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre.

 

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Zudem besteht in Indien eine ausreichende medizinische Grundversorgung, weswegen der Beschwerdeführer hinsichtlich allfälliger psychischer und physischer Leiden ausreichend behandelt werden könnte.

 

Der Beschwerdeführer besuchte in seinem Heimatland für vierzehn Jahre die Grundschule.

 

Der unbescholtene Beschwerdeführer hat in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte und verfügt auch über keine engen Anknüpfungspunkte wirtschaftlicher Natur. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet keine tiefgreifende Integrationsverfestigung aufweist.

 

In Indien leben neben der Mutter und der Schwester des Beschwerdeführers, die nach wie vor in XXXX aufhältig sind, auch noch weitere Verwandte in verschiedenen Regionen Indiens.

 

Der Beschwerdeführer lebte vor seiner Ausreise zeitweise bei Familienangehörigen in XXXX, in XXXX, in Delhi und in Mumbai.

 

1.2. Zum Herkunftsstaat Indien:

 

Zur Lage in Indien werden die in der Beschwerdeverhandlung vom 16.4.2018 getroffenen Feststellungen sowie das dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Quellenmaterial (vgl oben Punkt I.3.) zum Gegenstand dieses Erkenntnisses erhoben. Der Beschwerdeführer ist dem herangezogenen Berichtsmaterial nicht substantiiert entgegengetreten.

 

Die gegenüber dem Verwaltungsverfahren in der Beschwerdeverhandlung ergänzten relevanten Feststellungen lauten wie folgt:

 

Indien ist eine parlamentarische Demokratie mit einem Mehrparteiensystem und ein Rechtsstaat. Mit über 1,2 Milliarden Menschen ist Indien der bevölkerungsreichste Staat der Welt.

 

Die Sicherheit ist grundsätzlich gewährleistet, die Lage bleibt vor dem Hintergrund zahlreicher schwerer Terroranschläge in den vergangenen Jahren in verschiedenen Landesteilen, insbesondere in den Landesteilen Kaschmir und Jammu, freilich angespannt.

 

Im Bundesstaat Punjab fanden immer wieder terroristische Anschläge und Menschenrechtsverletzungen statt, laut Auskunft der ÖB Delhi war die Situation zuletzt jedoch in Teilbereichen ruhig. Eine bürgerkriegsähnliche Situation liegt im Punjab jedenfalls nicht vor, es gibt auch aktuell im Unterschied zu anderen Bundesstaaten keine spezifischen Sicherheitswarnungen. Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Seit den Wahlen im Februar 2017 ist die Kongresspartei die stärkste politische Kraft im Punjab.

 

Indien verfügt über ein System von Sicherheitskräften, das unter Kontrolle der Regierung steht, um die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten; die Effektivität der polizeilichen Tätigkeiten ist unterschiedlich.

 

Gegen polizeiliches Fehlverhalten, wie zum Beispiel Folter oder Amtsmissbrauch, stehen Rechtsmittel zur Verfügung, Fehlverhalten wird geahndet.

 

Volle Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes ist gewährleistet. Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, sodass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von lokaler Verfolgung. Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern. Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch.

 

Die Religionsfreiheit ist in der Verfassung garantiert und wird im Allgemeinen auch in der Praxis respektiert. Die Verfassung verbietet Diskriminierung auf religiöser Basis. Es gibt spezielle staatliche Einrichtungen, die Vorwürfe von Diskriminierung aufgrund der Religion untersuchen. Bei Verstößen gegen die Religionsfreiheit können Haft- und Geldstrafen verhängt werden.

 

Muslime, Sikhs, Christen, Parsis, Janais und Buddhisten gelten als gesetzlich anerkannte Minderheitengruppen unter den religiösen Gruppierungen, deren Vertreter in einer staatlichen nationalen Minderheitenkommission sitzen. Das Gesetz legt fest, dass die Regierung die Existenz dieser religiösen Minderheiten schützt und Konditionen für die Förderung ihrer individuellen Identitäten begünstigt. Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgruppen werden von der Regierung nicht geduldet. Obwohl es zu religiös motivierten Zwischenfällen kommt, besteht für Anhänger einer religiösen Minderheit keine reale Gefahr einer systematischen Verfolgung.

 

60% der Bevölkerung in Punjab gehören der Sikh-Religionsgemeinschaft an. Sie leben in ganz Indien und werden wenig bis gar nicht diskriminiert.

 

Grundsätzlich ist in Indien die Grundversorgung gesichert, einschließlich einer solchen medizinischer Natur.

 

Die Rückkehr von abgeschobenen Asylwerbern ist - abgesehen von einer intensiven Prüfung der (Ersatz‑) Reisedokumente und einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden - problemlos möglich.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde nach Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 16.4.2018 die folgenden Erwägungen getroffen:

 

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Die Identität des Beschwerdeführers konnte aufgrund fehlender Urkunden nicht festgestellt werden. In der Erstbefragung am 9.10.2015 brachte der Beschwerdeführer vor, keine Dokumente zu haben und auch zu keinem Zeitpunkt einen Reisepass besessen zu haben. Anlässlich der Einvernahme vom 2.1.2018 gab der Beschwerdeführer an, zwar einen Reisepass gehabt zu haben, dieser sei ihm jedoch vom Schlepper abgenommen worden. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung sprach der Beschwerdeführer schließlich davon, neben Schulzeugnissen, einem Schülerausweis und einer Geburtsurkunde auch einen Reisepass gehabt zu haben, jedoch habe er sich diese Dokumente zu keinem Zeitpunkt übermitteln lassen und wisse er auch gar nicht, ob seine Familie diese parat habe. Mangels Vorlage eines entsprechenden Nachweises im gesamten Verfahren konnte die Identität des Beschwerdeführers somit nicht festgestellt werden.

 

Die Feststellungen zu Staatsangehörigkeit, Herkunft, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers stützen sich auf seine diesbezüglich nicht zu bezweifelnden (da kohärenten) Angaben im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf seine Sprach- und Ortskenntnisse.

 

Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.

 

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer gesund ist, beruht auf seinen diesbezüglichen Angaben im Verfahren. Es ergaben sich zu keinem Zeitpunkt Hinweise auf eine physische oder psychische Erkrankung des Beschwerdeführers oder auf eine Behandlungsbedürftigkeit und konnte mangels Erstattung eines diesbezüglichen Vorbringens oder Vorlage medizinischer Befunde nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer an schwerwiegenden Erkrankungen leidet.

 

Die Feststellungen zum Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich und zu seinen Familienangehörigen und Lebensverhältnissen in Indien beruhen auf seinen eigenen insofern nicht zu bezweifelnden Angaben.

 

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit ist aus einem aktuell eingeholten Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich ersichtlich.

 

2.2. Zu den vorgebrachten Fluchtgründen:

 

2.2.1. Die Aussage eines Asylwerbers stellt im Verfahren wegen internationalen Schutzes zweifellos das Kernstück dar. Hierbei ist es nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes Sache des Antragstellers, entsprechende, seinen Antrag untermauernde Tatsachenbehauptungen aufzustellen und diese glaubhaft zu machen.

 

Die entscheidungsbefugte Instanz kann einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens vor den verschiedenen Instanzen im Wesentlichen gleichbleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubwürdig könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH vom 6.3.1996, Zl 95/20/0650).

 

2.2.2. Im vorliegenden Verfahren hatte der Beschwerdeführer, insbesondere bei der Einvernahme am 2.1.2018 sowie anlässlich der Beschwerdeverhandlung am 16.4.2018, ausreichend Gelegenheit, seine Ausreisegründe darzulegen. Der zur Entscheidung berufene Richter des Bundesverwaltungsgerichtes geht aufgrund einer Gesamtschau des Akteninhaltes davon aus, dass der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt keine glaubhafte Asylrelevanz aufweist.

 

Bereits das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in seiner Beweiswürdigung dargelegt, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner allgemein gehaltenen und detailarmen Ausführungen keine konkret gegen seine Person gerichtete Verfolgung glaubhaft machen konnte.

 

Auch das erkennende Gericht kommt nach gesamtheitlicher Würdigung zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer im Heimatland keine asylrelevante Verfolgung droht. Es kamen im Verfahren insbesondere zahlreiche Ungereimtheiten zustande, die der Beschwerdeführer trotz expliziten Nachfragens nicht nachvollziehbar aufzuklären vermochte.

 

2.2.2.1. Wie bereits unter 2.1. erwähnt, gestalteten sich zunächst die Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Ausreise und der Frage, ob er jemals Identitätsdokumente besessen habe, widersprüchlich: So gab er anlässlich der Einvernahme vom 2.1.2018 an, im August 2015 legal von Indien aus mit einem Reisepass nach Moskau geflogen zu sein, wobei er von den indischen Beamten kontrolliert worden sei. Damit verstrickte sich der Beschwerdeführer in einen Widerspruch, zumal er in der Erstbefragung behauptet hatte, illegal ohne Reisedokument ausgereist zu sein und auch niemals ein solches oder einen anderen Identitätsnachweis besessen zu haben. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung sprach der Beschwerdeführer dann davon, dass er sich entweder im Jahr 2009 oder 2010 einen Reisepass habe ausstellen lassen, welcher ihm im Zuge der Ausreise vom Schlepper abgenommen worden sei, überdies gab er auf weitere Personaldokumente angesprochen, widersprüchlich zu seinen Ausführungen in der Erstbefragung (in dieser verneinte er nämlich die Frage, ob er jemals über ein Reisedokument oder einen sonstigen Identitätsnachweis verfügt habe) an, im Heimatland auch eine Geburtsurkunde, Schulzeugnisse und einen Schülerausweis besessen zu haben.

 

2.2.2.2. Für das erkennende Gericht ist es darüber hinaus nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer nicht angeben konnte, wie lange sein, seinem eigenen Vorbringen in der mündlichen Verhandlung zufolge, im Jahr 2010 ausgestellter Reisepass Gültigkeit hatte. Dazu befragt, brachte er lediglich vor, dies nicht zu wissen; der Schlepper habe ihm diesen in Russland abgenommen. Der Versuch des Beschwerdeführers, den Widerspruch aufzulösen, indem er schließlich ausführte, dass dies alles neu gewesen sei und er sich nicht mehr erinnern könne, weil man den Reisepass nicht so oft brauche, vermochte das erkennende Gericht nicht zu überzeugen. Es ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung unglaubwürdig, dass man nicht einmal ungefähr eingrenzen kann, wann der eigene Reisepass abläuft.

 

Ebenso erscheint es lebensfremd, wenn der Beschwerdeführer behauptet, keinerlei Wahrnehmungen dahingehend gemacht zu haben, über welche Länder er von Moskau nach Österreich gereist ist und auch nicht gewusst zu haben, dass er nach Österreich gebracht werde, sondern davon erst erfahren zu haben als er im Bundesgebiet angekommen sei.

 

2.2.2.3. Festzuhalten ist überdies, dass die problemlose Ausreise des Beschwerdeführers aus seinem Heimatland nicht auf ein seitens der indischen Behörden bestehendes reales und intensives Interesse an seiner Person hindeutet. Folgt man seinen Angaben im Rahmen der Befragung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 2.1.2018, reiste der Beschwerdeführer legal mit seinem Reisepass per Flugzeug von Indien nach Moskau. Wäre er tatsächlich in den Fokus der indischen Behörden geraten beziehungsweise würde sein Verfolger tatsächlich landesweit nach ihm suchen, dann wäre davon auszugehen, dass ihm eine legale Ausreise nicht ohne weiteres möglich gewesen wäre.

 

2.2.2.4.1. Was die vorgetragene Bedrohungssituation betrifft, so ist einleitend zu sagen, dass sich die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Verfolgungsgründen - wie bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dargelegt - als vage und wenig detailreich erwiesen.

 

So sprach der Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 2.1.2018 im Wesentlichen davon, dass es schon seit langem Streitigkeiten mit einem "Mann", einem Mitglied der Kongresspartei, gegeben habe, der die Landwirtschaft der Familie des Beschwerdeführers in Besitz habe nehmen wollen. Dieser habe den Vater des Beschwerdeführers beschimpft und gegen ihn gekämpft und anschließend, seit er in der

9. Klasse gewesen sei, auch den Beschwerdeführer selbst angegriffen. Der Beschwerdeführer brachte im Wesentlichen vor, dass er einmal so brutal geschlagen worden sei, dass seine Arme gebrochen worden seien und er auch öfter von diesem angehalten worden sei, als er mit dem Motorrad nach Hause gefahren sei.

 

Seine Ausführungen zu den Angriffen beschränkten sich größtenteils auf allgemein gehaltene Schilderungen und war er, obwohl ihm im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mehrmals die Möglichkeit geboten wurde, nicht dazu in der Lage, ein konkretes und präzises Vorbringen zu erstatten. Seine Antworten waren sprunghaft, teilwiese ausweichend und blieb sein Vorbringen chronologisch unpräzise. llustrierend wird auf folgende Passage aus der Einvernahme vor dem Bundesasylamt verwiesen:

 

"LA: Geben Sie mir einen genaueren, zeitlichen Überblick über diese Vorfälle!

 

VP: Als ich ein Teenager wurde. Ich kann mich daran nicht erinnern. Die Probleme waren schon normal.

 

LA: Wann wurden Sie das erste, wann das letzte Mal bedroht oder verfolgt?

 

VP: Das erste Mal war es ca. 2008 oder 2009. Das letzte Mal wurde ich im Juni 2015 bedroht, als er mit Pistolen auch mich geschossen hat.

 

...

 

Wh. der Frage. Wie gestalteten sich diese Vorfälle über die Bedrohung und die Verfolgung? Machen Sie detailliertere Angaben!

 

VP: Er hat immer Leute geschickt. Er hat immer ein Auge auf mich geworfen, was ich mache oder wo ich bin. Ich habe dann gewusst, dass er es ist, als Autos kamen und angehalten habe. Es war für mich wichtiger Tennisschläger bei mir zu haben, damit ich mich auch wehren kann.

 

Wh. der Frage! Sie gaben an, geschlagen und bedroht worden zu sein, machen Sie mir substantiierte Schilderungen über diese Ereignisse!

 

VP: Ich ging öfter raus. Ab und zu kamen die Leute auf mich zu. Sie kamen nicht jedes Mal auf mich zu, wenn ich mich draußen frei bewegte. Sie haben mich auf öfter angesprochen und gefragt warum ich ihm einen Schaden zufüge.

 

LA: Mehr können Sie darüber nicht angeben?

 

VP: Nein."

 

Bereits aus diesem Auszug ist ersichtlich, dass eine detaillierte oder umfassende Schilderung der Ereignisse auch auf konkretes Nachragen nicht erfolgte.

 

In Summe hat dieses Aussageverhalten des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in keiner Weise das Bild einer glaubwürdigen Fluchtgeschichte zeichnen können.

 

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung war der Beschwerdeführer wiederum nicht dazu in der Lage, nachvollziehbare Angaben zu tätigen; weder konnte er verständlich erklären, was sein Verfolger konkret mit dem zunächst erwähnten Grundstücksstreit zu tun hat, noch konnte er darlegen, weshalb gerade er und nicht etwa seine Familie einer Verfolgung ausgesetzt war:

 

"RI: Was in Ihrem ganzen Vorbringen nie klar geworden ist, ist, wie dieser Grundstücksstreit genau entstanden ist und was XXXX damit genau zu tun hat. Wissen Sie davon nichts, weil diese Sache von Ihrem Vater herkommt?

 

BF: Das weiß ich nicht. Der Konflikt ist ein sehr alter Konflikt gewesen. Dieses Grundstück ist sehr teuer. Was er mit diesem Grundstück vorhat, kann ich nicht sagen. Er wollte auch das Grundstück von uns kaufen, das hat er vorher probiert. Das habe ich früher nicht gewusst. Das weiß genauer mein Vater, dass er ein Grundstück kaufen wollte. Wir wollten das Grundstück nicht verkaufen.

 

...

 

RI: Ich verstehe auch nicht ganz, Ihrem bisherigen Vorbringen nach, was XXXX damit bezweckt, dass er Sie verfolgt. Sie stehen, Ihrem bisherigen Vorbringen nach, nicht im Grundbuch. Ihre Mutter müsste Ihrem Vorbringen nach demnach eher behelligt werden? Ihre Mutter hat aber Ihrem Vorbringen nach keine Probleme.

 

BF: Weil erstmals es Gesetze und Regeln gibt: Bis zu meinem 18. Lebensjahr ist meine Mutter zuständig. Nachher wird es automatisch in meinem Namen eingetragen.

 

...

 

RI: Sie sind seit 2015 Asylwerber in Österreich. Unbeschadet dessen, ist das Grundstück, das XXXX unbedingt haben will, laut Grundbuch Ihr Grundstück. Ist das wirklich so?

 

BF: Ja, XXXX will mich töten.

 

RI: Wurde mit Ihrem 18. Lebensjahr das Grundstück formell auf Sie umgeschrieben?

 

BF: Ja. Das geht automatisch."

 

Selbst wenn man den Ausführungen, wonach das Grundstück nunmehr offiziell dem Beschwerdeführer gehört, folgt, so muss es seinem eigenen Vorbringen nach bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr, somit bis 2011, auf seine Mutter eingetragen gewesen sein und ist insofern, trotz seinen Erklärungsversuchen in der mündlichen Verhandlung, nach wie vor nicht verständlich, dass nur der Beschwerdeführer, nicht aber seine Mutter, einer Verfolgung ausgesetzt gewesen sein soll.

 

Abgesehen davon blieb unklar, weshalb sein angeblicher Verfolger ein Interesse daran haben sollte, ihn zu töten, um das Grundstück zu bekommen, gab der Beschwerdeführer doch selbst an, dass dieses im Falle seines Todes der Regierung zufallen würde.

 

2.2.2.4.2. Der Beschwerdeführer schilderte im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung, sich wiederholt an die Polizei gewandt zu haben und von dieser gefoltert worden zu sein. Näher dazu befragt, relativierte er seine Angaben sogleich, indem er vorbrachte, dass er diese um Hilfe gebeten habe, sie ihm nicht geholfen hätten und man jemanden auch "psychisch" foltern könne. Neuerlich dazu befragt, blieben seine Ausführungen ebenso vage und antwortete der Beschwerdeführer ausweichend:

 

"RI: Die Frage war: Wurden Sie physisch misshandelt? Führen Sie das bitte genauer aus - wenn zutreffend!?

 

BF: Ja. Die Polizei zeigt ihren Druck. Zum Beispiel habe ich gesehen, wie das System hier funktioniert. Das System hier und in Indien, da gibt es einen großen Unterschied. Wenn ich angegriffen worden bin, wenn ich anrufe, dass ich Hilfe brauche, kommt niemand. Es passiert nichts. Er ist so einflussreich und mächtig. Wenn wir hier anrufen, dann kommt jemand gleich."

 

2.2.2.4.3. Festzuhalten ist weiters, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu dem letzten Vorfall, der sich in seinem Heimatland ereignet haben soll, in der mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht stringent mit den Ausführungen vor der Verwaltungsinstanz blieb: Während der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch davon sprach, gemeinsam mit einem Freund vom College, seiner Mutter und seiner Schwester zu Hause in seinem Zimmer gewesen zu sein, als sein Verfolger plötzlich auf ihn zugekommen sei und ihn ins Gesicht geschlagen habe, brachte er in der mündlichen Beschwerdeverhandlung neuerlich zu diesem letzten Vorfall befragt vor, dass "Leute" zu ihnen nach Hause gekommen seien, als der Beschwerdeführer gerade nicht zu Hause gewesen sei; er sei mit Freunden außerhalb des Hauses gewesen und habe dann, als er nach Hause gekommen sei, gefragt was los sei, zunächst über "das Land" gesprochen, es sei dann zu einer "Rangelei" gekommen und habe er anschließend sogleich die Polizei gerufen.

 

Während der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor der Behörde noch ausführte, dass er sich in der Folge eingesperrt habe und sein Verfolger "draußen" mit Pistolen auf ihr Haus geschossen und Steine auf dieses geworfen habe, gab er in der mündlichen Beschwerdeverhandlung zu Protokoll, dass der Angreifer innerhalb des Hauses von einem freiliegenden Platz aus geschossen habe.

 

Auch im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt des Vorfalls traten Divergenzen auf, zumal der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zunächst vorbrachte, dass sich dieser in der Früh zugetragen habe, etwas später in der Einvernahme und in der mündlichen Verhandlung jedoch im Widerspruch dazu, davon sprach, dass die Geschehnisse am Nachmittag beziehungsweise Abend stattgefunden hätten.

 

Auffällig ist überdies, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung stets davon sprach, dass es sich bei dem Verfolger um seinen Onkel, um den Bruder seines Vaters, handle, er diese Angaben in der Beschwerdeverhandlung dann aber nicht mehr aufrecht hielt, sondern die gesamte Zeit über von "einem Mann" namens XXXXsprach; dass es sich dabei um seinen Onkel handeln solle, erwähnte er in keinem Wort mehr. Darauf angesprochen, erklärte der Beschwerdeführer wenig überzeugend, dass "bei ihnen" nicht der Name genannt werde und "die Person" als Onkel bezeichnet werde. Auch im späteren Verfahren vermochte er zum Verfolger keine näheren Angaben zu machen, als den Namen anzuführen.

 

2.2.2.5. Zuzustimmen ist auch den Ausführungen der belangten Behörde, wonach kein Grund erkennbar ist, weshalb der Beschwerdeführer, der vorbrachte über einen Zeitraum von zumindest sechs Jahren wiederholt, konkret zwanzig- bis fünfundzwanzig Mal bedroht und verfolgt worden zu sein, nicht bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt geflohen ist. Nach seinen eigenen Angaben habe die erste Verfolgungshandlung bereits im Jahr 2008 oder 2009 stattgefunden und sei dies bis Juni 2015 so weitergegangen. Wäre der Beschwerdeführer tatsächlich einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat ausgesetzt gewesen, hätte er sicherlich anders gehandelt und wäre nicht, trotz vorgebrachter teilweise massiver Bedrohungen, noch mehrere Jahre im Herkunftsstaat verblieben beziehungsweise bis zuletzt immer wieder an seinen Heimatort zurückgekehrt. Er vermochte diese Unplausibilität in der mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht aufzuklären, sondern wiederholte er lediglich, dass die Probleme bereits vor langem begonnen hätten, konkret als er in der 9. Klasse gewesen sei, und diese bis zum Entschluss zur Ausreise angedauert hätten.

 

Schon das Verhalten des Erstbeschwerdeführers im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt seiner Ausreise legt daher den Verdacht nahe, dass es im Herkunftsstaat gar keine asylrelevanten Probleme gegeben hat.

 

2.2.2.6. Der Vollständigkeit halber ist auch noch zu erwähnen, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Aufenthaltsorten vor der Ausreise unpräzise blieben: Im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 2.1.2018 brachte er zunächst vor, sein ganzes Leben in XXXX gelebt zu haben, wenig später führte er aus, vor seiner Ausreise für dreieinhalb Jahre in einem Hostel in der Ortschaft XXXX gelebt zu haben, erneut dazu befragt, sprach er dann schließlich davon, auch bei Verwandten in XXXX,XXXX und Delhi Unterkunft genommen zu haben. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung gab er auf die Frage, ab wann er ungefähr nicht mehr dauerhaft in seinem Heimatort gelebt habe, zu Protokoll, bereits "geraume Zeit" nicht mehr zu Hause gewohnt zu haben; während der Studentenzeit sei er in einem Hostel aufhältig gewesen, anschließend sei er an verschiedensten Orten bei Verwandten und Freunden untergekommen. Abgesehen von den aufgetretenen Widersprüchen ist für den erkennenden Richter nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer, trotz konkreter Nachfrage, nicht darlegen konnte, ab wann er sich nicht mehr durchgehend im Heimatdorf aufgehalten hat.

 

2.2.2.7. Angesichts des im Asylverfahrens/Verfahren wegen internationalen Schutzes gültigen Maßstabs für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit, vgl nur EGMR 24.6.2014 Rs 17200/11 S.B. against Finland: "The Court acknowledges that, owing to the special situation in which asylum seekers often find themselves, it is frequently necessary to give them the benefit of the doubt when it comes to assessing the credibility of their statements and the documents submitted in support thereof. However, when information is presented which gives strong reasons to question the veracity of an asylum seeker's submissions, the individual must provide a satisfactory explanation for the alleged discrepancies (see, among other authorities, Collins and Akasiebie v. Sweden (dec.), no 23944/05, 8 March 2007, and Matsiukhina and Matsiukhin v. Sweden (dec.), no 31260/04, 21 June 2005), ist zusammenfassend festzuhalten, dass die dargestellten Umstände die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers so massiv in Zweifel ziehen, dass sein Vorbringen zu den Fluchtgründen den Feststellungen nicht zugrunde gelegt werden konnte.

 

Zusammenfassend kommt das erkennende Gericht zu dem Ergebnis, dass die Angaben des Beschwerdeführers nicht geeignet sind, eine asylrelevante Verfolgung seiner Person glaubhaft zu machen, zumal er keine schlüssige oder nachvollziehbare Verfolgungssituation schildern konnte. Überdies ergaben sich im Vorbringen, wie aufgezeigt, mehrere Implausibilitäten, die in ihrer Summe zur Annahme der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens führen. Es ist daher nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland wohlbegründete Furcht im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zu gewärtigen hatte beziehungsweise sich eine solche zukünftig ergibt.

 

2.3. Zur Lage in Indien

 

Die Feststellungen zu den entscheidungsrelevanten Aspekten der Situation in Indien, welche diesem Erkenntnis zu Grunde liegen, ergeben sich aus den unter I.3. genannten beziehungsweise in der Beschwerdeverhandlung vom 16.4.2018 verwiesenen Quellen. Die Richtigkeit der seitens der Verwaltungsbehörde und des Gerichtes getroffenen Feststellungen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen wurde zu keinem Zeitpunkt bestritten. Der Beschwerdeführer traf in der mündlichen Beschwerdeverhandlung zu den aktuellen Länderberichten stellungnehmend lediglich allgemein gehaltene Aussagen dahingehend, dass etwa das ganze System in Indien verändert werden müsste, weil dieses schlecht sei, woraus sich für den Beschwerdeführer nichts gewinnen lässt.

 

2.4. Innerstaatliche Fluchtalternative

 

Im Übrigen stünde es dem Beschwerdeführer - vollständigkeitshalber erwähnt - jedenfalls auch offen, sich der vorgebrachten Gefährdungssituation durch Umzug an einen anderen Ort in Indien, konkret nach Neu Delhi oder Mumbai, zu entziehen. Dabei handelt es sich um Großstädte in Indien, in denen den aktuellen Länderfeststellungen zufolge zwar vereinzelt Anschläge stattfinden, jedenfalls aber keine bürgerkriegsähnlichen Zustände, herrschen.

 

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen und gesunden Menschen, sodass es ihm selbst außerhalb seiner engeren Heimat und ohne unmittelbare familiäre Anknüpfungspunkte möglich wäre, zumindest durch Gelegenheitsarbeiten seinen Lebensunterhalt zu sichern. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer seinem eigenen Vorbringen zufolge über zahlreiche familiäre Anknüpfungspunkte verschiedenen Regionen in Indien verfügt. Bereits vor seiner Ausreise hat er an vielen verschiedenen Orten, so beispielsweise auch schon in Mumbai, Unterkunft genommen, wobei er zeitweise auch bei Verwandten unterkommen konnte.

 

Der Beschwerdeführer hat vor seiner Ausreise vierzehn Jahre lang die Grundschule und anschließend ein College besucht.

 

Der Beschwerdeführer hat auch zu keinem Zeitpunkt glaubhaft gemacht, die Verfolgung würde ihm im gesamten Land drohen; seine Ausführungen ("Weil diese Regierung von seiner Partei im Punjab ist, kann er mich überall in Indien finden. Er ist so mächtig.") auf Vorhalt, dass die Kongresspartei, der sein Verfolger angehöre, derzeit nur im Punjab regiere, blieben vage und konnte der Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens keinen plausiblen Grund dafür nennen, weshalb gerade er in einem anderen Teil Indiens nicht vor Verfolgung sicher sein sollte. Zwar führte er in der mündlichen Beschwerdeverhandlung zunächst aus, dass er immer dort, wo er gewohnt habe, seine Identität habe bescheinigen müssen, relativierte diese Angaben aber wenig später, indem er vorbrachte, dass er, wenn er bei Verwandten oder Freunden untergekommen sei, nie seine Identität habe "vorlegen" müssen.

 

Zusammenfassend folgert der Schluss des Verweises auf eine Schutzalternative in eventu aus den Bezug habenden länderkundlichen Quellen, wonach volle Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet ist, es kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem gibt und davon auszugehen ist, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art auch von halbstaatlichen Probleme entziehen können da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Verfahrensbestimmungen

 

3.1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

 

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

3.1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg cit ). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl Nr 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl Nr 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl Nr 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

 

Gemäß §§ 16 Abs 6, 18 Abs 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

 

3.1.3. Prüfungsumfang

 

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.

 

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

 

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

 

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

Gegenständlich lagen die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vor; der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist mit der Durchführung der Beschwerdeverhandlung am 16.4.2018 vollständig erhoben worden.

 

3.2. Zu Spruchteil A)

 

3.2.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides

 

3.2.1.1. Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Flüchtling im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung". Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates beziehungsweise der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl zB VwGH 22.12.1999, Zl 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, Zl 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl 2001/20/0011).

 

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, Zl 95/01/0454, VwGH 9.4.1997, Zl 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse, sondern erfordert eine Prognose (vgl VwGH 16.2.2000, Zl 99/01/0397). Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl VwGH 9.3.1999, Zl 98/01/0318).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl VwGH 15.3.2001, Zl 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes beziehungsweise des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat respektive dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (vgl VwGH 16.6.1994, Zl 94/19/0183).

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl 98/20/0233).

 

3.2.1.2. Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt wurde, kommt dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine Glaubwürdigkeit zu und ist es ihm aufgrund der vage gebliebenen und widersprüchlichen Angaben im gesamten Verfahren nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

 

Auch vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Indien kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung drohen würde.

 

3.2.1.3. Für den Fall des (teilweisen) Zutreffens der Angaben des Beschwerdeführers entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist in eventu darauf zu verweisen, dass die behauptete "private Verfolgung" keinen Konnex zu den in der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählten Gründen einer asylrelevanten Verfolgung aufweist und dass dem Beschwerdeführer, wäre dies dennoch der Fall, jedenfalls eine Relokationsalternative in andere Landesteile zur Verfügung steht (siehe dazu im Speziellen die beweiswürdigenden Erwägungen unter 2.4.). Wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt, ist nach den Angaben des Beschwerdeführers insbesondere nicht davon auszugehen, dass er landesweit gesucht oder existenzbedrohend verfolgt würde.

 

Die Beschwerde war somit aus den dargelegten Gründen gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abzuweisen.

 

3.2.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides

 

3.2.2.1. Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 hat die Behörde einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK (Recht auf Leben), Art 3 EMRK (Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung) oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 (Abschaffung der Todesstrafe) zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung nach § 7 zu verbinden (Abs 2 leg cit). Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht (Abs 3 leg cit).

 

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl VwGH 99/20/0573, 19.2.2004).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl VwGH 26.6.1997, Zl 95/18/1293 und 17.7.1997, Zl 97/18/0336).

 

Gemäß Art 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt.

 

Gemäß Art 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

 

Für die Gewährung von Abschiebeschutz ist die maßgebliche Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Verletzung der Menschenrechte gefordert. Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre, konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen genügen hingegen nicht.

 

3.2.2.2. Weder aus den Angaben des Beschwerdeführers noch aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens ist im konkreten Fall ersichtlich, dass jene gemäß der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegen würde, um die Außerlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art 3 EMRK erscheinen zu lassen (VwGH vom 21.8.2001, Zl 2000/01/0443).

 

Wie die Beweiswürdigung ergeben hat, ist das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich einer ihn selbst betreffenden Verfolgungsgefahr zur Gänze unglaubwürdig und kann aufgrund dessen eine Bedrohung im Sinne des § 8 AsylG nicht erkannt werden.

 

Auch aus der allgemeinen Situation allein ergeben sich keine sonstigen ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr im Sinne des § 8 AsylG bedroht wäre.

 

Im Hinblick auf die Feststellungen zur allgemeinen Situation, derzufolge die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gewährleistet ist, kann auch nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer, der in Indien aufgewachsen, im Falle einer Rückkehr in eine ausweglose Lage geriete.

 

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen Mann im Alter von 25 Jahren ohne erkennbare Einschränkung der Erwerbsfähigkeit. Er gab an, vor seiner Ausreise in seinem Heimatland vierzehn Jahre lang die Schule besucht zu haben und nach Abschluss ein Studium begonnen zu haben. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb es dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nicht zugemutet werden könnte, das zum Überleben Notwendige durch eigene Arbeit zu bestreiten und allenfalls (zunächst) durch Gelegenheitsarbeiten für seinen Lebensunterhalt aufzukommen.

 

Sollte der Beschwerdeführer kurzfristig nicht dazu in der Lage sein, seine Existenz zu sichern, so ist davon auszugehen, dass für ihn die Möglichkeit bestünde, Unterstützung durch seine Familienangehörigen, die sich nach wie vor in Indien aufhalten, zu erhalten. So befinden sich seinen eigenen Angaben zufolge seine Mutter, seine Schwester und mehrere andere Verwandten, bei denen der Beschwerdeführer (zumindest teilweise) auch schon vor seiner Ausreise unterkommen konnte, im Heimatland.

 

Auch wenn der Beschwerdeführer während des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz davon sprach, derzeit nur mit Freunden, nicht jedoch direkt mit seiner Familie in Kontakt zu stehen, ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer diesen nicht wieder aufnehmen könnte.

 

Eine völlige Perspektivenlosigkeit für den Beschwerdeführer kann somit nicht erkannt werden. Ziel des subsidiären Schutzes ist es nicht, Menschen vor unangenehmen Lebenssituationen zu beschützen, sondern einzig und allein Schutz vor exzeptionellen Bedrohungen zu geben.

 

Sonstige außergewöhnliche Umstände, die eine Abschiebung unzulässig machen könnten, sind im gegenständlichen Verfahren weder hervorgetreten, noch wurde ein derartiges Abschiebehindernis vorgebracht.

 

Es ergibt sich kein reales Risiko, dass es durch die Rückführung des Beschwerdeführers nach Indien zu einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.

 

Die Beschwerde war somit aus den dargelegten Gründen gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 abzuweisen.

 

3.2.3. Zu Spruchpunkt III. bis VI. des angefochtenen Bescheides

 

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs 3a oder 9 Abs 2 AsylG 2005 vorliegt.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz wird mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen.

 

Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 57 Abs 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt (Z 1), wenn dies zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel notwendig ist (Z 2) oder wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z 3).

 

Der Beschwerdeführer befindet sich seinen eigenen Angaben zufolge seit seiner Antragstellung im Oktober 2015 im Bundesgebiet. Sein Aufenthalt ist nicht im Sinne der soeben dargelegten Bestimmung geduldet und wurde der Beschwerdeführer auch nicht Opfer von strafbaren Handlungen oder von Gewalt.

 

Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet wurde.

 

Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht gemäß § 8 Abs 3a AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

 

Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt gemäß § 52 Abs 2 FPG unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird (Z 1), dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2), ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt (Z 3) oder ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird (Z 4) und kein Fall der §§ 8 Abs 3a oder 9 Abs 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Indien kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

 

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen:

 

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9).

 

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Nach Art 8 Abs 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl VfSlg. 18.224/2007, 18.135/2007; VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479; 26.1.2006, 2002/20/0423).

 

3.2.3.1. Der Beschwerdeführer brachte im Verfahren durchgängig vor, über keine Familienangehörigen im Bundesgebiet zu verfügen, sodass ein Eingriff in sein Recht auf Achtung des Familienlebens jedenfalls zu verneinen ist.

 

3.2.3.2. Unter dem Privatleben sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl EGMR 16.6.2005, Fall Sisojeva ua, Appl 60.654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

 

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl Thym, EuGRZ 2006, 541). Ausgehend davon, dass der Verwaltungsgerichtshof bei einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer ausgeht (vgl Chvosta, ÖJZ 2007/74 unter Hinweis auf die VwGH 8.3.2005, 2004/18/0354; 27.3.2007, 2005/21/0378), und im Erkenntnis vom 26.6.2007, 2007/10/0479, argumentiert, "dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [ ] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte", ist im Fall des Beschwerdeführers, der sich seit Oktober 2015 - sohin seit noch nicht einmal drei Jahren - in Österreich aufhält, anzunehmen, dass der Aufenthalt im Bundesgebiet zu kurz ist, um ein schützenswertes Privatleben zu begründen (vgl auch VwGH vom 15.3.2016, Ra 2016/21/0040, VwGH vom 30.6.2016, Ra 2016/21/0192, VwGH vom 23.2.2017, Ra 2016/21/0235 und VwGH vom 14.11.2017, Ra 2017/21/0188).

 

Abgesehen davon hat der Beschwerdeführer sein gesamtes bisheriges Leben bis zum Verlassen des Herkunftsstaates in Indien verbracht. Er spricht Punjabi, hat im Heimatland vierzehn Jahre lang die Schule und anschließend ein College besucht. Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer, der nach wie vor über mehrere familiäre Anknüpfungspunkte in Indien verfügt und auch schon vor seiner Ausreise bei verschiedensten Verwandten unterkommen konnte, in die Gesellschaft seines Herkunftsstaates wieder eingliedern können wird. Der Beschwerdeführer brachte im Verfahren auch wiederholt vor, derzeit noch mit Freunden im Heimatland in Kontakt zu stehen.

 

Im Gegensatz dazu ist der Beschwerdeführer in Österreich nur schwach integriert. Er hat im Bundesgebiet bislang weder überdurchschnittlich gute Deutschkenntnisse erworben (Im Akt findet sich ein Zertifikat, wonach der Beschwerdeführer in der Zeit von September bis November 2017 einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 besucht hat), noch sich in anderer Form in die österreichische Gesellschaft integriert. Zwar konnte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung in einfachen Worten seinen Tagesablauf auf Deutsch schildern, fortgeschrittene Deutschkenntnisse sind jedoch zu keinem Zeitpunkt hervorgekommen.

 

Es ist auch im gesamten Verfahren nicht ersichtlich geworden, dass der Beschwerdeführer sich während seines Aufenthaltes in wirtschaftlicher Hinsicht durch legale Erwerbstätigkeit eine tragfähige Existenz aufgebaut hätte oder er selbsterhaltungsfähig wäre; er bezieht momentan Leistungen aus der Grundversorgung.

 

Zwar brachte der Beschwerdeführer im Verfahren vor, als Zeitungszusteller zu arbeiten, daraus ergibt sich aber jedenfalls nicht, dass sich der Beschwerdeführer im Bundesgebiet eine wirtschaftliche Existenz aufgebaut hätte.

 

Es ist vollständigkeitshalber darauf hinzuweisen, dass, wenn Fremde selbständig als Zeitungszusteller arbeiten und so für ihren Unterhalt sorgen, in dieser Tätigkeit keine entscheidungserhebliche berufliche Integration zu sehen ist (VwGH vom 7.5.2015, Zl 2013/22/0030; vgl E 17. April 2013, 2013/22/0042), sodass auch eine vormals ausgeübte Tätigkeit als Reklameverteiler nicht eine maßgebliche Integration begründet.

 

Das Bestehen starker sozialer Bindungen oder einer sonstigen Eingliederung in Österreich sind nicht zu keinem Zeitpunkt hervorgekommen.

 

Der Beschwerdeführer durfte sich bislang nur aufgrund seines Antrages auf internationalen Schutz im Bundesgebiet aufhalten, der zu keinem Zeitpunkt berechtigt war (vgl zB VwGH 20.2.2004, 2003/18/0347; 26.2.2004, 2004/21/0027; 27.4.2004, 2000/18/0257; sowie EGMR 8.4.2008, Fall Nnyanzi, Appl. 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen).

 

Dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (zB VwGH 25.2.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.4.2012, 2011/18/0253).

 

Den Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (zB VwGH 16.1.2001, 2000/18/0251). Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes überwiegen daher derzeit die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet (vgl dazu VfSlg 17.516/2005 sowie ferner VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479).

 

§ 52 Abs 2 Z 2 FPG setzt weiters voraus, dass dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Ein solches kommt dem Beschwerdeführer nicht zu.

 

Dem Bundesamt ist daher beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass der angefochtene Bescheid einen unverhältnismäßigen Eingriff in das durch Art 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben darstellt.

 

Die Erlassung der Rückkehrentscheidung ist daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.

 

3.2.3.3. Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs 9 FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist.

 

Während eines Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist gemäß § 51 Abs 1 FPG auf Antrag des Fremden zu entscheiden, ob die Abschiebung gemäß § 50 FPG unzulässig ist. Bezieht sich ein Antrag gemäß § 51 Abs 1 FPG auf den Herkunftsstaat des Fremden, gilt dieser Antrag gemäß § 51 Abs 2 FPG als Antrag auf internationalen Schutz. Diesfalls ist nach den Bestimmungen des AsylG 2005 vorzugehen.

 

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder das 6. beziehungsweise 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs 1 AsylG 2005.

 

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs 2 FPG unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG 2005.

 

Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien ist gegeben, da nach den die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

 

Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Eine derartige Empfehlung besteht für Indien nicht.

 

Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien ist daher zulässig.

 

3.2.3.4. Gemäß § 55 Abs 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Solches wurde nicht dargetan und liegen keine Anhaltspunkte vor, die in concreto für eine längere Frist sprächen.

 

Die Beschwerde war daher auch abzuweisen, soweit sie sich gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides richtet.

 

3.3. Zu Spruchteil B)

 

Gemäß § 25a Abs 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl Nr 10/1985 in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich stets auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR stützen; diesbezügliche Zitate finden sich in der rechtlichen Beurteilung. Sofern die oben angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu (zum Teil) alten Rechtslagen erging, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

 

Im konkreten Fall ging das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst nicht von der bereits zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab und ist diese auch nicht uneinheitlich. Die Revision ist im konkreten Fall zudem deshalb nicht zulässig, weil der Kern dieser Entscheidung (zu Asyl und subsidiärem Schutz) die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers betraf und daher in wesentlichen Punkten Tatfragen im Vordergrund standen; die Rückkehrentscheidung (vgl dazu insb VwGH vom 15.3.2016, Ra 2016/21/0040, VwGH vom 30.6.2016, Ra 2016/21/0192 und VwGH vom 14.11.2017, Ra 2017/21/0188) und die Frage des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative in eventu warfen ebenso keine neuen Rechtsfragen auf.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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