VfGH G2/2016 ua

VfGHG2/2016 ua23.2.2017

Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung von Bestimmungen über den Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten als zu eng gefasst

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
ABGB §94 Abs2
EheG §69 Abs2
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
ABGB §94 Abs2
EheG §69 Abs2

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge die Wortfolge "Dies gilt nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes zugunsten des bisher Unterhaltsberechtigten weiter, sofern nicht die Geltendmachung des Unterhaltanspruches, besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes geführt haben, ein Missbrauch des Rechtes wäre." in §94 Abs2 ABGB idF BGBl I 15/2013 und die Wortfolge "Ist die Ehe nach §55 geschieden worden und enthält das Urteil den Ausspruch nach 3 [gemeint: §] 61 Abs3, so gilt für den Unterhaltsanspruch des beklagten Ehegatten auch nach der Scheidung der §94 ABGB." in §69 Abs2 idF BGBl I 135/2009, als verfassungswidrig aufheben.

II. Rechtslage

1. §94 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (im Folgenden: ABGB), JGS 946/1811 idF BGBl I 15/2013, lautet (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"Sonstige Wirkungen der Ehe

 

§94. (1) Die Ehegatten haben nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen.

 

(2) Der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt, leistet dadurch seinen Beitrag im Sinn des Abs1; er hat an den anderen einen Anspruch auf Unterhalt, wobei eigene Einkünfte angemessen zu berücksichtigen sind. Dies gilt nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts zugunsten des bisher Unterhaltsberechtigten weiter, sofern nicht die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs, besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts geführt haben, ein Mißbrauch des Rechtes wäre. Ein Unterhaltsanspruch steht einem Ehegatten auch zu, soweit er seinen Beitrag nach Abs1 nicht zu leisten vermag.

 

(3) Auf Verlangen des unterhaltsberechtigten Ehegatten ist der Unterhalt auch bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft ganz oder zum Teil in Geld zu leisten, soweit nicht ein solches Verlangen, insbesondere im Hinblick auf die zur Deckung der Bedürfnisse zur Verfügung stehenden Mittel, unbillig wäre. Auf den Unterhaltsanspruch an sich kann im vorhinein nicht verzichtet werden."

 

2. §69 des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschließung und der Ehescheidung im Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiet. Vom 6. Juli 1938 (im Folgenden: EheG), dRGBl. I S 807/1938 idF BGBl I 135/2009, lautet (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"b) Unterhaltspflicht bei Scheidung aus anderen Gründen

 

§69

 

(1) Ist die Ehe allein aus einem der in den §§50 bis 53 bezeichneten Gründe geschieden und enthält das Urteil einen Schuldausspruch, so finden die Vorschriften der §§66 und 67 entsprechende Anwendung.

 

(2) Ist die Ehe nach §55 geschieden worden und enthält das Urteil den Ausspruch nach §61 Abs3, so gilt für den Unterhaltsanspruch des beklagten Ehegatten auch nach der Scheidung der §94 ABGB. Der Unterhaltsanspruch umfaßt jedenfalls auch den Ersatz der Beiträge zur freiwilligen Versicherung des beklagten Ehegatten in der gesetzlichen Krankenversicherung. Bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs ist die Unterhaltspflicht des Verpflichteten für einen neuen Ehegatten oder eingetragenen Partner nicht zu berücksichtigen, es sei denn, dies ist bei Abwägung aller Umstände, besonders des Lebensalters und der Gesundheit des früheren und des neuen Ehegatten oder eingetragenen Partners, der Dauer ihres gemeinsamen Haushalts mit dem Verpflichteten und des Wohles ihrer Kinder, aus Gründen der Billigkeit geboten.

 

(3) Enthält das Urteil keinen Schuldausspruch, so hat der Ehegatte, der die Scheidung verlangt hat, dem anderen Unterhalt zu gewähren, wenn und soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse der geschiedenen Ehegatten und der nach §71 unterhaltspflichtigen Verwandten des Berechtigten der Billigkeit entspricht. §67 Abs1 Satz 2 und Abs2 findet entsprechende Anwendung."

 

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Mit Antrag vom 4. Jänner 2016 begehrte der Antragsteller, §94 Abs2 zweiter Satz ABGB und §69 Abs2 erster Satz EheG als verfassungswidrig aufzuheben.

1.1. Diesem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Antragsteller war Beklagter in einem Unterhaltsverfahren – die Ehe der Streitteile wurde nach mehrmaliger Abweisung der Scheidungsklage infolge der sechsjährigen Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft gemäß §55 Abs3 EheG mit einem Schuldausspruch nach §61 Abs3 EheG zu Lasten des Antragstellers geschieden – vor dem Bezirksgericht Hernals aus Anlass einer Klage auf Unterhalt seiner geschiedenen Ehefrau sowie Kläger einer Klage auf Unterhaltsherabsetzung. Mit Urteil vom 4. Dezember 2015, Zlen. 8 C 92/05p und 8 C 53/07f-256, wurde der Klage der geschiedenen Ehefrau zu großen Teilen stattgegeben und der Antragsteller zur Zahlung von 70.577,82 Euro rückständigem Ehegattenunterhalt sowie einer monatlichen Zahlung von Ehegattenunterhalt in Höhe von 816,62 Euro verpflichtet. Die Klage des Antragstellers auf Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung auf 350,– Euro wurde abgewiesen.

1.2. Gegen dieses Urteil erhob der Antragsteller am 4. Jänner 2016 Berufung. Gleichzeitig stellte der Antragsteller den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten (Partei-)Antrag auf Aufhebung von §94 Abs2 zweiter Satz ABGB und §69 Abs2 erster Satz EheG.

1.3. Der Antragsteller begründete den Antrag mit der Behauptung, die angefochtenen Normen würden gegen den Gleichheitssatz gemäß Art7 Abs1 B‑VG und Art2 StGG verstoßen, indem durch diese ohne sachliche Rechtfertigung bei der Unterhaltsbemessung zwischen Kindern und Ehegatten differenziert werde.

1.3.1. Die vom Bezirksgericht bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs angewandte Prozentwertmethode führe nach Ansicht des Antragstellers auf Grund seines seinerzeitigen erheblich überdurchschnittlichen Einkommens zu einem übermäßigen Unterhaltsanspruch der unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehefrau. Schon Ferrari in: Schwimann/Kodek (Hrsg.), ABGB4, 2011, zu §94 sei zu entnehmen, dass der normative Rahmen für die gesetzlichen Unterhaltsbeziehungen der Ehegatten durch die Lebensverhältnisse gebildet werde. Vor diesem Hintergrund verfüge das Gesetz als erstes Unterhaltskriterium das Prinzip des angemessenen Unterhalts. Das bedeute im Ergebnis, dass der Unterhalt der Ehegatten die "ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse" zu decken habe. Lege man dieses Kriterium zugrunde, führe dies dazu, dass nicht mehr als der angemessene Unterhalt beansprucht werden könne und der beanspruchte Ehegatte nicht mehr zu leisten habe, als seiner Leistungsfähigkeit entspreche. Gerade bei überdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen und hohen Einkommensunterschieden widerspreche die vom Erstgericht nach der Prozentwertmethode vorgenommene Unterhaltsbemessung dem Gleichheitsprinzip.

1.3.2. Vor diesem Hintergrund sei nach Ansicht des Antragstellers auf die durch die Judikatur des Obersten Gerichtshofes – "aus pädagogischen Gründen" – für den Kindesunterhalt eingeführte "Luxusgrenze" zu verweisen, die nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes jedoch nicht auch bei der Bemessung des Unterhalts Erwachsener heranzuziehen sei. Diese Luxusgrenze habe nach Ansicht des Antragstellers nicht nur pädagogische Gründe, sondern fuße auch auf anderen Überlegungen, wie beispielsweise, dass die Zahlungen der Bedürfniserfüllung, aber nicht der Vermögensbildung dienen sollen.

1.3.3. Da jedoch nur hinsichtlich des Kindesunterhalts eine "Luxusgrenze" bzw. ein Unterhaltsstopp eingezogen worden sei, nicht jedoch auch hinsichtlich des Erwachsenenunterhalts, und damit zwischen der Unterhaltsbemessung zwischen Kindern und Ehegatten (unsachlich) differenziert werde, bestünden erhebliche Bedenken im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit der bekämpften Normen unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes.

2. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen, in eventu die Behandlung des Antrages abzulehnen, in eventu auszusprechen, dass die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden.

2.1. Die Bundesregierung führt zunächst aus, dass sich das Ausmaß bzw. die Höhe des Unterhaltsanspruchs gemäß §94 Abs2 ABGB nach §94 Abs1 ABGB richte. Maßgeblich seien daher die bisherigen Lebensverhältnisse der Ehegatten, der sogenannte Lebenszuschnitt (Lebensstandard) sowie der Stil der Lebensführung (RIS-Justiz RS0009710). Davon ausgehend sei die Höhe des Unterhaltsanspruchs davon abhängig, wieviel im Einzelfall als zur Deckung der den Lebensverhältnissen beider Eheleute angemessenen Bedürfnisse notwendig anzusehen sei. In der Rechtsprechung seien als Orientierungshilfe und zur Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle Prozentsätze herausgearbeitet worden, die Anhaltspunkte für die Höhe des Unterhalts bieten sollen, das Gericht aber nicht von seiner Verpflichtung zur Überprüfung des Einzelfalls entbinden würden (vgl. RIS-Justiz RS0012492; Hopf/Kathrein, Eherecht3, 2014, §94 ABGB, Rz 35).

2.2. Der Antrag erweise sich nach Ansicht der Bundesregierung zur Gänze als unzulässig, da im Antrag die gegen die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen sprechenden Bedenken nicht im Einzelnen dargelegt worden seien. Der Antragsteller wende sich ausschließlich gegen die Anwendung der Bestimmungen durch das Bezirksgericht und mache damit im Ergebnis lediglich Bedenken gegen das Urteil und damit Vollzugsfehler geltend. Gegenstand eines Verfahrens nach Art140 B‑VG sei jedoch gerade nicht die gerichtliche Entscheidung und die in dieser Entscheidung zum Ausdruck kommende Rechtsauslegung. Für die Korrektur von Vollzugsfehlern sei der Rechtsschutz auf Ebene des gerichtlichen Rechtsmittelverfahrens zuständig.

2.3. Die Bundesregierung weist weiters darauf hin, dass sich der Antragsteller einzig und allein dagegen wende, dass "hinsichtlich der Berechnung bzw. Begrenzung des Kindesunterhalts eine 'Luxusgrenze' bzw. ein […] Unterhaltsstopp eingezogen ist, nicht jedoch hinsichtlich des Erwachsenenunterhaltes". Diese "Luxusgrenze" ergebe sich jedoch nicht aus den angefochtenen Bestimmungen, sondern aus der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Die Judikatur der ordentlichen Gerichte sei jedoch kein zulässiger Prüfungsgegenstand eines Parteiantrages auf Normenkontrolle. Der Antragsteller wende sich nicht gegen die Weitergeltung der Regelungen über den Ehegattenunterhalt an sich – als Inhalt der angefochtenen Bestimmungen –, sondern ziele auf die Anwendung der Luxusgrenze auch auf den Ehegattenunterhalt ab. Dies könne durch die Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen nicht erreicht werden. Damit sei zudem der Sitz der Verfassungswidrigkeit verkannt worden.

2.4. In der Sache trat die Bundesregierung den verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers hinsichtlich des Gleichheitsgrundsatzes entgegen.

3. Die Antragsgegnerin erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen, in eventu abzuweisen und dem Antragsteller die Verfahrenskosten vorzuschreiben. Nach Ansicht der Antragsgegnerin diene der Antrag lediglich dazu, das bereits seit über zehn Jahren anhängige Unterhaltsverfahren weiter zu verzögern. Dem Antrag seien keine inhaltlichen Bedenken zu entnehmen, sondern lediglich die Unzufriedenheit des Antragstellers über die zum Ehegatten- und Kindesunterhalt ergangene Judikatur. Diese stelle jedoch keinen zulässigen Prüfungsgegenstand eines Parteiantrages dar. Des Weiteren würde durch die Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen die Obergrenze bei der Festsetzung des Kindesunterhalts nicht auch bei der Festsetzung des Ehegattenunterhalts zur Anwendung gelangen.

IV. Zulässigkeit

1. Der Antrag ist unzulässig.

2. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.

3. Voraussetzung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle ist sohin – entsprechend der Formulierung des Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG – die Einbringung eines Rechtsmittels in einer "in erster Instanz entschiedenen Rechtssache", also eines Rechtsmittels gegen eine die Rechtssache erledigende Entscheidung erster Instanz. Außerdem muss der Parteiantrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG "aus Anlass" der Erhebung eines Rechtsmittels gestellt werden.

3.1. Mit der Berufung, aus deren Anlass der Antrag nach Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG erhoben wurde, wendete sich der Antragsteller gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 4. Dezember 2015, mit dem der Unterhaltsklage der geschiedenen Ehefrau des Antragstellers zum Teil stattgegeben, der Antragsteller zur Zahlung von rückständigem und monatlichem Ehegattenunterhalt verpflichtet und die Klage des Antragstellers auf Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung abgewiesen wurde.

3.2. Dieses Urteil des Bezirksgerichtes Hernals stellt eine in erster Instanz entschiedene Rechtssache iSd Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG dar.

3.3. Dem Erfordernis der Einbringung aus Anlass eines Rechtsmittels hat der Antragsteller jedenfalls dadurch Rechnung getragen, dass er den Parteiantrag und die Berufung gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals am selben Tag und innerhalb der Rechtsmittelfrist erhoben und eingebracht hat (vgl. VfGH 2.7.2016, G95/2016).

4. Der Verfassungsgerichtshof geht auf Grund der Mitteilung des Bezirksgerichtes Hernals vom 1. Februar 2016 davon aus, dass die Berufung des Antragstellers gegen das zuvor genannte Urteil rechtzeitig und zulässig ist.

5. Gemäß §62 Abs1 VfGG muss der Antrag begehren, "dass entweder das Gesetz seinem ganzen Inhalt nach oder dass bestimmte Stellen des Gesetzes als verfassungswidrig aufgehoben werden. Der Antrag hat die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen."

5.1. Dieses Erfordernis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungs-gerichtshofes nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungs-widrigkeit – in überprüfbarer Art– präzise ausgebreitet werden, mithin dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, mit welcher Verfassungsbestimmung die bekämpfte Gesetzesstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen (vgl. im Allgemeinen zB VfSlg 11.150/1986, 11.888/1988, 13.851/1994, 14.802/1997, 17.651/2005; spezifisch zum Parteiantrag auf Normenkontrolle VfGH 2.7.2015, G16/2015; 2.7.2015, G145/2015).

5.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen-den Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

5.3. Aus dieser Grundposition folgt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011).

5.4. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung erweist sich der vorliegende Antrag als zu eng gefasst: Soweit der Antragsteller seinen Antrag auf §94 Abs2 zweiter Satz ABGB und §69 Abs2 erster Satz EheG beschränkt, übersieht er, dass die angefochtenen Bestimmungen (insbesondere §69 Abs2 erster Satz EheG) in untrennbarem Zusammenhang mit dem gesamten §69 Abs2 EheG stehen. Ein untrennbarer Zusammenhang ist in jenen Fällen anzunehmen, in denen der nach der beantragten Aufhebung verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (vgl. etwa VfSlg 12.859/1991, 16.279/2001; VfGH 7.10.2015, G444/2015; 1.12.2016, G11/2016 ua.). §69 Abs2 erster Satz EheG ist untrennbar mit dem zweiten und dritten Satz des Abs2 verbunden: Im Fall der Aufhebung von §69 Abs2 erster Satz EheG verbliebe mit dem verbleibenden Teil des Abs2 ein Torso, der für sich genommen seines ursprünglichen Bedeutungsgehaltes entkleidet und unanwendbar wäre, da dieser keinen Anwendungsbereich mehr hätte. Der Antragsteller hätte daher jedenfalls auch den gesamten §69 Abs2 EheG mitanfechten müssen.

6. Der Antrag ist daher schon aus diesem Grund unzulässig.

V. Ergebnis

1. Der Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

3. Der beteiligten Partei sind die für die abgegebene Äußerung begehrten Kosten nicht zuzusprechen, da es im Falle eines auf Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG eingeleiteten Normenprüfungsverfahrens Sache des ordentlichen Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (zB VfSlg https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Vfgh&Sammlungsnummer=19019&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True mwN).

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