OGH 4Ob163/04f

OGH4Ob163/04f9.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH & Co Betriebs KG, *****, vertreten durch Dr. Peter Hauser, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Silvia S*****, vertreten durch Ramsauer Perner Holzinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 26. Mai 2004, GZ 54 R 22/04f-16, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Hallein vom 17. Dezember 2003, GZ 2 C 2338/02w-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin betreibt ein Kur- und Rehabilitationszentrum. Die Beklagte ist Unternehmerin. Die Streitteile schlossen am 1. 9. 1988 einen Bestandvertrag, dessen §§ 1 und 2 wie folgt lauten:

㤠1

Bestandobjekt

Gegenstand des Vertrags ist nachstehendes Bestandobjekt. Es handelt sich um einen leer stehenden Raum mit eingerichteter Dusche und WC im Haus Nr. 5 (Anbau Kiosk - KG Haus an der T*****gmbH & Co) im Ausmaß von 45 m².

Der Bestandgeber vermietet und übergibt, der Bestandnehmer mietet und übernimmt das beschriebene Bestandobjekt zu Geschäftszwecken zur Betreibung eines Kosmetiksalons mit Verkauf von Kosmetikartikeln.

§ 2

Bestanddauer

Das Mietverhältnis wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Es kann von beiden Vertragsteilen unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist jederzeit mit dem Widerruf aufgekündigt werden, ohne dass dies einer besonderen Begründung bedarf. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen."

Die in Bestand gegebenen Räumlichkeiten befinden sich in einem Pavillon, der im Jahre 1988 errichtet wurde. Vor Abschluss des Bestandvertrags war das Objekt leer. Es gab eine Glaswand sowie eine Toilette, die auch von den Kunden des angrenzenden Frisiersalons benutzt werden konnte. Weiters war eine Dusche vorhanden. Die Beklagte betrieb im Bestandgegenstand gemeinsam mit ihrem damaligen Ehegatten einen Kosmetiksalon. Die zwischen ihr und ihrem Ehegatten bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts wurde mit Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz vom 4. 7. 2001 aufgelöst. Im Zuge der Liquidation des Unternehmens erwarb der Ehegatte der Beklagten mit Zuschlag vom 29. 10. 2002 den Kosmetiksalon und ließ ihn von der seit etwa sechs Jahren im Kosmetiksalon tätigen Angestellten weiterführen.

Mit Schreiben vom 5. 11. 2002 kündigte die Klägerin der Beklagten das Bestandverhältnis zum 28. 2. 2003 auf. Die Beklagte brachte am 25. 11. 2002 gegen ihren ehemaligen Ehegatten eine Räumungsklage ein. Die Beklagte will als Einzelunternehmerin in den Bestandräumen das Unternehmen betreiben, wenn ihr ehemaliger Ehegatte zur Räumung verpflichtet wird.

Die Klägerin kündigte der Beklagten den im Haus Nr. 5 (Anbau Kiosk) ihres Kur- und Rehabilitationszentrums gelegenen Raum mit Dusche und WC auf. Eventualiter stellte sie ein Räumungsbegehren. Die Beklagte habe den Bestandgegenstand zur Gänze weitergegeben und benötige ihn offenbar in naher Zeit nicht mehr für sich zur Geschäftsausübung. Bereits bei Vertragsunterfertigung sei besprochen worden, dass die Klägerin die Räumlichkeiten ausschließlich zum Betrieb eines Kosmetiksalons vermiete, den sie dringend als Nebenbetrieb zum Kurhaus benötige und der daher auch tatsächlich betrieben werden müsse. Es liege daher ein Pachtvertrag vor, den die Klägerin unter Einhaltung der im Vertrag vorgesehenen Kündigungsfrist aufgekündigt habe.

Die Beklagte erhob Einwendungen und beantragte, die Kündigung aufzuheben. Sie habe den Bestandgegenstand nicht weitergegeben, sondern das Bestandrecht in die Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingebracht. Ihr ehemaliger Ehegatte habe durch Zuschlag vom 29. 10. 2002 zwar das Unternehmen, nicht aber auch das Bestandrecht erworben. Da er den Kosmetiksalon weiterhin in den Bestandräumen betrieben habe, habe sie ihn auf Räumung geklagt.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf. Ergänzend zum eingangs wiedergegebenen Sachverhalt stellte es fest, dass keine Betriebspflicht vereinbart worden sei. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, dass alle wesentlichen Kriterien für eine Geschäftsraummiete sprächen. Das Bestandobjekt sei leer gewesen, die Beklagte habe die Betriebsmittel selbst beschaffen müssen. Es sei auch kein Kundenstock vorhanden gewesen, da die Gäste eines Kurhauses üblicherweise wechselten. Der Beklagten sei auch keine Betriebspflicht auferlegt worden. Als Mietvertrag könne der Bestandvertrag nur aus den in § 30 Abs 2 MRG aufgezählten Gründen gekündigt werden. Die Klägerin habe die Aufkündigung auf § 30 Abs 2 Z 4 und 7 MRG gestützt; keiner der beiden Gründe sei verwirklicht. Die Beklagte habe den Bestandgegenstand nicht weitergegeben; das Unternehmen sei ihrem (ehemaligen) Ehegatten vom Gericht zugesprochen worden. Nach der Räumung wolle sie das Unternehmen in den Bestandräumlichkeiten ausüben. Auch derzeit werde darin ein Kosmetikstudio betrieben, so dass in den Geschäftsräumlichkeiten nach wie vor eine geschäftliche Tätigkeit ausgeübt werde. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Beklagten sei zwar vorgegeben worden, dass sie in den Bestandräumen einen Kosmetiksalon betreiben müsse; allein dadurch komme aber noch kein Pachtvertrag zustande. Die Klägerin habe auch nicht annähernd etwas übergeben, was als „Betrieb" bezeichnet werden könnte. Es handle sich daher um eine Geschäftsraummiete. Die Beklagte habe den Bestandgegenstand nicht weitergegeben.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.

Streitentscheidend ist die Frage, ob der zwischen den Streitteilen zustande gekommene Bestandvertrag als Miet- oder als Pachtvertrag zu werten ist. Handelt es sich um einen Pachtvertrag, so wurde die vom Vorliegen eines wichtigen Grundes unabhängige Kündigungsmöglichkeit wirksam vereinbart; ist der Vertrag aber als Mietvertrag zu werten, so ist die Kündigungsbestimmung und damit auch die Aufkündigung unwirksam. In diesem Fall setzt die Aufkündigung einen - hier zwar behaupteten, aber nicht bewiesenen - wichtigen Grund im Sinne des § 30 Abs 2 MRG voraus.

Für die oftmals schwierige Abgrenzung zwischen Geschäftsraummiete und Pachtvertrag gibt es keine allgemein gültigen Regeln (1 Ob 694/84 = SZ 58/8 ua). Für die Zuordnung sind verschiedene Kriterien maßgebend, wie die Zweckbestimmung der Bestandsache bei Vertragsabschluss, die dem Bestandnehmer eingeräumten Befugnisse und die ihm auferlegten Pflichten. Eine Unternehmenspacht liegt regelmäßig vor, wenn ein „lebendes" Unternehmen übergeben wird. Das Fehlen einzelner Merkmale eines Unternehmens, wie zB eines Warenlagers, einer Gewerbeberechtigung, eines (größeren) Kundenstocks, muss aber das Vorliegen einer Unternehmenspacht nicht ausschließen. Maßgebend ist immer die wirtschaftliche Bedeutung der einzelnen Kriterien, wobei der Vereinbarung einer Betriebspflicht regelmäßig das größte Gewicht beizumessen ist (1 Ob 584/92 = JBl 1993, 590; 4 Ob 249/97i = EvBl 1998/23, jeweils mwN). Ist eine Betriebspflicht vereinbart, so kann ein Pachtvertrag sogar dann vorliegen, wenn der Bestandgeber nur einen Raum (und - wie zB der Betreiber eines Einkaufszentrums [4 Ob 249/97i = EvBl 1998/23] oder eines Kurhauses [8 Ob 659/89 = MietSlg 41.085] - auch die Kunden) zur Verfügung stellt. Auch im vorliegenden Fall betreibt die Klägerin ein Kurzentrum; wenn sie daher einen Raum für einen Kosmetiksalon vermietet, so stellt sie damit einerseits den Kurgästen diese Einrichtung zur Verfügung, andererseits hat auch der Betreiber des Kosmetiksalons von vornherein einen gewissen Kundenstock.

Für die Entscheidung ist daher maßgebend, ob die Streitteile eine Betriebspflicht vereinbart haben. Die Klägerin hat in erster Instanz behauptet, es sei bereits bei Vertragsunterfertigung ausdrücklich zwischen der Klägerin, der Beklagten und deren Ehegatten besprochen worden, dass die Klägerin die Räumlichkeiten ausschließlich zum Betrieb eines Kosmetiksalons vermiete, den sie dringend als Nebenbetrieb zum Kurhaus benötige und dass dieser Kosmetiksalon auch tatsächlich betrieben werden müsse. Zum Beweis dieses Vorbringens berief sich die Klägerin auf die Vernehmung von Margit P***** und des (ehemaligen) Ehegatten der Beklagten als Zeugen (AS 27). Das Erstgericht vernahm nur den (ehemaligen) Ehegatten der Beklagten. Dieser sagte aus, während der Vertragsverhandlungen sei die Rede davon gewesen, dass das Kurzentrum einen Kosmetiksalon brauche und betrieben haben wolle (AS 37).

Das Erstgericht stellte fest, es sei keine Betriebspflicht vereinbart worden (AS 59). In der Beweiswürdigung ging es nur auf die Aussage des Zeugen ein und meinte, dass sich daraus nicht die Vereinbarung einer Betriebspflicht ergebe (AS 61 f). Die von der Klägerin weiters genannte Zeugin wurde nicht erwähnt und die Unterlassung der Vernehmung auch nicht begründet.

In der Berufung hat die Klägerin die Unterlassung der Vernehmung der Zeugin gerügt und die Feststellung, es sei keine Betriebspflicht vereinbart worden, bekämpft (AS 78 f). Das Berufungsgericht hat einen Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens verneint. Das "Beweisthema, zu dem diese Zeugin geführt wurde (AS 27), dass nämlich die klagende Partei die Räumlichkeiten ausschließlich zum Betrieb eines Kosmetiksalons vermietet" habe, sei ohnedies - unstrittig - festgestellt worden (AS 96).

Diese Begründung widerspricht dem Akteninhalt. Die Zeugin wurde ausdrücklich auch zum Beweis der Vereinbarung einer Betriebspflicht geführt; es ist daher aktenwidrig, wenn das Berufungsgericht ausführt, der Sachverhalt, zu dessen Beweis die Zeugin geführt wurde, sei ohnehin festgestellt worden, während das Erstgericht in Wahrheit festgestellt hat, dass eine Betriebspflicht nicht vereinbart worden sei.

In einem solchen Fall ist der Rechtssatz, wonach ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz in der Revision nicht mehr gerügt werden kann, nicht anzuwenden (2 Ob 220/65 = SZ 38/120; 1 Ob 42/79 = SZ 53/12 ua; Kodek in Rechberger, ZPO² § 503 Rz 3 mwN). Durch die Erledigung der Verfahrensrüge mit aktenwidriger Begründung ist das Berufungsverfahren selbst mangelhaft geblieben.

Der Mangel des Berufungsverfahrens muss zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen. Im fortgesetzten Verfahren wird das Berufungsgericht die Verfahrensrüge unter Abstandnahme von seiner aktenwidrigen Begründung zu erledigen und erneut zu entscheiden haben.

Der Revision war Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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