VfGH G279/2021

VfGHG279/202130.6.2022

Kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz durch die unterschiedliche Behandlung des Zinses bei Miet- und Pachtverträgen bei außerordentlichen Zufällen im ABGB; Zinsminderung bei teilweiser Unbrauchbarkeit des Mietobjektes infolge außergewöhnlicher Zufälle sachlich gerechtfertigt; wirtschaftliches Risiko der gesetzlich dispositiven Gefahrentragung des Pächters für Unbrauchbarkeit des Pachtobjekts durch dessen Fleiß und Mühe beeinflussbar; Sachlichkeit der Beschränkung der Pachtzinsminderung auf höchstens ein Jahr befristete Verträge im Hinblick auf den Ausgleich zwischen guten und schlechten Wirtschaftsperioden bei längeren Befristungen

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 Z1lita
EMRK 1. ZP Art1
StGG Art2
StGG Art5
ABGB §1105
VfGG §7 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2022:G279.2021

 

Spruch:

I. Der Antrag auf Aufhebung des §1105 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), JGS Nr 946/1811, idF RGBI. Nr 69/1916 wird abgewiesen.

II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestützten Antrag begehrt das Bezirksgericht Meidling, "§1105 Satz 2 und 3 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB), JGS 1811/946 idgF RGBI 1916/69", in eventu "§1105 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB), JGS 1811/946 idgF RGBI 1916/69, zur Gänze" als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches – ABGB, JGS 946/1811, idF BGBl I 50/2013 lauten wie folgt (die im Eventualantrag angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"Fünf u. zwanzigstes Hauptstück.

Von Bestand- Erbpacht- und Erbzins-Verträgen.

Bestandvertrag.

 

§1090. Der Vertrag, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, heißt überhaupt Bestandvertrag.

 

I) Mieth- und Pachtvertrag.

 

§1091. Der Bestandvertrag wird, wenn sich die in Bestand gegebene Sache ohne weitere Bearbeitung gebrauchen läßt, ein Miethvertrag; wenn sie aber nur durch Fleiß und Mühe benützt werden kann, ein Pachtvertrag genannt. Werden durch einen Vertrag Sachen von der ersten und zweyten Art zugleich in Bestand gegeben; so ist der Vertrag nach der Beschaffenheit der Hauptsache zu beurtheilen.

 

Erfordernisse.

 

§1092. Mieth- und Pachtverträge können über die nähmlichen Gegenstände und auf die nähmliche Art, als der Kaufvertrag geschlossen werden. Der Mieth- und Pachtzins wird, wenn keine andere Uebereinkunft getroffen worden ist, wie das Kaufgeld entrichtet.

 

§1093. Der Eigenthümer kann sowohl seine beweglichen und unbeweglichen Sachen, als seine Rechte in Bestand geben; er kann aber auch in den Fall kommen, den Gebrauch seiner eigenen Sache, wenn er einem Dritten gebührt, in Bestand zu nehmen.

 

Wirkung.

 

§1094. Sind die vertragschließenden Theile über das Wesentliche des Bestandes, nähmlich über die Sache und den Preis, übereingekommen; so ist der Vertrag vollkommen abgeschlossen, und der Gebrauch der Sache für gekauft anzusehen.

 

§1095. Wenn ein Bestandvertrag in die öffentlichen Bücher eingetragen ist; so ist das Recht des Bestandnehmers als ein dingliches Recht zu betrachten, welches sich auch der nachfolgende Besitzer auf die noch übrige Zeit gefallen lassen muß.

 

Wechselseitige Rechte:

1) In Hinsicht auf Ueberlassung; Erhaltung; Benützung.

 

§1096. (1) Vermieter und Verpächter sind verpflichtet, das Bestandstück auf eigene Kosten in brauchbarem Stande zu übergeben und zu erhalten und die Bestandinhaber in dem bedungenen Gebrauche oder Genusse nicht zu stören. Ist das Bestandstück bei der Übergabe derart mangelhaft oder wird es während der Bestandzeit ohne Schuld des Bestandnehmers derart mangelhaft, daß es zu dem bedungenen Gebrauche nicht taugt, so ist der Bestandnehmer für die Dauer und in dem Maße der Unbrauchbarkeit von der Entrichtung des Zinses befreit. Auf diese Befreiung kann bei der Miete unbeweglicher Sachen im voraus nicht verzichtet werden.

 

(2) Der Pächter hat die gewöhnlichen Ausbesserungen der Wirtschaftsgebäude nur insoweit selbst zu tragen, als sie mit den Materialien des Gutes und den Diensten, die er nach der Beschaffenheit des Gutes zu fordern berechtigt ist, bestritten werden können.

 

§1097. Werden Ausbesserungen nötig, welche dem Bestandgeber obliegen, so ist der Bestandnehmer bei sonstigem Schadenersatz verpflichtet, dem Bestandgeber ohne Verzug Anzeige zu machen. Der Bestandnehmer wird als ein Geschäftsführer ohne Auftrag betrachtet, wenn er auf das Bestandstück einen dem Bestandgeber obliegenden Aufwand (§1036) oder einen nützlichen Aufwand (§1037) gemacht hat; er muß aber den Ersatz längstens binnen sechs Monaten nach Zurückstellung des Bestandstückes gerichtlich fordern, sonst ist die Klage erloschen.

 

§1098. Mieter und Pächter sind berechtiget, die Miet- und Pachtstücke dem Vertrage gemäß durch die bestimmte Zeit zu gebrauchen und zu benützen, oder auch in Afterbestand zu geben, wenn es ohne Nachteil des Eigentümers geschehen kann und im Vertrage nicht ausdrücklich untersagt worden ist.

 

2) Lasten;

 

§1099. Bey Vermiethungen trägt alle Lasten und Abgaben der Vermiether. Bey eigentlichen Pachtungen, wenn sie in Pausch und Bogen geschehen, übernimmt der Pächter mit Ausschluß der eingetragenen Hypothecar-Lasten, alle übrige; wird aber die Pachtung nach einem Anschlage geschlossen, so trägt er jene Lasten, welche von dem Ertrage abgezogen worden sind, oder bloß von den Früchten, und nicht von dem Grunde selbst entrichtet werden müssen.

 

3) Zins.

 

§1100. Ist nichts anderes vereinbart oder ortsüblich, so ist der Zins, wenn eine Sache auf ein oder mehrere Jahre in Bestand genommen wird, halbjährlich, bei einer kürzeren Bestandzeit hingegen nach Verlauf derselben zu entrichten. Bei der Raummiete ist der Zins monatlich, und zwar jeweils am Fünften des Monats, zu entrichten.

 

§1101. (1) Zur Sicherstellung des Bestandzinses hat der Vermieter einer unbeweglichen Sache das Pfandrecht an den eingebrachten, dem Mieter oder seinen mit ihm in gemeinschaftlichem Haushalte lebenden Familienmitgliedern gehörigen Einrichtungsstücken und Fahrnissen, soweit sie nicht der Pfändung entzogen sind. Das Pfandrecht erlischt, wenn die Gegenstände vor ihrer pfandweisen Beschreibung entfernt werden, es sei denn, daß dies infolge einer gerichtlichen Verfügung geschieht und der Vermieter binnen drei Tagen nach dem Vollzuge sein Recht bei Gericht anmeldet.

 

(2) Zieht der Mieter aus oder werden Sachen verschleppt, ohne daß der Zins entrichtet oder sichergestellt ist, so kann der Vermieter die Sachen auf eigene Gefahr zurückbehalten, doch muß er binnen drei Tagen um die pfandweise Beschreibung ansuchen oder die Sachen herausgeben.

 

(3) Dem Verpächter eines Grundstückes steht in gleichem Umfange und mit gleicher Wirkung das Pfandrecht an dem auf dem Pachtgute vorhandenen Vieh und den Wirtschaftsgerätschaften und den darauf noch befindlichen Früchten zu.

 

§1102. Der Bestandgeber kann sich zwar die Vorausbezahlung des Bestandzinses bedingen. Hat aber der Bestandnehmer mehr als eine Fristzahlung voraus geleistet, so kann er dieselbe einem später eingetragenen Gläubiger oder neuen Eigentümer nur dann entgegensetzen, wenn sie in dem öffentlichen Buch ersichtlich gemacht ist.

 

Zins in Früchten.

 

§1103. Wenn der Eigenthümer sein Gut mit der Bedingung überläßt, daß der Uebernehmer die Wirthschaft betreiben, und dem Uebergeber einen auf die ganze Nutzung sich beziehenden Theil, z. B. ein Drittheil oder die Hälfte der Früchte geben solle; so entsteht kein Pacht-, sondern ein Gesellschaftsvertrag, welcher nach den darüber aufgestellten Regeln beurtheilet wird.

 

Fälle und Bedingungen einer Erlassung des Zinses.

 

§1104. Wenn die in Bestand genommene Sache wegen außerordentlicher Zufälle, als Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen, Wetterschläge, oder wegen gänzlichen Mißwachses gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann, so ist der Bestandgeber zur Wiederherstellung nicht verpflichtet, doch ist auch kein Miet- oder Pachtzins zu entrichten.

 

§1105. Behält der Mieter trotz eines solchen Zufalls einen beschränkten Gebrauch des Mietstückes, so wird ihm auch ein verhältnismäßiger Teil des Mietzinses erlassen. Dem Pächter gebührt ein Erlaß an dem Pachtzinse, wenn durch außerordentliche Zufälle die Nutzungen des nur auf ein Jahr gepachteten Gutes um mehr als die Hälfte des gewöhnlichen Ertrages gefallen sind. Der Verpächter ist so viel zu erlassen schuldig, als durch diesen Abfall an dem Pachtzinse mangelt.

 

§1106. Hat der Bestandnehmer unbestimmt alle Gefahren auf sich genommen; so werden darunter nur die Feuer-, und Wasserschäden und Wetterschläge verstanden. Andere außerordentliche Unglücksfälle kommen nicht auf seine Gefahr. Verbindet er sich aber ausdrücklich, auch alle andere außerordentliche Unglücksfälle zu tragen; so wird deßwegen noch nicht vermuthet, daß er auch für den zufälligen Untergang des ganzen Pachtstückes haften wolle.

 

§1107. Wird der Gebrauch oder Genuß des Bestandstückes nicht wegen dessen Beschädigung oder sonst entstandener Unbrauchbarkeit, sondern aus einem dem Bestandnehmer zugestoßenen Hindernisse oder Unglücksfalle vereitelt, oder waren zur Zeit der Beschädigung die Früchte von dem Grunde schon abgesondert, so fällt die widrige Ereignung dem Bestandnehmer allein zur Last. Er muß den Zins doch entrichten. Der Bestandgeber muß sich aber den ersparten Aufwand und die Vorteile, die er durch anderweitige Verwertung des Bestandstückes erlangt, anrechnen.

 

§1108. Behauptet der Pächter den Erlaß des ganzen Pachtzinses oder eines Theiles davon entweder aus dem Vertrage oder aus dem Gesetze; so muß er dem Verpächter ohne Zeitverlust den geschehenen Unglücksfall anzeigen, und die Begebenheit, wenn sie nicht landkündig ist, gerichtlich, oder wenigstens durch zwey sachkündige Männer erheben lassen; ohne diese Vorsicht wird er nicht angehört.

 

4) Zurückstellung;

 

§1109. Nach geendigtem Bestandvertrage muß der Bestandnehmer die Sache dem etwa errichteten Inventarium gemäß oder doch in dem Zustand, in welchem er sie übernommen hat, gepachtete Grundstücke aber mit Rücksicht auf die Jahreszeit, in welcher der Pacht geendigt worden ist, in gewöhnlicher wirtschaftlicher Kultur zurückstellen. Weder ein Zurückbehaltungsrecht oder die Einwendung der Kompensation noch selbst des früheren Eigentumsrechtes kann ihn vor der Zurückstellung schützen.

 

§1110. Wenn bey dem Bestandvertrage kein Inventarium errichtet worden ist; so tritt die nähmliche Vermuthung, wie bey der Fruchtnießung (§. 518) ein.

 

§1111. Wird das Mieth- oder Pachtstück beschädiget, oder durch Mißbrauch abgenützt; so haften Miether und Pächter sowohl für ihr eigenes, als des Afterbestandnehmers Verschulden, nicht aber für den Zufall. Doch muß der Bestandgeber den Ersatz aus dieser Haftung längstens binnen Einem Jahre nach Zurückstellung des Bestandstückes gerichtlich fordern; sonst ist das Recht erloschen.

 

5) Auflösung des Bestandvertrages:

a) durch Untergang der Sache;

 

§1112. Der Bestandvertrag löset sich von selbst auf, wenn die bestandene Sache zu Grunde geht. Geschieht dies aus Verschulden des einen Theiles, so gebührt dem andern Ersatz; geschieht es durch einen Unglücksfall, so ist kein Theil dem andern dafür verantwortlich.

 

b) Verlauf der Zeit;

 

§1113. Der Bestandvertrag erlischt auch durch den Verlauf der Zeit, welcher ausdrücklich oder stillschweigend, entweder durch den nach einem gewissen Zeitraume ausgemessenen Zins, wie bey so genannten Tag- Wochen- und Monathzimmern, oder durch die erklärte, oder aus den Umständen hervorleuchtende Absicht des Bestandnehmers bedungen worden ist.

 

Wenn keine Erneuerung geschieht;

 

§1114. Der Bestandvertrag kann aber nicht nur ausdrücklich; sondern auch stillschweigend erneuert werden. Ist in dem Vertrage eine vorläufige Aufkündigung bedungen worden; so wird der Vertrag durch die Unterlassung der gehörigen Aufkündigung stillschweigend erneuert. Ist keine Aufkündigung bedungen worden; so geschieht eine stillschweigende Erneuerung, wenn der Bestandnehmer nach Verlauf der Bestandzeit fortfährt, die Sache zu gebrauchen oder zu benützen, und der Bestandgeber es dabey bewenden läßt.

 

§1115. Die stillschweigende Erneuerung des Bestandvertrages geschieht unter den nähmlichen Bedingungen, unter welchen er vorher geschlossen war. Doch erstreckt sie sich bey Pachtungen nur auf Ein Jahr; wenn aber der ordentliche Genuß erst in einem späteren Zeitraume erfolgen kann, auf eine so lange Zeit, als nothwendig ist, um die Nutzungen einmahl beziehen zu können. Miethungen, wofür man den Zins erst nach einem ganzen oder halben Jahre zu bezahlen pflegt, werden auf ein halbes Jahr; alle kürzere Miethungen aber auf diejenige Zeit stillschweigend erneuert, welche vorher durch den Bestandvertrag bestimmt war. Von wiederhohlten Erneuerungen gilt das Nähmliche, was hier in Rücksicht der ersten Erneuerung vorgeschrieben ist.

 

c) Aufkündigung;

 

§1116. In so fern die Dauer eines Bestandvertrages weder ausdrücklich, noch stillschweigend, noch durch besondere Vorschriften bestimmt ist, muß derjenige, welcher den Vertrag aufheben will, dem Andern die Pachtung sechs Monathe; die Miethung einer unbeweglichen Sache vierzehn Tage; und einer beweglichen vier und zwanzig Stunden vorher aufkündigen, als die Abtretung erfolgen soll.

 

§1116a. Durch den Tod eines der vertragschließenden Teile wird der Bestandvertrag nicht aufgehoben. Wohnungsmieten können jedoch, wenn der Mieter stirbt, ohne Rücksicht auf die vereinbarte Dauer sowohl von den Erben des Mieters wie von dem Vermieter unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gelöst werden.

 

§1117. Der Bestandnehmer ist berechtigt, auch vor Verlauf der bedungenen Zeit von dem Vertrag ohne Kündigung abzustehen, wenn das Bestandstück in einem Zustand übergeben oder ohne seine Schuld in einen Zustand geraten ist, der es zu dem bedungenen Gebrauch untauglich macht, oder wenn ein beträchtlicher Teil durch Zufall auf eine längere Zeit entzogen oder unbrauchbar wird. Aus dem Grunde der Gesundheitsschädlichkeit gemieteter Wohnräume steht dieses Recht dem Mieter auch dann zu, wenn er im Vertrage darauf verzichtet oder die Beschaffenheit der Räume beim Vertragsabschluß gekannt hat.

 

§1118. Der Bestandgeber kann seinerseits die frühere Aufhebung des Vertrages fordern, wenn der Bestandnehmer der Sache einen erheblichen nachtheiligen Gebrauch davon macht; wenn er nach geschehener Einmahnung mit der Bezahlung des Zinses dergestalt säumig ist, daß er mit Ablauf des Termins den rückständigen Bestandzins nicht vollständig entrichtet hat; oder, wenn ein vermiethetes Gebäude neu aufgeführt werden muß. Eine nützlichere Bauführung ist der Miether zu seinem Nachtheile zuzulassen nicht schuldig, wohl aber nothwendige Ausbesserungen.

 

§1119. Wenn dem Vermiether die Nothwendigkeit der neuen Bauführung schon zur Zeit des geschlossenen Vertrages bekannt seyn mußte; oder, wenn die Nothwendigkeit der durch längere Zeit fortzusetzenden Ausbesserungen aus Vernachlässigung der kleinern Ausbesserungen entstanden ist; so muß dem Miether für den vermißten Gebrauch eine angemessene Entschädigung geleistet werden.

 

d) Veräußerung der Sache;

 

§1120. Hat der Eigenthümer das Bestandstück an einen Andern veräußert, und ihm bereits übergeben; so muß der Bestandinhaber, wenn sein Recht nicht in die öffentlichen Bücher eingetragen ist (§. 1095), nach der gehörigen Aufkündigung dem neuen Besitzer weichen. Er ist aber berechtiget, von dem Bestandgeber in Rücksicht auf den erlittenen Schaden, und entgangenen Nutzen eine vollkommene Genugthuung zu fordern.

 

§1121. Bei einer zwangsweisen gerichtlichen Veräußerung ist das Bestandrecht, wenn es in die öffentlichen Bücher eingetragen ist, gleich einer Dienstbarkeit zu behandeln. Hat der Ersteher das Bestandrecht nicht zu übernehmen, so muß ihm der Bestandnehmer nach gehöriger Aufkündigung weichen."

 

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Beim Bezirksgericht Meidling (in der Folge: antragstellendes Gericht) sind zwei Verfahren anhängig, die Bestandzinsforderungen zweier Verpächterinnen gegen eine Pächterin zum Inhalt haben. Pachtgegenstand sind Gastronomiebetriebe in einem Bürogebäude.

1.2. Die beiden Verfahren wurden verbunden. Die Forderungen betreffen im ersten (führenden) Verfahren den Zeitraum Mai 2020 bis einschließlich Jänner 2021 und im anderen (verbundenen) Verfahren den Zeitraum April 2020 bis einschließlich Jänner 2021. Die Pachtgegenstände seien nach dem Vorbringen der Klägerinnen auf Grund der behördlichen COVID-19-Maßnahmen nicht gänzlich, sondern nur teilweise unbrauchbar gewesen.

2. Das antragstellende Gericht legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"2. Zur Anwendbarkeit (Präjudizialität) der angefochtenen Bestimmungen

 

Gemäß §62 Abs2 VfGG ist der Antrag nur zulässig, wenn das Gesetz in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden, bzw wenn die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der bei Gericht anhängigen Rechtssache ist. Der Antrag hat darzulegen, inwiefern das Gericht […] das Gesetz anzuwenden hätte.

 

Präjudizialität/Anwendung im Sinne des Art89 Abs2 B‑VG, wird im untechnischen Sinn weit verstanden, sodass Anwendung nicht nur Vollziehung generell bedeutet, sondern auch, wenn dies eine Voraussetzung einer gerichtlichen Entscheidung oder Grundlage der im engeren Sinn anzuwendenden Bestimmung ist. So erachtet sich der VfGH zur Verneinung der Präjudizialität nur dann berechtigt, wenn diese ganz offenbar fehlt, oder wenn es denkunmöglich ist, dass diese im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung anzuwenden ist (Muzak B‑VG6 Art89 Rz 4 ff).

 

§1104 ABGB lautet:

 

Wenn die in Bestand genommene Sache wegen außerordentlicher Zufälle, als Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen, Wetterschläge, oder wegen gänzlichen Misswachses gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann, so ist der Bestandgeber zur Wiederherstellung nicht verpflichtet, doch ist auch kein Mief- oder Pachtzins zu entrichten.

 

§1105 ABGB lautet:

 

Behält der Mieter trotz eines solchen Zufalls einen beschränkten Gebrauch des Mietstückes, so wird ihm auch ein verhältnismäßiger Teil des Mietzinses erlassen. Dem Pächter gebührt ein Erlass an dem Pachtzinse, wenn durch außerordentliche Zufälle die Nutzungen des nur auf ein Jahr gepachteten Gutes um mehr als die Hälfte des gewöhnlichen Ertrages gefallen sind. Der Verpächter ist so viel zu erlassen schuldig, als durch diesen Abfall an dem Pachtzinse mangelt.

 

Die Sätze 2 und 3 gelten auch für die Unternehmenspacht (RIS-Justiz RS 0024906).

 

Gemäß §1108 ABGB hat der Pächter dem Verpächter ohne Zeitverlust den Unglücksfall anzuzeigen, wenn er den Erlass des ganzen Pachtzinses oder einen Teil davon behauptet. Nach herrschender Meinung bezieht sich diese Bestimmung jedoch ausschließlich nur auf die landwirtschaftliche Pacht und ist daher gegenständlich nicht anzuwenden, sodass die Frage, ob eine (ordnungsgemäße) Anzeige erfolgte, für die Präjudizialität des §1105 nicht relevant ist (Lovrek in Rummel/Lukas, Kommentar zum ABGB4, §1108 Rz 18 f). Im Übrigen spricht die wiederholte Geltendmachung der Beklagten von Ansprüchen auf Pachtzinsentfall bzw -reduktion aufgrund von Covid-19 gegenüber den Klägerinnen (Beilagen ./2 ‑ ./4) für eine ordnungsgemäße Anzeige.

 

Die WHO hat die Krankheit Covid-19, welche durch das SARS-COV2-Virus hervorgerufen wird, am 11.03.2020 zur Pandemie (Seuche ohne räumliche Begrenzung) erklärt, Covid-19 ist jedoch auch im Hinblick auf die zu ihrer Bekämpfung erlassenen Gesetze und Verordnungen als Seuche im Sinne des §1104 ABGB anzusehen. Beseitigen oder beschränken die wegen der Pandemie ergriffenen legistischen Maßnahmen die Nutzungsmöglichkeiten des Bestandobjekts, sind sie auch ohne Substanzschädigung des Objekts als Folge der Pandemie den §§1104f ABGB zu unterstellen (RWZ0000220). Entscheidend ist, ob die Gebrauchsmöglichkeit objektiv – gemessen am Vertragszweck – beseitigt oder eingeschränkt ist (LG für ZRS Wien, 39 R 27/21s, s auch Lovrek in ZIK 2020/60 Spezial online 'Covid-19-Insolvenzrecht', Heft 1a, Seite 3; Höllwerth in GeKo WohnR I §1104 Rz 14).

 

Bestandzweck ist unstrittigerweise jeweils der Betrieb eines Gastronomieunternehmens. Die oben angeführten behördlichen Maßnahmen haben zu einer eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit geführt. Markante Umsatzeinbußen, wie von der Beklagten geltend gemacht, als objektive Folge einer Störung der geschäftlichen Tätigkeit durch die Covid-19-Pandemie stellen Beeinträchtigungen des Bestandzwecks dar.

 

Die Bestimmung §1105 Satz 2 und […] der damit eine untrennbare Einheit bildende Satz 3 ist daher vom Gericht anzuwenden.

 

Nach der Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofs darf der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages im Gesetzesprüfungsverfahren nicht zu eng gewählt werden, sodass all jene Normen anzufechten sind, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden, zumal es Sache des Verfassungsgerichtshofes ist, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit beseitigt werden könne (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014[;] VfGH 10.03.2015, G201/2014[;] 13.10.2016, G640/2015 ua).

 

Im Sinne des Eventualbegehrens ist daher der gesamte §1105, welcher die Folgen der eingeschränkten Brauchbarkeit bei außerordentlichen Zufällen in Satz 1 bei Miete, sowie in Satz 2 und 3 bei Pacht regelt, als Einheit und somit als präjudiziell anzusehen.

 

3. Bedenken des Bezirksgerichtes Meidling hinsichtlich der Verfassungskonformität der Bestimmung des §1105 Satz 2 und 3 ABGB, in eventu des §1105 zur Gänze

 

§1105 ABGB ist seit der Kundmachung Reichsgesetzblatt 1916/69 unverändert in Geltung. Diese Bestimmungen waren bereits weitgehend in der Stammfassung des ABGB von 1811 enthalten. Mit der dritten Teilnovelle wurde in §1105 ABGB lediglich die Wortfolge 'durch einen solchen Zufall' zur Klarstellung des systematischen Zusammenhanges mit §1104 ABGB eingefügt (Kronthaler RdW 2020/250 RdW 2020, 320 Heft 5 v. 22.5.2020).

 

Vor dem Hintergrund der heutigen dynamischen Interpretation der Grundrechte sowie des Gebotes des effektiven Grundrechtsschutzes ist es möglich, dass ein ursprünglich verfassungskonformes Gesetz aufgrund eines sich ändernden Verfassungsverständnisses verfassungswidrig wird. Dies gilt insbesondere für die sachliche Rechtfertigung von Rechtsnormen, sodass sich die Frage stellt, ob die unterschiedliche Behandlung von Mieter und Pächter beim beschränkten Gebrauch des Bestandgegenstandes gemäß §1105 ABGB aus grundrechtlicher Sicht überhaupt (noch) zulässig ist.

 

Wenngleich §1105 sich nach herrschender Meinung und Judikatur auch auf die Unternehmenspacht bezieht, war er entstehungsgeschichtlich von der weitgehend agrarischen Wirtschaftsstruktur und dem danach ausgerichteten Verständnis des damals vorherrschenden landwirtschaftlichen Pachtverhältnisses geprägt – mit der Begründung, dass ein Minderertrag durch höhere Erträge während der folgenden Jahre ausgeglichen werden könne (Prader/Walzel von Wiesentreu – Wider die unzeitgemäße Auslegung von Covid-19 im Bereich des Bestandrechts unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkte RdW digital-only 2020, 1 m.w.N.). Dies trifft jedoch nicht auf die Unternehmenspacht zu, wo Umsatzeinbußen von 50 Prozent und mehr in aller Regel nicht durch folgende Wirtschaftsperioden kompensiert werden können. Hinzu kommt, wie im folgenden gezeigt wird, dass sich die Abgrenzung der Unternehmenspacht zur Geschäftsraummiete äußerst schwierig gestaltet.

 

Zur Abgrenzung Miete und Pacht (vgl dazu und auch hinsichtlich der Unterscheidung Geschäftsraummiete – Unternehmenspacht Höllwerth in GeKo Wohnrecht I §1091 ABGB):

 

Der Mieter ist nach der Definition des §1091 ABGB bloß zum Gebrauch des Bestandobjektes berechtigt, welches sich ohne weitere Bearbeitung gebrauchen lässt, wohingegen der Pächter auch zur Fruchtziehung berechtigt ist und die Bestandsache nur durch Fleiß und Mühe benützt werden kann. Enthält ein Bestandvertrag sowohl Elemente der Miete als auch der Pacht, so entscheidet das überwiegende Element, und zwar jenes mit der größeren wirtschaftlichen Bedeutung, ob für das gesamte Vertragsverhältnis die Regeln der Miete oder der Pacht gelten (Absorbtionstheorie).

 

Die nunmehr herrschende Lehre und Judikatur folgt inzwischen einer vom Wortlaut des §1091 abweichenden Abgrenzung, die sich im Allgemeinen nicht nach der Art der Bestandsache, sondern nach dem Vertragsrecht, insbesondere den dem Bestandnehmer eingeräumten Befugnissen richtet, sodass aus der Beschaffenheit des Bestandgegenstandes allein nicht auf die rechtliche Qualität des Bestandvertrages geschlossen werden kann.

 

Zur Unterscheidung Geschäftsraummiete – Unternehmenspacht:

 

Ein Bestandvertrag ist Miete, wenn der Bestandnehmer bloß Räume, dagegen Pacht, wenn er ein darin vorhandenes lebendes Unternehmen zur Nutzung überlassen erhält. Auf die Bezeichnung des Vertrages und dessen rechtliche Qualifikation kommt es dabei im Regelfall nicht entscheidend an, doch kann der rechtlichen Einordnung durch die Parteien in Grenzfällen Indizfunktion zukommen. Gegenstand eines Pachtvertrages kann jede organisierte Erwerbsgelegenheit sein, die Ertrag abzuwerfen vermag. Die Unterscheidung von Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht ist nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmen, entscheidend ist der Inhalt der eingeräumten Befugnisse und der sich daraus ergebende Zweck des Rechtsgeschäftes, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls.

 

Unternehmenspacht wird im Allgemeinen dann angenommen, wenn ein lebendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrages ist, der Bestandgeber demnach auch das beistellt, was wesentlich zum Betrieb des Unternehmens gehört. Dabei wird es sich üblicherweise um Betriebsmittel, Kundenstock und Personal handeln, wobei nicht alle diese Elemente vorhanden sein müssen. Die Vereinbarung einer Betriebspflicht ist als das wesentlichste Kriterium für die Qualifikation als Pachtvertrag anzusehen, sofern es sich nicht um eine bloße Leerformel ohne echtes Substrat handelt. Doch diese allein ist nach der Judikatur zu Bestandverträgen in Einkaufszentren auch nicht ausschlaggebend.

 

Bei erst zu gründenden Betrieben sind die Anforderungen für die Annahme einer Unternehmenspacht tendenziell strenger, es kann in solchen Fällen nur dann Pacht angenommen werden, wenn der Bestandgeber alle wesentlichen Grundlagen des zukünftigen Unternehmens zur Verfügung stellt und der Bestandnehmer auch zur Rückstellung eines lebenden Unternehmens verpflichtet ist. Treffen diese Voraussetzungen nicht zu, dann wird selbst bei Interesse des Bestandgebers an der Führung des Betriebes nur Geschäftsraummiete und nicht Unternehmenspacht vorliegen.

 

Das Vorliegen jeweils eines Pachtvertrages wurde gegenständlich zwar außer Streit gestellt und es wurde auch eine für ein Pachtverhältnis sprechende Betriebspflicht vereinbart. Dennoch bestehen lt. den vorgelegten Pachtverträgen auch Elemente, die für einen Mietvertrag sprechen würden, wie die zahlreichen Einrichtungsgegenstände laut Anlage ./G zum Pachtvertrag Beilage ./1, wie Kühlschränke und diverse Schränke, Spültisch und Geschirrspüler, deren Anschaffung auf Kosten der Beklagten erfolgen sollten (Anlage ./C3 zu den Pachtverträgen, jeweils Beilage ./1), sowie das jeweils in Punkt 2.7. vereinbarte Wahlrecht der Verpächterin hinsichtlich des Rückbaus bestimmter Änderungen.

 

Bei der Abgrenzung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht handelt es sich daher um eine typische Einzelfallbeurteilung, die der Judikatur und Lehre schon seit jeher Schwierigkeiten bereitet und in der Rechtsprechung infolge extremer Kasuistik zu für die Vertragsparteien unerfreulichen, weil wenig vorhersehbaren Ergebnissen führt (aaO Rz 14).

 

Dieser schmale Grat der Abgrenzbarkeit zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht – auch bedingt durch die Absorptionstheorie – führt dazu, dass Unternehmen, die sich wirtschaftlich und auch vom Inhalt des Bestandvertrages her kaum bzw nur in der Gewichtung der für Miete bzw Pacht sprechenden Parameter unterscheiden, mit den völlig unterschiedlichen Rechtsfolgen des §1105 konfrontiert sind: Bei eingeschränkter Brauchbarkeit durch einen außerordentlichen Zufall steht dem Mieter nach Satz 1 eine Zinsminderung zu; dem Pächter nach de[m] Satz 2 jedoch nur, wenn die Pachtdauer auf (höchstens) ein Jahr befristet ist und zusätzlich die Erträge um mehr als die Hälfte vom Gewöhnlichen vermindert sind.

 

Doch auch, wenn diese Voraussetzungen vorliegen, ist der Pächter hinsichtlich der Höhe der Zinsminderung schlechter gestellt. Während es nach Satz 1 zu einer verhältnismäßigen Kürzung des Mietzinses je nach dem Ausmaß der Gebrauchsuntauglichkeit kommt, ist Satz 3 so zu verstehen, dass, wenn der Ertrag nicht ausreicht um die Pacht zu leisten, der Verpächter den Rest zu erlassen hat. Der Pächter muss daher seinen gesamten Ertrag abliefern (Höllwerth in GeKo Wohnrecht I §1105 ABGB Rz 18, 20).

 

Die Differenzierung zwischen Mieter und Pächter des §1105 ist daher unter heutigen Umständen grob unsachlich und verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art7 B‑VG.

 

Doch nicht nur der Gleichheitssatz, sondern auch die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie nach Art5 StGG, Art1 1. ZP-EMRK und Art17 GRC, die jedes vermögenswerte Privatrecht und damit auch das aus dem Pachtvertrag ableitbare Nutzungsrecht des Pächters stützt, spricht gegen die Verfassungsmäßigkeit. So ist die Verpflichtung zur unverminderten Pachtzinszahlung, insbesondere bei stark eingeschränkter Nutzungsmöglichkeit unverhältnismäßig (Prader/Walzel von Wiesentreu RdW digital-only 2020, 1).

 

Zwar hat die Auslegung privatrechtlicher Rechtsvorschriften durch die Gerichte vor dem Hintergrund verfassungsgesetzlich geschützter Rechtspositionen zu erfolgen, sodass verfassungswidrige Auslegungsergebnisse zu vermeiden sind. Eine verfassungskonforme Interpretation des §1105 ist jedoch nicht möglich: Bereits der klare Wortlaut spricht gegen eine planwidrige Gesetzeslücke, zumal dem damaligen Gesetzgeber auch die Unternehmenspacht bekannt war. Es ist daher weder eine teleologische Ausweitung des §1105 Satz 1 auf Pachtverhältnisse, die über ein Jahr dauern, möglich noch eine teleologische Reduktion der Sätze 2 und 3 auf die über ein Jahr dauernde landwirtschaftliche Pacht bzw auf Pachtverträge, bei denen Ertragseinbußen in den Folgeperioden ausgeglichen werden können. Satz 1 kann daher auch in diesen Fällen nicht analog herangezogen werden (aaO, Kronthaler RdW 2020/250 RdW 2020, 320 Heft 5 v. 22.5.2020). Dies entspricht auch der Judikatur, wonach eine Zinsminderung bei einer Pachtdauer von mehr als einem Jahr aus §1105 nicht abgeleitet werden kann (Höllwerth in GeKo Wohnrecht I §1105 ABGB RZ17, 2 Ob 11/65 Vgl. 4 Ob 614/88).

 

Gegen die Verfassungskonformität des §1105 Satz 2 und 3, in eventu den gesamten §1105 bestehen daher gravierende Bedenken.

 

4. Auswirkung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes (Anfechtungsumfang)

 

Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfende[n] Gesetzesbestimmung sind notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil einen nicht völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden (VfSlg 13965/1994 m.w.N. 16542/2002, 16911/2003).

 

Der VfGH weist Anträge zurück, die zu weit gefasst sind, umgekehrt dürfe der Anfechtungswerber nicht die Entscheidung des VfGH durch teilweise Anfechtung vorwegnehmen, sodass eine Zurückweisung auch wegen zu enger Fassung des Antrags erfolgen kann, wenn nicht alle von mehreren in Zusammenhang stehenden Bestimmungen angefochten wurden (Muzak B‑VG6 Art140 RZ 10).

 

Durch die Streichung der Sätze 2 und 3 in §1105 ABGB würde die Ungleichbehandlung der Pächter beseitigt, gleichzeitig wäre eine planwidrige Lücke entstanden, die im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation die teleologische Erweiterung des Satzes 1, welcher sich dem Wortlaut nach nur auf Mieter bezieht, auch auf Pachtverhältnisse zuließe.

 

Durch die eventualiter geltend gemachte gänzliche Anfechtung [des] §1105 würde eine planwidrige Gesetzeslücke entstehen für jene Fälle, wenn die in Bestand genommene Sache, sei es Miete oder Pacht, wegen außerordentlicher Zufälle, wie beispielsweise einer Seuche, nur teilweise gebraucht oder benützt werden kann, sodass im Wege einer Analogie von §1104 mit dem für gewöhnliche Zufälle anzuwendenden §1096 Abs1 Satz 2 ABGB, wonach bei einer Mangelhaftigkeit des Bestandstückes ohne Schuld des Bestandnehmers für die Dauer und in dem Maße der Unbrauchbarkeit dieser von der Entrichtung des Zinses befreit ist, es ebenfalls zu der Erlassung eines verhältnismäßigen Teils des Bestandzinses kommen würde."

 

3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie zur Zulässigkeit des Antrages und zu den darin erhobenen Bedenken Folgendes ausführt:

"3. Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

 

3.1. Zum Regelungsgehalt:

 

3.1.1. Die §§1104 und 1105 ABGB regeln den Fall, dass ein Bestandsobjekt auf Grund außerordentlicher Zufälle unbrauchbar wird. Auf Seiten des Bestandnehmers sehen sie eine (verhältnismäßige) Zinsminderung vor.

 

§1104 ABGB regelt den Fall der gänzlichen Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts, wohingegen §1105 ABGB Rechtsfolgen bei beschränkter Brauchbarkeit des Bestandgegenstands normiert. §1105 ABGB differenziert bei der Bestandzinsminderung zwischen Miet- und Pachtvertrag (vgl Höllwerth in GeKo Wohnrecht I, §1105 ABGB, Rz. 3).

 

3.1.2. §1104 ABGB stellt eine Gefahrtragungsregelung dar, nach der die Instandhaltungs- bzw Gebrauchsüberlassungspflicht des Bestandgebers nach §1096 Abs1 erster Satz ABGB bei bestimmten außerordentlichen Zufällen nicht zum Tragen kommen soll. Kommt es auf Grund eines außerordentlichen Zufalls (wozu auch Seuchen zählen) zu Gebrauchsbeeinträchtigungen des Bestandobjekts, so trifft den Bestandgeber – von Sonderfällen abgesehen – keine Pflicht zur Wiederherstellung des Bestandobjekts; er hat allerdings die Last des Zinsausfalls zu tragen. Der Bestandnehmer ist während der auf einem außerordentlichen Zufall beruhenden gänzlichen Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts zur Gänze von der Bezahlung des Bestandzinses befreit. Der Bestandnehmer hat keinen Anspruch auf Wiederherstellung des Bestandobjekts, er ist allerdings nach §1117 ABGB zur sofortigen Auflösung (außerordentlichen Kündigung) des Bestandvertrags berechtigt (Höllwerth in GeKo Wohnrecht I, §1104 ABGB, Rz. 16 f).

 

3.1.3. Auch der – dispositive – §1105 ABGB ist insoweit eine Gefahrtragungsregelung, als er vorsieht, wer das Risiko der – teilweisen – Unbrauchbarkeit der Bestandsache zu tragen hat und auch damit die Instandhaltungs- bzw Gebrauchsüberlassungspflicht des Bestandgebers nach §1096 Abs1 erster Satz ABGB nicht zum Tragen kommen soll (vgl Höllwerth in GeKo Wohnrecht I, §1105 ABGB, Rz. 4; zu §1105 ABGB als dispositive Norm vgl Höllwerth in GeKo Wohnrecht I, §1105 ABGB, Rz. 7). Der Bestandgeber ist in der Regel von der Pflicht zur Wiederherstellung des Bestandobjekts befreit, hat aber bei der Miete die verhältnismäßige Minderung des Zinses hinzunehmen. Die Mietzinsminderung richtet sich nach Ausmaß und zeitlicher Dauer der Unbrauchbarkeit (Höllwerth in GeKo Wohnrecht I, §1105 ABGB, Rz. 12 f).

 

Anders als bei der Mietzinsminderung kommt eine Pachtzinsminderung bei einer bloß teilweisen Unbrauchbarkeit des Bestandsobjekts grundsätzlich nur bei einer auf ein Jahr (oder kürzer) befristeten Pachtdauer in Betracht und dies auch nur dann, wenn durch den außerordentlichen Zufall mehr als die Hälfte des durchschnittlichen Pachtertrags verloren geht (vgl Lovrek in Rummel/Lukas, ABGB4, §§1104-1108, Rz. 6; Höllwerth in GeKo Wohnrecht I, §1105 ABGB, Rz. 17 f). Nach §1105 dritter Satz ABGB ist 'der Verpächter (…) so viel zu erlassen schuldig, als durch diesen Abfall an dem Pachtzinse mangelt'. Dies ist so zu verstehen, dass sich der Verpächter eine Reduktion des Pachtzinses soweit gefallen lassen muss, als dieser durch den Ertrag nicht gedeckt ist. Der Verpächter hat also den auf den vereinbarten Zins fehlenden Ertrag zu erlassen, der Pächter hat aber immer noch den gesamten erzielten Ertrag abzuliefern (Höllwerth in GeKo Wohnrecht I, §1105 ABGB, Rz. 20).

 

3.2. Zur historischen Entwicklung der Rechtslage:

 

3.2.1. Die §§1104 und 1105 ABGB lauteten in der Stammfassung des ABGB, JGS Nr 946/1811, wie folgt:

 

'§1104. Wenn eine in Bestand genommene Sache wegen außerordentlicher Zufälle, als: Feuer, Krieg, oder Seuche, wegen großer Überschwemmungen, Wetterschläge oder wegen gänzlichen Mißwachses, gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann; so ist auch kein Mieth- oder Pachtzins zu entrichten.

 

§1105. Wird dem Miether der Gebrauch des Miethstückes nur zum Theile entzogen; so wird ihm auch ein verhältnismäßiger Theil des Miethzinses erlassen. Dem Pächter gebührt ein Erlaß an dem Pachtzinse, wenn durch außerordentliche Zufälle die Nutzungen des nur auf ein Jahr gepachteten Gutes um mehr als die Hälfte des gewöhnlichen Ertrages gefallen sind. Der Verpächter ist so viel zu erlassen schuldig, als durch diesen Abfall an dem Pachtzinse mangelt.'

 

3.2.2. Zeiller führt zu der in §1105 ABGB vorgesehenen Unterscheidung zwischen Miet-und Pachtvertrag aus, dass außerordentliche Zufälle bei Pachtungen nicht die Substanz des Gutes, sondern die Früchte träfen. 'Der Abgang oder die Unfruchtbarkeit' in einem Jahr werde durch die 'Fruchtbarkeit' der übrigen Jahre ersetzt. Der Urentwurf zum ABGB habe sich dabei an den Grundsätzen des römischen Rechts orientiert. Bei der Beratschlagung über das ABGB wurden die Gefahrtragungsregelungen damit begründet, dass sie mit der 'angenommenen Regel, die Benützung als gekauft anzusehen (§1094), übereinstimmen' und den 'häufigen Ausflüchten und Schikanen der Pächter' begegneten. Den Parteien stehe es überdies frei, andere Pachtbedingungen zu vereinbaren. Dass der Pächter nicht einmal die Hälfte des gewöhnlichen ganzen Ertrags (mit Rücksicht auf alle Teile des Pachtgegenstands) erzielen müsse, sei einer Analogie zur Bestimmung des §1060 ABGB beim Kauf geschuldet. Der gewöhnliche Ertrag nach Abzug der 'Bestellungskosten' könne aus dem 'Anschlag' oder, wenn die Verpachtung in Pausch und Bogen geschehe, aus den Gutsrechnungen des Pächters oder Eigentümers oder anderer benachbarter Eigentümer ähnlicher Grundstücke dargetan werden (Commentar III/2 [1813] 425 ff).

 

3.2.3. Mit der III. Teilnovelle zum ABGB, RGBI. Nr 69/1916, wurden die Bestimmungen vor allem in sprachlicher Hinsicht überarbeitet (vgl den Bericht der Kommission für Justizgegenstände des Herrenhauses, 78 Blg. 21. Session 1912 [HHB] 202). In §1104 ABGB wurde durch die Einfügung der Wortfolge 'so ist der Bestandgeber zur Wiederherstellung nicht verpflichtet' das Verhältnis zwischen den §§1104 und 1105 ABGB und §1096 ABGB klargestellt (vgl erneut 78 Blg. 21. Session 199). In §1105 ABGB wurde klargestellt, dass der dort vorgesehene Erlass des Bestandzinses (nur) die Fälle 'eines solchen Zufalls' betrifft, wie sie in §1104 ABGB genannt werden.

 

3.3. In Rechtsprechung und Lehre werden zu §1105 zweiter und dritter Satz ABGB folgende Positionen eingenommen:

 

3.3.1. Teile der Lehre gehen davon aus, dass sich die Regelung des §1105 zweiter und dritter Satz ABGB historisch gesehen auf die landwirtschaftliche Pacht bezogen haben (Höllwerth in GeKo Wohnrecht I, §1105 ABGB, Rz. 16) bzw auf landwirtschaftliche Pachtverträge gemünzt worden sind (Pesek in Schwimann/Neumayr, ABGB Taschenkommentar5, §1105 ABGB, Rz. 1). So könnten auch die oben dargestellten Ausführungen von Zeiller nahelegen, dass §1105 zweiter und dritter Satz ABGB nur die landwirtschaftliche Pacht regeln sollte (vgl das Abstellen auf aus dem 'Anschlag' ersichtliche 'Bestellungskosten' bzw auf die 'Gutsrechnungen' anderer benachbarter Eigentümer 'ähnlicher Grundstücke').

 

Nach der herrschenden Lehre ist die Unternehmenspacht jedenfalls von §1105 zweiter und dritter Satz ABGB erfasst (vgl Kronthaler, Die Auswirkung der Verbreitung von COVID-19 auf Miet- und Pachtverträge, RdW 2020/250, 320 [322] mwN). Kronthaler führt aus, dass auch dem historischen Gesetzgeber die Unternehmenspacht (abgesehen von landwirtschaftlichen Betrieben) bekannt gewesen sein dürfte. Im Zusammenhang mit der Pachtung ganzer Herrschaften habe Lyro in einer Sitzung der Hofkommission in Gesetzgebungssachen erwähnt, dass die Pächter in solchen Fällen über 'viele Zweige der Einkünfte' und 'viele Mittel der Industrie' verfügten (was im Ergebnis zu einer vorteilhaften Risikostreuung führe und gegen einen Anspruch auf Zinsminderung spreche). Und auch Zeiller zähle in seinem Commentar ua 'Fabriken' und 'Schauspielunternehmungen' ausdrücklich als Beispiele für Pachtgegenstände auf (Kronthaler, RdW 2020, 324).

 

3.3.2. Der Oberste Gerichtshof ist in einer (allerdings vereinzelt gebliebenen) Entscheidung zur Auffassung gelangt, dass auch dann, wenn der Gesetzgeber des Jahres 1811 bei der Formulierung des §1105 ABGB – entsprechend den gegebenen wirtschaftlichen Erfordernissen – nur landwirtschaftliche Pachtungen im Auge gehabt haben sollte, ja sogar wenn er die Unternehmenspachtungen von der in der genannten Gesetzesstelle getroffenen Regelung hätte ausschließen wollen, dies jedenfalls im Wortlaut des Gesetzes keinen Niederschlag gefunden habe. Der Umstand, dass die Unternehmenspacht im Urentwurf und in den Beratungsprotokollen zum ABGB nicht ausdrücklich erwähnt worden sei, rechtfertige daher nicht den (mit dem Gesetzeswortlaut nicht zu vereinbarenden) Schluss, dass §1105 zweiter und dritter Satz ABGB für Unternehmenspachtungen nicht anzuwenden sei. Auch Klang schließe die Anwendung dieser Regelungen auf Unternehmenspachtungen nicht schlechthin aus, vertrete lediglich die Auffassung, dass sie in solchen Fällen zu wirtschaftlich ungerechten Lösungen führe. Dem sei jedoch entgegenzuhalten, dass 'ungerechte Lösungen' auch in Fällen landwirtschaftlicher Pachtungen nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden können. Da Unternehmenspachtungen dem §1105 zweiter und dritter Satz ABGB unterliegen, gelangte der Oberste Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass eine analoge Anwendung von §1105 erster Satz ABGB auf Unternehmenspachtungen nicht stattzufinden habe (OGH 4.2.1965, 2 Ob 11/65, SZ 38/20).

 

Diese – nun schon etliche Jahrzehnte zurückliegende – Entscheidung erscheint diskussionswürdig, weil sie nur vom Gesetzeswortlaut ausgeht und die durchaus bestehende Möglichkeit einer teleologischen Reduktion der Bestimmung nicht in Betracht zieht.

 

3.3.3. Der Entfall des Zinsminderungsrechts bei mehrjährigen Pachtverträgen wird nach herrschender Lehre damit begründet, dass durch Überschusserzielung in den Folgejahren die vorübergehende Unbrauchbarkeit durch außerordentlichen Zufall ausgeglichen werde (Binder/Pesek in Schwimann/Kodek, ABGB V4, §1105, Rz. 1, 5; Lovrek in Rummel/Lukas, ABGB4, §1104-1108, Rz. 6; Höllwerth in GeKo Wohnrecht I, §1105 ABGB, Rz. 16 f; aA Kronthaler, RdW 2020, 323).

 

II. Zum Anlassverfahren und zur Zulässigkeit:

 

1. Zum Anlassverfahren:

 

[…]

 

2. Zur Zulässigkeit:

 

2.1. Zur Abgrenzung des Anfechtungsumfangs:

 

2.1.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist der Umfang einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzesbestimmung derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird als zur Beseitigung der zulässigerweise geltend gemachten Rechtsverletzung erforderlich ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (vgl VfSlg 16.195/2001, 17.792/2006, 19.496/2011; VfGH 2.3.2015, G140/2014; jeweils mwN).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes soll ein Gesetzesprüfungsverfahren dazu dienen, die behauptete Verfassungswidrigkeit – wenn sie tatsächlich vorläge – zu beseitigen. Unzulässig ist ein Antrag daher dann, wenn die Aufhebung einer Bestimmung beantragt wird, welche die angenommene Verfassungswidrigkeit gar nicht beseitigen würde (VfSlg 16.191/2001, 18.397/2008, 18.891/2009, 19.178/2010, 19.674/2012; VfGH 26.11.2015, G179/2015; 14.12.2016, G573/2015 ua; jeweils mwN).

 

2.1.2. Nach Ansicht der Bundesregierung würde die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung des im Hauptantrag angefochtenen §1105 zweiter und dritter Satz ABGB nicht beseitigt werden, zumal nach der bereinigten Rechtslage die verbleibende Anordnung des §1105 erster Satz ABGB ihrem eindeutigen Wortlaut nach nur auf Mietgegenstände anzuwenden wäre. Eine analoge Anwendung des §1105 erster Satz ABGB auch auf Pachtverhältnisse erscheint schon deshalb nicht möglich, weil – im Fall der Aufhebung des §1105 ABGB zweiter und dritter Satz durch den Verfassungsgerichtshof – gerade keine planwidrige Lücke im Sinn eines Redaktionsversehens des Gesetzgebers vorläge, zumal die Pachtverhältnisse in den von einer allfälligen Aufhebung betroffenen Passagen ja ursprünglich einer Regelung zugeführt wurden. Von einer nicht gewollten Gesetzeslücke, also einer – gemessen an der eigenen Absicht und immanenten Teleologie des Gesetzes – planwidrigen Unvollständigkeit kann in diesem Fall wohl nicht gesprochen werden. Dies hätte aber zur Folge, dass in Bezug auf Pachtgegenstände eine Zinsminderung bei einer bloß teilweisen Unbrauchbarkeit wegen eines außerordentlichen Zufalls zur Gänze ausgeschlossen wäre, wodurch sich die behauptete Ungleichbehandlung von Miet- und Pachtverträgen noch verstärken würde.

 

Das Ziel des Aufhebungsbegehrens würde somit durch Aufhebung des angefochtenen §1105 zweiter und dritter Satz ABGB nicht erreicht, weshalb der Hauptantrag schon aus diesem Grund unzulässig ist (vgl VfSlg 18.397/2008, 19.178/2010).

 

2.2. Zur Darlegung der Bedenken betreffend die Eigentumsgarantie iSd. Art5 StGG, Art1 [1.] ZPEMRK und Art17 GRC:

 

Gemäß §62 Abs1 zweiter Satz VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Dieses Erfordernis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit – in überprüfbarer Art– präzise ausgebreitet werden, daher dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, mit welcher Verfassungsbestimmung die bekämpfte Gesetzesstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen (zB VfSlg 11.150/1986, 11.888/1988, 13.710/1994, 13.851/1994, 14.802/1997). Es genügt dabei nicht, dass im Antrag behauptet wird, dass die bekämpften Gesetzesstellen gegen eine oder mehrere – wenn auch näher bezeichnete – Verfassungsbestimmung(en) verstoßen; vielmehr muss konkret dargelegt werden, aus welchen Gründen den bekämpften Normen die behauptete Verfassungswidrigkeit anzulasten ist. Begnügt sich ein Antrag damit, den Verstoß gegen Verfassungsgebote zu behaupten, unterlässt er aber konkrete Darlegungen, warum die bekämpften Regelungen im Einzelnen gegen die genannten Verfassungsbestimmungen verstoßen, so ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen (vgl dazu zuletzt etwa VfGH 7. Juni 2021, G45/2021).

 

Hinsichtlich der Bedenken betreffend die Eigentumsgarantie iSd. Art5 StGG, Art1 [1.] ZPEMRK und Art17 GRC, deren Begründung sich darin erschöpft, dass die 'Verpflichtung zur unverminderten Pachtzinszahlung, insbesondere bei stark eingeschränkter Nutzungsmöglichkeit unverhältnismäßig' sei, wird der Antrag den Anforderungen des §62 Abs1 zweiter Satz VfGG nach Ansicht der Bundesregierung nicht gerecht: Das antragstellende Gericht führt die pauschal geäußerten Bedenken nicht näher aus; somit fehlt es an einer Darlegung der Verfassungswidrigkeit 'im einzelnen', wie es §62 Abs1 VfGG zwingend voraussetzt (vgl VfSlg 11.888/1988, 15.877/2000).

 

Aus diesen Gründen ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der Hauptantrag unzulässig ist und dass der Antrag in Bezug auf das Bedenken des Verstoßes gegen die Eigentumsgarantie unzulässig ist.

 

III. In der Sache:

 

Die Bundesregierung verweist einleitend auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen beschränkt ist und ausschließlich beurteilt, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (vgl zB VfSlg 19.160/2010, 19.281/2010, 19.532/2011, 19.653/2012). Die Bundesregierung beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der im Antrag dargelegten Bedenken.

 

1. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Sachlichkeitsgebot (Art7 B‑VG, Art2 StGG):

 

1.1. Das antragstellende Gericht ist der Ansicht, dass die in §1105 ABGB vorgenommene Differenzierung zwischen Mietern und Pächtern das Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes verletze. Im Wesentlichen begründet das antragstellende Gericht diese Ansicht damit, dass im Rahmen einer Unternehmenspacht 'Umsatzeinbußen von 50 Prozent und mehr in aller Regel nicht durch folgende Wirtschaftsperioden kompensiert werden' könnten. Die (historische) Begründung für die Unterscheidung zwischen Miet- und Pachtverträgen im Rahmen des §1105 ABGB, wonach in (landwirtschaftlichen) Pachtverhältnissen ein Minderertrag durch höhere Erträge während der folgenden Jahre ausgeglichen werden könne, treffe daher für die Unternehmenspacht nicht (mehr) zu. Zudem gestalte sich die Abgrenzung zwischen der Unternehmenspacht und der Geschäftsraummiete als 'äußerst schwierig'.

 

1.2. Die Bundesregierung tritt diesem Bedenken wie folgt entgegen:

 

1.2.1. Der Gleichheitssatz bindet auch die Gesetzgebung (siehe etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihr insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es der Gesetzgebung jedoch von Verfassung wegen nicht verwehrt, ihre politischen Zielvorstellungen auf die ihr geeignet erscheinende Art zu verfolgen (siehe etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002). Die Gesetzgebung kann im Rahmen ihres rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes einfache und leicht handhabbare Regelungen treffen. Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitsgrundsatzes gemessen werden (zB VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000 und 16.814/2003; VfGH 14.7.2020, G202/2020, Rz. 110 mwN).

 

1.2.2. Zwar stellen Miete und Pacht gleichermaßen Bestandrechtsverhältnisse dar, doch hat das Gesetz nach Ansicht der Bundesregierung mit den Rechtsinstituten der Miete und der Pacht unterschiedliche Ordnungssysteme geschaffen. Es ist daher nicht angezeigt, die Rechtsfolgen, die an das jeweilige Rechtsverhältnis anknüpfen, untereinander zu vergleichen; vielmehr sollen diese Rechtsfolgen nur innerhalb des jeweiligen Ordnungssystems einer Gleichheitsprüfung zu unterziehen sein.

 

1.2.3. Die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Miete und Pacht ist in §1091 ABGB geregelt. […]

 

1.2.4. Ein Mietvertrag räumt dem Mieter lediglich den (bloßen) Gebrauch des Bestandsobjekts ein, wohingegen der Pächter auch zur 'Fruchtziehung' aus der Pachtsache berechtigt ist (§§1096, 1107 ABGB [hier: 'Genuß']; §§1091, 1104 ABGB [hier: 'benutzen']).

 

1.2.5. Pacht liegt jedenfalls dann vor, wenn eine organisierte Erwerbsgelegenheit, insbesondere ein Unternehmen, Gegenstand des Bestandsvertrages ist (vgl Brauneis, Unternehmenspacht und außerordentlicher Zufall unter besonderer Berücksichtigung von Einkaufszentren, RdW 2020, 666 [666]). Weiters ist – im Gegensatz zur Miete – dann von einem Pachtvertrag auszugehen, wenn ein 'lebendes Unternehmen' in Bestand gegeben wird, wofür nach hA die Überlassung von Betriebsmitteln, Warenvorräten, Kundenstock, good will, Gewerbeberechtigungen und vor allem die Vereinbarung einer Betriebspflicht sprechen (Iro/Rassi in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB: Kurzkommentar, §1091 ABGB Rz. 2 mwN).

 

Sohin stellt die (Unternehmens-)Pacht ein Wirtschaften mit dem Bestandgegenstand, die (Geschäftsraum-)Miete hingegen (lediglich) ein Wirtschaften im Bestandgegenstand dar (vgl Eschlböck, Corona Casuum – Die Krone der Zufälle, wobl 2020, 135 [140]). Hierdurch ist dem Pächter – im Gegensatz zum Mieter – ein umfangreicherer und eigengestalterischer Handlungsspielraum erlaubt (vgl Brauneis, RdW 2020, 667). In Bezug auf das wirtschaftliche Risiko ist zu berücksichtigen, dass im Fall der Unternehmenspacht oftmals der Pachtzins in einem Prozentsatz des vom Pächter mit dem gepachteten Unternehmen erzielten Umsatzes, fallweise gekoppelt mit einer Fixpachtzinskomponente, besteht. In einem solchen Fall partizipiert der Verpächter unmittelbar am wirtschaftlichen Erfolg bzw Misserfolg des Pächters und damit an der Beeinträchtigung des Gebrauchs des Pachtgegenstandes durch einen außerordentlichen Zufall (vgl Brauneis, RdW 2020, 667).

 

1.2.6. Die Pacht unterscheidet sich daher bereits in ihren Wesenselementen von der Miete, weshalb differenzierende Regelungen – so diese überhaupt am Gleichheitssatz zu messen sind – sachgerecht sind und im Gestaltungsspielraum der Gesetzgebung liegen. Auch in der Literatur wird darauf hingewiesen, dass Miete und Pacht unterschiedlichen Charakter aufweisen, sodass daran in den einzelnen gesetzlichen Bestimmungen auch unterschiedliche Rechtsfolgen anknüpfen (Höllwerth in GeKo Wohnrecht I, §1091 ABGB, Rz. 1).

 

So wird nicht bloß in §1105 ABGB zwischen Miete und Pacht unterschieden, sondern es werden diese beiden Bestandrechtsverhältnisse darüber hinaus an verschiedenen anderen Stellen der Rechtsordnung unterschiedlich geregelt: So gilt das Mietrechtsgesetz als Sondervorschrift nur für Miet-, nicht aber für Pachtverhältnisse. Auch in anderen Bereichen wird eine Unterscheidung zwischen diesen beiden Rechtsinstituten vorgenommen, etwa bei der Ausbesserungspflicht nach §1096 Abs2 ABGB, beim Umfang des gesetzlichen Pfandrechts nach §1101 ABGB, beim Ausmaß der stillschweigenden Erneuerung des Vertrags gemäß §1115 ABGB und den gesetzlichen Kündigungsfristen und -terminen (vgl erneut Höllwerth in GeKo Wohnrecht I, §1091 ABGB, Rz. 1). Die Gesetzgebung ist im Hinblick auf die faktischen und rechtlichen Unterschiede zwischen den Bestandrechtsverhältnissen nicht gehalten, diese in jeder Hinsicht gleichzustellen (was auch zur Folge hätte, dass der Unterscheidung zwischen Miete und Pacht überhaupt keine Funktion zukommen dürfe). Insofern kommt der Gesetzgebung – innerhalb der Grenzen des allgemeinen Sachlichkeitsgebots – ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu. Auch ist es nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zulässig, an das Vorliegen eines Pachtrechtsverhältnisses Rechtswirkungen in anderen Gebieten (etwa im Abgabenrecht betreffend die Haftung des Verpächters für Schulden des Pächters) vorzusehen (vgl VfSlg 2896/1955, 11.771/1988, 11.921/1988).

 

1.2.7. Überdies hat der Verfassungsgerichtshof auch bereits festgehalten, dass innerhalb des Systems der Miete Differenzierungen zulässig sein können (vgl etwa zur Zulässigkeit von Stichtagsregelungen im Mietrecht VfSlg 20.180/2017). Umso mehr muss es – argumentum a minori ad maius – im Gestaltungsspielraum der Gesetzgebung liegen, unterschiedliche Regelungen in Bezug auf die übergeordneten Systeme von Pacht und Miete zu treffen.

 

1.2.8. Die Bundesregierung weist überdies – wie bereits unter Punkt I.3.1.3. dargelegt – darauf hin, dass es sich bei §1105 ABGB um ius dispositivum handelt. Es steht den jeweiligen Vertragsparteien – insbesondere bei beidseitig unternehmensbezogenen Rechtsgeschäften (vgl Kronthaler, RdW 2020, 324) – frei, innerhalb der allgemeinen zivilrechtlichen Zulässigkeitsschranken eine von §1105 ABGB abweichende Gefahrtragungsregelung zu vereinbaren. Aber selbst wenn eine solche nicht vereinbart wird, sollte den Vertragspartnern bei Vertragsabschluss die Gefahrtragungsregelung in §1105 ABGB bekannt sein (zumal diese nicht nur im – doch eher seltenen – Fall des Ausbruchs einer Epidemie zur Anwendung gelangt), sodass darauf bei Vereinbarung des Pachtzinses Rücksicht genommen werden kann.

 

1.2.9. Auch die vom antragstellenden Gericht aufgezeigten Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht, wie sie in der Praxis mitunter auftreten, vermögen an dem grundsätzlichen Gestaltungsspielraum der Gesetzgebung nichts zu ändern; vielmehr kommt dem Gericht bei seiner Entscheidung ein Beurteilungsspielraum zu, der es ihm ermöglicht, den konkreten Einzelfall sachgerecht zu entscheiden.

 

1.2.10. Vor diesem Hintergrund ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die in §1105 zweiter und dritter Satz ABGB vorgesehene (dispositive) Gefahrtragungsregelung im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum der Gesetzgebung gelegen ist und die unterschiedlichen Gefahrtragungsregelungen für Miete und Pacht bei einer zulässigen Durchschnittsbetrachtung sachlich gerechtfertigt sind.

 

1.3. Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof diese Auffassung nicht teilt, weist die Bundesregierung auf die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung hin, zumal §1105 zweiter und dritter Satz ABGB der Gedanke zugrunde liegt, dass bei mehrjährigen Pachtverträgen Mindererträge, die in einem Jahr aufgrund eines 'außerordentlichen Zufalls' entstanden sind, durch Mehrerträge in den Folgejahren ausgeglichen werden können. Es wird daher zur Erwägung gestellt, die Regelung des §1105 zweiter und dritter Satz ABGB – im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation – teleologisch auf jene mehr als einjährigen Pachtverträge einzuschränken, bei denen sich durch außerordentliche Zufälle ausgelöste Ertragsminderungen in Folgejahren kompensieren lassen.

 

2. Zu den Bedenken im Hinblick auf Art5 StGG, Art1 1[.] ZPEMRK und Art17 GRC:

 

2.1. Das antragstellende Gericht behauptet schließlich einen Verstoß gegen die verfassungsrechtlich gewährleistete Eigentumsgarantie. Dies wird damit begründet, dass die 'Verpflichtung zur unverminderten Pachtzinszahlung, insbesondere bei stark eingeschränkter Nutzungsmöglichkeit unverhältnismäßig' sei.

 

2.2. Die Bundesregierung teilt diese Bedenken nicht:

 

Nach Auffassung der Bundesregierung fehlt es bereits am Vorliegen eines Eigentumseingriffes, da mit der angefochtenen Regelung keine Beschränkung des Eigentums erfolgt, sondern lediglich von der Einräumung eines gesetzlichen Anspruches auf eine allfällige Pachtzinsminderung abgesehen wird (vgl auch VfSlg 13.455/1993, wonach eine Regelung, die lediglich von der Einräumung eines Anspruches auf Kostenersatz absieht, keinen Eigentumseingriff darstellt). Dies gilt umso mehr, als es sich dabei lediglich um eine dispositive Bestimmung handelt, die Vertragsparteien also in Pachtverträgen abweichende Gefahrtragungsregelungen vereinbaren können (vgl oben Punkt III.1.2.8.).

 

Ein allfälliger Eigentumseingriff wäre überdies nach Ansicht der Bundesregierung aufgrund der oben zu Punkt III.1.2. angeführten Gründe sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig.

 

3. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass die angefochtene Bestimmung nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig ist.

 

[…]"

 

4. Die klagenden Parteien im bezirksgerichtlichen Verfahren erstatteten jeweils eine Äußerung, in der sie im Wesentlichen die Verfassungskonformität der unterschiedlichen Regelung der Gefahrtragung für Pächter und Mieter behaupten.

5. Die beklagte Partei im bezirksgerichtlichen Verfahren erstattete eine Äußerung, in der sie sich im Wesentlichen den Bedenken des antragstellenden Gerichtes anschloss.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2. Es wurde weder von der Bundesregierung in Zweifel gezogen noch ist sonst etwas hervorgekommen, das an der Präjudizialität des §1105 ABGB zweifeln ließe.

1.3. Das antragstellende Gericht bringt zum Anfechtungsumfang vor, dass durch die Streichung des zweiten und dritten Satzes des §1105 ABGB die Ungleichbehandlung der Pächter beseitigt und gleichzeitig eine planwidrige Lücke entstünde, die im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation die teleologische Erweiterung des ersten Satzes der Bestimmung, der sich dem Wortlaut nach nur auf Mietverhältnisse beziehe, auch auf Pachtverhältnisse zuließe.

Durch die im Eventualantrag begehrte gänzliche Aufhebung des §1105 ABGB entstünde eine planwidrige Gesetzeslücke in jenen Konstellationen, in denen eine in Bestand genommene Sache, sei es durch Miete oder Pacht, wegen außerordentlicher Zufälle iSd §1104 ABGB nur teilweise gebraucht oder benützt werden könne. Folglich könne es im Wege einer Analogie zu dem auf gewöhnliche Zufälle anzuwendenden §1096 Abs1 zweiter Satz ABGB, wonach bei einer Mangelhaftigkeit des Bestandstückes ohne Schuld des Bestandnehmers für die Dauer und in dem Maße der Unbrauchbarkeit dieser von der Entrichtung des Zinses befreit sei, sowohl für durch Miete als auch durch Pacht in Bestand genommene Objekte zu der Erlassung eines verhältnismäßigen Teiles des Bestandzinses kommen.

1.4. Die Bundesregierung erachtet den Hauptantrag als unzulässig, weil die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit durch Aufhebung allein des zweiten und dritten Satzes des §1105 ABGB nicht beseitigt werden könne. Gegen die Zulässigkeit des Eventualantrages bringt hingegen die Bundesregierung nichts vor.

1.5. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Aus dieser Grundposition folgt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; 10.10.2016, G662/2015), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015; VfGH 15.10.2016, G339/2015).

1.6. Zum Hauptantrag:

1.6.1. Die behauptete Verfassungswidrigkeit könnte durch die Aufhebung des zweiten und dritten Satzes des §1105 ABGB nicht beseitigt werden, denn der verbleibende erste Satz der Bestimmung wäre seinem klaren Wortlaut nach nur auf Mietverträge anzuwenden, somit nicht auf Pachtverträge. Eine analoge Anwendung auch auf Pachtverhältnisse kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber Miete und Pacht in §1105 ABGB gerade unterschiedlich behandelte, weshalb keine planwidrige Gesetzeslücke vorläge. Die bloße Aufhebung der mit dem Hauptantrag angefochtenen Passagen hätte somit zur Folge, dass beim Pachtverhältnis eine Zinsminderung bei teilweiser Unbrauchbarkeit des Pachtgegenstandes wegen eines außerordentlichen Zufalles – unabhängig von der Dauer des Pachtvertrages – gänzlich ausgeschlossen wäre. Dadurch verstärkte sich die behauptete Ungleichbehandlung von Miet- und Pachtverträgen sogar noch, worauf die Bundesregierung in ihrer Äußerung auch zu Recht verweist. Der Hauptantrag würde somit die behauptete Verfassungswidrigkeit nicht beseitigen (vgl VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014).

1.6.2. Der Hauptantrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

1.7. Zum Eventualantrag:

1.7.1. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes beziehen sich ausschließlich auf die Regelung der Zinsminderung nach §1105 ABGB im Falle außerordentlicher Zufälle iSd §1104 ABGB.

1.7.2. Ein untrennbarer Zusammenhang zwischen §1104 und §1105 ABGB besteht nicht, weil §1104 ABGB auch im Falle der Aufhebung des §1105 ABGB ein Anwendungsbereich verbliebe (vgl zB VfSlg 20.180/2017; VfGH 23.2.2017, G2/2016 ua; G332/2016).

1.8. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Eventualantrag als zulässig.

2. In der Sache

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

Der Antrag ist nicht begründet.

2.1. Zum behaupteten Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz

2.1.1. Das antragstellende Gericht legt seine Bedenken, die es zur Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof bewogen haben, zusammengefasst wie folgt dar:

Es stelle sich die Frage, ob die unterschiedliche Behandlung von Mietern und Pächtern bei eingeschränktem Gebrauch des Bestandgegenstandes gemäß §1105 ABGB verfassungsrechtlich (noch) zulässig sei. Wenngleich sich die Bestimmung nach herrschender Ansicht auch auf die Unternehmenspacht beziehe, sei sie historisch auf die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ABGB vorherrschenden landwirtschaftlichen Pachtverhältnisse zugeschnitten gewesen. Die Regelung sei damit begründet worden, dass ein Minderertrag durch höhere Erträge in den folgenden Jahren ausgeglichen werden könne. Diese Begründung treffe jedoch nicht auf die Unternehmenspacht zu, bei der Umsatzeinbußen von 50 Prozent (und mehr) in folgenden Wirtschaftsperioden regelmäßig nicht kompensiert werden könnten.

Dazu komme, dass Unternehmenspacht und Geschäftsraummiete nur äußerst schwierig voneinander abgegrenzt werden könnten. Der Mieter sei nach §1091 ABGB bloß zum Gebrauch des Bestandobjektes, der Pächter hingegen auch zur Fruchtziehung berechtigt. Die Bestandsache könne daher nur durch den Fleiß und die Mühe des Pächters benutzt werden. Enthalte ein Bestandvertrag sowohl Elemente der Miete als auch der Pacht, entscheide nach der sogenannten Absorptionstheorie das Überwiegen.

Die herrschende Ansicht folge einer vom Wortlaut des §1091 ABGB abweichenden Abgrenzung, die sich nicht nach der Art der Bestandsache, sondern nach der vertraglichen Vereinbarung, insbesondere den dem Bestandnehmer eingeräumten Befugnissen, richte. Aus der Beschaffenheit des Bestandgegenstandes könne daher nicht auf die rechtliche Qualität des Bestandvertrages geschlossen werden. Ein Bestandvertrag sei als Miete zu qualifizieren, wenn er bloß Räume beinhalte; demgegenüber sei Pacht anzunehmen, wenn ein darin vorhandenes lebendes Unternehmen zur Nutzung übergeben werde. Auf die Bezeichnung des Vertrages komme es im Regelfall nicht an, der Einordnung durch die Parteien könne jedoch in Grenzfällen Indizfunktion zukommen. Gegenstand eines Pachtvertrages könne jede organisierte Erwerbsgelegenheit sein, die Ertrag abwerfen könne. Die Vereinbarung einer Betriebspflicht sei als das wesentliche Kriterium für die Qualifikation als Pachtvertrag anzusehen, sofern es sich dabei nicht um eine bloße Leerformel handle.

Im vorliegenden Verfahren sei das Vorliegen eines Pachtvertrages außer Streit gestellt worden. Dennoch lägen auch Elemente vor, die für einen Mietvertrag sprächen. Bei der Abgrenzung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht handle es sich um eine Einzelfallentscheidung, die Rechtsprechung und Lehre schon seit jeher Schwierigkeiten bereite und zu einer erheblichen Kasuistik geführt habe. Der schmale Grat der Abgrenzbarkeit zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht führe dazu, dass Unternehmen, die sich wirtschaftlich und auch vom Inhalt des Bestandvertrages nur kaum voneinander unterschieden, mit völlig verschiedenen Rechtsfolgen konfrontiert seien: Bei eingeschränkter Brauchbarkeit durch einen außerordentlichen Zufall stehe dem Mieter nach dem ersten Satz des §1105 ABGB eine Mietzinsminderung zu; für den Pächter gelte dies nach dem zweiten Satz der Bestimmung nur dann, wenn die Pachtdauer auf höchstens ein Jahr befristet sei und zusätzlich die Erträge um mehr als die Hälfte vom Gewöhnlichen vermindert seien.

Selbst wenn diese Voraussetzungen vorlägen, sei der Pächter hinsichtlich der Höhe der Zinsminderung schlechter gestellt. Während es nämlich nach §1105 erster Satz ABGB zu einer verhältnismäßigen Kürzung des Mietzinses je nach dem Ausmaß der Gebrauchseinschränkung komme, sei §1105 dritter Satz ABGB so zu verstehen, dass der Verpächter den Rest des Pachtzinses zu erlassen habe, wenn der Ertrag nicht ausreiche, um diesen vollständig zu entrichten. Der Pächter müsse daher seinen gesamten Ertrag "abliefern".

Die durch die angefochtene Bestimmung bewirkte Differenzierung zwischen Mieter und Pächter sei unter den heutigen Umständen grob unsachlich und verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Eine verfassungskonforme Interpretation des §1105 ABGB sei nicht möglich.

2.1.2. Nach Auffassung der Bundesregierung liegt der behauptete Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nicht vor:

Miete und Pacht stellten zwar gleichermaßen Bestandrechtsverhältnisse dar, doch habe das Gesetz mit diesen Rechtsinstituten zwei unterschiedliche Ordnungssysteme geschaffen. Ein Mietvertrag erlaube dem Mieter lediglich den Gebrauch des Bestandobjektes, wohingegen der Pächter auch zur Fruchtziehung aus der Pachtsache berechtigt sei. Es sei nicht zulässig, die Rechtsfolgen, die an das jeweilige Rechtsverhältnis geknüpft würden, anhand des Maßstabes des Gleichheitsgrundsatzes zu vergleichen.

Pacht liege vor, wenn eine organisierte Erwerbsgelegenheit, insbesondere ein Unternehmen, Gegenstand eines Bestandvertrages sei. Dementsprechend stelle die Unternehmenspacht ein Wirtschaften mit dem Bestandgegenstand, die Geschäftsraummiete hingegen lediglich ein Wirtschaften im Bestandgegenstand dar. Dadurch werde dem Pächter ein umfangreicherer und eigengestalterischer Handlungsspielraum eröffnet. Hinsichtlich des wirtschaftlichen Risikos sei zu berücksichtigen, dass der Verpächter im Regelfall unmittelbar am wirtschaftlichen Erfolg bzw Misserfolg des Pächters partizipiere, weil der Pachtzins vielfach in einem Prozentsatz des vom Pächter erzielten Umsatzes bestehe.

Die Pacht unterscheide sich daher in ihren Wesenselementen dergestalt von der Miete, dass differenzierende Regelungen, sollten diese überhaupt am Maßstab des Gleichheitsgrundsatzes zu messen sein, sachgerecht seien und innerhalb des rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers lägen. Miete und Pacht würden an verschiedenen Stellen der Rechtsordnung unterschiedlich geregelt: So gelte das Mietrechtsgesetz nur für Miet-, nicht hingegen für Pachtverhältnisse. Auch in anderen Bestimmungen (§1096 Abs2, §1101 sowie §1115 ABGB) unterscheide das Gesetz zwischen Miet- und Pachtverträgen. Der Gesetzgeber sei im Hinblick auf die faktischen und rechtlichen Unterschiede zwischen diesen beiden Rechtsinstituten nicht gehalten, diese in jeglicher Hinsicht gleichzustellen. Insofern komme der Gesetzgebung innerhalb der Grenzen des allgemeinen Sachlichkeitsgebotes ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu.

Überdies habe der Verfassungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass innerhalb des Systems der Miete Differenzierungen zulässig sein könnten (unter Hinweis auf VfSlg 20.180/2017). Umso mehr müsse es im Gestaltungsspielraum der Gesetzgebung liegen, unterschiedliche Regelungen zwischen den Systemen von Miete und Pacht vorzusehen. Darüber hinaus sei auch zu berücksichtigen, dass es sich bei §1105 ABGB um dispositives Gesetzesrecht handle, weswegen es den Parteien freistehe, anderes zu vereinbaren. Es müsse davon ausgegangen werden, dass den Parteien eines Pachtvertrages die gesetzlichen Gefahrtragungsregeln bekannt seien.

Auch die vom antragstellenden Gericht aufgezeigten Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht seien nicht geeignet, einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aufzuzeigen. Vielmehr komme dem Gericht bei seiner Entscheidung ein diesbezüglicher Beurteilungsspielraum zu, der es ermögliche, den jeweiligen Einzelfall sachgerecht zu entscheiden. Die Bundesregierung sei daher der Ansicht, dass die in §1105 zweiter und dritter Satz ABGB vorgesehene Gefahrtragungsregelung innerhalb des rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes der Gesetzgebung gelegen sei und die unterschiedlichen Gefahrtragungsregelungen für Miete und Pacht im Rahmen einer Durchschnittsbetrachtung sachlich gerechtfertigt seien. Im Übrigen werde zur Erwägung gestellt, §1105 zweiter und dritter Satz ABGB allenfalls – im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation – teleologisch auf jene mehr als einjährigen Pachtverträge einzuschränken, bei denen sich durch außerordentliche Zufälle ausgelöste Ertragsminderungen in Folgejahren kompensieren ließen.

2.1.3. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

Gemäß §1090 ABGB heißt ein Vertrag, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, Bestandvertrag. Gemäß §1091 ABGB ist bei Bestandverträgen zwischen Miete und Pacht zu unterscheiden. Die herrschende Ansicht geht davon aus, dass die Unterscheidung zwischen diesen Verträgen insbesondere danach getroffen wird, ob dem Bestandnehmer nur die Benützung der Bestandsache zugewiesen ist oder darüber hinaus auch die Fruchtziehung aus derselben (vgl zB Lovrek, §1091 ABGB, in: Rummel/Lukas [Hrsg.], ABGB4, rdb.at, Stand 1.5.2017, Rz 2; Iro/Rassi, §1091 ABGB, in: Koziol/P. Bydlinski/Bollenberger [Hrsg.], ABGB6, 2020, Rz 1). Die Unterscheidung von Miete und Pacht ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil die Rechtsordnung an verschiedenen Stellen unterschiedliche Rechtsfolgen an diese beiden Vertragsarten knüpft. So ist etwa – neben der angefochtenen Bestimmung – insbesondere das Mietrechtsgesetz nur auf Miet-, nicht auch auf Pachtverträge anzuwenden. Ein wesentliches Merkmal für das Vorliegen eines Pachtvertrages ist die Vereinbarung einer Betriebspflicht (vgl OGH 11.10.1994, 1 Ob 548/94; 10.6.1999, 6 Ob 106/99b; 15.2.2000, 10 Ob 11/00s; 9.11.2004, 4 Ob 163/04f; 11.7.2012, 3 Ob 74/12x).

Gemäß §1096 Abs1 ABGB sind Vermieter und Verpächter dazu verpflichtet, das Bestandobjekt auf eigene Kosten in brauchbarem Zustand zu übergeben und zu erhalten sowie den Bestandinhaber in dem bedungenen Gebrauche oder Genusse nicht zu stören. Ist das Bestandstück bei der Übergabe derart mangelhaft oder wird es während der Bestandzeit ohne Schuld des Bestandnehmers derart mangelhaft, dass es zu dem bedungenen Gebrauch nicht taugt, ist der Bestandnehmer für die Dauer und in dem Maße der Unbrauchbarkeit von der Entrichtung des Zinses befreit. Diese Gefahrtragungsregelung gilt für Miet- und Pachtverträge gleichermaßen. Gemäß §1096 Abs1 dritter Satz ABGB kann jedoch auf die genannte Zinsbefreiung bei der Miete unbeweglicher Sachen im Voraus nicht verzichtet werden.

Besondere Regelungen sieht das Gesetz bei außerordentlichen Zufällen vor (§1104 und §1105 ABGB): Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist darunter auch der Ausbruch von COVID-19 zu subsumieren (vgl OGH 21.10.2021, 3 Ob 78/21y; 25.11.2021, 3 Ob 184/21m; 13.12.2021, 5 Ob 192/21b). Gemäß §1104 ABGB ist für den Fall, dass die in Bestand genommene Sache wegen außerordentlicher Zufälle gar nicht gebraucht oder benützt werden kann, der Bestandgeber nicht zur Wiederherstellung verpflichtet, jedoch muss der Bestandnehmer (Mieter oder Pächter) auch keinen Miet- oder Pachtzins entrichten. Umstritten ist, ob §1104 ABGB auch auf Fälle anzuwenden ist, in denen eine ganz geringe, im Verhältnis zur üblichen Nutzung unwesentliche Ertragsmöglichkeit gegeben ist (vgl Lovrek, COVID-19: Auswirkungen auf Bestandverträge, ZIK 2020, Heft 1a, 1 ff.).

Bei bloß teilweiser Unbrauchbarkeit des Bestandobjektes ist zufolge §1105 ABGB wie folgt zu differenzieren: Dem Mieter ist ein verhältnismäßiger Teil des Mietzinses (im Ausmaß der Gebrauchsbeeinträchtigung) zu erlassen. Dem Pächter gebührt ein Nachlass des Pachtzinses gemäß §1105 zweiter Satz ABGB nur, wenn die Nutzung des nur auf ein Jahr gepachteten Gutes um mehr als die Hälfte des gewöhnlichen Ertrages beeinträchtigt wird. Der Verpächter ist diesfalls verpflichtet, den Pachtzins soweit zu erlassen, als dieser durch den (geminderten) Ertrag nicht gedeckt werden kann (§1105 dritter Satz ABGB; vgl dazu Pesek, §1105 ABGB, in: Schwimann/Kodek [Hrsg.], ABGB Praxiskommentar Band 75, 2021, Rz 14). Ist der Pachtvertrag demgegenüber für einen längeren Zeitraum als ein Jahr abgeschlossen, steht dem Pächter bei bloß teilweiser Unbrauchbarkeit des Bestandobjektes kein Nachlass des Pachtzinses zu (Pesek, aaO, Rz 15).

2.1.4. Der Verfassungsgerichtshof teilt die vom antragstellenden Gericht vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht.

2.1.4.1. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (siehe etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (siehe etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002). Er kann im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes einfache und leicht handhabbare Regelungen treffen (zB VfSlg 10.455/1985, 11.616/1988, 15.674/1999, 20.224/2017). Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitsgrundsatzes gemessen werden (zB VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000, 16.814/2003 und 20.343/2019).

2.1.4.2. Das antragstellende Gericht weist zunächst zutreffend darauf hin, dass (Geschäftstraum-)Miete und Unternehmenspacht teilweise schwierig voneinander abzugrenzen sein können (vgl etwa Degelsegger, Geschäftsraummiete oder Unternehmenspacht – eine Analyse im Spiegelbild der Rechtsprechung, wobl 1998, 5; Vonkilch, Bestandverträge in Einkaufszentren: Geschäftsraummiete oder Unternehmenspacht?, wobl 2005, 105; Oberhammer, Bestandverträge in Einkaufszentren: Miete oder Pacht?, wobl 2005, 293). Die bloße Tatsache, dass diese Rechtsinstitute in Einzelfällen schwierig voneinander abzugrenzen sein können, vermag jedoch eine Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmung nicht zu begründen. Vielmehr ermöglichen die einschlägigen Bestimmungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches den ordentlichen Gerichten, eine im jeweiligen Einzelfall sachgerechte Lösung zu finden.

2.1.4.3. Bei Miete und Pacht handelt es sich gleichermaßen um Bestandverträge iSd §1090 ABGB. Ihr wirtschaftlicher Gehalt unterscheidet sich jedoch maßgeblich voneinander, weswegen die unter anderem durch die angefochtene Bestimmung bewirkte Differenzierung zwischen Miete und Pacht im Grundsatz sachlich gerechtfertigt ist (vgl auch die unterschiedliche Behandlung von Miete und Pacht in §1096 Abs2, §1101 und §1115 ABGB sowie ganz grundsätzlich hinsichtlich der Anwendbarkeit des Mietrechtsgesetzes).

Während nämlich die Miete eine entgeltliche Überlassung einer Sache zum bloßen Gebrauch darstellt, bezweckt die Pacht die entgeltliche Überlassung der Sache zu Gebrauch und Fruchtziehung (vgl bereits Pkt. 2.1.3. oben). Bei der Pacht steht somit die selbstständige Bewirtschaftung des Pachtobjektes durch den Pächter im Vordergrund, und zwar im Rahmen von landwirtschaftlichen wie auch gewerblichen Pachtverträgen, auf welche die angefochtene Bestimmung nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ebenfalls anzuwenden ist (vgl zB OGH 4.2.1965, 2 Ob 11/65). In diesem Sinne hängt der durch den Pächter zu erzielende Ertrag (neben anderen Faktoren) insbesondere von dessen "Fleiß und Mühe" (§1091 ABGB) und somit von seinem wirtschaftlichen Geschick ab.

Ein wichtiges Merkmal für das Vorliegen eines Pachtvertrages ist – wie bereits ausgeführt – die Vereinbarung einer Betriebspflicht (vgl zB OGH 11.10.1994, 1 Ob 548/94; 10.6.1999, 6 Ob 106/99b; 15.2.2000, 10 Ob 11/00s; 9.11.2004, 4 Ob 163/04f; 11.7.2012, 3 Ob 74/12x), soweit es sich dabei nicht nur um eine bloße "Leerformel" handelt. Die Betriebspflicht soll insbesondere den längerfristigen wirtschaftlichen Erhalt der im Pachtobjekt betriebenen Unternehmung gewährleisten.

2.1.4.4. Der Gesetzgeber hat vor diesem Hintergrund in §1105 ABGB eine unterschiedliche Gefahrtragungsregelung für Vermieter/Mieter einerseits und Verpächter/Pächter andererseits vorgesehen. In diesem Zusammenhang ist grundsätzlich festzuhalten, dass dem Gesetzgeber bei der Regelung der Gefahrtragung im Zivilrecht ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zukommt (vgl auch VfSlg 14.322/1995).

Bei der Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der angefochtenen Bestimmung ist zunächst zu berücksichtigen, dass sowohl die allgemeine Gefahrtragungsregelung des §1096 Abs1 ABGB als auch die Bestimmung des §1104 ABGB betreffend die vollständige Unbrauchbarkeit des Bestandobjektes infolge außergewöhnlicher Zufälle gleichermaßen auf Miet- und Pachtverträge anwendbar sind. Lediglich hinsichtlich der teilweisen Unbrauchbarkeit des Bestandobjektes infolge außergewöhnlicher Zufälle werden Miet- und Pachtvertrag unterschiedlich behandelt.

Im Unterschied zum Mieter soll der Pächter das wirtschaftliche Risiko aus dem Pachtvertrag (teilweise) tragen. Dies ist sachlich gerechtfertigt, weil der Pächter im Falle einer guten Entwicklung des Pachtobjektes auch von erhöhten Erträgen profitiert, während ihm der Gesetzgeber in der angefochtenen Bestimmung das Risiko außergewöhnlicher Zufälle (ganz oder teilweise, abhängig von der Dauer des Pachtvertrages sowie dem Ausmaß der Nutzungsbeeinträchtigung) zuweist. Diese Regelung ist auch deshalb aus gleichheitsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, weil es der Pächter in der Hand hat, durch "Fleiß und Mühe" (§1091 ABGB) die durch die teilweise Unbrauchbarkeit des Bestandobjektes verursachte Minderung des Ertrages zu beeinflussen. Er kann daher die Gefahr (abstrakt) eher beherrschen als der Verpächter.

2.1.4.5. Die Bundesregierung weist zudem in ihrer Äußerung zutreffend darauf hin, dass es den Parteien des Pachtvertrages offensteht, eine andere Risikoverteilung zu vereinbaren (vgl Lovrek, §1108 ABGB, in: Rummel/Lukas [Hrsg.], ABGB4, rdb.at, Stand 1.5.2017, Rz 10), sollten sie der Auffassung sein, dass die vom Gesetzgeber angeordnete (dispositive) Gefahrtragungsregelung nicht auf ihr Pachtverhältnis übertragen werden kann.

2.1.4.6. Darüber hinaus rügt das antragstellende Gericht, dass bei Pachtverträgen – im Falle einer bloß teilweisen Unbrauchbarkeit des Bestandobjektes infolge außergewöhnlicher Zufälle – eine Minderung des Pachtzinses nur zusteht, wenn die Pacht auf höchstens ein Jahr befristet ist und die Erträge um mehr als die Hälfte vom Gewöhnlichen vermindert sind, nicht hingegen bei Pachtverträgen, die für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr abgeschlossen werden. Diese Regelung sei auf die landwirtschaftliche Pacht zugeschnitten und führe bei gewerblichen Verpachtungen zu unsachlichen Ergebnissen.

2.1.4.7. Es entspricht der herrschenden Ansicht im Schrifttum, der Gesetzgeber habe mit der angefochtenen Bestimmung den Gedanken verfolgt, dass Minderungen des Ertrages bei mehrjährigen Pachtverträgen in der Folgezeit kompensiert werden könnten, gute und schlechte Jahre sich somit im Laufe der Zeit ausgleichen (vgl Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II14, 2015, Rz 1037; Pesek, §1105 ABGB, in: Schwimann/Kodek [Hrsg.], ABGB Praxiskommentar Band 75, 2021, Rz 15; Lovrek, §1108 ABGB, in: Rummel/Lukas [Hrsg.], ABGB4, rdb.at, Stand 1.5.2017, Rz 6; Höllwerth, §1105 ABGB, in: Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner [Hrsg.], GeKo Wohnrecht I, rdb.at, Stand 1.10.2017, Rz 16; Ebhart/Karauschek/Reithofer, Mietzinsminderung und Mietzinsbefreiung in Zeiten der Pandemie, immoAktuell 2020, 81 [86]). Umstritten ist, ob der Gesetzgeber dabei ausschließlich die landwirtschaftliche Pacht (oder auch die gewerbliche) vor Augen hatte (dafür etwa Klang, §1105 ABGB, in: Klang/Gschnitzer [Hrsg.], Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch2, 1954, 79 [83 f.]; Tschütscher, Auswirkungen der COVID-19-Beschränkungen auf Bestandrechte, Zak 2020, 184 [186 f.]; dagegen Kronthaler, Die Auswirkungen der Verbreitung von COVID-19 auf Miet- und Pachtverträge, RdW 2020, 320 [325]; Dirlinger, Kann §1105 ABGB Bestand haben?, wobl 2022, 193 [200]).

2.1.4.8. Der Gesetzgeber geht in der angefochtenen Bestimmung in verfassungsrechtlich zulässiger Weise von der (nachvollziehbaren) Durchschnittsbetrachtung aus, dass sich gute und schlechte Wirtschaftsperioden bei längerfristigen Pachtverträgen ausgleichen können, während dies bei kurzfristigen Pachtverträgen nicht oder nur eingeschränkt der Fall sein wird. Die in §1105 zweiter Satz ABGB geregelte Differenzierung zwischen kurz- und langfristigen Pachtverträgen ist daher aus verfassungsrechtlicher Perspektive nicht zu beanstanden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist es dabei nicht erforderlich, dass das dadurch erzielte Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird (VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000, 16.814/2003 und 20.343/2019).

Der Verfassungsgerichtshof vermag darüber hinaus nicht zu erkennen, dass der Gedanke eines "Ausgleiches" zwischen guten und schlechten Jahren in einer Durchschnittsbetrachtung nur auf die landwirtschaftliche Pacht zutrifft. In zumindest gleicher Weise können sich auch bei der Unternehmenspacht gute und schlechte Wirtschaftsperioden abwechseln. Dazu kommt, dass es der Pächter insbesondere bei längerfristigen Pachtverträgen durch seinen Einsatz und sein wirtschaftliches Geschick in der Hand hat, die durch die teilweise Unbrauchbarkeit des Bestandobjektes bewirkte Minderung seines Ertrages zu beeinflussen. Eine Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmung ist daher auch insofern nicht zu erkennen.

2.1.5. Der behauptete Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liegt somit nicht vor.

2.2. Zum behaupteten Verstoß gegen das Eigentumsgrundrecht (Art5 StGG, Art1 1. ZPEMRK)

Das antragstellende Gericht behauptet zudem, die angefochtene Bestimmung verstoße gegen das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums. Der Verfassungsgerichtshof kann dahinstehen lassen, ob durch die angefochtene Bestimmung ein Eingriff in dieses Grundrecht bewirkt wird, weil die behauptete Verfassungswidrigkeit aus den bereits zum Gleichheitsgrundsatz dargelegten Gründen nicht vorliegt.

V. Ergebnis

1. Die vom antragstellenden Gericht vorgetragenen Bedenken treffen nicht zu. Der Antrag auf Aufhebung des §1105 ABGB ist daher abzuweisen.

2. Im Übrigen ist der Antrag zurückzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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