BVwG W226 1418348-6

BVwGW226 1418348-625.6.2018

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W226.1418348.6.00

 

Spruch:

W226 1418348-6/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2017, Zl. 820903006-161661085 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25.01.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1. Die Beschwerdeführerin, eine weibliche Staatsangehörige der Russischen Föderation, reiste am 04.10.2010 illegal gemeinsam mit ihrer Schwester (Beschwerdeführerin zu W226 1418379-6) und ihrem Neffen (Beschwerdeführer zu W226 1418381-6) in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.02.2011, Zl. 10 09.233-BAI bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde, welche mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 13.02.2012 zu D18 418348-1/2011/3E als unbegründet abgewiesen wurde.

Gegen dieses Erkenntnis erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 27.06.2012 zu U 650/12-9, 651/12-9, U 652/12-9 wurde die Behandlung der Beschwerde gem. Art. 144a B-VG abgelehnt.

1.2. Am 02.03.2012 stellte die Beschwerdeführerin beim Asylgerichtshof einen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG, welchem mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 22.03.2012 nicht stattgegeben wurde.

Am selben Tag stellte die Beschwerdeführerin beim Bundesasylamt einen Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG, welcher mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 28.03.2012 zu D18 418348-3/2012/2E abgewiesen wurde.

1.3. Am 18.07.2012 stellte die Beschwerdeführerin, ebenso wie ihre Schwester und ihr Neffe, einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.10.2012, Zl. 12 09.030-EAST West gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen wurde.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde, welche mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 25.10.2012 zu D18 418348-4/2012/2E als unbegründet abgewiesen wurde.

1.4. Am 13.02.2013 brachte die Beschwerdeführerin bei der Bezirkshauptmannschaft XXXX einen Antrag auf Erteilung einer Erst-Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 3 NAG ein und begehrte gleichzeitig die Bewilligung des Antrages aus humanitären Gründen.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 08.08.2013, Zl. 30406-353/1355/1/2-2010 wurde der Antrag als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 18.09.2013 Berufung, welche als Beschwerde vor dem Landesverwaltungsgericht galt.

Diese Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 25.11.2014 zu LVwG-11/110/11-2014 als unbegründet abgewiesen und der Spruch des Bescheides mit der Maßgabe bestätigt, dass die Rechtsgrundlage "§ 43 Abs. 3 iVm § 44b Abs. 1 Z 1 NAG" zu lauten hat.

Gegen dieses Erkenntnis erhob die Beschwerdeführerin außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof, welche mit Beschluss des VwGH vom 26.03.2015 zu Ra 2015/22/0035 zurückgewiesen wurde.

1.5. Am 27.06.2016 stellte die Beschwerdeführerin beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gem. § 55 Abs. 1 AsylG 2005. Begründend gab sie an, sie lebe seit 04.10.2010 durchgängig in Österreich und verfüge über eine Beschäftigungszusage und über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2. Die Schwester der Beschwerdeführerin und ihr Neffe stellten ebenfalls Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels.

Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.12.2016 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, einen Identitätsnachweis vorzulegen und zu den angeführten Punkten binnen 14 Tagen ab Zustellung eine Stellungnahme abzugeben.

In ihrer Stellungnahme vom 18.12.2016 gab die Beschwerdeführerin an, dass dem Amt alle verfügbaren Identitätsunterlagen vorliegen würden und beantwortete die ihr gestellten Fragen.

Am 23.01.2017 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, RD Salzburg, niederschriftlich einvernommen.

Mit gegenständlichem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2017, Zl. 820903006-161661085 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gem. § 55 AsylG 2005 abgewiesen. Die Anträge der Schwester der Beschwerdeführerin und ihres Neffen wurden mit Bescheiden vom selben Tag ebenfalls abgewiesen.

Gegen den gegenständlichen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin, ebenso wie ihre Schwester und ihr Neffe, am 13.02.2017 fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Neffe der Beschwerdeführerin wurde am 23.01.2018 in die Russische Föderation abgeschoben.

Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sowie in den Beschwerdeverfahren der Schwester und des Neffen der Beschwerdeführerin wurde für den 25.01.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt. Es erschienen die Beschwerdeführerin, ihre Schwester, der Zeuge XXXX sowie die Zeugin XXXX . In der Verhandlung wurden die persönlichen Umstände der Beschwerdeführerin sowie ihrer Schwester und ihres Neffen in Österreich und im Herkunftsstaat erläutert und die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan.

Im gegenständlichen Verfahren legte die Beschwerdeführerin folgende Dokumente/Unterlagen vor:

* Einstellungszusagen der XXXX vom 22.04.2016, 01.02.2017 und 22.01.2018;

* ÖSD Zertifikat A2 ("bestanden") vom 28.11.2013;

* Undatiertes Empfehlungsschreiben XXXX ;

* Ambulanter Arztbrief XXXX , Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie vom 27.07.2016;

* Ambulanter Arztbrief XXXX , Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie vom 17.08.2016;

* Ambulanter Arztbrief XXXX , Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie vom 14.09.2016;

* Ambulanter Arztbrief XXXX , Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie vom 15.12.2016;

* Befund XXXX , Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie vom 04.02.2017;

* Empfehlungsschreiben XXXX , 13.02.2017;

* Empfehlungsschreiben XXXX , 23.12.2017;

* Empfehlungsschreiben XXXX , 24.12.2017;

* Empfehlungsschreiben XXXX , 17.01.2018;

* Liste an Verwandten der Familie XXXX in Österreich und Russland;

* Fachärztliche Stellungnahme XXXX , Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie vom 24.12.2018;

* Fachärztliche Stellungnahme XXXX , Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie vom 22.01.2018;

* Darstellung der aktuellen Situation XXXX Klinikum, Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie vom 28.12.2017;

* Internistisches Konsilium XXXX , 29.12.2017;

* Arztbrief XXXX , Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie vom 09.05.2017;

* Undatierte handschriftliche Unterstützungserklärungen;

* Mietanbot;

* Meldezettel.

2. Feststellungen:

Beweis wurde erhoben durch die Einvernahme der Beschwerdeführerin, ihrer Schwester sowie der Zeugen XXXX und XXXX im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 25.01.2018; durch Einsichtnahme in die vorliegenden Verwaltungsakten der Beschwerdeführerin, ihrer Schwester (Beschwerdeführerin zu W226 1418379-6) und ihres Neffen (Beschwerdeführer zu W226 1418381-6); durch Einsichtnahme in die vorgelegten Dokumente, Urkunden und Stellungnahmen der Beschwerdeführerin und ihrer Vertretung; sowie durch Einsichtnahme in aktuelle Auszüge aus Strafregister, GVS, IZR und ZMR. Demnach steht folgender Sachverhalt fest:

2.1. Die Beschwerdeführerin führt den Namen XXXX , wurde am XXXX in Russland geboren, ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig.

2.2 Die Beschwerdeführerin reiste am 04.10.2010 illegal gemeinsam mit ihrer Schwester und ihrem Neffen in das österreichische Bundesgebiet ein und hält sich seit diesem Zeitpunkt auf Basis zweier Verfahren über Anträge auf internationalen Schutz im österreichischen Bundesgebiet auf.

Der erste Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz in Österreich wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 13.02.2012 zu D18 418348-1/2011/3E rechtskräftig abgewiesen. Der zweite Antrag (Folgeantrag) auf internationalen Schutz wurde ebenfalls mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 25.10.2013 zu D18 418348-4/2012/2E rechtskräftig abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin verblieb trotz der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung(en) im österreichischen Bundesgebiet.

2.3. Die Beschwerdeführerin bezieht seit ihrer Einreise in das Bundesgebiet Leistungen aus der Grundversorgung. Sie geht keiner geregelten, legalen Arbeit nach und ist daher nicht selbsterhaltungsfähig.

Es liegen drei Einstellungszusagen der XXXX vom vor. Aus den Einstellungszusagen gehen weder Beschäftigungsausmaß noch Bezahlung hervor. Ein Arbeitsvorvertrag wurde nicht vorgelegt.

Die Beschwerdeführerin verfügt über Sprachzertifikate Niveau A2. Sie spricht schlecht Deutsch. Bis auf die Teilnahme an den Deutschkursen hat sich die Beschwerdeführerin während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht aus-, fort- oder weitergebildet. Auch die aktive Teilnahme der Beschwerdeführerin bei einem Verein oder in einem Club konnte nicht festgestellt werden.

Eine dauerhafte Integrationsmöglichkeit der Beschwerdeführerin in den österreichischen Arbeitsmarkt ist nicht anzunehmen.

Es konnte festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Laufe ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet Bekanntschaften gemacht hat, nicht jedoch eine vertiefende soziale Integration der Beschwerdeführerin.

2.4. Die Beschwerdeführerin leidet an einer rezidivierenden depressiven Störung (ICD-10: F33.2) sowie einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10: F43.0). Sie hat Suizidgedanken geäußert und befindet sich in einem schlechten Allgemeinzustand. Ebenso leidet sie an einer partiellen Hypophysenvorderlappeninsuffizienz, an Amenorrhoe (Ausbleiben der Menstruation), an einer sekundären Nebennierenrinden-Insuffizienz und an einer substituierten Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion). Sie wird medikamentös behandelt. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Erkrankungen der Beschwerdeführerin im Heimatstaat nicht behandelbar wäre. Festgestellt wird, dass die ihr verschriebenen Medikamente/Wirkstoffe im Herkunftsstaat erhältlich sind.

2.5. In Österreich lebt derzeit die Schwester der Beschwerdeführerin, deren Beschwerde im Verfahren über einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen mit Erkenntnis vom heutigen Tag zu W226 1418379-6 abgewiesen wurde. Zwischen dieser Schwester und der Beschwerdeführerin besteht ein enges Naheverhältnis. Im Bundesgebiet lebt auch der Bruder der Beschwerdeführerin und dessen Familie. Zu diesem steht die Beschwerdeführerin in regelmäßigem Kontakt. Ein gemeinsamer Haushalt besteht ebenso wenig wie ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis.

Der Neffe der Beschwerdeführerin ist seit November 2017 traditionell verheiratet. Eine standesamtliche Hochzeit fand nicht statt. Die Lebensgefährtin des Sohnes der Beschwerdeführerin lebte bis Dezember 2017 im gemeinsamen Haushalt mit der Beschwerdeführerin und deren Schwester.

In Österreich leben außerdem noch weitere Verwandte der Beschwerdeführerin, zu denen ebenfalls kein besonderes Naheverhältnis und keine finanzielle Abhängigkeit festgestellt werden konnte.

2.6. Die Beschwerdeführerin spricht fließend Russisch. Sie hat ihren Lebensunterhalt in der Russischen Föderation als Verkäuferin erwirtschaftet.

Im Herkunftsstaat leben eine Schwester und ein Bruder der Beschwerdeführerin sowie zwei Neffen. Zu ihrer im Herkunftsstaat lebenden Schwester steht die Beschwerdeführerin weiterhin in Kontakt.

Die Beschwerdeführerin verfügt in der Russischen Föderation über ein soziales Netz, welches willens und in der Lage ist, ihr Unterstützung zu leisten.

2.7. Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2.8. Nicht festgestellt werden kann, dass eine ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche individuelle Integration der Beschwerdeführerin in Österreich vorliegt.

2.9. Das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen konnte nicht festgestellt werden.

2.10. Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Aufgrund der in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen werden folgende Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers getroffen:

(Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Russischen Föderation, Stand 21.06.2017; gekürzt und bereinigt):

2.10.1. Bewegungsfreiheit

In der Russischen Föderation herrscht Bewegungsfreiheit sowohl innerhalb des Landes, als auch bei Auslandsreisen, ebenso bei Emigration und Repatriierung. Somit steht Tschetschenen, genauso wie allen russischen Staatsbürgern [auch Inguschen, Dagestaner etc.] das in der Verfassung verankerte Recht der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthalts in der Russischen Föderation zu. Jedoch wird der legale Zuzug an vielen Orten durch Verwaltungsvorschriften stark erschwert. Mit dem Föderationsgesetz von 1993 wurde ein Registrierungssystem geschaffen, nach dem Bürger den örtlichen Stellen des Innenministeriums ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort und ihren Wohnsitz melden müssen. Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses und nachweisbarer Wohnraum. Nur wer eine Bescheinigung seines Vermieters vorweist, kann sich registrieren lassen. Kaukasier haben jedoch größere Probleme als Neuankömmlinge anderer Nationalität, überhaupt einen Vermieter zu finden. Es ist grundsätzlich möglich, von und nach Tschetschenien ein- und auszureisen und sich innerhalb der Republik zu bewegen. An den Grenzen zu den russischen Nachbarrepubliken befinden sich jedoch nach wie vor Kontrollposten, die gewöhnlich eine nicht staatlich festgelegte "Ein- bzw. Ausreisegebühr" erheben (AA 24.1.2017, vgl. US DOS 3.3.2017, FH 2017).

Personen, die innerhalb des Landes reisen, müssen ihre Inlandspässe zeigen, wenn sie Tickets kaufen wollen für Reisen via Luft, Schienen, Wasser und Straßen. Dies gilt nicht für Pendler (US DOS 3.3.2017).

Bei der Einreise werden die international üblichen Pass- und Zollkontrollen durchgeführt. Personen ohne reguläre Ausweisdokumente wird in aller Regel die Einreise verweigert. Russische Staatsangehörige können grundsätzlich nicht ohne Vorlage eines russischen Reisepasses wieder in die Russische Föderation einreisen. Russische Staatsangehörige, die kein gültiges Personaldokument vorweisen können, müssen eine administrative Strafe zahlen, erhalten ein vorläufiges Personaldokument und müssen bei dem für sie zuständigen Meldeamt die Ausstellung eines neuen Inlandspasses beantragen. Der Inlandspass ermöglicht die Abholung der Pension vom Postamt, die Arbeitsaufnahme, die Eröffnung eines Bankkontos, aber auch den Kauf von Bahn- und Flugtickets (AA 24.1.2017).

Nach Angaben des Leiters der Pass- und Visa-Abteilung im tschetschenischen Innenministerium haben alle 770.000 Bewohner Tschetscheniens, die noch die alten sowjetischen Inlandspässe hatten, neue russische Inlandspässe erhalten (AA 24.1.2017).

2.10.1.1. Meldewesen

Eine dauerhafte Registrierung wird durch einen Stempel im Inlandspass vermerkt, eine temporäre Registrierung durch einen in den Inlandspass eingelegten Zettel. Für einen Aufenthalt bis zu 90 Tage ist keine Registrierung verpflichtend, jedoch kann es notwendig werden bei einer Dokumentenkontrolle nachzuweisen, dass man sich noch nicht länger als 90 Tage in dem Gebiet aufhält, beispielsweise durch Vorweisen der Busfahrkarte. Wenn jemand ausreist, um im Ausland zu leben, so wird dies registriert und in seinem Reisepass vermerkt. Umgangssprachlich wird die Registrierung nach wie vor so genannt, wie das Meldesystem zu Sowjetzeiten: "Propiska" (Russisch:

?????¿???). Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses und ein nachweisbarer Wohnraum (ggf. Bescheinigung des Vermieters). Eine Arbeitsstelle oder Einkommen müssen nicht nachgewiesen werden. 2010 kam es zu einer Vereinfachung des Registrierungsprozesses, insbesondere für temporäre Registrierungen. Für eine solche muss man nunmehr lediglich einen Brief an die zuständige lokale Behörde schicken. Eine Registrierung ist wie ausgeführt für einen legalen Aufenthalt in der Russischen Föderation unabdingbar. Diese ermöglicht außerdem den Zugang zu Sozialhilfe und staatlich geförderten Wohnungen, zum kostenlosen Gesundheitssystem, sowie zum legalen Arbeitsmarkt. Alle Staatsbürger der Russischen Föderation, auch Rückkehrer, werden am Aufenthaltsort registriert. Gesetzlich ist vorgesehen, dass die Registrierung ab Einlangen der Unterlagen bei der zuständigen Behörde drei Tage dauert. Staatsbürger können bei Verwandten unterkommen oder selbstständig einen Wohnraum organisieren. Die föderal-gesetzlichen Regeln für die Registrierung gelten in der gesamten Russischen Föderation einheitlich, werden jedoch regional unterschiedlich angewendet. Korruption soll auch im Bereich der Registrierung in nicht unbeträchtlichem Ausmaß vorkommen, insbesondere in der Hauptstadt Moskau (BAA 12 .2011). Gegen Jahresmitte 2016 wurde der FMS aufgelöst und die entsprechenden Kompetenzen in das Innenministerium verlagert (ÖB Moskau 12.2016). Die neue Behörde, die die Aufgaben des FMS übernommen hat, ist die Hauptverwaltung für Migrationsfragen (General Administration for Migration Issues - GAMI) (US DOS 3.3.2017).

Laut einer westlichen Botschaft ist eine Registrierung für alle Personen in Moskau und St. Petersburg im Vergleich zu anderen russischen Städten am schwierigsten zu erlangen. Auch die Korruptionszahlungen sind in Moskau höher. Ebenso ist es in Moskau schwieriger, eine Wohnung zu mieten, die Mieten sind zudem hoch. Auch UNHCR geht davon aus, dass die Registrierung in Moskau für jeden schwierig ist, nicht nur für Tschetschenen. In Mietanzeigen werden Zimmer oft nur für Slawen angeboten. Gemäß einer Vertreterin des House of Peace and Non-Violence ist es für Tschetschenen leichter, in kleineren Orten als Moskau und St. Petersburg zu leben, jedoch ist es in großen Städten leichter, unterzutauchen. Personen, die Kadyrow fürchten, würden ihren Aufenthalt nicht registrieren lassen. Auch in St. Petersburg werden in Mietanzeigen Wohnungen oft nur für Russen angeboten. Tschetschenen nutzen aber ihre Netzwerke, um Wohnungen zu finden. Einer internationalen Organisation zufolge ist es für jemanden, der einen Machtmissbrauch von lokalen Behörden in einem Föderationssubjekt fürchtet schwierig, einen sicheren Ort in einer anderen Region in Russland zu finden. Ist die Person registriert, ist es für die Behörden leichter, sie zu finden. Laut einem Vertreter des Committee Against Torture sind tschetschenische Familien, die in andere Regionen Russlands kommen, nicht automatisch schweren Rechtsverletzungen ausgesetzt. Öffentlich Bedienstete haben kein Recht, einem Tschetschenen die Registrierung zu verweigern, weshalb im Endeffekt jeder registriert wird. Tschetschenen könnten Diskriminierung durch die Behörden ausgesetzt sein, nicht aber Gewalt. Laut einer Vertreterin des House of Peace and Non-Violence und einer westlichen Botschaft zufolge könnten aber temporäre Registrierungen nur für drei Monate anstatt für ein Jahr ausgestellt werden, weshalb dann die betroffene Person öfter zum Amt kommen muss (DIS 8.2012). Im FFM Bericht des Danish Immigration Service vom Jänner 2015 wird berichtet, dass es keine größeren Änderungen in Bezug auf die Registrierung gibt. Es gibt eine Neuheit, nämlich dass eine Person in dem Apartment wohnen muss, wo sie registriert ist. Wenn die Person woanders wohnt, könnte der/die Eigentümer/in bestraft werden. Aufgrund dessen könnte es schwieriger sein, den Wohnort zu registrieren. Einige Vermieter möchten auch keine Mieter registrieren, da sie Steuerabgaben vermeiden wollen (DIS 1.2015).

2.10.1.2. Lage von Tschetschenen in der Russischen Föderation außerhalb der Republik Tschetschenien

Was die Anzahl von Tschetschenen im Rest des Landes anbelangt, ist es aufgrund der öffentlichen Datenlage schwierig, verlässliche Aussagen zu treffen. Laut Volkszählung 2010 lebten etwa in Moskau ca. 14.500 Tschetschenen (von insgesamt 1.4 Mio landesweit). Es ist anzunehmen, dass die tatsächliche Zahl größer ist, insbesondere wenn man sie mit den Angaben über andere, kleinere Nationalitäten vergleicht (ca. 11.400 Osseten, über 17.000 Mordwinen). Dabei ist auch zu bedenken, dass laut der Statistik fast 700.000 Personen keine Angaben über ihre nationale Zugehörigkeit machten. In den meisten Regionen Russlands lag die Anzahl der Tschetschenen bei der Volkszählung 2010 bei einigen Hundert, größere Gemeinschaften gab es in Dagestan (ca. 93.600), in Inguschetien (ca. 18.700), sowie in den südlichen Regionen Astrachan (ca. 7.200), Wolgograd (fast 10.000), Rostow (ca. 11.500), Stawropol (ca. 12.000), Saratow (ca. 5.700) und im westsibirischen Tjumen (ca. 10.500) (ÖB Moskau 12.2016).

Die Bevölkerung in Tschetschenien selbst wird auf etwa 1,3 Millionen geschätzt, wobei auch hier die offiziellen Angaben von unabhängigen Medien in Frage gestellt werden. Laut Aussagen von Kadyrow sollen rund 600.000 TschetschenInnen außerhalb der Region leben, die eine Hälfte davon in Russland, die andere Hälfte im Ausland. Experten zufolge hat die Hälfte Tschetschenien während der Kriege nach dem Zerfall der Sowjetunion verlassen, bei der anderen Hälfte handle es sich um Siedlungsgebiete außerhalb Tschetscheniens, die bereits vor über einem Jahrhundert entstanden seien, teilweise durch Migration aus dem Russischen in das Osmanische Reich, und zwar über Anatolien bis in den arabischen Raum. Eine der derzeitigen Hauptmigrationsrouten aus dem Nordkaukasus nach Mitteleuropa führt über Belarus und Polen. Laut einer Analyse der Jamestown Foundation soll die tschetschenische Diaspora in Europa rund 150.000 Personen umfassen, die tschetschenische Diaspora in Österreich wird auf rund 30.000 Personen geschätzt. Das tschetschenische Oberhaupt hat verlautbart, die Bande zu den tschetschenischen Gemeinschaften außerhalb der Teilrepublik aufrecht halten zu wollen, wobei unabhängigen Medien zufolge auch Familienmitglieder in Tschetschenien für als ungebührlich empfundenes Verhalten Angehöriger gemaßregelt bzw. unter Druck gesetzt werden. Abgesehen davon sind auch vereinzelte Fälle gezielter Tötungen politischer Gegner im Ausland bekannt geworden. Prominentes Beispiel dafür sind die Brüder Jamadajew, von denen einer in Moskau erschossen und ein anderer in Dubai umgebracht wurde, während ein dritter sich mit Kadyrow ausgesöhnt haben soll. Insgesamt schwanken die mitunter ambivalenten Aussagen von Kadyrow zur Migration nach Westeuropa zwischen Toleranz und Kritik. Vor diesem Hintergrund herrscht aus menschenrechtlicher Perspektive die Einschätzung vor, dass die gemessen an der Größe der tschetschenischen Diaspora innerhalb und außerhalb Russlands quantitativ geringe Zahl an tatsächlich Verfolgten sowohl im Inland als auch im Ausland in Einzelfällen einer konkreten Gefährdung ausgesetzt sein können. Auf das Potential zur Instrumentalisierung dieser nur selten begründbaren Gefährdungslage wird meist dann zurückgegriffen, wenn sozio-ökonomische Motive hinter dem Versuch der Migration nach Westeuropa stehen, wie von menschenrechtlicher Seite eingeräumt wird. Analysten weisen überdies auf den dynamischen Wandel des politischen Machtgefüges in Tschetschenien sowie gegenüber dem Kreml hin. Prominentes Beispiel dafür ist der Kadyrow-Clan selbst, der im Zuge der Tschetschenienkriege vom Rebellen- zum Vasallentum wechselte. Laut einer aktuellen Analyse des Carnegie-Zentrums in Moskau sollen die meisten Tschetschenen derzeit aus rein ökonomischen Gründen emigrieren, Tschetschenien bleibe zwar unter der Kontrolle von Kadyrow, seine Macht erstrecke sich allerdings nicht über die Grenzen Tschetscheniens hinaus. Überdies wird hervorgehoben, dass das tschetschenische Vasallentum zum Kreml in gewisser Konkurrenz mit den föderalen Sicherheitskräften um das Machtmonopol in Tschetschenien selbst stehe. Andere Kommentatoren verweisen auf die Rivalität zwischen verschiedenen islamischen Strömungen in Tschetschenien, insbesondere zwischen dem traditionellen Sufismus und dem als wenig autochthon kritisierten Salafismus. Die Heterogenität und Dynamik des politischen und religiösen Machtgefüges in Tschetschenien prägen also auch die oppositionellen Strömungen. Überdies wirken sozio-ökonomische Motive als bedeutende ausschlaggebende Faktoren für die Migration aus dem Nordkaukasus. Trotz der Rhetorik des tschetschenischen Oberhauptes gilt dessen Machtentfaltung außerhalb der Grenzen der Teilrepublik als beschränkt, und zwar nicht nur formell im Lichte der geltenden russischen Rechtsordnung, sondern auch faktisch durch die offenkundige Konkurrenz zu den föderalen Sicherheitskräften. Allein daraus ist zu folgern, dass die umfangreiche tschetschenische Diaspora innerhalb Russlands nicht unter der unmittelbaren Kontrolle von Kadyrow steht. Wie konkrete Einzelfälle aus der Vergangenheit zeigen, können kriminelle Akte gegen explizite Regimegegner im In- und Ausland allerdings nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Was die sozio-ökonomischen Grundlagen für die tschetschenische Diaspora innerhalb Russlands betrifft, ist davon auszugehen, dass die wirtschaftlich stärkeren Metropolen und Regionen in Russland trotz der derzeitigen Wirtschaftskrise bei vorhandener Arbeitswilligkeit auch entsprechende Chancen für russische Staatsangehörige aus der bislang eher strukturschwachen Region des Nordkaukasus bieten. Parallel dazu zeigt sich die russische Regierung bemüht, auch die wirtschaftliche Entwicklung des Nordkaukasus selbst voranzutreiben, unter anderem auch durch Ankurbelung ausländischer Investitionstätigkeit. Dazu führte etwa der für den Nordkaukasus zuständige Minister Ende Februar 2016 Arbeitsgespräche mit dem BMWFW in Wien, und Anfang April veranstaltete die WKÖ eine Marktsondierungsreise in die Region. Für 2017 prognostiziert die Weltbank ein moderates Wachstum der russischen Volkswirtschaft (ÖB Moskau 12.2016).

Gemäß Einschätzung verschiedener NGOs greifen Strafverfolgungsbehörden oft auf ein ethnisches "Profiling" zurück. Dieses richte sich besonders gegen Personen aus dem Kaukasus und Zentralasien. Nach Angaben von Swetlana Gannuschkina beschuldigen russische Behörden Personen aus dem Nordkaukasus oft willkürlich für Straftaten, die sie nicht begangen, die sich aber tatsächlich ereignet hätten. Die Ermittler würden eine Straftat so darstellen, dass die Mitschuld der betroffenen Person aus dem Nordkaukasus als erwiesen erscheine. Nach Angaben von Gannuschkina würden dabei auch Geständnisse mittels Folter (Schläge, Elektroschocks, Vergewaltigung oder die Androhung von Vergewaltigung) erpresst. Staatsanwälte unterstützten in der Regel diese Untersuchungen. Die Gerichte würden die Mängel der Untersuchung ignorieren und oft eine unbedingte Strafe verhängen. Laut Gannuschkina versuchen Polizeivertreter, die Zahl von aus dem Nordkaukasus stammenden Personen in ihren jeweiligen Zuständigkeitsgebieten zu verringern. Die polizeilichen Führungskräfte würden diese Maßnahmen unterstützen. Nach Angaben einer westlichen Botschaft in Moskau aus dem Jahr 2012 kommen fingierte Strafverfahren vor, jedoch nicht in systematischer Weise. Es gebe Berichte, dass insbesondere junge muslimische Personen aus dem Nordkaukasus Opfer solcher Praktiken werden können. Auch die norwegische Landinfo kommt im März 2014 zum Schluss, dass es weiterhin fingierte Strafverfahren gegen Personen aus dem Nordkaukasus und Tschetschenien gebe (SFH 25.7.2014).

Personen aus dem Nordkaukasus können grundsätzlich problemlos in andere Teile der Russischen Föderation reisen. Ihr Aufenthalt wird aber durch antikaukasische Stimmungen erschwert. In großen Städten wird der Zuzug von Personen reguliert und ist erkennbar unerwünscht. Die regionalen Strafverfolgungsbehörden können Menschen auf der Grundlage von in ihrer Heimatregion erlassenen Rechtsakten auch in anderen Gebieten der Russischen Föderation in Gewahrsam nehmen und in ihre Heimatregion verbringen. Kritiker, die Tschetschenien aus Sorge um ihre Sicherheit verlassen mussten, fühlen sich häufig auch in russischen Großstädten vor dem "langen Arm" des Regimes von Ramsan Kadyrow nicht sicher. Bewaffnete Kräfte, die Kadyrow zuzurechnen sind, sind etwa auch in Moskau präsent. Die tschetschenische Diaspora in allen russischen Großstädten ist in den letzten Jahren stark angewachsen (200.000 Tschetschenen sollen allein in Moskau leben) (AA 24.1.2017).

Laut UNHCR in Moskau gibt es in der gesamten Russischen Föderation tschetschenische Communities. Die größten befinden sich in Moskau, der Region Moskau und in St. Petersburg. Hauptsächlich arbeiten Tschetschenen im Baugewerbe und im Taxibusiness. In der Region Wolgograd leben ca. 20.000 Tschetschenen. Einige von ihnen leben dort schon seit 30 Jahren. Viele flohen aus Tschetschenien während der beiden Kriege. Mittlerweile sind die Zahlen von ankommenden Tschetschenen geringer geworden. 2013 kamen weniger als 500 Tschetschenen in die Region. Die meisten Tschetschenen verlassen die Republik aufgrund der sehr bescheidenen sozio-ökonomischen Aussichten in ihrer Heimatrepublik. Laut Memorial Wolgograd gibt es keine Beschwerden von Tschetschenen in der Region aufgrund von Rassismus oder Diskriminierung. Tschetschenen haben denselben Zugang zum Gesundheits- und Bildungssystem wie alle anderen russischen Staatsbürger. Heutzutage kommen Tschetschenen hauptsächlich zum Zwecke eines Studiums nach Wolgograd. Mittlerweile sind die Lebensbedingungen in Wolgograd nicht so gut wie in Tschetschenien. Dies liegt an den föderalen Fördermittel, die Tschetschenien erhält. Die Bevölkerung in Wolgograd sinkt, während jene in Tschetschenien steigt (DIS 1.2015).

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die tschetschenischen Behörden Unterstützer und Familienmitglieder einzelner Kämpfer auf dem gesamten Territorium der Russischen Föderation suchen und/oder finden würden, was aber bei einzelnen bekannten oder hochrangigen Kämpfern sehr wohl der Fall sein kann (BAA Staatendokumentation 20.4.2011).

2.10.2. Grundversorgung/Wirtschaft

2016 betrug die Zahl der Erwerbstätigen in Russland ca. 75,6 Millionen, somit ungefähr 53% der Gesamtbevölkerung. Der Frauenanteil an der erwerbstätigen Bevölkerung beträgt knapp 49%. Die Arbeitslosenrate liegt bei 5,7% (WKO 4.2017). Der Durchschnittslohn im Juni 2015 lag bei 31.100 RUB (EUR 425) (IOM 8.2015).

Russland ist einer der größten Energieproduzenten der Welt und verfügt mit einem Viertel der Weltgasreserven (25,2%), circa 6,3% der Weltölreserven und den zweitgrößten Kohlereserven (19%) über bedeutende Ressourcen. Die mangelnde Diversifizierung der russischen Wirtschaft führt zu einer überproportional hohen Abhängigkeit der Wirtschaftsentwicklung von den Einnahmen aus dem Verkauf von Öl und Gas. Rohstoffe stehen für ca. 80% der Exporte und finanzieren zu rund 50% den Staatshaushalt. Seit der Jahrtausendwende war die russische Wirtschaft eine der am schnellsten wachsenden großen Volkswirtschaften der Welt, mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von fast 7%. Die volkswirtschaftliche Stabilisierung war die größte Errungenschaft der ersten Präsidentschaft Wladimir Putins. Entscheidend dafür war die Fähigkeit, die enorm angestiegenen Exporteinnahmen intelligent zu nutzen. Die Staatsverschuldung verschwand in Relation zum BIP fast vollständig:

Sie fiel von 51% auf 4%. Die Kreditwürdigkeit des Landes wurde damit erheblich gesteigert. Die Binnennachfrage wuchs aufgrund der Einnahmen aus den Rohstoffexporten. Der Staat akkumulierte die drittgrößten Devisenreserven weltweit, sowie zusätzlich einen Reservefonds und einen Fonds für den nationalen Wohlstand. In strategisch wichtigen Wirtschaftsbereichen (von der Weltraumtechnik und der Atomkraft, bis hin zu Schiffs- und Flugzeugbau) stärkte der Staat seine Position in dem er staatliche Kapitalgesellschaften gründete. Dabei spielten Holdings, die als Dachunternehmen die staatlichen Beteiligungen an einzelnen Betrieben einer Branche zusammenfassen, eine wichtige Rolle. Die im Herbst 2008 ausgebrochene internationale Finanzkrise traf Russland sehr stark. Die russische Regierung konnte in Reaktion darauf den russischen Finanzsektor mit staatlichen Geldern stabilisieren und anschließend ein umfangreiches Konjunkturpaket, das Steuervergünstigungen und staatliche Kreditgarantien umfasste, aus den Rücklagen finanzieren. Auf ein negatives Wirtschaftswachstum von 7,9% im Jahr 2009 folgten 2010-2012 wieder Zuwachsraten von über 4%: Getragen wurde das Wachstum von hohen Rohstoffpreisen, aber auch wachsender Beschäftigung und steigender Industrieproduktion. Die hohen internationalen Energiepreise sorgten 2012 für ein anhaltendes Wirtschaftswachstum. Die Industrieproduktion stieg, allerdings lag der Zuwachs unter den Vorjahreswerten. Die Arbeitslosenrate sank zwischen 2010 und 2012 von 7,2% auf 5,4% und die Durchschnittslöhne lagen 2011 und 2012 deutlich höher als vor der Finanzkrise 2008/9. Während 2012 für Russland insgesamt also zufriedenstellend verlief, war 2013 wegen der Konjunkturschwäche im Euro-Raum und der weltweit gesunkenen Rohstoffpreise schwach. Nach einem Plus von 3,4% im Jahr 2012, kam es für 2013 nur noch zu einem leichten Wachstum von 1,3%. Das Land ist in eine Phase anhaltender wirtschaftlicher Stagnation getreten. Gleichzeitig stieg Russland im Ranking von "Doing Business" von Platz 112 in 2012 über Platz 92 in 2013 und Platz 64 in 2014 auf Platz 40 in 2017. Die Staatsverschuldung in Russland ist mit rund 10% des BIP weiterhin vergleichsweise moderat. Sowohl hohe Gold- und Währungsreserven als auch die beiden durch Rohstoffeinnahmen gespeisten staatlichen Reservefonds stellen eine Absicherung des Landes dar. Strukturdefizite, Finanzierungsprobleme und Handelseinschränkungen durch Sanktionen seitens der USA, Kanadas, Japans und der EU bremsten das Wirtschaftswachstum. Insbesondere die rückläufigen Investitionen und die Fokussierung staatlicher Finanzhilfen auf prioritäre Bereiche verstärken diesen Trend. Das komplizierte geopolitische Umfeld und die Neuausrichtung der Industrieförderung führen dazu, dass Projekte vorerst verschoben werden. Wirtschaftlich nähert sich Russland der VR China an. Im Index of Economic Freedom nimmt Russland 2017 den 114. Platz unter 180 Ländern ein. Das schlechte Investitionsklima schlägt sich in einer niedrigen Rate ausländischer Investitionen nieder. Bürokratie, Korruption und Rechtsunsicherheit bremsen die wirtschaftliche Entwicklung aus. Seit Anfang 2014 hat die Landeswährung mehr als ein Drittel ihres Wertes im Vergleich zum Euro verloren, was unter anderem an den westlichen Sanktionen wegen der Ukraine-Krise und dem fallenden Ölpreis liegt. Durch den Währungsverfall sind die Preise für Verbraucher erheblich gestiegen, die Inflationsrate betrug Ende 2015 ca. 15%. 2015 geriet die russische Wirtschaft in eine schwere Rezession. Nach dem BIP-Rückgang um 3% 2015 und dem weiteren BIP-Rückgang um 0,2% 2016 wird für 2017 eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts um ca. 1,5% prognostiziert (GIZ 7.2017b).

Nach Jahren stetiger Verbesserung verschlechtert sich der allgemeine Lebensstandort seit 2012 wieder. Zwar stiegen das Durchschnittseinkommen und die Durchschnittsrente, bedingt durch die hohe Inflationsrate sanken jedoch die real verfügbaren Einkommen und die Armut wuchs an. Während 2012 noch 10,7 % der Bevölkerung unter die offizielle Armutsgrenze fielen, ist die Anzahl der Menschen mit einem Einkommen unterhalb des Existenzminimums weiter gestiegen und betrug im I. Quartal 2016 22,7 Millionen oder 15,7 % der gesamten Bevölkerung. Die staatliche Unterstützung reicht häufig nicht zur Deckung des Grundbedarfs. Problematisch bleibt die Situation der Rentner. In der jüngeren Vergangenheit hat sich die Lage nach einigen Rentenerhöhungen verbessert, die Mehrheit der Rentner lebt jedoch in armen Verhältnissen. Die Renten belaufen sich auf durchschnittlich 12.425 Rubel pro Monat (AA 24.1.2017).

Angesichts der Geschehnisse in der Ost-Ukraine hat die EU mit VO 833/2014 und mit Beschluss 2014/512/GASP am 31.7.2014 erstmals Wirtschaftssanktion gegen Russland verhängt und mit 1.8.2014 in Kraft gesetzt. Diese wurden mehrfach, zuletzt mit Beschluss (GASP) 2017/1148 bis zum 31.1.2018 verlängert (WKO 29.6.2017).

2.10.2.1. Nordkaukasus

Die nordkaukasischen Republiken ragen unter den Föderationssubjekten Russlands durch einen überdurchschnittlichen Grad der Verarmung und der Abhängigkeit vom föderalen Haushalt hervor. Die Haushalte Dagestans, Inguschetiens und Tschetscheniens werden zu über 80% von Moskau finanziert (GIZ 4.2017a).

Trotz der Versuche Moskaus, die sozioökonomische Situation im Nordkaukasus zu verbessern, ist die Region nach wie vor weitgehend von Transferzahlungen des föderalen Zentrums abhängig. Die derzeitige Wirtschaftskrise und damit einhergehenden Einsparungen im Budget stellen eine potentielle Gefahr für die Subventionen an die Nordkaukasus-Republiken dar (ÖB Moskau 12.2016).

Der Kreml verfolgt seit einigen Jahren einen Ansatz, der auf regionale wirtschaftliche Entwicklung setzt und viele der Republiken im Nordkaukasus - allen voran Tschetschenien - haben durch zahlreiche Verwaltungs- und Finanzreformen heute mehr Unabhängigkeit als Anfang der 1990er Jahre jemals anzunehmen gewesen wäre. Auch der Tourismus soll in der landschaftlich attraktiven Region helfen, die Spirale aus Armut und Gewalt zu durchbrechen, wie insbesondere in der Entscheidung, die olympischen Winterspiele 2014 im unweit der Krisenregion gelegenen Sotschi auszutragen, deutlich wird. Zudem profitieren einige Teilrepubliken von Rohstoffvorkommen und so lassen sich auch einige sichtbare Zeichen von wirtschaftlichem Aufschwung und Wiederaufbau im Nordkaukasus ausmachen. Als beispielhaft dafür steht unter anderem die tschetschenische Hauptstadt Grosny, die nach ihrer fast völligen Zerstörung heute durchaus auflebt. Die schlechte Sicherheitslage und ein weit gestricktes Netzwerk aus Korruption, die zu einem wesentlichen Teil von den Geldern des russischen Zentralstaats lebt, blockieren aber eine umfassende und nachhaltige Entwicklung des Nordkaukasus. Das grundlegende Problem liegt in der russischen Strategie, den Konflikt durch die Übertragung der Verantwortung an lokale Machtpersonen mit zweifelhaftem Ruf zu entmilitarisieren. Deren Loyalität zu Moskau aber basiert fast ausschließlich auf erheblichen finanziellen Zuwendungen und dem Versprechen der russischen Behörden, angesichts massiver Verstrickungen in Strukturen organisierter Kriminalität beide Augen zuzudrücken. Ein wirksames Aufbrechen dieses Bereicherungssystems jedoch würde wiederum die relative Stabilität gefährden. Nachhaltige Entwicklungsfortschritte bleiben deshalb bislang weitgehend aus und insbesondere die hohe regionale Arbeitslosigkeit bildet einen Nährboden für neue Radikalisierung (Zenithonline 10.2.2014).

2.10.2.2. Tschetschenien

Die wirtschaftliche Situation in Tschetschenien hat sich aufgrund massiver Transferzahlungen aus dem föderalen Budget in den letzten Jahren stabilisiert. Laut der Zeitung RBK Daily wurden seit 2001 rund 464 Mrd. Rubel (ca. 14 Mrd. USD) in den Wiederaufbau der Republik investiert. Obwohl die föderalen Zielprogramme für die Region mittlerweile ausgelaufen sind, bestehen noch immer über 85% des Budgets der Republik aus Direktzahlungen aus Moskau. Die Arbeitslosenquote betrug laut offiziellen Statistiken der Republik im ersten Quartal 2016 rund 12%, was von Experten jedoch als zu niedrig angezweifelt wird. Der monatliche Durchschnittslohn in Tschetschenien lag im 1. Quartal 2016 bei 21.774 Rubel (landesweit: 34.000 Rubel), die durchschnittliche Pensionshöhe bei 10.759 Rubel (landesweit: 12.299 Rubel). Die Höhe des Existenzminimums für die erwerbsfähige Bevölkerung ist mit 9.317 Rubel pro Monat festgelegt (landesweit: 10.187 Rubel), für Pensionisten mit 8.102 Rubel (landesweit: 7.781 Rubel) und für Kinder mit 7.348 Rubel (landesweit: 9.197 Rubel). Korruption ist nach wie vor weit verbreitet und große Teile der Wirtschaft werden von wenigen, mit dem politischen System eng verbundenen Familien kontrolliert. Laut einem rezenten Bericht der International Crisis Group gibt es glaubwürdige Berichte, wonach öffentliche Bedienstete einen Teil ihres Gehalts an den nach Kadyrows Vater benannten und von dessen Witwe geführten Wohltätigkeitsfonds abführen müssen. Der 2004 gegründete Fonds baut Moscheen und verfolgt Charity-Projekte, Kritiker werfen ihm jedoch vor, als Vehikel zur persönlichen Bereicherung Kadyrows und der ihm nahestehenden Gruppen zu dienen. Selbst die nicht als regierungskritisch geltende Tageszeitung "Kommersant" bezeichnete den Fonds als eine der intransparentesten NGOs des Landes (ÖB Moskau 12.2016).

Die materiellen Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich seit dem Ende des Tschetschenienkrieges dank großer Zuschüsse aus dem russischen föderalen Budget deutlich verbessert. Die ehemals zerstörte Hauptstadt Tschetscheniens, Grosny, ist wieder aufgebaut. Problematisch sind allerdings weiterhin die Arbeitslosigkeit und die daraus resultierende Armut und Perspektivlosigkeit von Teilen der Bevölkerung (AA 24.1.2017).

2.10.3. Sozialbeihilfen

Russland hat ein grundlegendes Sozialsystem, welches Renten verwaltet und Hilfe für gefährdete Bürger gewährt (IOM 8.2015). Das soziale Sicherungssystem wird von vier Institutionen getragen: dem Rentenfonds, dem Sozialversicherungsfonds, dem Fonds für obligatorische Krankenversicherung und dem Staatlichen Beschäftigungsfonds. Aus dem 1992 gegründeten Rentenfonds werden Arbeitsunfähigkeits- und Altersrenten gezahlt. Das Rentenalter wird mit 60 Jahren bei Männern und bei 55 Jahren bei Frauen erreicht. Die Rentenreform sieht die Gründung der nichtstaatlichen Rentenfonds vor, die neben der Grundversicherung einen zusätzlichen privaten Teil der Rente ermöglichen. Der Sozialversicherungsfonds finanziert das Mutterschaftsgeld (bis zu 18 Wochen), Kinder- und Krankengeld. Das Krankenversicherungssystem umfasst eine garantierte staatliche Minimalversorgung, eine Pflichtversicherung und eine freiwillige Zusatzversicherung. Vom staatlichen Beschäftigungsfonds wird das Arbeitslosengeld (maximal ein Jahr lang) ausgezahlt. Alle Sozialleistungen liegen auf einem niedrigen Niveau (GIZ 7.2017c).

Das Ministerium für Gesundheit und Soziales setzt die staatliche Unterstützung für sozial bedürftige Gruppen in der Praxis um. Vor allem die soziale Fürsorge für Familien, alte Menschen, Invaliden und Waisen soll gefördert werden. Personen, die soziale Unterstützung erhalten können:

Es gibt weitere Kategorien, die auf verschiedenen Rechtsgrundlagen oder unter bestimmten Programmen, die von regionalen Behörden geleitet werden, anspruchsberechtigt sind. Personen der o.g. Kategorien erhalten eine monatliche Zahlung und soziale Beihilfe, einschließlich:

Invaliden zahlen nur die Hälfte der öffentlichen Nebenkosten und haben die Möglichkeit, in besonderen Ausbildungseinrichtungen zu lernen. Um die oben aufgeführten Leistungen erhalten zu können, müssen Personen, die den genannten Kategorien angehören, Dokumente vorlegen, die die Zugehörigkeit zur entsprechenden Gruppe offiziell bestätigen (IOM 6.2014).

MedCOI erwähnt weitere Kategorien von Bürgern, denen unterschiedliche Arten von sozialer Unterstützung gewährt werden:

Renten

[...]

Behinderung

Wohnungswesen

Bürger ohne Unterkunft oder mit unzumutbarer Unterkunft und sehr geringem Einkommen können kostenfreie Apartments beantragen

Arbeitslosenhilfe

Im Nordkaukasus besteht die höchste Arbeitslosenquote des Landes. Arbeitslose (mit Ausnahme von Schülern, Studenten und Rentnern) können sich bei den Arbeitsagenturen arbeitslos melden und Arbeitslosenhilfe beantragen. Die Arbeitsagentur wird innerhalb von zehn Tagen einen Arbeitsplatz anbieten. Lehnt der Bewerber die Stellen ab, wird er als arbeitslos eingetragen. Die Arbeitslosenhilfe basiert auf Durchschnittslohn der letzten Arbeit und ist auf ein Minimum und Maximum von der russischen Gesetzgebung begrenzt. Seit 2009 ist das Minimum RUB 850 (USD 15) pro Monat und das Maximum RUB 4.900 (USD 82). Die Förderung wird monatlich ausgezahlt, sofern der Begünstigte die notwendigen Verfahren der Neubewerbung (gewöhnlich zweimal im Monat) nach den Bedingungen der Arbeitsagentur durchläuft. Notwendige Unterlagen und Dokumente sind ein Reisepass oder ein gleichwertiges Dokument und ein Arbeitsbuch oder eine Kopie, die Lohnbescheinigung des letzten Jahres, die Steueridentifikationsnummer (INN certificate), der Rentenversicherungsausweis und Dokumente zum Nachweis der Ausbildung und Berufserfahrung (IOM 8.2015).

Unterbrechung der Arbeitslosenhilfe in folgenden Fällen:

2.10.3.1. Krankenversicherung

Seit dem 1. Januar 2011 gibt es ein neues Gesetz über die Krankenpflichtversicherung. Vor dem 1. Mai 2011 gab es in den verschiedenen Regionen unterschiedliche Krankenversicherungen, danach traten neue Regeln für den Abschluss einer universellen Krankenversicherung in Kraft. Die Änderung der Krankenversicherungen tritt nach und nach in den einzelnen Regionen in Kraft. Die versicherten Personen sollen medizinische Versorgung in Gesundheitszentren kostenfrei erhalten mit sowohl den alten als auch den neuen Krankenversicherungen. Die alten Krankenversicherungen bleiben so lange in Kraft, bis sie durch die neue Versicherung ersetzt werden, egal welche Gültigkeitsdauer auf der alten Krankenversicherung angegeben ist. Es gibt keine Richtlinie, die die Dauer des Austausches der Krankenversicherungen festlegt. Wenn jetzt ein Versicherungsnehmer seinen Job wechselt oder verlässt, bleibt die Versicherung gültig und es ist nicht notwendig, eine neue Versicherung abzuschließen. Im Rahmen der Krankenpflichtversicherung (OMS) können russische Staatsbürger eine kostenlose medizinische Grundversorgung in Anspruch nehmen, die durch staatliche Finanzmittel, Versicherungsbeiträge und andere Quellen finanziert wird (IOM 6.2014).

Kostenfreie Versorgung umfasst folgendes:

* Notfallbehandlung

* Ambulante Behandlung, inklusive Vorsorge, Diagnose und Behandlung von Krankheiten zu Hause und in Kliniken

* Stationäre Behandlung

* Teilweise kostenfreie Medikamente (IOM 8.2015)

Jede OMS-registrierte Person hat eine Krankenversicherung mit einer individuellen Nummer, wodurch ihnen der Zugang zur kostenfreien medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation garantiert wird; unabhängig von ihrem Wohnort. Bei der Anmeldung in einer Klinik muss zunächst die Versicherungsbescheinigung vorgelegt werden, es sei denn, es handelt sich um einen Notfall. Die Notfallbehandlung kann von allen russischen Staatsbürgern kostenlos in Anspruch genommen werden, unabhängig davon ob sie krankenversichert sind oder nicht. Um eine Krankenversicherung zu erhalten, müssen die Bürger an eine der Krankenversicherungen einen Antrag stellen und die folgenden Dokumente vorlegen: Antrag, Identifikationsdokument (für Erwachsene über 14 Jahre ein Reisepass oder vorläufiger Ausweis, für Kinder die Geburtsurkunde und den Pass bzw. vorläufigen Ausweis des Erziehungsberechtigten) und u.U. die Versicherungspolice der Rentenpflichtversicherung. Die Aufnahme in die Krankenversicherung sowie die Erneuerung sind kostenfrei. Für Kinder bis einschließlich 14 Jahren existiert ein gesondertes System der kostenlosen medizinischen Versorgung, sofern eine Registrierung in der Krankenpflichtversicherung (OMS) vorliegt. Kinder, die älter als 14 sind werden in der Regel in medizinischen Einrichtungen für Erwachsene behandelt. Einige Kliniken (staatliche und private) bieten kostenlose medizinische Konsultationen über das Internet an. Ausländische Staatsbürger haben in Russland nur Zugang zur medizinischen Grundversorgung, d.h. zur notfallmedizinischen Behandlung. Darüber hinausgehende Behandlungen werden in Rechnung gestellt und sind entweder durch direkte Zahlung an die jeweilige Klinik oder gegebenenfalls über die Krankenversicherung des Ausländers zu begleichen. Medizinische Versorgung gegen Bezahlung wird von privaten Gesundheitseinrichtungen unabhängig von der jeweiligen Staatsangehörigkeit angeboten. Umfragen zufolge haben 35% der Bevölkerung eine medizinische Serviceleistung gegen Bezahlung bereits in Anspruch genommen. Aufgrund der hohen Kosten kann der Großteil der Bevölkerung von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch machen. Neben der geschilderten Krankenpflichtversicherung können sowohl russische Staatsbürger als auch Ausländer gegen Bezahlung eine Freiwillige Krankenversicherung (DMS) abschließen, die immer weiter verbreitet ist. Ein Netz von Versicherungsgesellschaften bietet die entsprechenden Dienstleistungen an, wobei die Kosten für eine Versicherung - je nach Ruf der Versicherung und des gebotenen Servicepakets - zwischen 400 und mehreren tausend USD liegen können. Die meisten Versicherungsgesellschaften bevorzugen die Zusammenarbeit mit juristischen Personen. In den vergangenen zehn Jahren sind jedoch zunehmend Versicherungsprogramme für Privatpersonen aufgelegt worden (IOM 6.2014).

Die Beiträge der Krankenversicherung zahlt der Arbeitgeber (5,1% des Gehalts), für die nichtarbeitende Bevölkerung kommt der Staat auf (Handelsblatt o.D.).

2.10.4. Medizinische Versorgung

Das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung für alle Bürger ist in der Verfassung verankert. Russland weist zwar im internationalen Vergleich eine vergleichsweise hohe Anzahl der Ärzte und der Krankenhäuser pro Kopf der Bevölkerung auf, das noch aus der Sowjetzeit stammende Gesundheitssystem bleibt aber ineffektiv (GIZ 7.2017c). Die Einkommen des medizinischen Personals sind noch immer vergleichsweise niedrig. Dies hat zu einem System der faktischen Zuzahlung durch die Patienten geführt, obwohl ärztliche Behandlung eigentlich kostenfrei ist. Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und insbesondere HIV/AIDS, breiten sich weiter aus. In den letzten Jahren wurden in die Modernisierung des Gesundheitswesens erhebliche Geldmittel investiert. Der aktuelle Kostendruck im Gesundheitswesen führt aber dazu, dass viele Krankenhäuser geschlossen werden (AA 3 .2017a, vgl. GIZ 7.2017c, vgl. AA 24.1.2017). In Moskau, St. Petersburg und einigen anderen Großstädten gibt es einige meist private Krankenhäuser, die hinsichtlich der Unterbringung und der technischen und fachlichen Ausstattung auch höheren Ansprüchen gerecht werden. Notfallbehandlungen in staatlichen Kliniken sind laut Gesetz grundsätzlich kostenlos. Die Apotheken in den großen Städten der Russischen Föderation haben ein gutes Sortiment, wichtige Standardmedikamente sind vorhanden. Medikamentenfälschungen mit unsicherem Inhalt kommen allerdings vor (AA 13.7.2017b, vgl. AA 24.1.2017).

Im Bereich der medizinischen Versorgung von Rückkehrern sind der Botschaft keine Abweichungen von der landesweit geltenden Rechtslage bekannt. Seit Jänner 2011 ist das "Föderale Gesetz Nr. 326-FZ über die medizinische Pflichtversicherung in der Russischen Föderation" vom November 2010 in Kraft und seit Jänner 2012 gilt das föderale Gesetz Nr. 323-FZ vom November 2011 über die "Grundlagen der medizinischen Versorgung der Bürger der Russischen Föderation". Laut Gesetz hat jeder Mensch Anrecht auf kostenlose medizinische Hilfestellung in dem gemäß "Programm der Staatsgarantien für kostenlose medizinische Hilfestellung" garantierten Umfang. Von diesem Programm sind alle Arten von medizinischer Versorgung (Notfallhilfe, ambulante Versorgung, stationäre Versorgung, spezialisierte Eingriffe) erfasst. Kostenpflichtig sind einerseits Serviceleistungen (Einzelzimmer u.Ä.), andererseits jene medizinischen Leistungen, die auf Wunsch des Patienten durchgeführt werden (z.B. zusätzliche Untersuchungen, die laut behandelndem Arzt nicht indiziert sind). Staatenlose, die dauerhaft in Russland leben, sind bezüglich ihres Rechts auf medizinische Hilfe russischen Staatsbürgern gleichgestellt. Bei Anmeldung in der Klinik muss die Krankenversicherungskarte (oder die Polizze) vorgelegt werden, womit der Zugang zur medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation gewährleistet ist. Personen haben das Recht auf freie Wahl der medizinischen Anstalt und des Arztes, allerdings mit Einschränkungen. Für einfache medizinische Hilfe, die in der Regel in Polikliniken erwiesen wird, haben Personen das Recht die medizinische Anstalt nicht öfter als einmal pro Jahr, unter anderem nach dem territorialen Prinzip (d.h. am Wohn-, Arbeits- oder Ausbildungsort), zu wechseln. Davon ausgenommen ist ein Wechsel im Falle einer Änderung des Wohn- oder Aufenthaltsortes. Das bedeutet aber auch, dass die Inanspruchnahme einer medizinischen Standardleistung (gilt nicht für Notfälle) in einem anderen, als dem "zuständigen" Krankenhaus, bzw. bei einem anderen, als dem "zuständigen" Arzt, kostenpflichtig ist. In der ausgewählten Organisation können Personen ihren Allgemein- bzw. Kinderarzt nicht öfter als einmal pro Jahr wechseln. Falls eine geplante spezialisierte medizinische Behandlung im Krankenhaus nötig wird, erfolgt die Auswahl der medizinischen Anstalt durch den Patienten gemäß der Empfehlung des betreuenden Arztes oder selbstständig, falls mehrere medizinische Anstalten zur Auswahl stehen. Abgesehen von den obenstehenden Ausnahmen sind Selbstbehalte nicht vorgesehen. Die Versorgung mit Medikamenten ist grundsätzlich bei stationärer Behandlung, sowie bei Notfallbehandlungen kostenlos. Es wird aber berichtet, dass in der Praxis die Bezahlung von Schmiergeld zur Durchführung medizinischer Untersuchungen und Behandlungen teilweise durchaus erwartet wird. Weiters wird berichtet, dass die Qualität der medizinischen Versorgung hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Ausstattung von Krankenhäusern und der Qualifizierung der Ärzte landesweit durchaus variieren kann (ÖB Moskau 12.2016).

Das Gesundheitswesen wird im Rahmen der "Nationalen Projekte", die aus Rohstoffeinnahmen finanziert werden, modernisiert. So wurden landesweit sieben föderale Zentren mit medizinischer Spitzentechnologie und zwölf Perinatalzentren errichtet, Transport und Versorgung von Unfallopfern verbessert sowie Präventions- und Unterstützungsprogramme für Mütter und Kinder entwickelt. Schrittweise werden die Gehälter für das medizinische Personal angehoben sowie staatliche Mittel in die Modernisierung bestehender Kliniken investiert (GIZ 7.2017c).

Medizinische Versorgung gibt es bei staatlichen und privaten Einrichtungen. Staatsbürger haben im Rahmen der staatlich finanzierten, obligatorischen Krankenversicherung (OMS) Zugang zu kostenfreier medizinischer Versorgung. Vorausgesetzt für OMS (OMS-Karte) sind gültiger Pass, Geburtsurkunde für Kinder unter 14 Jahren; einzureichen bei der nächstliegenden Krankenversicherungsfirma. Sowohl an staatlichen, wie auch privaten Kliniken bezahlte medizinische Dienstleistungen verfügbar; direkte Zahlung an Klinik oder im Rahmen von freiwilliger Krankenversicherung (Voluntary Medical Insurance DMS) (IOM 8.2015).

Kostenfreie Versorgung umfasst folgendes:

* Notfallbehandlung

* Ambulante Behandlung, inklusive Vorsorge, Diagnose und Behandlung von Krankheiten zu Hause und in Kliniken

* Stationäre Behandlung

* Teilweise kostenfreie Medikamente (IOM 8.2015)

Ausgaben für Gesundheitsleistungen in Russland sind immer noch niedriger als in entwickelten Ländern. Laut offiziellen Quellen stiegen die realen Ausgaben des russischen Staates für den Gesundheitssektor in den letzten zehn Jahren um 74% an. Nach der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jedoch betrugen diese 2014 nur 5,4% des BIP, und laut der Weltbank waren es sogar nur 3,7%. Selbst optimistische Einschätzungen weisen auf eine Unterfinanzierung der Gesundheitsbranche hin im Vergleich zu entwickelten Ländern, in denen dieser Index zwischen 4 und 8% des BIP liegt. Nach Angaben des russischen Finanzministeriums sind für 2016 keine weiteren Reduzierungen der Gesundheitsausgaben geplant. Es liegen aktuell allerdings noch keine offiziellen Angaben zur längerfristigen Haushaltsplanung vor, da seit dem Föderalen Gesetz Nr. 273 vom 30. September 2015 die Planungsfrist für den staatlichen Haushalt nun ein Jahr statt drei Jahre beträgt. In der mittleren Perspektive kann man erwarten, dass die existierende Lücke in der russischen Gesundheitsfinanzierung durch öffentliche Mittel nicht gedeckt werden kann. Das hängt sowohl mit der wirtschaftlichen Gesamtsituation und den Auswirkungen des niedrigen Ölpreises auf den russischen Haushalt zusammen als auch mit Regulierungstrends, vor allem der laufenden Gesundheitsreform inklusive der Implementierung des Ko-Finanzierungsmodells für Gesundheitsleistungen zwischen dem Staat und den Verbrauchern im Rahmen des Pilotprogramms für Krankenversicherung "OMS+" (AHK o.D.).

2.10.4.1. Tschetschenien

Zur aktuellen Lage der medizinischen Versorgung liegen unterschiedliche Einschätzungen vor. Nach Angaben des IKRK soll die Situation der Krankenhäuser für die medizinische Grundversorgung inzwischen das durchschnittliche Niveau in der Russischen Föderation erreicht haben. Problematisch bleibt laut IKRK die Personallage im Gesundheitswesen, da viele Ärzte und medizinische Fachkräfte Tschetschenien während der beiden Kriege verlassen haben (AA 5.1.2016). Das Gesundheitssystem in Tschetschenien wurde seit den zwei Kriegen großteils wieder aufgebaut. Die Krankenhäuser sind neu und die Ausrüstung ist modern, jedoch ist die Qualität der Leistungen nicht sehr hoch aufgrund des Mangels an qualifiziertem Personal (Landinfo 26.6.2012).

Es ist sowohl primäre als auch spezialisierte Gesundheitsversorgung verfügbar. Die Krankenhäuser sind in einem besseren Zustand als in den Nachbarrepubliken, da viele erst vor kurzem erbaut worden sind. Laut föderalem Gesetz werden bestimmte Medikamente kostenfrei zur Verfügung gestellt, z.B. Medikamente gegen Krebs und Diabetes. Auch gibt es bestimmte Personengruppen, die bestimmte Medikamente kostenfrei erhalten. Dazu gehören Kinder unter drei Jahren, Kriegsveteranen, schwangere Frauen und Onkologie- und HIV-Patienten. Verschriebene Medikamente werden in staatlich lizensierten Apotheken kostenfrei gegen Vorlage des Rezeptes abgegeben (DIS 1.2015, vgl. hierzu auch Kapitel 24.7 Medikamente).

Wenn eine Behandlung in einer Region nicht verfügbar ist, gibt es die Möglichkeit, dass der Patient in eine andere Region, wo die Behandlung verfügbar ist, überwiesen wird (BDA 31.3.2015).

Die Einkommen des medizinischen Personals liegen unter dem Durchschnitt. Dies hat zu einem System der faktischen Zuzahlung durch die Patienten geführt, obwohl ärztliche Behandlung eigentlich kostenfrei ist (AA 3 .2017a). Falls z.B. innerhalb der Familie nicht genügend Geld für eine teure Operation vorhanden ist, kann man sich an eine in der Clanstruktur höher stehende Person wenden. Aufgrund bestehender Clanstrukturen sind die Familien in Tschetschenien finanziell besser abgesichert als in anderen Teilen Russlands (BAMF 10.2013).

Aufgrund der Bewegungsfreiheit im Land ist es - wie für alle Bürger der Russischen Föderation - auch für Tschetschenen möglich, bei Krankheiten, die in Tschetschenien [oder anderen Teilrepubliken] nicht behandelbar sind, zur Behandlung in andere Teile der Russischen Föderation zu reisen (vorübergehende Registrierung) (vgl. dazu Kapitel 21. Bewegungsfreiheit/Meldewesen). Krebsbehandlung wurde zum größten Teil außerhalb der Republik Tschetschenien gemacht, jedoch wurde kürzlich ein onkologisches Krankenhaus fertiggestellt mit dem man bald Chemotherapie, Strahlentherapie und Operationen durchführen möchte. Im letzten Jahr wurden insgesamt ca. 3.000 Patienten zu unterschiedlichen Behandlungen in Krankenhäuser in andere Republiken geschickt (DIS 1.2015).

2.10.4.2. Gesundheitseinrichtungen in Tschetschenien

Gesundheitseinrichtungen, die die ländlichen Gebiete Tschetscheniens abdecken sind "Achkhoy-Martan RCH" (regional central hospital), "Vedenskaya RCH", "Grozny RCH", "Staro-Yurt RH" (regional hospital), "Gudermessky RCH", "Itum-Kalynskaya RCH", "Kurchaloevskaja RCH", "Nadterechnaye RCH", "Znamenskaya RH", "Goragorsky RH", "Naurskaya RCH", "Nozhai-Yurt RCH", "Sunzhensk RCH", Urus-Martan RCH", "Sharoy RH", "Shatoïski RCH", "Shali RCH", "Chiri-Yurt RCH", "Shelkovskaya RCH", "Argun municipal hospital N° 1" und "Gvardeyskaya RH" (BDA CFS 31.3.2015).

Gesundheitseinrichtungen, die alle Gebiete Tschetscheniens abdecken, sind: "The Republican hospital of emergency care" (former Regional Central Clinic No. 9), "Republican Centre of prevention and fight against AIDS", "The National Centre of the Mother and Infant Aymani Kadyrova", "Republican Oncological Dispensary", "Republican Centre of blood transfusion", "National Centre for medical and psychological rehabilitation of children", "The Republican Hospital", "Republican Psychiatric Hospital", "National Drug Dispensary", "The Republican Hospital of War Veterans", "Republican TB Dispensary", "Clinic of pedodontics", "National Centre for Preventive Medicine", "Republican Centre for Infectious Diseases", "Republican Endocrinology Dispensary", "National Centre of purulent-septic surgery", "The Republican dental clinic", "Republican Dispensary of skin and venereal diseases", "Republican Association for medical diagnostics and rehabilitation", "Psychiatric Hospital 'Samashki', "Psychiatric Hospital 'Darbanhi'", "Regional Paediatric Clinic", "National Centre for Emergency Medicine", "The Republican Scientific Medical Centre", "Republican Office for forensic examination", "National Rehabilitation Centre", "Medical Centre of Research and Information", "National Centre for Family Planning", "Medical Commission for driving licenses" und "National Paediatric Sanatorium 'Chishki'" (BDA CFS 31.3.2015).

Städtische Gesundheitseinrichtungen in Grosny sind: "Clinical Hospital N° 1 Grozny", "Clinical Hospital for children N° 2 Grozny", "Clinical Hospital N° 3 Grozny", "Clinical Hospital N° 4 Grozny", "Hospital N° 5 Grozny", "Hospital N° 6 Grozny", "Hospital N° 7 Grozny", "Clinical Hospital N° 10 in Grozny", "Maternity N° 2 in Grozny", "Polyclinic N° 1 in Grozny", "Polyclinic N° 2 in Grozny",

"Polyclinic N° 3 in Grozny", "Polyclinic N° 4 in Grozny",

"Polyclinic N° 5 in Grozny", "Polyclinic N° 6 in Grozny",

"Polyclinic N° 7 in Grozny", "Polyclinic N° 8 in Grozny", "Paediatric polyclinic N° 1", "Paediatric polyclinic N° 3 in Grozny", "Paediatric polyclinic N° 4 in Grozny", "Paediatric polyclinic N° 5", "Dental complex in Grozny", "Dental Clinic N° 1 in Grozny", "Paediatric Psycho-Neurological Centre", "Dental Clinic N° 2 in Grozny" und "Paediatric Dental Clinic of Grozny" (BDA CFS 31.3.2015).

2.10.4.3. Dagestan

In Dagestan stehen der Bevölkerung 36 zentrale Bezirkskrankenhäuser (3979 Betten), drei Bezirkskrankenhäuser (215 Betten), 102 Lokalkrankenhäuser (1970 Betten), vier Dorfkrankenhäuser (180 Betten), fünf zentrale Bezirkspolykliniken, 175 ärztliche Ambulanzen und 1076 ambulante Versorgungspunkte zur Verfügung. Spezialisierte medizinische Hilfe erhält man in zehn städtischen und 48 republikanischen Prophylaxe- und Heileinrichtungen. Es gibt fünf Sanatorien für Kinder, zwei Kinderheime, drei Bluttransfusionseinrichtungen, sowie sieben selbstständige Notdienste und 50 Notdienste, die in andere medizinische Einrichtungen eingegliedert sind (IOM 6.2014).

Wie jedes Subjekt der Russischen Föderation hat auch Dagestan eine eigene Gesundheitsverwaltung, die die regionalen Gesundheitseinrichtungen (spezialisierte und zentrale Krankenhäuser, Tageseinrichtungen, diagnostische Zentren und spezialisierte Notfallambulanzen, etc.) managt. Auch in Dagestan gibt es sowohl öffentliche, als auch private Gesundheitseinrichtungen. Öffentliche Einrichtungen haben keine offiziellen Preislisten ihrer Behandlungen, da prinzipiell Untersuchungen, Behandlungen und Konsultationen gratis sind. Jedoch muss auf die informelle Zuzahlung hingewiesen werden (beispielweise um die Wartezeit zu verkürzen). Die Zahlungen sind jedoch geringer als in privaten Institutionen. Die Qualität der Behandlung ist aber in öffentlichen Einrichtungen nicht schlechter - viele Spezialisten arbeiten sowohl in öffentlichen, als auch privaten Einrichtungen. Die Ausstattung und die Geräte sind meist in privaten Einrichtungen besser (BDA CFS 25.3.2016).

Wenn eine Behandlung in einer Region nicht verfügbar ist, gibt es die Möglichkeit, dass der Patient in eine andere Region, wo die Behandlung verfügbar ist, überwiesen wird (BDA 31.3.2015).

2.10.4.4. Behandlungsmöglichkeiten von psychiatrischen Krankheiten (z.B. PTBS, Depressionen, etc.)

Psychiatrische Behandlungen für diverse psychische Behandlungen durch einen Psychologen/Psychiater sind in der gesamten Russischen Föderation verfügbar. Es gibt auch psychiatrische Krisenintervention bei Selbstmordgedanken z.B. im Psychiatric Clinical Hospital #1 in Moskau (BMA 7754).

Posttraumatische Belastungsstörung ist in der gesamten Russischen Föderation behandelbar. Z.B. im Alexeevskaya (Kacshenko) hospital, Zagorodnoye shosse 2, Moscow (BMA 6051). Dies gilt unter anderem auch für Tschetschenien z.B. im Republican Psychoneurological Dispenser, Verkhoyanskaya Str. 10, Grosny (BMA 6551, vgl. BMA 7979).

Wie in anderen Teilen Russlands werden auch in Tschetschenien mentale Krankheiten hauptsächlich mit Medikamenten behandelt, und es gibt nur selten eine Therapie. Die Möglichkeiten für psychosoziale Therapie oder Psychotherapie sind aufgrund des Mangels an notwendiger Ausrüstung, Ressourcen und qualifiziertem Personal in Tschetschenien stark eingeschränkt. Es gibt keine spezialisierten Institutionen für PTBS, jedoch sind Nachsorgeuntersuchungen und Psychotherapie möglich. Ambulante Konsultationen und Krankenhausaufenthalte sind im Republican Psychiatric Hospital of Grozny für alle in Tschetschenien lebende Personen kostenlos. Auf die informelle Zuzahlung wird hingewiesen. Üblicherweise zahlen Personen für einen Termin wegen psychischen Problemen zwischen 700-2000 Rubel. Bei diesem Krankenhaus ist die Medikation bei stationärer und ambulanter Behandlung kostenfrei (BDA 31.3.2015).

Während es in Moskau unterschiedliche Arten von Therapien gibt (kognitive Verhaltenstherapie, Desensibilisierung und Aufarbeitung durch Augenbewegungen (EMDR) und Narrative Expositionstherapie), um PTSD zu behandeln (BMA 7980), gibt es in Tschetschenien nur Psychotherapie und diese in eingeschränktem Maß (BMA 7979). Diverse Antidepressiva sind aber in der gesamten Russischen Föderation verfügbar (BMA 7754, BMA 7979).

Häufig angefragte und verfügbare Inhaltsstoffe von Antidepressiva sind (verfügbar auch in Tschetschenien!):

Mirtazapin, Sertralin, Citalopram, Amitriptylin, Trazodon, Fluoxetin, Paroxetin, Duloxetin (BMA 7754, BMA 7306, BMA 9701, BMA 7874, BMA 8169).

2.10.4.5. Behandlungsmöglichkeiten Nierenerkrankungen, Dialyse, Leberzirrhosen und -transplantationen

Nierenerkrankungen und (Hämo‑)Dialyse sind sowohl in der Russischen Föderation, als auch in Tschetschenien verfügbar (BMA 7878, BDA 31.3.2015). Es werden in Russland auch Transplantationen gemacht, jedoch muss man sich auf eine Warteliste setzen lassen (BDA 31.3.2015). Leberzirrhosen und Lebertransplantationen sind z.B. in Moskau im European Medical Center behandelbar (BMA 7788). In Tschetschenien kann keine Lebertransplantation durchgeführt werden (BMA 7789). Krankenhäuser und Spitäler haben bestimmte Quoten bezüglich Behandlungen für Personen (z.B. Lebertransplantation) von anderen Regionen oder Republiken der Russischen Föderation. Um solch eine Behandlung außerhalb der Region des permanenten Aufenthaltes zu erhalten, braucht die Person eine Garantie von der regionalen Gesundheitsbehörde, dass die Kosten für die Behandlung rückerstattet werden (DIS 10.2011, vgl. BDA 31.3.2015).

2.10.4.6. Medikamente

Ambulante Patienten und zu Hause Behandelte müssen Medikamente bezahlen; ausgenommen sind solche, die vom Staat gedeckt sind. In 24-Stunden- und Tageskliniken gibt es kostenfreie Medikamente für Bürger, die von der OMS [Krankenpflichtversicherung] profitieren. Bei Notfällen sind Medikamente kostenfrei. Gewöhnlich kaufen Russen ihre Medikamente auf eigene Kosten. Großfamilien mit Kindern unter sechs Jahren erhalten kostenlose, verschreibungspflichtige Medikamente, sowie Behandlung in Kliniken und Vorrang in Sanatorien/Gesundheitszentren. Bürger mit gewissen Krankheiten wird Unterstützung gewährt, u.a. kostenfreie Medikamente, Sanatorium Behandlung und Transport. Kosten für Medikamente variieren, feste Preise bestehen nicht (IOM 8.2015).

Im Allgemeinen gilt, dass alle russischen Staatsbürger - sowohl im Rahmen einer Krankenpflichtversicherung als auch anderweitig versicherte - für etwaige Medikamentenkosten selbst aufkommen. Ausnahmen von dieser Regelung gelten nur für besondere Personengruppen, die an bestimmten Erkrankungen leiden und denen staatliche Unterstützung zuerkannt worden ist (einschließlich kostenloser Medikation, Sanatoriumsbehandlung und Transport (Nahverkehr und regionale Züge). Die Behandlung und die Medikamente für einige Krankheiten werden auch aus regionalen Budgets bestritten. Die Liste von Erkrankungen, die Patienten berechtigen, Medikamente kostenlos zu erhalten, wird vom Ministerium für Gesundheit erstellt. Sie umfasst: Makrogenitosomie, multiple Sklerose, Myasthenie, Myopathie, zerebrale Ataxie, Parkinson, Glaukom, geistige Erkrankungen, adrenokortikale Insuffizienz, AIDS/HIV, Schizophrenie und Epilepsie, systemisch chronische Hauterkrankungen, Bronchialasthma, Rheumatismus, rheumatische Gicht, Lupus Erythematosus, Morbus Bechterew, Diabetes, Hypophysen-Syndrom, zerebral-spastische Kinderlähmung, fortschreitende zerebrale Pseudosklerose, Phenylketonurie, intermittierende Porphyrie, hämatologische Erkrankungen, Strahlenkrankheit, Lepra, Tuberkulose, akute Brucellose, chronisch-urologische Erkrankungen, Syphillis, Herzinfarktnachsorge (sechs Monate nach dem Infarkt), Aorten- und Mitralklappenersatz, Organtransplantationen, Mukoviszidose bei Kindern, Kinder unter drei Jahren, Kinder unter sechs Jahren aus sehr kinderreichen Familien, im Falle bettlägeriger Patienten erhält ein Angehöriger oder Sozialarbeiter die Medikamente gegen Verschreibung. Die Medikamentenpreise sind von Region zu Region und, teilweise auch in Abhängigkeit von der Lage einer Apotheke unterschiedlich, da es in der Russischen Föderation keine Fixpreise für Medikamente gibt (IOM 6.2014).

2.10.5. Behandlung nach Rückkehr

Die Rückübernahme russischer Staatsangehöriger aus Österreich nach Russland erfolgt in der Regel im Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Rückübernahme (im Folgenden: Rückübernahmeabkommen). Der Rückübernahme geht, wenn die betroffene Person in Österreich über kein gültiges Reisedokument verfügt, ein Identifizierungsverfahren durch die russischen Behörden voraus. Wird dem Rücknahmeersuchen stattgegeben, wird für diese Person von der Russischen Botschaft in Wien ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Wenn die zu übernehmende Person im Besitz eines gültigen Reisedokuments ist, muss kein Rücknahmeersuchen gestellt werden. Bei Ankunft in der Russischen Föderation müssen sich alle Rückkehrer beim Föderalen Migrationsdienst (FMS) ihres beabsichtigten Wohnortes registrieren. Dies gilt generell für alle russische Staatsangehörige, wenn sie innerhalb von Russland ihren Wohnort wechseln. Gegen Jahresmitte wurde der FMS allerdings aufgelöst und die entsprechenden Kompetenzen in das Innenministerium verlagert. Bei der Rückübernahme eines russischen Staatsangehörigen, nach dem in der Russischen Föderation eine Fahndung läuft, wird die ausschreibende Stelle über die Überstellung informiert und, falls ein Haftbefehl aufrecht ist, kann diese Person in Untersuchungshaft genommen werden. Im November 2012 wurde etwa ein per Sammelflug aus Österreich rücküberstellter Tschetschene auf Grundlage eines Haftbefehls wegen KFZ-Diebstahls unmittelbar nach seiner Ankunft am Flughafen in Moskau verhaftet. Wenige Tage später wurde ein weiterer, mit demselben Flug rücküberstellte Tschetschene in Grozny in Haft genommen und zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt. Über beide Fälle wurde in den österreichischen Medien intensiv berichtet. Zur allgemeinen Situation von Rückkehrern, insbesondere im Nordkaukasus, kann festgestellt werden, dass sie vor allem vor wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen stehen. Dies betrifft vor allem die im Vergleich zum Rest Russlands hohe Arbeitslosigkeit im Nordkaukasus, die landesweit hohe Inflation sowie das durch die Wirtschaftskrise ausgelöste Sinken der Realeinkommen. Hinzu kommen bürokratische Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Dokumenten, die oft nur mit Hilfe von Schmiergeldzahlungen überwunden werden können (ÖB Moskau 12.2016).

Die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen betreffen große Teile der russischen Bevölkerung und können somit laut Einschätzung der Botschaft nicht als spezifisches Problem von Rückkehrern bezeichnet werden. Besondere Herausforderungen ergeben sich aufgrund der regionalen Spezifika insbesondere für Frauen. Eine allgemeine Aussage über die Gefährdungslage von Rückkehrern in Bezug auf mögliche (politische) Verfolgung durch die russischen oder im speziellen die nordkaukasischen Behörden kann nicht getroffen werden, da dies stark vom Einzelfall abhängt. Aus gut informierten Kreisen war jedoch zu erfahren, dass Rückkehrer gewöhnlich mit keiner Diskriminierung von Seiten der Behörden konfrontiert sind (ÖB Moskau 12.2016).

Dem Auswärtigen Amt sind keine Fälle bekannt, in denen russische Staatsangehörige bei ihrer Rückkehr nach Russland allein deshalb staatlich verfolgt wurden, weil sie zuvor im Ausland einen Asylantrag gestellt hatten. Solange die Konflikte im Nordkaukasus, einschließlich der Lage in Tschetschenien, nicht endgültig gelöst sind, ist davon auszugehen, dass abgeschobene Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden erfahren. Dies gilt insbesondere für solche Personen, die sich gegen die gegenwärtigen Machthaber engagiert haben bzw. denen ein solches Engagement unterstellt wird, oder die im Verdacht stehen, einen fundamentalistischen Islam zu propagieren. Der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen ist aus Angst vor Terroranschlägen und anderen extremistischen Straftaten erheblich. Russische Menschenrechtsorganisationen berichten von häufig willkürlichem Vorgehen der Miliz gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Kaukasisch aussehende Personen ständen unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) finden weiterhin statt. Tschetschenen steht wie allen russischen Staatsbürgern das in der Verfassung verankerte Recht der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthalts in der Russischen Föderation zu. Jedoch wird der legale Zuzug an vielen Orten durch Verwaltungsvorschriften stark erschwert (AA 24.1.2017).

3. Beweiswürdigung

3.1. Der unter Punkt 1. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie aus dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin trotz der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung(en) im österreichischen Bundesgebiet verblieb, ergibt sich aus den Akten sowie ihren eigenen Angaben.

3.2. Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführerin ergeben sich aufgrund des im Akt einliegenden Heimreisezertifikats der Russischen Botschaft vom 08.06.2016, welches mit den von der Beschwerdeführerin im Verfahren getätigten Angaben übereinstimmt.

3.3. Die Feststellungen zur Lebenssituation der Beschwerdeführerin in Österreich können aufgrund ihrer eigenen Angaben sowie der Angaben ihrer Schwester in der mündlichen Beschwerdeverhandlung und aufgrund der amtswegig eingeholten Auszüge aus ZMR und GVS getroffen werden.

Die Feststellungen zu den Einstellungszusagen gründen auf den von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellungen zu den Sprachzertifikaten gründen ebenfalls auf den vorgelegten Unterlagen. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin schlecht Deutsch spricht, ergibt sich aufgrund des persönlichen Eindrucks, den sich der erkennende Richter im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung verschaffen konnte. Der Aufforderung, auf Deutsch zu erzählen, was sie beim Gericht gemacht habe, konnte sie nicht nachkommen ("Ich war in Wien Interview, Wien schön, ...", Verhandlungsprotokoll 25.01.2018, S 19). Das Sprachzertifikat der Beschwerdeführerin stammt aus dem Jahr 2013. Die Beschwerdeführerin bracht in der Beschwerde vor, mittlerweile einen Deutschkurs auf dem Niveau B2 zu besuchen, legte jedoch diesbezüglich weder Bestätigungen noch Prüfungszeugnisse vor. Der auch im Internistischen Konsilium vom 29.12.2017 geäußerte Eindruck, die Deutschkenntnisse der Beschwerdeführerin hätten sich erheblich verbessert und ein ausführliches Gespräch sei ohne Dolmetscher problemlos möglich, hat sich in der mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht bestätigt. Das erkennende Gericht verkennt dabei nicht, dass die er in der Beschwerdeverhandlung in einer Stresssituation gewesen sein mag. Jedoch befand sie sich laut Internistischen Konsilium auch zum damaligen Zeitpunkt in einem "massiv reduzierten Allgemeinzustand" in "verschlechterter körperlicher Verfassung" und auch litt an einer "massiv depressiven Verstimmtheit", sodass die in der Verhandlung gezeigten schlechten Deutschkenntnisse nicht alleine auf die allgemeine Situation zurückgeführt werden können. In früheren Arztberichten wurde festgehalten, dass die Beschwerdeführerin "die deutsche Sprache nur Bruchstückhaft beherrscht" (Befund XXXX , Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie vom 02.04.2017), nur über "gebrochene Deutschkenntnisse" verfügt (ambulanter Arztbrief Befund XXXX , Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie vom 15.12.2016, 14.09.2016, 17.08.2016 und 27.07.2016), was auch mit dem Eindruck übereinstimmt, den der erkennende Richter in der mündlichen Beschwerdeverhandlung gewonnen hat.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin sich während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht aus-, fort- oder weitergebildet hat, ergibt sich daher, dass diesbezügliches weder vorgebracht wurde noch dementsprechende Unterlagen vorgelegt wurden. Aus demselben Grund kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin Mitglied in einem Verein oder Club ist. Die Beschwerdeführerin brachte in ihrer Stellungnahme zwar vor, sie führe Reinigungsarbeiten in der Pfarrkirche durch und helfe beim Sprachcafé, führte dieses Vorbringen jedoch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht weiter aus und legte diesbezüglich auch keine Bestätigungen o.ä. vor. Im vorgelegten Empfehlungsschreiben von XXXX vom 10.02.2017 wird zwar bestätigt, dass die Beschwerdeführerin sowie ihre Schwester gemeinnützig tätig seien sollen, jedoch wurde diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung kein näheres Vorbringen erstattet noch wurden weitere Unterlagen vorgelegt, sodass eine gemeinnützige Tätigkeit der Beschwerdeführerin nicht festgestellt werden konnte. Ebensowenig erwähnte die Beschwerdeführerin die im Empfehlungsschreiben von XXXX sowie von XXXX angeführten gemeinsamen Aktivitäten wie Wandern, Radfahren, Schwimmen, Spielen mit den Kindern, Pflege der dementen Mutter oder den gemeinsamen Besuch kultureller Veranstaltungen. Da diese Empfehlungsschreiben nicht mit den von der Beschwerdeführerin getätigten Angaben und Vorbringen übereinstimmen, sind sie nicht geeignet, das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu stützten. Der erkennende Richter verkennt dabei nicht den offenkundig schlechten psychischen Zustand, in dem sich die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung befunden hat. Trotzdem zählte sie die die Aktivitäten mit ihren Freundinnen sehr spezifisch aus und ist davon auszugehen, dass sie in der Lage gewesen wäre, von weiteren Aktivitäten zu berichten.

Aufgrund der Angaben der Beschwerdeführerin sowie der vorgelegten Empfehlungsschreiben konnte festgestellt werden, dass diese im Zuge ihres Aufenthalts im Bundesgebiet Bekanntschaften gemacht hat. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung gab die Beschwerdeführerin an, viele Freundinnen zu haben, mit denen sie gemeinsam Deutsch lerne, spazieren gehe, Karten spiele und Kaffee und Tee trinke. Sie gab an, sich mit ihren Freundinnen auf Deutsch zu verständigen. Zu den vorgelegten Empfehlungsschreiben ist festzuhalten, dass diese sehr allgemein gehalten sind. Aus vier Schreiben geht hervor, dass die Beschwerdeführerin die Verfasser der Schreiben im Rahmen des Deutschunterrichts bzw. im Rahmen von Freiwilligenarbeit mit Flüchtlingen kennengelernt hat und auch maßgeblich im Rahmen dieser Tätigkeiten mit den Verfassern in Kontakt steht. Darüber hinausgehende private Kontakte werden in den Schreiben nicht erwähnt und konnten daher nicht festgestellt werden.

Auch die vorgelegten handschriftlichen Unterstützungserklärungen (=Unterschriftenliste) sind nicht geeignet, eine vertiefende Integration der Beschwerdeführerin in der Ortsgemeinde zu zeigen. Aufgrund dieser Listen lässt sich nicht feststellen, dass die Beschwerdeführerin mit den Unterzeichnern tatsächlich in Kontakt steht oder gar ein persönliches Naheverhältnis pflegt.

3.4. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin ergeben sich aufgrund der umfangreichen vorgelegten ärztlichen Unterlagen, insbesondere der jüngsten fachärztlichen Stellungnahmen der XXXX , XXXX , Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie vom 24.12.2017 und vom 22.01.2018 sowie des jüngsten im Akt einliegenden Arztbriefs des XXXX vom 09.05.2017. Aus diesem Arztbrief ist ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin mit folgenden Medikamenten behandelt wird:

Venlafix (Efecin ER) mg, Olanzapin (Zyprexa) mg, Euthyrox µg, Hydrocortison mg, Pantolog mg, Norditropin FlexPro subcutan. Aufgrund der im Akt einliegenden Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 27.01.2017 konnte festgestellt werden, dass diese Medikamente in Russland erworben werden können.

Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass bereits in den Erkenntnissen des Asylgerichtshofes festgestellt wurde, dass die Beschwerdeführerin an psychischen Erkrankungen leidet und dass diese im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin behandelbar und entsprechende Therapien zugänglich und erhältlich sind (vgl. AsylGH 13.02.2012, Zl. D18 418348-a/2011/3E, S 41 ff; AsylGH 25.10.2012, Zl. D18 418348-4/2012/2E, S 28 ff). Es ist aus den dieser Entscheidung zugrunde gelegten Länderberichten (Stand 21.06.2017) nicht zu entnehmen, dass sich die Lage im Herkunftsstaat im Vergleich zur in den Erkenntnissen aus dem Jahr 2012 festgestellten Lage maßgeblich dahingehend verändert hat, dass eine Behandlung der Erkrankungen im Herkunftsstaat nicht mehr möglich ist und wurde Entsprechendes auch von der Beschwerdeführerin weder in der Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung vorgebracht.

Aus den Länderinformationen ist zwar ersichtlich, dass trotz des in der Verfassung verankerten Rechts auf kostenlose medizinische Grundversorgung für alle Bürger das System ineffektiv bleibt. Es geht jedoch auch hervor, dass es in der Russischen Föderation Behandlungsmöglichkeiten für psychiatrische Erkrankungen und posttraumatische Belastungsstörungen gibt, ebenso wie psychiatrische Krisenintervention bei Selbstmordgedanken und dass auch Antidepressiva in der gesamten russischen Föderation verfügbar sind (vgl. 2.10.4.4.). Ebenso sind Nierenkrankheiten in der Russischen Föderation behandelbar (vlg. 2.10.4.5.).

3.5. Die Feststellungen zur Beziehung der Beschwerdeführerin zu ihrer in Österreich lebenden Schwester ergeben sich aufgrund der Angaben, die die Schwestern in ihren jeweiligen Verfahren getätigt haben. Die beiden Schwestern kamen zusammen mit dem Sohn der Beschwerdeführerin nach Österreich. Aus den amtswegig eingeholten ZMR-Auszügen ergibt sich, dass sie seit ihrer Ankunft in Österreich stets im selben Ort, teilweise sogar an derselben Adresse wohnhaft waren.

Die Feststellungen zur Beziehung der Beschwerdeführerin zu ihrem in Österreich lebenden Bruder sowie dessen Familie können ebenfalls aufgrund der Angaben der Beschwerdeführerin sowie ihrer Schwester im Verfahren getroffen werden. Die Schwester der Beschwerdeführerin gab in der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, sie sehe ihren Bruder öfter, manchmal auch öfter die Woche. Früher habe er ihnen mehr geholfen, jetzt sei er selber krank. Er arbeite nur mehr ein paar Stunden in der Woche, aber sein Sohn arbeite. Sie pflege ihn nicht (Verhandlungsprotokoll 25.01.2018, S 11). Es kann davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin ebenso wie ihre Schwester zu ihrem Bruder in regelmäßigem Kontakt steht. Von einem Abhängigkeitsverhältnis kann jedoch keinesfalls gesprochen werden.

Die Feststellung, dass der Neffe der Beschwerdeführerin seit November 2017 traditionell verheiratetet ist, ergibt sich aufgrund der Aussagen der Schwester der Beschwerdeführerin sowie der Lebensgefährtin des Neffen im Verfahren. Aufgrund der Angaben der Lebensgefährtin des Neffen im Verfahren sowie mangels Vorlage einer Heiratsurkunde konnte festgestellt werden, dass eine standesamtliche Hochzeit nicht erfolgte. Ein besonderes Naheverhältnis der Beschwerdeführerin zur Lebensgefährtin des Neffen konnte nicht festgestellt werden. Die Lebensgefährtin des Neffen wohnte auch nur seit der traditionellen Heirat im November 2017 bis zum Dezember 2017 in einem gemeinsamen Haushalt mit der Beschwerdeführerin - also über einen relativ kurzen Zeitraum hinweg. Die Beschwerdeführerin machte in der mündlichen Beschwerdeverhandlung keine Angaben zur Lebensgefährtin des Neffen.

Auch die Feststellung zu den weiteren Verwandten der Beschwerdeführerin in Österreich basieren auf deren Aussage, ebenso wie die Feststellung, dass zu diesen Verwandten kein besonderes Naheverhältnis besteht, wobei derartiges auch nicht vorgebracht wurde.

3.6. Aufgrund der von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung gezeigten Sprachkenntnisse konnte festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin fließend Russisch spricht. Zur Feststellung, dass die Beschwerdeführerin in Russland ihren Lebensunterhalt als Verkäuferin bestritten hat, kommt das Gericht aufgrund der diesbezüglichen Angaben der Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vom 18.12.2016.

Die Feststellungen zu den Verwandten der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat basieren maßgeblich auf den Angaben der Schwester der Beschwerdeführerin in der mündlichen Beschwerdeverhandlung sowie auf den Angaben der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 18.12.2016. Zum älteren Sohn ihrer Schwester gab die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme bloß an, er lebe in Russland. Sie gab an, schon Kontakt zu ihm gehabt zu haben, als sie nach Österreich gekommen seien, sie könne sich aber nicht mehr genau daran erinnern (Verhandlungsprotokoll 25.01.2018, S 18).

Die Schwester der Beschwerdeführerin gab in der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, ihr älterer Sohn (der Neffe der Beschwerdeführerin) habe bis 2017 mit seiner Familie in Tschetschenien gewohnt, und zwar in dem Ort, an dem die Beschwerdeführerin vor ihrer Ausreise zulegt gelebt habe. Zeitweise habe er bei seiner Schwiegermutter gelebt. Die Schwester der Beschwerdeführerin gab auch an, sie denke, dass ihr Sohn, seine Frau und seine Schwiegermutter vor einem Jahr ausgereist seien (Verhandlungsprotokoll 25.01.2018, S 9 f). Die Behauptung der Schwester der Beschwerdeführerin, dass ihr Sohn und seine Familie nicht mehr im Herkunftsstaat leben würden, konnte den Feststellungen mangels Glaubwürdigkeit nicht zugrunde gelegt werden.

Hierzu ist zunächst auszuführen, dass die Schwester der Beschwerdeführerin bereits im Verfahren um den Wiederaufnahmsantrag (Antrag vom 02.03.2012, Erkenntnis AsylGH vom 28.03.2012 zu D18 418379-3/2012/2E) vorbrachte, ihr älterer Sohn sei verschleppt und mit Lösegeld freigekauft worden und habe sich in Folge nicht getraut, seinem normalen Leben weiter nachzugehen. Er würde an verschiedenen Orten in Tschetschenien versteckt leben. Bereits im Erkenntnis des AsylGH zu D18 418379-3/2012/2E vom 28.03.2012 wurde ausgesprochen, dass dieses Vorbringen als nicht glaubwürdig zu beurteilen war. Zunächst sei festzuhalten, dass diesem damaligen Vorbringen die Aussage der Schwester Beschwerdeführerin in der Beschwerdeverhandlung, ihr Sohne habe bis 2017 mit seiner Familie im Herkunftsort der Beschwerdeführerin gelebt, widerspricht. Auffallend ist weiters, dass die Schwester der Beschwerdeführerin ein Verschwinden des Sohnes erneut zu einem Zeitpunkt behauptet, in dem ein Verfahren Österreich anhängig ist. Warum der ältere Sohn ausgereist sein soll und wohin, konnte die Schwester der Beschwerdeführerin jedoch nicht erklären. Sie gab nur an, ihr Bruder in Österreich erzählte ihr nichts, da sie in einem schlechten Zustand sei und sich keine Sorgen machen solle (Verhandlungsprotokoll 25.01.2017, S 9). Diese Aussage der Schwester der Beschwerdeführerin impliziert, dass der Bruder der Beschwerdeführerin über den Aufenthalt ihres Neffen Bescheid wissen soll, wobei die Schwester der Beschwerdeführerin nicht ausführte, warum dies der Fall sein sollte. Es erscheint nicht nachvollziehbar, warum er dieses Wissen der Schwester der Beschwerdeführerin vorenthalten sollte, zumal eine erneute Verfolgung des Neffen nicht vorgebracht wurde. Auch die Lebensgefährtin des jüngeren Neffen konnte in der mündlichen Beschwerdeverhandlung über den Verbleib des älteren Neffen keine Angaben machen (Verhandlungsprotokoll 25.01.2018, S 13).

Ergänzend ist anzumerken, dass auch die Beschwerdeführerin die Verfolgung ihres Neffen durch illegale Festnahme, Verschleppung und Gefangenhaltung in Tschetschenien im Antrag vom 02.03.2012 als Wiederaufnahmsgrund geltend machte.

Zusammengefasst konnte nicht festgestellt werden, dass der ältere Neffe der Beschwerdeführerin nicht mehr in der Russischen Föderation wohnhaft ist.

Zum jüngeren Neffen der Beschwerdeführerin ist auszuführen, dass dieser am 23.01.2018 in die russische Föderation abgeschoben wurde. Die Beschwerdeführerin gab in der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, ihr Neffe sei in Moskau, er könne nicht nach Tschetschenien. Sie wisse nicht, was er vorhabe (Verhandlungsprotokoll 25.01.2018, S 19) Seine Lebensgefährtin sagte in der mündlichen Beschwerdeverhandlung aus, er sei bei einer Freundin der Familie in Moskau untergekommen (Verhandlungsprotokoll 25.01.2018, S 13). Übereinstimmend gab auch die Schwester der Beschwerdeführerin an, ihr jüngerer Sohn sei bei dieser Freundin der Familie untergekommen. Organisiert habe die Unterkunft ihre in Tschetschenien lebende Schwester (Verhandlungsprotokoll 25.01.2018, S 3). Aufgrund dieser Angaben der Beschwerdeführerin konnte festgestellt werden, dass eine Schwester der Beschwerdeführerin weiterhin in Tschetschenien wohnt und die Familie von dort aus unterstützt. Es ist daher auch wahrscheinlich, dass die Beschwerdeführerin mit ihrer in Tschetschenien lebenden Schwester in Kontakt steht. Ebenso zeigt sich aufgrund dieser Angaben, dass die Beschwerdeführerin und ihre Familie in der Russischen Föderation über ein soziales Netz verfügt, welches willens und in der Lage ist, sie, ihren Neffen und ihre Schwester zu unterstützen bzw. den jüngeren Neffen der Beschwerdeführerin tatsächlich schon unterstützt.

Die Feststellung, dass ein weiterer Bruder der Beschwerdeführerin in Russland lebt, ergibt sich ebenfalls aufgrund der Aussagen der Schwester der Beschwerdeführerin sowie der Lebensgefährtin des Neffen im Verfahren.

3.7. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin in Österreich strafgerichtlich unbescholten ist, kann aufgrund eines amtswegig eingeholten Auszugs aus dem Strafregister getroffen werden.

3.8. Aufgrund der schlechten Deutschkenntnisse der Beschwerdeführerin sowie ihres schlechten Gesundheitszustandes erscheint eine zukünftige Integration der Beschwerdeführerin am österreichischen Arbeitsmarkt als unwahrscheinlich.

Die Beschwerdeführerin weist nach ihrem fast siebeneinhalbjährigen Aufenthalt in Österreich immer noch schlechte Sprachkenntnisse auf, welche jedoch für eine Integration am Arbeitsmarkt als essentiell anzusehen sind. Die vorgelegten Einstellungszusagen sind mangels Details - es sind weder Beschäftigungsausmaß noch Bezahlung angeführt - und mangels rechtlicher Verbindlichkeit nicht geeignet, eine diesbezügliche Integrationsleistung der Beschwerdeführerin sowie deren Möglichkeit der Teilnahme am Arbeitsmarkt darzutun. Die Beschwerdeführerin gab in der mündlichen Beschwerdeverhandlung zwar an, trotz ihrer gesundheitlichen Probleme als Zimmermädchen arbeiten zu wollen. Sie gab auch an, einmal in einem Hotel gewesen zu sein, in welchem ihr Bruder arbeite. Es handelt sich dabei nach den Angaben der Beschwerdeführerin um dasselbe Hotel, welches ihr die Einstellungszusagen ausgestellt hat. Auf Nachfrage, ob sie nicht in der Russischen Föderation eine vergleichbare Beschäftigung ausüben könnte, gab sie bloß an, sie wolle nicht dorthin zurück (Verhandlungsprotokoll 25.01.2018, S 18).

In Zusammenschau mit der schwach ausgeprägten sozialen Integration der Beschwerdeführerin konnte daher eine entscheidungserhebliche und verfestigte individuelle Integration in Österreich nicht festgestellt werden.

3.9. Es sind im gesamten Verfahren keine Hinweise hervorgekommen, die darauf schließen lassen würden, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen vorliegen und wurde dies auch seitens der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht.

3.10. Die diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen (siehe oben Punkt 2.10.) gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes und schlüssiges Gesamtbild der Situation in der Russischen Föderation ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem BVwG von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation fallrelevant nicht wesentlich geändert haben. Die Beschwerdeführerin konnte diesen Berichten nichts Substantiiertes entgegensetzen.

4. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

§ 55 AsylG 2005 lautet:

"§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- oder Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach ständiger Rechtsprechung des EGMR sowie der Höchstgerichte jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen. Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten umfasst, sondern auch entfernte verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterien hiefür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 190.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt. Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. VwGH 21.04.2011, 2011/01/0093).

Die Beschwerdeführerin, ihrer Schwester und ihr Neffe lebten bis zuletzt in einem gemeinsamen Haushalt. Es besteht zweifelsohne ein Naheverhältnis. Allerdings sind alle drei im selben Umfang von der aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen. Eine Rückkehrentscheidung stellt demnach diesbezüglich keinen Eingriff in das Recht der Beschwerdeführerin auf Achtung des Familienlebens dar.

Zu den weiteren Verwandten in Österreich konnte - wie beweiswürdigend ausgeführt - kein Abhängigkeitsverhältnis festgestellt werden.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Beschwerdeführerin in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541), wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff).

Allerdings ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0126, mwN).

Die Beschwerdeführerin hält sich seit 04.10.2010 auf der Basis zweier unberechtigter Asylanträge sowie eines unberechtigten Antrags auf Erteilung einer Erst-Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 3 NAG in Österreich auf. Die erste rechtskräftig gewordene Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführerin stammt aus dem Jahr 2012. Die Beschwerdeführerin lebt daher seit Jahren im Bundesgebiet in dem Wissen, dass sie einzig wegen ihres unglaubwürdigen Vorbringens zum Aufenthalt berechtigt war und versuchte wiederholt, durch unberechtigte Anträge, ihren Aufenthalt zu verlängern. Sie verblieb auch nach rechtskräftiger negativer Entscheidung über ihren Antrag auf Erteilung einer Erst-Niederlassungsbewilligung ohne Grund - nunmehr insgesamt drei Jahre - weiterhin unrechtmäßig in Österreich (vgl. VwGH 23.03.2017, Ra 2016/21/0340).

Ein Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin ist jedenfalls insofern iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt, als dass öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegenüber dem Interesse der Beschwerdeführer an einem weiteren Verbleib in Österreich überwiegt:

Die Beschwerdeführerin verfügte nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens. Sie ist illegal nach Österreich eingereist (vgl. VwGH 22.01.2009, 2008/21/0654). Die Dauer des vorliegenden Asylverfahrens übersteigt nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtsschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Dauer des Verfahrens maßgeblich auf die wiederholte Antragstellung der Beschwerdeführerin zurückzuführen ist.

Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013, EGMR 04.12.2012, 47.017/09, Fall Butt, Z 85 f).

Neben der Aufenthaltsdauer sind bei der Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK insbesondere das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfGH 29.09.2007, B 1150/07;

12.06.2007, B 2126/06; VwGH 26.06.2007, 2007/01/479; 26.01.2006, 2002/20/0423; 17.12.2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194;

Filzwieser/Frank/Kloiblmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 117 ff).

Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR und VfGH auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörde und die damit verbundene Verpflichtung, allenfalls von einer Aufenthaltsbeendigung Abstand zu nehmen, variiert nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei sind Beginn, Dauer und Rechtsmäßigkeit des Aufenthalts, wobei bezüglich der Dauer vom EGMR keine fixen zeitlichen Vorgaben gemacht werden, zu berücksichtigen; das Ausmaß der Integration im Aufenthaltsstaat, die sich in intensiven Bindungen zu Dritten, in der Selbsterhaltungsfähigkeit, Schul- und Berufsausbildung, in der Teilnahme am sozialen Leben und der tatsächlichen beruflichen Beschäftigung; Bindung zum Heimatstaat; die strafrechtliche Unbescholtenheit bzw. bei strafrechtlichen Verurteilungen auch die Schwere der Delikte und die Perspektive einer Besserung/Resozialisierung des Betroffenen bzw. die durch die Aufenthaltsbeendigung erzielbare Abwehr neuerlicher Tatbegehungen; Verstöße gegen das Einwanderungsrecht.

Im Fall Nnyanzi gegen Vereinigtes Königreich erachtete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Ausweisung einer ugandischen Asylwerberin aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK als zulässig, obwohl die Beschwerdeführerin, die erfolglos Asyl begehrt hatte, in der Zwischenzeit bereits fast 10 Jahre in Großbritannien aufhältig gewesen war: Ihrem Hinweis auf ihr zwischenzeitlich begründetes Privatleben, nämlich dass sie sich mittlerweile an einer Kirchengemeinschaft beteiligt habe, berufstätig geworden und eine Beziehung zu einem Mann entstanden sei, hielt der Gerichtshof entgegen, dass die Beschwerdeführerin keine niedergelassene Einwanderin und ihr vom belangten Staat nie ein Aufenthaltsrecht gewährt worden sei. Ihr Aufenthalt im Vereinigten Königreich während der Anhängigkeit ihrer verschiedenen Asylanträge und Menschenrechtsbeschwerden sei immer prekär gewesen, weshalb ihre Abschiebung nach Abweisung dieser Anträge durch eine behauptete Verzögerung ihrer Erledigung durch die Behörden nicht unverhältnismäßig werde (EGMR 08.04.2008, 21.878/06, Nnyanzi gg. Vereinigtes Königreich).

Im Fall Omoregie u.a. gegen Norwegen, der die Ausweisung eines ehemaligen (nigerianischen) Asylwerbers betraf, erkannte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ebenfalls keine Verletzung von Art. 8 EMRK, obwohl der Beschwerdeführer während seines Asylverfahrens eine Lebensgemeinschaft mit einer norwegischen Staatsangehörigen gegründet hatte und Vater einer gemeinsamen Tochter geworden war, da sich der Beschwerdeführer, der seine Lebensgefährtin (nach Abweisung des Asylantrages) geehelicht hatte, über die Unsicherheit seines fremdenrechtlichen Aufenthaltsstatus in Norwegen bereits zu Beginn der Beziehung im Klaren sein habe müssen (EGMR 31.07.2008, 265/07, Darren Omoregie u.a. gg. Norwegen). In derartigen Fällen könne die Ausweisung eines Fremden nach Ansicht des Gerichtshofes (wie er im Fall da Silva und Hoogkamer gegen die Niederlande hervorhob) nur unter außergewöhnlichen Umständen eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen (EGMR 31.1.2006, 50435/99, da Silva und Hoogkamer gg. Niederlande mwN).

Unter Berufung auf diese Judikatur hatte der Verfassungsgerichtshof etwa in VfSlg. 18.224/2007 keine Bedenken gegen die Ausweisung eines kosovarischen Staatsangehörigen trotz seines 11-jährigen Aufenthaltes, da sich der Aufenthalt (zunächst) auf ein für Studienzwecke beschränktes Aufenthaltsrecht gegründet hatte und vom Beschwerdeführer nach zwei Scheinehen schließlich durch offenkundig aussichtslose bzw. unzulässige Asylanträge verlängert wurde.

Keine Verletzung von Art. 8 EMRK erblickte auch der Verwaltungsgerichtshof in der Ausweisung eines ukrainischen (ehemaligen) Asylwerbers, der im Laufe seines rund sechseinhalbjährigen Aufenthaltes durch den Erwerb der deutschen Sprache, eines großen Freundeskreises sowie der Ausübung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungen (sowie mit seiner Unbescholtenheit) seine Integration unter Beweis gestellt hatte, da - wie der Verwaltungsgerichtshof u.a. ausführte - die integrationsbegründenden Umstände während eines Aufenthaltes erworben wurden, der "auf einem (von Anfang an) nicht berechtigten Asylantrag" gegründet gewesen sei (VwGH 08.07.2009, 2008/21/0533; vgl. auch VwGH 22.01.2009, 2008/21/0654). Auch die Ausweisung eines unbescholtenen nigerianischen (ehemaligen) Asylwerbers, der beinahe während seines gesamten und mehr als 9-jährigen Aufenthaltes in Österreich einer legalen sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgegangen war, über sehr gute Deutschkenntnisse verfügte und nie öffentliche Unterstützungsleistungen in Anspruch genommen hatte, beanstandete der Verwaltungsgerichtshof vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK nicht, wobei er auch dem Argument des Beschwerdeführers, dass über seine Berufung in seinem Asylverfahren ohne sein Verschulden erst nach 7 Jahren entschieden worden war, keine entscheidende Bedeutung zugestand: Vielmehr vertrat er die Ansicht, dass der Fremde spätestens nach der erstinstanzlichen Abweisung seines Asylantrages - auch wenn er subjektiv berechtigte Hoffnungen auf ein positives Verfahrensende gehabt haben sollte - im Hinblick auf die negative behördliche Beurteilung des Antrages von einem nicht gesicherten Aufenthalt ausgehen habe müssen (VwGH 29.04.2010, 2010/21/0085). Keine außergewöhnlichen Umstände iSd Art. 8 EMRK, die es unzumutbar machen würden, für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens auszureisen, erkannte der Verwaltungsgerichtshof auch bei der Ausweisung eines (ehemaligen) chinesischen Asylwerbers, der in den letzten sieben Jahren seines rund achteinhalb Jahre andauernden Aufenthaltes in Österreich einer legalen Beschäftigung nachgegangen war und über eine österreichische Lebensgefährtin verfügte (VwGH 29.06.2010, 2010/18/0209; vgl. ähnlich auch VwGH 13.04.2010, 2010/18/0087). Zum selben Ergebnis gelangte der Verwaltungsgerichtshof bei der Ausweisung eines georgischen (ehemaligen) Asylwerbers, der sich schon fast 8 Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hatte, über gute Deutsch-Kenntnisse verfügte und selbständig erwerbstätig war: Der Verwaltungsgerichtshof wies darauf hin, dass eine Reintegration des Beschwerdeführers (nicht zuletzt auch aufgrund seines Schulbesuchs in seiner Heimat) trotz behaupteter Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche in Georgien weder unmöglich noch unzumutbar erscheine (VwGH 06.07.2010, 2010/22/0081).

Unter Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen ergibt sich Folgendes:

Die Beschwerdeführerin verfügt weiterhin über starke Bindungen zum Herkunftsstaat. Sie hat dort bis zu ihrem 35. Lebensjahr gelebt, ist demnach dort aufgewachsen und sozialisiert worden und hat bis zu ihrer Ausreise dort gearbeitet. Sie beherrscht die russische Sprache. Es ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin sich im Herkunftsstaat problemlos zu Recht finden würde und wieder in die dortige Gesellschaft eingliedern könnte. Angesichts der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin nur schlecht Deutsch spricht und über einen maßgeblichen Zeitraum hinweg mit ihrer ebenfalls tschetschenischstämmigen Schwester und ihrem tschetschenischstämmigen Neffen zusammengelebt hat und engere Beziehungen in Österreich zum Großteil innerhalb ihres familiären Umfelds pflegt, kann nicht gesagt werden, dass sie ihrem Kulturkreis völlig entrückt wäre und sich in ihrer Heimat überhaupt nicht mehr zurechtfinden würde.

Im Gegensatz dazu ist die Beschwerdeführerin in Österreich schwächer integriert. Sie konnte zwar Deutschzertifikate auf dem Niveau A2 vorlegen, konnte jedoch in der mündlichen Verhandlung selbst einfache Fragen nicht auf Deutsch beantworten. Es ist angesichts ihrer schlechten Deutschkenntnisse und ihrer gesundheitlichen Probleme trotz der vorgelegten Einstellungszusage nicht absehbar, dass die Beschwerdeführerin in der Lage sein würde, sich auf dem österreichischen Arbeitsmarkt zu integrieren und in absehbarer Zeit selbsterhaltungsfähig sein würde. Die Beschwerdeführerin hat im Zuge ihres Aufenthaltes auch keine Schritte gesetzt, sich Aus-, Fort- oder Weiterzubilden.

Aus den vorgelegten bedingten Einstellungszusagen eines potentiellen zukünftigen Arbeitgebers lässt sich nicht ein bereits erreichter Grad an Integration in wirtschaftlicher Hinsicht ableiten, sondern bloß die noch ungewisse Möglichkeit deren künftigen Eintretens. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, dass der Ausübung einer Beschäftigung sowie einer etwaigen Einstellungszusage oder Arbeitsplatzzusage eines Asylwerbers, der lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügt hat, keine wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 22.02.2011, 2010/18/0323, mit Hinweis auf VwGH 15.09.2010, 2007/18/0612, und 29.06.2010, 2010/18/0195, jeweils mwN). In diesem Zusammenhang kommt es auch nicht entscheidungswesentlich darauf an, ob dem Beschwerdeführer ein "Vorwurf" im Hinblick auf eine unterlassene Integration am Arbeitsmarkt zu machen ist, sondern darum, ob sie ihm objektiv gelungen ist oder nicht (vgl. VwGH 19.04.2012, 2010/21/0242).

Die Beschwerdeführerin engagiert sich in keinem Verein oder anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen. Wie beweiswürdigend ausgeführt, konnte eine tiefergreifende soziale Integration der Beschwerdeführerin außerhalb des Familienumfeldes nicht festgestellt werden. Die Beschwerdeführerin pflegt intensiveren Kontakt hauptsächlich zu ihrer Schwester, ihrem Neffen und ihrem Bruder. Wie ausgeführt, ist die Schwester der Beschwerdeführerin in gleichem Maße von einer Rückkehrentscheidung betroffen. Ein berücksichtigungswürdiges Interesse der Beschwerdeführerin auf Fortführung ihres Privat- und Familienlebens kann daher nur in Bezug auf ihren in Österreich lebenden Bruder sowie den weiteren Verwandten bestehen.

Das Interesse der Beschwerdeführerin an der Aufrechterhaltung ihrer privaten Kontakte in Österreich ist - was die Lebensgefährtin des Neffen sowie außerfamiliäre Bekanntschaften betrifft - dadurch geschwächt, dass sie sich bei allen Integrationsschritten ihres unsicheren bzw. unrechtmäßigen Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit ihrer Integrationsschritte bereits seit 2012 bewusst sein musste (vgl. zuletzt VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0062):

Die Beschwerdeführerin durften sich hier bisher nur aufgrund ihrer Anträge auf internationalen Schutz aufhalten, die zu keinem Zeitpunkt berechtigt waren (vgl VwGH 20.02.2004, 2003/18/0347; 26.02.2004, 2004/21/0027; 27.04.2004, 2000/18/0257; EGMR 08.04.2008, 21.878/06, Nnyanzi gg. Vereinigtes Königreich). Auch der Verfassungsgerichtshof misst in ständiger Rechtsprechung dem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine, über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfSlg 18.224/2007, 18.382/2008, 19.086/2010, 19.752/2013).

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Beschwerde, sie habe sich seit dem letzten Erkenntnis des Asylgerichtshofs zu einem gut integrierten Mitglied ihrer Heimatgemeinde entwickelt ist daher - ungeachtet der Feststellungen zu diesem Vorbringen - kein Erfolg beschieden. Die Beschwerdeführerin muss sich, im Gegenteil, vorhalten lassen, diese Integrationsschritte im Wissen ihres unsicheren bzw. unrechtmäßigen Aufenthaltsstatus gesetzt zu haben.

Die Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin fällt bei der vorzunehmenden Abwägung nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht besonders ins Gewicht. Laut Judikatur bewirkt die strafrechtliche Unbescholtenheit weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen. (VwGH 21.01.1999, 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.

Es ist zu betonen, dass die Erkrankungen der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat behandelbar und entsprechende Therapien, insbesondere auch die ihr verschriebenen Medikamente, zugänglich und erhältlich sind. Die Beschwerdeführerin leidet nicht an derart schweren Krankheitszuständen, die ihre Abschiebung aus dem Bundesgebiet an sich im Lichte des Art. 3 EMRK dauernd verunmöglichen. In diesem Kontext sei auch auf die ständige Rechtsprechung des EGMR sowie der Höchstgerichte verwiesen, etwa das Erkenntnis des VfGH vom 06.03.2008 zu B 2400/07-9, welches die Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK zusammenfasst. Der VfGH hat, unter Verweis auf die entsprechenden Urteile des EGMR, ausgeführt, dass sich aus diesen ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, im Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückgelegte Entfernung zu berücksichtigen sind (vgl. zuletzt VwGH 21.02.2017, Ro 2016/18/0005 mit Verweis auf EGMR 13.12.2016, 41738/10 Paposhvili gg Belgien). Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (vgl. EGMR 02.05.1997, 30.240/96, D. gg. Vereinigtes Königreich). Aus dieser Judikaturlinie des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.

Eine Überstellung ist dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art. 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilmöglichkeiten bewirken würde. Dabei sind die von den Asylbehörden festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Transportfähigkeit" handelt.

Im Fall Ayegh (EGMR 07.11.2006, 4701/05) drohte einem Beschwerdeführer, dem in zwei Gutachten eine schwere Traumatisierung, Depression, Angstzustände und die Gefahr, Selbstmord zu begehen, attestiert wurden, die Abschiebung in den Iran. Der EGMR begründete seine Entscheidung, die Beschwerde für unzulässig zu erklären, damit, dass schlechte Behandlungsmöglichkeiten im Iran kein Abschiebehindernis seien und dass auch die Selbstmorddrohung für den Fall der Ausweisung den Staat nicht daran hindere, die Abschiebung zu vollziehen, vorausgesetzt, dass konkrete Maßnahmen zur Verhinderung des angedrohten Selbstmordes vom Staat ergriffen werden. Die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Russland im Fall Goncharova & Alekseytsev (EGMR 03.05.2007, 31.246/06) erkannte der EGMR nicht als Verletzung in Art. 3 EMRK, obwohl der Zeitbeschwerdeführer schwer psychisch krank war, bereits zwei Selbstmordversuche hinter sich und gedroht hatte, sich im Fall der Abschiebung umzubringen. Der EGMR begründete seine Entscheidung erneut - unter Zitierung der Entscheidung D. gg. Vereinigtens Königreich - damit, dass nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände Art. 3 EMRK verletzt sein könnte. Der Zweitbeschwerdeführer sei jedoch nicht in einer geschlossenen Anstalt gewesen und habe auch nicht ständigen Kontakt mit einem Psychiater gehabt. Auch die Drohung im Falle der Abschiebung Selbstmord zu begehen, hindere den Vertragsstaat nicht daran, die Abschiebung zu veranlassen.

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Fall von bekannten Erkrankungen des Drittstaatsangehörigen durch geeignete Maßnahmen dem Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere wird kranken Personen eine entsprechende Menge der verordneten Medikamente mitgegeben. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt. Im Fall einer schweren psychischen Erkrankung und insbesondere bei Selbstmorddrohungen werden geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer Gesundheitsschädigung getroffen.

Den schwach ausgeprägten privaten Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251, u.v.a.). Es besteht ein hohes öffentliches Interesse an einem geordneten Fremdenwesen. Dieses verlangt von Fremden grundsätzlich, dass sie nach negativer Erledigung ihres Antrags auf internationalen Schutz das Bundesgebiet wieder verlassen (vgl. VwGH 26.06.2013, 2013/22/0138).

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie die der Beschwerdeführerin erfolgreich auf das Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Dies würde darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz (allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet) in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrages unterlassen, bzw. nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ihrer Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebietes entsprechen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip ["no one can profit from his own wrongdoing"], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).

In einer Gesamtabwägung kommt das erkennende Gericht damit zu dem Schluss, dass sich die Beschwerdeführerin zwar eine geraume Zeit in Österreich aufhielt, jedoch nur wenige Integrationsschritte gesetzt hat, die zu ihren Gunsten zu gewichten sind. Die Aufenthaltsdauer ist jedoch dadurch relativiert, dass sie sich weitgehend unrechtmäßig in Österreich aufhielt. Wie bereits dargestellt, weigerte sich die Beschwerdeführerin beharrlich, den gegen sie ergangenen rechtskräftigen Rückkehrentscheidungen Folge zu leisten.

Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG überwiegt daher das öffentliche Interesse an einer Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet und liegt daher eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vor, sodass eine Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nicht geboten ist. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Gemäß § 10 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn u.a. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird und wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen wird (Abs. 3).

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

"1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist."

Die Beschwerdeführerin hält sich seit ihrer illegalen Einreise durchgehend im Bundesgebiet auf. Sie ist nicht Zeugin oder Opfer von strafbaren Handlungen oder Opfer von Gewalt geworden. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Die Beschwerdeführerin ist keine begünstigte Drittstaatsangehörige und es kommt ihr kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

Es ist auch - wie bereits ausgeführt - kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen und war dem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 nicht stattzugeben.

Hinsichtlich des Unterbleibens des Erlasses einer Rückkehrentscheidung infolge der Abweisung des Antrags auf einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 stützte sich das BFA auf § 59 Abs. 5 FPG.

Dieser lautet:

"Besteht gegen einen Drittstaatsangehörigen bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung, so bedarf es bei allen nachfolgenden Verfahrenshandlungen nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück oder dem AsylG 2005 keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung, es sei denn, es sind neue Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 und 3 hervorgekommen."

§ 75 Abs. 8 und Abs. 23 AsylG 2005 lauten:

"(8) § 10 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 ist auf alle am oder nach dem 1. Jänner 2010 anhängigen Verfahren nach dem Asylgesetz 1997 mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Ausweisungsentscheidung nach dem Asylgesetz 1997, die vor dem 1. Jänner 2010 erlassen wurde, als eine Ausweisungsentscheidung nach § 10, die Zurückweisung eines Asylantrages nach dem Asylgesetz 1997 als Zurückweisung nach § 10 Abs. 1 Z 1 und die Abweisung eines Asylantrages nach dem Asylgesetz 1997, mit der festgestellt wurde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, als Abweisung nach § 10 Abs. 1 Z 2 gilt.

(23) Ausweisungen, die gemäß § 10 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 erlassen wurden, bleiben binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht. Diese Ausweisungen gelten als aufenthaltsbeendende Maßnahmen gemäß dem 1. Abschnitt des 8. Hauptstückes des FPG in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012."

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.02.2011, Zl. 10 09.233 BAI wurde der Asylantrag der Beschwerdeführerin abgewiesen und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 13.02.2012 wurde die dagegen erhobene Beschwerde abgewiesen. Die Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

Diese Entscheidung gilt gemäß § 75 Abs. 8 AsylG 2005 als Abweisung nach § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG. Aufgrund der weiteren Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 23 AsylG 2005 ist dies nunmehr als aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 1. Abschnitt des 8. Hauptstücks des FPG anzusehen. Eine Ausreise der Beschwerdeführerin aus dem Bundesgebiet ergibt sich nicht aus dem Akt.

Im gegebenen Fall ist daher eine rechtskräftige aufrechte Ausweisung hinsichtlich der Person der Beschwerdeführerin existent. Es ist jedoch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu berücksichtigen, wonach durch den Verweis auf § 53 FPG, der die Erlassung eines Einreiseverbotes regelt und in Zusammenschau mit den Materialien hervorgeht, dass sich § 59 Abs. 5 FPG nur auf solche Rückkehrentscheidungen bezieht, die mit einem Einreiseverbot verbunden sind. Nur im Fall der Änderung des für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes relevanten Sachverhaltes bedarf es einer neuen Rückkehrentscheidung, um allenfalls die Dauer des mit ihr zu verbindenden Einreiseverbotes neu festlegen zu können. Ist die Rückkehrentscheidung allerdings, wie auch im vorliegenden Fall, von vornhinein nicht mit einem Einreiseverbot verbunden, fällt sie nicht unter den Anwendungsbereich dieser Norm (vgl. VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082). Diese Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof jüngst bestätigt (vgl. VwGH 13.02.2018, Ra 2017/18/0332 sowie 22.03.2018, Ra 2017/01/0287).

Dies ändert freilich nichts daran, dass die Beschwerdeführerin eine Ausreiseverpflichtung bereits aufgrund der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.02.2012 rechtskräftig erlassenen Rückkehrentscheidung trifft (vgl. § 52 Abs. 8 FPG; in diesem Sinne vgl. auch VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/002 ua.).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu

A) wiedergegeben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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