OGH 10Ob11/00s

OGH10Ob11/00s15.2.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr, Dr. Steinbauer, Dr. Hopf und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Land Burgenland, 7000 Eisenstadt, Europaplatz 1, vertreten durch Rechtsanwälte Steflitsch OEG in Oberwart, gegen die beklagte Partei Franz W*****, vertreten durch Dr. Franz Terp, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Berufungsgericht vom 18. November 1999, GZ 13 R 218/99b-20, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag der Revisionsgegnerin auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.

Text

Begründung

Vorauszuschicken ist, dass der von der klagenden Partei in ihrer Revisionsbeantwortung erhobene Einwand der Unzulässigkeit des Rechtsmittels mangels Bewertung durch das Berufungsgericht nicht berechtigt ist.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 502 Abs 2 ZPO in der hier maßgeblichen Fassung der WGN 1997 ist die Revision jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat (Entscheidungsgegenstand), an Geld oder Geldeswert S 52.000 nicht übersteigt. Diese Revisionsbeschränkung gilt gemäß Abs 5 Z 2 dieser Bestimmung nicht für die unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallenden Streitigkeiten, wenn dabei über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrags entschieden wird. Diese gesetzliche Regelung bezweckt, wie bereits zu § 502 ZPO idF vor der WGN 1997 wiederholt ausgesprochen wurde, Entscheidungen über das Dauerschuldverhältnis selbst, unabhängig von jeder Bewertung, unter der weiteren Voraussetzung des § 502 Abs 1 ZPO für revisibel zu erklären (RZ 1991/21 ua; Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 2 zu § 502). Es trifft zwar zu, dass nach der Rechtsprechung Klagen auf Räumung von Wohn- und Geschäftsräumlichkeiten, die auf eine - von Anfang an - behauptete titellose Benützung gestützt sind, nicht zu den Streitigkeiten, die ohne Rücksicht auf den Wert des Entscheidungsgegenstandes unter die Zuständigkeitsvorschriften des § 49 Abs 2 Z 5 JN fallen, gehören (MietSlg 47.667 mwN ua; RIS-Justiz RS0046865; Kodek aaO). Im Regelfall wird jedoch auch beim Streit über eine "Räumung", wenn auch nur als Vorfrage, über das Dauerschuldverhältnis selbst und seine wirksame Beendigung zu entscheiden sein (RZ 1991/21 ua). Auch im vorliegenden Fall ist die Frage zu beurteilen, ob das Dauerschuldverhältnis noch aufrecht oder entsprechend dem Prozessvorbringen der klagenden Partei wirksam beendet ist. Es ist daher das Bestehen oder Nichtbestehen eines Bestandvertrages im Rahmen des Räumungsstreites strittig, sodass die Zulässigkeit der Revision hier nicht vom Streitwert abhängt (1 Ob 242/98i; 7 Ob 522/95; MietSlg 47.669 uva). Vielmehr ist entscheidend, ob die Voraussetzungen nach § 502 Abs 1 ZPO vorliegen.

Für die Unterscheidung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht lassen sich nach ständiger Rechtsprechung keine allgemein gültigen Regeln aufstellen, es kommt vielmehr stets auf die Gesamtheit aller erheblichen Umstände des Einzelfalls (JBl 1993, 590; GesRZ 1992, 44; MietSlg 41.080 ff; SZ 58/8 uva; RIS-Justiz RS0031183) und auf die Zweckbestimmung der Bestandsache bei Vertragsabschluss bzw auf die dem Bestandnehmer eingeräumten Befugnisse an (MietSlg 37.126; Binder in Schwimann, ABGB2 Rz 8 zu § 1091 mwN ua).

Unternehmenspacht liegt regelmäßig dann vor, wenn ein "lebendes Unternehmen", also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit allem, was zum Begriff des "goodwill" gehört, übergeben wird (JBl 1993, 590; MietSlg 41.080 ff; SZ 58/8 uva). Dies umfasst neben den Räumlichkeiten das, was für den Betrieb des überlassenen Unternehmens und seinen wirtschaftlichen Fortbestand notwendig ist, somit die Betriebsmittel, die Geschäftseinrichtung, das Warenlager, den Kundenstock und die Gewerbeberechtigung, allenfalls auch das erforderliche Personal. Dies bedeutet jedoch nicht, dass im Einzelfall alle diese Merkmale als Voraussetzung für eine Qualifikation als Unternehmspacht gleichzeitig zutreffen müssen (RIS-Justiz RS0020398). So kann das Warenlager gänzlich fehlen, die Gewerbeberechtigung vom Bestandnehmer selbst zu besorgen oder der Kundenstock nur klein sein (MietSlg 41.080; 40.110 uva; Binder aaO Rz 8 f zu § 1091). Fehlt es bei der Überlassung eines Unternehmens an einzelnen für seinen Betrieb typischen Merkmalen, so ist entscheidend, welchen Kriterien im Anlassfall die größere wirtschaftliche Bedeutung zukommt (JBl 1993, 590; JBl 1989, 310; SZ 58/8 uva; RIS-Justiz RS0020521).

Im Allgemeinen ist die Vereinbarung einer Betriebspflicht das wesentlichste Kriterium für die Annahme eines Pachtvertrages (JBl 1993, 590; MietSlg 43.076; 41.080 ff; SZ 58/8 uva), sofern das auf einem wirtschaftlichen Interesse des Bestandgebers an der Art des Betriebes und an dessen Bestehen besteht (MietSlg 39.100; SZ 58/8; RIS-Justiz RS0020451). Auch die vorübergehende Stilllegung des Unternehmens hindert die Annahme einer Unternehmenspacht nicht, wenn ein wieder zu aktivierender Kundenstock vorhanden ist und das stillgelegte Unternehmen jederzeit wieder aufgenommen werden kann (Binder aaO Rz 22; RIS-Justiz RS0020528).

Im konkreten Fall hat das Berufungsgericht zahlreiche Indizien für das Vorliegen eines Pachtvertrages angeführt, so insbesondere die Betriebspflicht, die von der Judikatur immer wieder als charakteristisches Merkmal eines Pachtvertrages genannt wird, wenn ein eminentes Interesse des Bestandgebers an der Weiterführung des Betriebes besteht. Für die klagende Partei war es bei Vertragsabschluss wesentlich, dass die Burggäste in dem vom Beklagten geführten Gastronomiebetrieb, insbesondere während der Wartezeiten zwischen den Führungen, mit Speisen und Getränken versorgt werden. Der Beklagte war daher auch verpflichtet, seinen Gastgewerbebetrieb während der Öffnungszeiten der Burg für alle Burgbesucher unentgeltlich offen zu halten. Damit stellte der Bestandgeber mit dem zwar unbestimmten, aber doch mit Sicherheit zu erwartenden Kreis der Burgbesucher auch einen gesicherten Kundenstock zur Verfügung (vgl MietSlg 38.135 mwN ua). Als weitere Kriterien für das Vorliegen eines Pachtvertrages nannte das Berufungsgericht das vereinbarte Konkurrenzverbot, die Intention der Parteien zur Anpassung des vereinbarten fixen Bestandzinses an den Umsatz, die Nichtstilllegung des Unternehmens sowie den Umstand, dass es sich auch bei den Verträgen mit den Vorbestandnehmern um Pachtverträge gehandelt habe. Als Kriterien gegen das Vorliegen einer Unternehmenspacht berücksichtigte das Berufungsgericht die eigene Gewerbeberechtigung des Beklagten sowie die Notwendigkeit hoher Investitionen. Die Erneuerung des Inventars (durch den Pächter) ist ein Vorgang, den das Gesetz (§ 1109 ABGB) bei der Verpachtung eines Unternehmens als normal voraussetzt. Gleiches gilt für die Ersetzung einzelner Unternehmensbestandteile durch andere, weil dadurch das verpachtete Unternehmen nicht vernichtet, sondern erhalten oder verbessert wird. Die Notwendigkeit von Investitionen spricht somit nicht gegen ein Pachtverhältnis, weil ein solches auch dann vorliegen kann, wenn sich das Unternehmen bei Vertragsabschluss in einem sehr schlechten Zustand befindet (MietSlg 43.078; JBl 1993, 590 mwN ua). Die Notwendigkeit umfangreicher Investitionen durch den Pächter wurde auch bei der Vereinbarung der Höhe des Pachtzinses ausdrücklich berücksichtigt. Nach der Rechtsprechung schließen auch die eigene Gewerbeberechtigung des Pächters und die Verpflichtung, die Investitionen bei Auflösung des Bestandverhältnisses dem Bestandgeber (zumindest teilweise) zu überlassen, eine Unternehmenspacht nicht aus (MietSlg 43.078 mwN ua).

Das Berufungsgericht hat das Bestandverhältnis zwischen den Streitteilen in einer Gesamtschau aller bestimmenden Kriterien als Unternehmenspacht beurteilt. Diese Rechtsansicht berücksichtigt die besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalles und bewegt sich im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Ein im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzugreifende Fehlbeurteilung ist nicht zu erkennen, weshalb sich die außerordentliche Revision als unzulässig erweist.

Der Oberste Gerichtshof hat der Revisionsgegnerin die Beantwortung der außerordentlichen Revision nach § 508a Abs 2 Satz 1 ZPO nicht freigestellt. Die dennoch erstattete Revisionsbeantwortung gilt daher gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig.

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