BVwG W228 1433400-1

BVwGW228 1433400-15.8.2014

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W228.1433400.1.00

 

Spruch:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.02.2013, Zahl XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat AFGHANISTAN zuerkannt.

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 05.08.2015 erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 10.05.2012 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 144/2013 (in der Folge: AsylG).

Am gleichen Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt. Der BF gab dabei an, dass er Afghanistan vor ca. sieben Monaten verlassen habe und nach Pakistan gereist sei. Von dort sei er weiter über den Iran, die Türkei und Griechenland kommend bis nach Österreich gereist. Auf die Frage, warum er seinen Herkunftsstaat verlassen habe (Fluchtgrund), gab der BF an, dass es Grundstücksstreitigkeiten mit einem anderen Stamm, dessen Angehörige den Vater des BF getötet hätten, gegeben habe. Befragt, was der BF im Falle einer Rückkehr in seine Heimat zu befürchten hätte, gab er an, dass die Feinde ihn töten würden.

In der Einvernahme vor der Erstaufnahmestelle Ost des Bundesasylamtes (im Folgenden: EAST Ost) am 16.07.2012 führte der BF aus, dass seine Angehörigen nach wie vor in Afghanistan leben würden. Der Vater des BF sei vor drei Jahren gestorben. Befragt, ob der BF in der Heimat jemals persönlich bedroht worden sei, gab der BF an, dass sein Vater aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten getötet worden sei. Die Mörder seien Angehörige der Taliban gewesen. Die Taliban hätten gewollt, dass sich der BF ihnen anschließe und mit ihnen gegen die Regierung und die Amerikaner kämpfe. Die Mutter des BF habe den BF daher außer Landes geschickt. Auf die Frage, was das fluchtauslösende Ereignis gewesen sei, brachte der BF vor, dass die Taliban ihn mitgenommen hätten. Dem BF sei aber die Flucht gelungen. Die Taliban hätten nunmehr Angst, dass der BF sie verraten könnte. Aus diesem Grund hätten die Taliban auch das Elternhaus des BF beschossen, woraufhin die Mutter des BF dem BF zur Flucht geraten habe.

Am 23.08.2012 übermittelte das Ludwig-Boltzmann-Institut für klinisch-forensische Bildgebung ein Gesamtgutachten zum Alter des BF vom 21.08.2012, Zl. XXXX, aus dem sich ein Mindestalter des BF von 17 Jahren zum Untersuchungszeitpunkt ergibt.

In der Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Wien (im Folgenden: BAW), am 31.01.2013 führte der BF aus, dass er in XXXX, Region Zadran, Distrikt Garda Zerai, Provinz Paktia geboren sei und bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan dort gelebt habe. Der Vater des BF sei vor vier Jahren umgebracht worden. Die Mutter, die Geschwister sowie die Halbgeschwister des BF würden nunmehr in Gardez, der Hautstadt der Provinz Paktia, leben. Zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates befragt, führte der BF aus, dass die Taliban gewollt hätten, dass der BF sich ihnen anschließe. Ca. drei oder vier Monate nach dem Tod seines Vaters sei der BF von den Taliban mitgenommen und in ein Trainingscamp gebracht worden, wo sich der BF in der Folge zweieinhalb Monate lang aufgehalten habe. Aufgefordert, konkret zu schildern, wie es dazu gekommen sei, dass der BF in das Camp gebracht worden sei, führte er aus, dass die Taliban eines Nachts an die Tür geklopft und der Mutter des BF gesagt hätten, dass sie vorhätten, den BF mitzunehmen. Die Mutter des BF habe gemeint, dass der BF noch nicht reif genug sei. Drei oder vier Tage später seien die Taliban wieder gekommen und hätten den BF mitgenommen und in ein Trainingslager in den Bergen gebracht. Dort seien sehr viele junge Burschen im Alter des BF gewesen. Nach zweieinhalb Monaten sei der BF mit gemeinsam zwei anderen Burschen weggelaufen. Er sei in sein Dorf zurückgekehrt. Am nächsten Tag sei die Mutter des BF mit dem BF und seinen Geschwistern in ein anders Dorf geflüchtet. Dort hätten sie schließlich erfahren, dass die Taliban das Haus der Familie des BF in XXXX in die Luft gesprengt hätten. Sie hätten den BF töten wollen, weil sie Angst gehabt hätten, dass er sie verraten könnte. Nachgefragt, welche Ausbildung der BF von den Taliban bekommen habe, führte er aus, dass den Burschen gesagt worden sei, dass sie im Jihad gegen die Personen, die gegen den Islam seien, kämpfen und als Märtyrer sterben sollten. Dem BF sei gesagt worden, dass er jeden Ungläubigen, der ihm begegne, entweder mit einer Waffe töten oder sich selbst in die Luft sprengen und die andere Person mit in den Tod nehmen solle. Aufgefordert zu schildern, was der BF die zweieinhalb Monate, die er bei den Taliban im Camp gewesen sei, konkret gemacht habe, führte er aus, dass er unterrichtet worden sei. Außerdem habe er mit den Taliban ständig die Orte gewechselt. Sie hätten sich eine Woche lang an einem Platz aufgehalten und seien dann zu einem anderen Platz gewechselt, weil die Taliban Angst gehabt hätten, von den Amerikanern aufgespürt zu werden. Der BF sei mit den Taliban in gebirgigen Regionen unterwegs gewesen und sie hätten keine Quartiere gehabt, sondern sich im Freien aufgehalten. Aufgefordert, seine Flucht aus dem Camp konkret zu schildern, brachte der BF vor, dass es spät in der Nacht gewesen sei, als er gemeinsam mit zwei anderen Burschen weggelaufen sei, zu einem Zeitpunkt, zu dem schon alle geschlafen hätten und es keine Wache mehr gegeben habe. Am nächsten Tag habe er dann mit seiner Familie sein Heimatdorf verlassen und sei in ein ca. vier bis fünf Stunden Autofahrt entferntes Dorf namens XXXX gefahren. Die Familie des BF lebe nach wie vor in diesem Dorf. Auf die Frage, warum der BF XXXX schließlich verlassen habe und aus Afghanistan ausgereist sei, führte er aus, dass es für ihn auch dort gefährlich gewesen wäre und die Taliban ihn auch dort finden hätten können. Auf die Frage, was der BF im Falle einer Rückkehr in seine Heimat zu befürchten hätte, antwortete er, dass er Angst vor den Taliban hätte. Zur Ermordung seines Vaters vor vier Jahren befragt, gab der BF an, dass dieser von einem anderen Stamm getötet worden sei. Dieser Stamm sei mit der Familie des BF verfeindet gewesen. Befragt, warum der BF nicht nach Kabul gezogen sei um seinen Problemen zu entgehen, führte er aus, dass man sich vor den Taliban nicht verstecken könne und diese einen überall finden würden.

2. Das Bundesasylamt hat mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid, zugestellt am 20.02.2013, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.) und den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Die belangte Behörde begründete im angefochtenen Bescheid ihre abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass das Vorbringen des BF aufgrund der vagen, unschlüssigen und unplausiblen Angaben nicht glaubhaft sei. Zunächst sei zu bemerken, dass der BF bei der Erstbefragung und den darauffolgenden Einvernahmen unterschiedliche Angaben zu seinem Fluchtgrund getätigt habe. Weiters seien die Schilderungen des BF zu seinem angeblichen Aufenthalt im Camp der Taliban sowie zu seiner Flucht von dort äußerst vage, unkonkret und ohne jegliche Details geblieben. Der BF habe keinen der Orte, an welchen er mit den Taliban gewesen sei, auch nur annähernd beschreiben können. Die belangte Behörde führte noch weitere Unstimmigkeiten und Unplausibilitäten, die sich aus den Angaben des BF ergeben würden, an und führte aus, dass der BF zudem dem Vorhalt, dass er sich in Kabul niederlassen hätte können, um etwaigen Bedrohungen zu entgehen, nicht fundiert entgegentreten habe können. In einer Gesamtschau sei davon auszugehen, dass das Vorbringen des BF nicht der Wahrheit entspreche. Es seien auch keine Gründe hervorgekommen, die eine Gewährung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden. Beim BF handle es sich um einen gesunden und arbeitsfähigen Mann, dem es zumutbar sei, im Falle der Rückkehr nach Afghanistan selbst für sein Auskommen zu sorgen. Zudem verfüge der BF über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat. Es sei nicht davon auszugehen, dass dem BF im Falle der Rückkehr eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK drohen würde.

3. Mit dem am 04.03.2013 beim Bundesasylamt eingebrachten und mit 04.03.2013 datierten Schriftsatz erhob der BF Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid. Darin wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem BF Asyl gewährt oder in eventu der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt oder in eventu der ersten Instanz die Ergänzung des Verfahrens aufgetragen werde. Weiters wurde ausgeführt, dass der gegenständliche Bescheid aus den Gründen der unrichtigen Beweiswürdigung, Tatsachenfeststellung und rechtlichen Beurteilung angefochten werde.

Im handschriftlichen Teil der Beschwerde führte der BF aus, dass seine Familie einen Grundstückstreit gehabt habe, im Zuge dessen sein Vater getötet worden sei. Zudem hätten diese Feinde gedroht, die ganze Familie zu töten, für den Fall, dass jemand zur Polizei gehen sollte. In weiterer Folge wiederholte der BF sein vor der belangten Behörde erstattetes Vorbringen hinsichtlich der Probleme mit den Taliban und führte abschließend aus, dass die Taliban sein einziges Problem in der Heimat gewesen seien.

Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Asylgerichtshof am 11.03.2013 vom Bundesasylamt vorgelegt.

4. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des BF, des Bescheidinhaltes, des Inhaltes der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Beschwerde sowie durch die Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Asylgerichtshofes.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen (Sachverhalt):

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF heißt XXXX und ist am XXXX im Dorf XXXX, Region Zadran, Distrikt Garda Zerai, Provinz Paktia (Afghanistan) geboren. Der BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan. Er ist zugehörig zur Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Paschtu.

Der BF ist ledig, nicht verlobt und hat keine Kinder. Der BF wuchs in seinem Heimatdorf in der Provinz Paktia auf und lebte in dieser Provinz bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan. Der BF hat in seiner Heimat als Hilfsarbeiter im Brunnenbau gearbeitet. Die Mutter sowie die Geschwister des BF leben nach wie vor in der Provinz Paktia.

Der BF verließ seinen Herkunftsstaat Afghanistan im Herbst 2011 und reiste von dort nach Pakistan. Der BF reiste schließlich am 09.05.2012 über den Iran, die Türkei und Griechenland kommend unrechtmäßig und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein.

1.2. Feststellungen zum Fluchtgrund

Der BF ist in seinem Herkunftsstaat weder vorbestraft noch wurde er jemals inhaftiert und hatte auch mit den Behörden des Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme. Der BF war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an.

Ein konkreter Anlass für das Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist.

2. Beweiswürdigung

Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des Bundesasylamtes, des Asylgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität getroffen wurden, beruhen diese auf den vom Bundesasylamt im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde und auch später nicht entgegengetreten wurde. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im Asylverfahren.

Der BF hat weder vor dem Bundesasylamt noch vor dem Asylgerichtshof bzw. dem Bundesverwaltungsgericht Dokumente, die seine Identität belegen hätten können, vorgelegt.

Die Feststellungen zur Volksgruppen- und zur Religionszugehörigkeit, zur Herkunft und zu den Lebensumständen des BF stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verfahren vor dem Bundesasylamt und in der Beschwerde, auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Paschtu sowie auf die Kenntnis der geografischen Gegebenheiten Afghanistans.

Die Feststellungen zur Ausreise des BF aus Afghanistan, zur weiteren Reiseroute sowie zur unrechtmäßigen und schlepperunterstützten Einreise in Österreich stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF sowie hinsichtlich der unrechtmäßigen Einreise in Österreich auf die Tatsache, dass der BF in Umgehung der, die Einreise regelnden, Vorschriften ohne die erforderlichen Dokumente in Österreich einreiste.

2.3. Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei

Das Vorbringen des BF zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates und zu seiner Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruht auf den Angaben des BF in der Erstbefragung und in den Einvernahmen vor dem Bundesasylamt sowie auf den Ausführungen in der Beschwerde.

Wie sich aus der Erstbefragung und den weiteren Einvernahmen im Verfahren vor der belangten Behörde ergibt, hatte der BF ausreichend Zeit und Gelegenheit, seine Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel vorzulegen. Im Übrigen wurde der BF von der belangten Behörde zur umfassenden und detaillierten Angabe von Fluchtgründen und zur Vorlage von allfälligen Beweismitteln aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt.

Dabei ist festzuhalten, dass die Erstbefragung und die weiteren Einvernahmen durch die belangte Behörde in zeitlich kurzen Abständen stattgefunden haben, sodass auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgegangen werden kann, dass die beschwerdeführende Partei grundsätzlich in der Lage sein muss, umfassende und inhaltlich übereinstimmende Angaben zu den konkreten Umständen und dem Grund der Ausreise aus dem Herkunftsstaat zu machen, zumal eine Person, die aus Furcht vor Verfolgung ihren Herkunftsstaat verlassen hat, gerade in ihrer ersten Einvernahme auf konkrete Befragung zu ihrer Flucht die ihr gebotene Möglichkeit wohl kaum ungenützt lassen wird, die Umstände und Gründe ihrer Flucht in umfassender und in sich konsistenter Weise darzulegen, um den beantragten Schutz vor Verfolgung auch möglichst rasch erhalten zu können. Es entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine mit Vernunft begabte Person, die behauptet, aus Furcht vor Verfolgung aus ihrem Herkunftsstaat geflüchtet zu sein, über wesentliche Ereignisse im Zusammenhang mit ihrer Flucht, die sich im Bewusstsein dieser Person einprägen, selbst nach einem längeren Zeitraum noch ausreichend konkrete, widerspruchsfreie und nachvollziehbare Angaben machen kann.

Aus einer Gesamtschau der oben angeführten Angaben des BF im gesamten Verfahren ergibt sich jedoch, dass der BF im gesamten Verfahren trotz der zahlreichen Gelegenheiten nicht imstande war, eine im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bestehende Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen. Es konnte weder eine konkret gegen die Person des BF gerichtete Verfolgungsgefahr festgestellt werden, noch sind im Verfahren sonst Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine mögliche Verfolgung im Herkunftsstaat für wahrscheinlich erscheinen lassen hätten.

Wie die belangte Behörde zu Recht festgestellt hat, ist es dem BF im gesamten Verfahren nicht gelungen, eine konkrete, gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgungsgefahr in übereinstimmender und schlüssiger Weise vorzubringen. Vielmehr war dem Vorbringen zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates und zur Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat auf Grund der vagen, allgemein gehaltenen und teilweise widersprüchlichen Angaben die Glaubhaftigkeit zu versagen.

Zunächst ist zu bemerken, dass der BF in der Erstbefragung und den darauffolgenden Einvernahmen völlig unterschiedliche Angaben zu seinem Fluchtgrund tätigte. So sprach er in der Erstbefragung ausschließlich von Grundstückstreitigkeiten mit einem anderen Stamm, dessen Angehörige den Vater des BF getötet hätten. In den Einvernahmen vor der EAST Ost und dem BAW führte der BF widersprüchlich dazu Probleme mit den Taliban, die ihn zwangsrekrutieren hätten wollen, als Fluchtgrund an. Auch wenn zu berücksichtigen ist, dass sich die Erstbefragung nach § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, so ist doch davon auszugehen, dass der BF bereits in der Erstbefragung die Gelegenheit nützt, auf diesbezügliche Befragung die wichtigsten und zentralen Punkten seines Fluchtvorbringens zumindest im Ansatz darzulegen. Der BF ließ jedoch seine im weiteren Verlauf des Verfahrens als Hauptfluchtgrund dargestellten Probleme mit den Taliban in der Erstbefragung völlig unerwähnt.

Bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Vorbringens des BF ist weiters der Umstand zu berücksichtigen, dass der BF im gesamten Verfahren nur äußerst oberflächliche und allgemein gehaltene Angaben tätigte und er auch auf mehrmalige Aufforderung, Dinge konkreter zu schildern, keine detaillierteren Ausführungen machen konnte. So konnte er weder die Orte, an denen er sich mit den Taliban aufgehalten habe, näher beschreiben, noch war er in der Lage, konkret zu schildern, was sich alles in dem Zeitraum von zweieinhalb Monaten, in welchem er sich bei den Taliban aufgehalten habe, ereignet habe bzw. wie und mit welchen Aktivitäten er die Tage dort verbracht habe. Des Weiteren war es dem BF nicht möglich, konkret zu schildern, wie ihm die Flucht aus dem Camp der Taliban gelungen sei. So gab er lediglich unsubstanziiert an, dass er gemeinsam mit zwei anderen Burschen eines Nachts weggelaufen sei. Es erscheint allerdings keineswegs nachvollziehbar, dass dem BF tatsächlich eine völlig problemlose Flucht aus dem Camp möglich gewesen wäre. So erscheint es unplausibel, dass die Taliban in der Nacht keinerlei Wachen aufstellen würden um eine Flucht zu vermeiden, insbesondere wenn man bedenkt, dass sich der BF und die anderen Burschen allesamt nicht freiwillig bei den Taliban aufgehalten hätten.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der BF angab, nach seiner Rückkehr aus dem Camp mit seiner Familie sein Heimatdorf verlassen zu haben und in ein etwa fünf Stunden Autofahrt entferntes Dorf namens XXXX gefahren zu sein. Der BF konnte jedoch nicht angeben, aus welchem Grund er dennoch Afghanistan verlassen habe müssen, obwohl er in diesem Dorf keine Probleme mehr gehabt habe. So gab er lediglich unsubstanziiert an, dass man sich vor den Taliban nirgendwo verstecken könne. Der BF konnte jedoch nicht näher erklären, wie es den Taliban möglich sein hätte sollen, ihn in ganz Afghanistan zu finden. Des Weiteren ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, dass der BF vorbrachte, dass die Taliban sein Elternhaus in seinem Heimatdorf angegriffen hätten und es somit keineswegs nachvollziehbar ist, woher die Taliban überhaupt wissen sollten, dass der BF noch am Leben ist.

Festzuhalten ist abschließend, dass sich in den Angaben des BF zudem eine massive zeitliche Unstimmigkeit findet. So gab er in der Einvernahme vor dem BAW am 31.01.2013 zunächst an, dass sein Vater vor vier Jahren (entspricht Anfang 2009) umgebracht worden sei. Etwas später führte er aus, dass er ca. drei oder vier Monate nach dem Tod seines Vaters von den Taliban mitgenommen worden sei, sich zweieinhalb Monate lang bei den Taliban aufgehalten habe und dann bereits einige Tage nach seiner Flucht aus dem Camp Afghanistan im Herbst 2011 verlassen habe. Folgt man diesen Ausführungen, wäre der Vater des Beschwerdeführers, widersprüchlich zu den anfangs vom BF getätigten Angaben, erst im Jahr 2011 umgebracht worden.

Ein weiterer Widerspruch findet sich darin, dass der BF zu Beginn der Einvernahme vor dem BAW angab, dass seine Angehörigen nunmehr in Gardez, der Hautstadt der Provinz Paktia, leben würden, während er später ausführte, dass seine Familie nach wie vor im Dorf XXXX lebe.

Dieses insgesamt als widersprüchlich, vage und unplausibel zu qualifizierende Vorbringen reicht jedoch nicht aus, um eine mögliche Verfolgung des BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich zu halten. Die bloße und nicht näher begründete Behauptung, dass ihm eine mögliche Verfolgung durch die Taliban drohen könnte, reicht für die Glaubhaftmachung einer derartigen Gefährdung jedoch nicht aus, sondern es bedarf der Darlegung ausreichend konkreter und individueller Umstände, die den BF betreffen, um mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch von einer ihn betreffenden Gefährdung ausgehen zu können.

Festzuhalten bleibt zudem, dass der BF in der Beschwerde der im angefochtenen Bescheid getroffenen Beweiswürdigung der belangten Behörde hinsichtlich des behaupteten Fluchtvorbringens überhaupt nicht entgegengetreten ist. Der BF unternahm nicht einmal den Versuch, die von der belangten Behörde aufgezeigten Unstimmigkeiten und Unplausibiliten ins seinem Vorbringen aufzuklären. Insoweit in der Beschwerde behauptet wird, dass die belangte Behörde nicht auf das Vorbringen eingegangen sei bzw. das Vorbringen unrichtig beurteilt hätte, ist einzuwenden, dass auch in der Beschwerde nicht im Einzelnen näher dargelegt worden ist, weshalb die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht richtig sei.

Dem Vorwurf, dass der Inhalt des Bescheides der belangten Behörde an Rechtswidrigkeit leide und eine Verletzung von Verfahrensvorschriften vorliege, ist nicht zu folgen, zumal im gesamten Verfahren vor der belangten Behörde keinerlei Anhaltspunkte dahingehend ersichtlich sind, dass die belangte Behörde willkürlich entschieden hätte. Vielmehr wurde dem BF ausreichend die Möglichkeit eingeräumt, sein Fluchtvorbringen darzulegen, gegebenenfalls zu ergänzen bzw. aufgetretene Unklarheiten oder Widersprüche zu beseitigen sowie allfällige Beweismittel vorzulegen. Die maßgebenden Erwägungen, von denen sich die belangte Behörde bei ihrer Begründung leiten ließ, sind im angefochtenen Bescheid in umfassender und übersichtlicher Art und Weise dargelegt.

In einer Gesamtschau der dargelegten Erwägungen und der umfassenden, nicht weiter zu bemängelnden Beweiswürdigung der belangten Behörde war daher von der fehlenden Glaubhaftigkeit des Vorbringens des BF zur behaupteten Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat auszugehen.

2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die von der belangten Behörde im gegenständlich angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den von ihr in das Verfahren eingebrachten und im Bescheid angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Die belangte Behörde hat dabei Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. Diese Quellen liegen dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vor und decken sich im Wesentlichen mit dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes, das sich aus der ständigen Beachtung der aktuellen Quellenlage (Einsicht in aktuelle Berichte zur Lage im Herkunftsstaat) ergibt.

Insoweit die belangte Behörde ihren Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde gelegt hat, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Die belangte Behörde hat im Zuge der Einvernahme vor dem BAW am 31.01.2013 dem BF die maßgeblichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat zur Kenntnis gebracht und ihm im Anschluss daran zur Wahrung des Rechts auf Parteiengehör die Möglichkeit eingeräumt, zu den getroffenen Feststellungen eine Stellungnahme abzugeben. Der BF führte dazu wörtlich aus: "Ich brauche das nicht, ich habe mit Afghanistan nichts mehr zu tun, es interessiert mich nicht mehr."

Der BF ist auch in der Beschwerde den in das Verfahren eingeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen und den auf diesen beruhenden Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat überhaupt nicht entgegengetreten. Die belangte Behörde hat ihrerseits Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt, wobei der BF keineswegs den Wahrheitsgehalt der ausgewählten Berichte zu widerlegen vermochte.

Es wurden somit im gesamten Verfahren keinerlei Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen.

3. Rechtliche Beurteilung

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 144/2013) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 01.01.2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen.

Im Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018, hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Verhandlungspflicht des Verwaltungsgerichtes auseinandergesetzt. Die wichtigsten Aussagen lauten:

a) Die bisher zu § 67d AVG ergangene Rechtsprechung lässt sich auf das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz insoweit übertragen, als sich die diesbezüglichen Vorschriften weder geändert haben noch aus systematischen Gründen sich eine geänderte Betrachtungsweise als geboten darstellt.

b) Die in § 24 Abs. 4 VwGVG getroffene Anordnung kann nach dessen Wortlaut nur zur Anwendung gelangen, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist. Schon deswegen kann - entgegen den Materialien - nicht davon ausgegangen werden, diese Bestimmung entspräche (zur Gänze) der Vorgängerbestimmung des § 67d Abs. 4 AVG. Zudem war letztgenannte Norm nur auf jene Fälle anwendbar, in denen ein verfahrensrechtlicher Bescheid zu erlassen war. Eine derartige Einschränkung enthält § 24 Abs. 4 VwGVG nicht (mehr).

c) Für den Anwendungsbereich der vom BFA-VG 2014 erfassten Verfahren enthält § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 eigene Regelungen, wann - auch:

trotz Vorliegens eines Antrages - von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann. Lediglich "im Übrigen" sollen die Regelungen des § 24 VwGVG anwendbar bleiben. Somit ist bei der Beurteilung, ob in vom BFA-VG erfassten Verfahren von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann, neben § 24 Abs. 1 bis 3 und 5 VwGVG in seinem Anwendungsbereich allein die Bestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014, nicht aber die bloß als subsidiär anwendbar ausgestaltete Norm des § 24 Abs. 4 VwGVG, als maßgeblich heranzuziehen.

d) Mit Blick darauf, dass der Gesetzgeber im Zuge der Schaffung des § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 vom bisherigen Verständnis gleichlautender Vorläuferbestimmungen ausgegangen ist, sich aber die Rechtsprechung auch bereits damit auseinandergesetzt hat, dass sich jener Rechtsrahmen, in dessen Kontext die hier fragliche Vorschrift eingebettet ist, gegenüber jenem, als sie ursprünglich geschaffen wurde, in maßgeblicher Weise verändert hat, geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" nunmehr folgende Kriterien beachtlich sind: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG 2014 festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Dem angefochtenen Bescheid ist - wie bereits unter Punkt 2.3. ausgeführt - ein umfassendes Ermittlungsverfahren zur Erhebung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes durch das Bundesasylamt vorangegangen. Der dabei festgestellte Sachverhalt ist bis dato aktuell und vollständig. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht durch detaillierte Befragung, Vorhalte sowie mehrmalige Belehrung des BF über seine Mitwirkungspflichten nachgekommen. Der Sachverhalt wurde somit nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger und nachvollziehbarer Beweiswürdigung des Bundesasylamtes festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis dieses Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt in konkreter und substanziierter Weise behauptet. Aufgrund dieser Erwägungen hätte eine mündliche Erörterung vor dem Bundesverwaltungsgericht eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lassen. Die für die Eruierung der Entscheidungsgrundlage tragenden beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde sind dergestalt, dass es aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes verfahrensgegenständlich gerechtfertigt ist, von einer Durchführung der beantragten Verhandlung Abstand zu nehmen. Die vorliegende Rechtssache erwies sich im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG und der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sohin als entscheidungsreif, weshalb von einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht abgesehen werden konnte.

Zu Spruchteil A):

Zu Spruchpunkt I.:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (in der Folge: VwGH) die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des BF, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen konnte vom BF nicht glaubhaft gemacht und auch sonst nicht festgestellt werden. Konkrete Hinweise auf eine Gefahr der Verfolgung des BF in seinem Herkunftsstaat Afghanistan sind im gesamten Verfahren vor der belangten Behörde, in der Beschwerde und im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht somit nicht hervorgekommen. Schließlich sind im Verfahren auch sonst keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen hätten.

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, war in der Folge davon auszugehen, dass eine asylrelevante Verfolgung nicht existiert.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II.:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Das Bundesverwaltungsgericht hat somit vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der VwGH hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zahl 95/18/0049;

05.04.1995, Zahl 95/18/0530; 04.04.1997, Zahl 95/18/1127;

26.06.1997, Zahl 95/18/1291; 02.08.2000, Zahl 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zahl 93/18/0214).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zahl 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zahl 98/01/0122; 25.01.2001, Zahl 2001/20/0011).

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zahl 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zahl 95/21/0294; 25.01.2001, Zahl 2000/20/0438; 30.05.2001, Zahl 97/21/0560).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. vs. Vereinigtes Königreich, Zahl 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zahl 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zahl 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB. Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK in Verbindung mit § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bzw. § 50 Abs. 1 FPG bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. vs. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zahl 2000/01/0443;

13.11.2001, Zahl 2000/01/0453; 09.07.2002, Zahl 2001/01/0164;

16.07.2003, Zahl 2003/01/0059).

Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zahl 2001/21/0137).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG gegeben sind:

Aus den herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich zwar, dass die aktuelle Situation in Afghanistan unverändert weder sicher noch stabil ist, doch variiert dabei die Sicherheitslage regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt.

Hinsichtlich der in Afghanistan vorherrschenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist auszuführen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist. Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien und Stammesverbänden. Afghanen, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren, da ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die erforderlichen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen.

Beim BF handelt es sich zwar um einen arbeitsfähigen jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Es muss demgegenüber aber maßgeblich berücksichtigt werden, dass der BF aus der Provinz Paktia stammt, bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan stets dort gelebt hat und er auch ausschließlich in der Provinz Paktia über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt.

Wie sich aus den vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Informationen ergibt, kann die Sicherheitslage in der Provinz Paktia als äußerst angespannt und allgemein als gefährlich bezeichnet werden. Im Forschungsbericht Afghanistan der Bundesregierung zur Unterrichtung des Deutschen Bundestags vom Jänner 2014 wird die Bedrohungslage in der Provinz Paktia als erheblich bis hoch bezeichnet.

Im vorliegenden Fall muss davon ausgegangen werden, dass es dem BF im Fall der Rückkehr nach Afghanistan nicht möglich und zumutbar ist, von der Hauptstadt Kabul aus in seinen Heimatort in der Provinz Paktia zu gelangen. So ist die Sicherheitslage in der Provinz Paktia als derart unsicher zu beurteilen, dass die Anreise des BF in seinen Heimatort gleichsam mit hoher Wahrscheinlichkeit ein verstärktes Risiko für seine Unversehrtheit mit sich bringen würde. Eine Rückkehr in seine Heimatprovinz, in welcher die Angehörigen des BF nach wie vor aufhältig sind, kann dem BF sohin nicht zugemutet werden. Der BF wäre daher im Fall der Rückkehr nach Afghanistan vorerst vollkommen auf sich alleine gestellt und jedenfalls gezwungen, in der Hauptstadt Kabul nach einem - wenn auch nur vorläufigen - Wohnraum zu suchen, ohne jedoch über ausreichende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten Kabuls zu verfügen. Wie aus den im Verfahren herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ersichtlich ist, stellt sich die Versorgung mit Wohnraum und Nahrungsmitteln, insbesondere für alleinstehende Rückkehr ohne familiären Rückhalt, meist nur unzureichend dar. Angesichts der derzeitigen politischen Lage in Afghanistan ist zudem ausreichende staatliche Unterstützung sehr unwahrscheinlich.

Eine innerstaatliche Schutzalternative (§ 8 Abs. 3 in Verbindung mit § 11 AsylG), etwa in der Hauptstadt Kabul, würde dem BF unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände sowie auch im Hinblick auf die allgemein schlechte Versorgungslage in Afghanistan derzeit ebenfalls nicht zur Verfügung stehen. So ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der BF mit den Gegebenheiten in Kabul nicht vertraut ist, zumal er niemals dort gelebt hat. Er führte zwar aus, dass er ein oder zwei Mal mit Freunden in Kabul gewesen sei, es gibt jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der BF über einen längeren Zeitraum in Kabul aufgehalten hat. Auch hat der BF keine Verwandten oder sonstigen Anknüpfungspunkte in Kabul.

Die Rückkehr des BF nach Afghanistan erscheint daher derzeit unter den dargelegten Umständen als unzumutbar.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt sein, in Rechten nach Art. 3 EMRK verletzt zu werden.

Daher war der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dem BF gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

Zu Spruchpunkt III. (Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung)

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Im gegenständlichen Fall war der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

Daher war gemäß § 8 Abs. 4 AsylG gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres zu erteilen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitgehend völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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