European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2012:0030OB00074.12X.0711.000
Spruch:
Der Revision der beklagten Partei wird dahin Folge gegeben, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.752,50 EUR (darin 458,75 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.175,51 EUR (darin 330,25 EUR Umsatzsteuer und 194 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildet die Frage, ob der zwischen den Parteien geschlossene, vom Kläger als Bestandgeber aufgekündigte Bestandvertrag als Pachtvertrag oder als Mietvertrag zu qualifizieren ist.
Mit schriftlichem, als „Pachtvertrag“ bezeichnetem Bestandvertrag vom 17. Dezember 1996 hat der Kläger als Verpächter der beklagten GmbH als Pächterin das auf dem Bestandobjekt befindliche Gastwirtschaftsunternehmen ab 1. Jänner 1997 auf unbestimmte Zeit verpachtet.
Der „Pachtvertrag“ enthält folgende wesentliche Bestimmungen:
I.
„... (2) Das Pachtobjekt besteht aus
‑ zwei Sälen,
‑ einem Gastzimmer,
‑ einem Extrazimmer,
‑ einer Küche,
‑ einem Abwaschraum,
‑ zwei Büroräumen,
‑ einem Bad mit WC,
‑ zwei WC-Anlagen,
‑ ferner im Seitentrakt 7 Diensträume für Personal bzw Lagerräume,
‑ einem Keller,
‑ einem Schuppen
‑ sowie dem Gasthausgarten.
…
II.
(1) Das Pachtverhältnis beginnt am 1. Jänner 1997 und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.
(2) Der Verpächter ist jedoch zu einer sofortigen Vertragsauflösung berechtigt, wenn
a) die Pächterin mit der Bezahlung des Pachtschillings mehr als 14 Tage im Rückstand ist;
b) die nötige Gewerbeberechtigung der Pächterin widerrufen wird,
c) über das Vermögen der Pächterin ein Konkurs- oder Ausgleichsverfahren eröffnet wird oder ein diesbezüglicher Antrag mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen wird und nicht gleichzeitig Sicherstellung für die Bezahlung des Bestandzinses gewährleistet wird.
III.
(1) Eine Untervermietung oder Unterverpachtung des Bestandobjektes ist der Pächterin untersagt.
IV.
(1) Der Bestandzins beträgt monatlich S 35.000,-- … zuzüglich Umsatzsteuer in der jeweils geltenden Höhe, das sind derzeit 20 %, zuzüglich Betriebskosten gem. § 21 MRG, wobei die Grundsteuer ausdrücklich nicht auf die Pächterin überwälzt wird.
(2) Der Pachtzins, der jeweils am Fünften des Monats fällig ist, wird wertgesichert ….
(3) Der erste Bestandzins ist für den Monat Mai 1997 fällig, wegen der von der Pächterin durchzuführenden Umbau- und Renovierungsarbeiten ist ein früherer Geschäftsbetrieb durch die Pächterin nicht möglich.
V.
(1) Die Pächterin nimmt zur Kenntnis, daß sich das Bestandobjekt in einem schlechten Bauzustand befindet, sie verpflichtet sich auf eigene Kosten nachstehende Arbeiten durchzuführen.
a) Installation einer Zentralheizung für das gesamte Objekt einschließlich WC-Anlagen, nicht jedoch für jene Bereiche, die sich im Nebengebäude befinden.
b) Installierung von WC-Anlagen, und zwar drei Damen-WC-Zellen, zwei Herren-WC-Zellen, zwei Piß-Stände sowie dazugehörigen Verfliesungen.
(2) In der Küche ist ein Fliesenboden zu verlegen, die Wasser- und Stromleitungen sind zu erneuern, eine entsprechende Lüftung ist zu installieren, weiters ist die Küche einzurichten und die erforderlichen Geräte sind zu installieren.
(3) In jenem Bereich, der gemäß dem beiliegenden Plan rot schraffiert ist, ist ein Estrich aufzubringen und ein Fliesenboden zu verlegen.
(4) Die oben näher bezeichneten Arbeiten sind von der Pächterin ordnungsgemäß herzustellen, die Überprüfung der Ordnungsgemäßheit erfolgt durch die Betriebsstättengenehmigung. ...
VII.
(1) Der Verpächter erteilt seine Zustimmung, dass die oben näher bezeichneten Arbeiten baulicher Art durchgeführt werden können, darüber hinausgehende bauliche Veränderungen dürfen von der Pächterin nur nach vorangegangener schriftlicher Zustimmung durchgeführt werden, die Pächterin ist jedoch berechtigt, auch jene baulichen Veränderungen durchzuführen, die ihr im Wege eines Betriebsstättengenehmigungsverfahrens von der zuständigen Behörde auferlegt werden.
VIII.
(1) Sämtliche Investitionen, die die Pächterin in das Bestandobjekt tätigt, gehen bei Beendigung des Bestandverhältnisses entschädigungslos in das Eigentum des Verpächters über, müssen aber von einem in beiderseitigen Einvernehmen bestellten Nachpächter abgelöst werden.“
IX.
„(1) Der Verpächter räumt der Pächterin das Recht ein, einen Nachpächter namhaft zu machen, er verpflichtet sich, soferne gegen diesen keine berechtigten Bedenken bestehen, einen Pachtvertrag zu den gleichen Bedingungen, wie sie dieser enthält, abzuschließen. …
XIV.
(1) Der Verpächter übernimmt keine Haftung für einen bestimmten Ertrag des Vertragsgegenstandes, sowie eine bestimmte Beschaffenheit des Bestandobjektes bzw. dessen Inventar. Die Pächterin bestätigt, sich über die Ertragsmöglichkeiten vollkommen informiert und das Bestandobjekt sowie das Inventar besichtigt zu haben.
(2) Die Pächterin verpflichtet sich, den Geschäftsbetrieb durch einen gewerberechtlich befähigten Geschäftsführer zu führen, eine Unterverpachtung des Bestandobjektes ohne schriftliche Zustimmung des Verpächters ist nicht gestattet.
(3) Die Pächterin ist verpflichtet, bei Ausübung des Gewerbes alle polizeilichen und behördlichen Vorschriften genauestens einzuhalten.
XV.
(1) Der Verpächter ist berechtigt, einmal halbjährlich in die betrieblichen und steuerlichen Unterlagen der Pächterin Einsicht zu nehmen, insbesondere in die Lastschriftanzeigen des Finanzamtes, Vorschreibungen der Sozialversicherung und Abgabenerklärungen an den Magistrat der Stadt Wien.
Geschäftliche Mindereinnahmen berechtigten nicht dazu, eine Herabsetzung des Pachtzinses zu verlangen.
...“
Das Bestandobjekt liegt unmittelbar vor einem Tor des Wiener Zentralfriedhofs. Zum Zeitpunkt des Bestandvertragsabschlusses war der Kläger aufgrund eines Mietvertrags vom 4. Oktober 1996 Hauptmieter des Objekts. Im Jahr 2010 haben der Kläger und seine Ehefrau die Liegenschaft von der Vermieterin erworben.
Im Bestandobjekt war bereits seit Generationen eine Gaststätte betrieben worden. Von 1980 bis 1996 hatte ein Pächter das Gasthaus unter seinem Familiennamen betrieben. Der Kundenstock bestand hauptsächlich aus Friedhofsgärtnern, Betreibern von Blumenständen sowie regelmäßigen Friedhofsbesuchern, aber auch Gästen aus der Wohnumgebung. Regelmäßig fanden dort Leichenschmäuse statt und nur gelegentlich auch sonstige Feierlichkeiten wie Hochzeiten. Die Sperrstunden des Lokals waren regelmäßig zwischen 5 und 6 Uhr am Abend. Über einen besonderen Ruf, der Kunden angezogen oder gehalten hätte, verfügte das Lokal nicht, entscheidender Faktor für die Kundengewinnung war vielmehr dessen besondere Lage. Spätestens mit Beendigung des Pachtvertrags zwischen der Liegenschaftseigentümerin und dem Pächter im Jänner 1996 wurde der Betrieb des Gasthauses eingestellt. Von da an bis zur Eröffnung der Gastwirtschaft (unter einer anderen Bezeichnung) durch die beklagte GmbH im Mai 1997 war das Lokal geschlossen.
Kurze Zeit vor dem Abschluss des Bestandvertrags besichtigte der Kläger das Lokal mit dem Geschäftsführer der beklagten Partei. Damals befand sich das Lokal in einem desolaten Zustand und war umfassend renovierungs- bzw sanierungsbedürftig. Insbesondere waren die im Vertragspunkt V. des Bestandvertrags näher bezeichneten Arbeiten durchzuführen, um eine Betriebsanlagengenehmigung zu erhalten.
Im Lokal befanden sich zwar Stühle und Tische, eine Schank, eine eingebaute Kühlanlage, ein Herd, eine Wanne/Abwasch, eine Bain-Marie (Wasserbad zum Warmhalten) sowie Geschirr. Das Inventar war jedoch veraltet; der seinerzeitige Pächter hatte es selbst bereits ‑ im Jahr 1980 ‑ vom Vorpächter übernommen. Der Herd war komplett durchgerostet, beschädigt und nicht mehr zu gebrauchen. Der Kopf der Schankanlage musste aus hygienischen Gründen ausgetauscht werden. Der Holzboden war derart morsch, dass er im Bereich der Schank nicht mehr tragfähig war. Das Warenlager war leer.
Der Geschäftsführer der beklagten Partei äußerte sich dennoch dahingehend, dass die beklagte Partei das Lokal gegen einen Bestandzins von 35.000 ATS zuzüglich Mehrwertsteuer „haben wolle“. Daraufhin beauftragte der Kläger einen Rechtsanwalt mit der Errichtung eines schriftlichen Pachtvertrags. Auf die Initiative des Geschäftsführers der beklagten Partei ist nur der Punkt IX. (Recht, einen Nachpächter namhaft zu machen) zurückzuführen.
Die unterschiedlichen Rechtsfolgen zwischen dem Abschluss eines Mietvertrags oder eines Pachtvertrags waren weder Gegenstand vorvertraglicher Verhandlungen noch gaben sie Anlass zu etwaigen mündlichen Vereinbarungen. Der als „Pachtvertrag“ bezeichnete Bestandvertrag wurde von den Vertragsparteien am 17. Dezember 1996 in der Kanzlei des Rechtsanwalts unterzeichnet. Mündliche Besprechungen oder Änderungen des Vertragsentwurfs fanden in der Kanzlei nicht mehr statt.
Eine Gewerbeberechtigung wurde der beklagten Partei vom Kläger ebenso wenig überlassen wie eine Betriebsanlagengenehmigung.
Die beklagte Partei führte in der Folge umfangreiche Sanierungsarbeiten am Bestandobjekt durch, darunter die im Vertragspunkt V. des Bestandsvertrags genannten Arbeiten, die zur Erlangung der Betriebsanlagengenehmigung erforderlich waren. Das Lokal wurde schließlich im Mai 1997 eröffnet. Vom ursprünglichen Inventar wurde nur ein Teil weiter verwendet: Die alte Schank konnte aus hygienischen Gründen nicht mehr in Betrieb genommen werden. Lediglich der Sockel konnte erhalten werden, während der komplette Kopf ausgetauscht werden musste. Im Übrigen konnten nur die verbaute Kühlanlage sowie ein Teil der Tische und Stühle erhalten werden.
Vom früheren Kundenstock des vom früheren Pächter geführten Gasthauses konnten nicht sämtliche Kunden wiedergewonnen werden. Einige waren mittlerweile zu einem 450 Meter entfernten, vor einem anderen Tor des Zentralfriedhofs gelegenen Lokal abgewandert. Die beklagte Partei erschloss im Laufe der Zeit jedoch neue Kundenschichten. Im Lokal finden nunmehr regelmäßig Feiern und Abendveranstaltungen ‑ beispielsweise ein bis zweimal im Monat Hochzeiten ‑ statt.
Gestützt auf § 560 Abs 1 Z 2 lit c ZPO kündigte der Kläger den Bestandvertrag gerichtlich zum 30. Juni 2010 auf. Besondere Kündigungsgründe machte der Kläger nicht geltend.
Die beklagte Partei erhob gegen die Kündigung fristgerecht Einwendungen und beantragte die Abweisung der Kündigung. Bei dem Bestandvertrag handle es sich nicht um einen Pachtvertrag. Vom Kläger sei kein lebendes Unternehmen übergeben worden, es habe gänzlich an einem Kundenstock sowie Goodwill gefehlt, das Unternehmen sei vor Abschluss des Vertrags bereits drei bis vier Jahre nicht betrieben worden. Die beklagte Partei habe erst umfangreiche Umbauarbeiten tätigen müssen, um im Bestandobjekt wieder einen Geschäftsbetrieb aufnehmen zu können, weshalb ein Mietvertrag vorliege, der nur aus den im MRG genannten Gründen aufgekündigt werden könne. Ein solcher Kündigungsgrund sei aber weder verwirklicht noch vom Kläger behauptet worden. Im Übrigen sei bereits im Jahr 2007 anlässlich eines früheren Gerichtsverfahrens eine außergerichtliche Einigung erzielt worden.
Der Kläger erwiderte, dass es sich bei dem Bestandvertrag um einen Pachtvertrag handle. Im Bestandobjekt werde bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts eine Gastwirtschaft betrieben. Den Kundenstock des Unternehmens bildeten fast ausschließlich Friedhofsbesucher bzw Gäste von Beerdigungen („Leichenschmaus“). Allein durch die Lage des Objekts im Bereich eines Tores des Wiener Zentralfriedhofs entstehe die Erwerbsgelegenheit. Das Bestandobjekt sei vollständig eingerichtet (einschließlich Groß- und Kleininventar) übergeben worden; die von der Pächterin aufgrund des abgenutzten und veralteten Zustands des Bestandobjekts übernommenen Investitionsverpflichtungen seien bei der Vereinbarung des Pachtzinses berücksichtigt worden. Ferner existiere eine Investitionsersatzregel. Die beklagte Partei habe eine Betriebspflicht übernommen. Die Kündigung sei auch wegen des schlechten Zustands der Betriebsanlage, sowie aufgrund der Vornahme illegaler Zubauten erfolgt, die entgegen einem diesbezüglichen Versprechen der beklagten Partei weder beseitigt noch baurechtlich saniert worden seien.
Das Erstgericht hob die gerichtliche Aufkündigung als rechtsunwirksam auf und wies das Räumungsbegehren ab. Über den eingangs angeführten Sachverhalt hinaus traf es die Feststellung, dass ein besonderes Interesse des Klägers am Betrieb eines Gasthauses im Bestandgegenstand bzw daran, zum Ende der Bestanddauer ein lebendes Unternehmen zurückgestellt zu bekommen, nicht bestand.
Angesichts der Umstände des Einzelfalls kam es zum Ergebnis, dass es sich bei dem zu beurteilenden Vertrag nicht um einen Pacht-, sondern um einen Mietvertrag handle. Bei Vorliegen eines Mietvertrags werde die Anwendbarkeit des MRG vermutet. Eine Kündigung sei nur bei Vorliegen eines der im MRG normierten Kündigungsgründe zulässig. Da in der Kündigung keine Kündigungsgründe angeführt worden seien, sei diese als rechtsunwirksam aufzuheben.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es die gerichtliche Aufkündigung vom 15. Dezember 2009 für rechtswirksam erkannte und die beklagte Partei verpflichtete, das Bestandobjekt zu räumen und binnen 14 Tagen geräumt zu übergeben.
Die erstgerichtliche Feststellung, dass ein besonderes Interesse des Klägers am Betrieb eines Gasthauses im Bestandgegenstand bzw daran, zum Ende der Bestanddauer ein lebendes Unternehmen zurückgestellt zu bekommen, nicht bestanden habe, sei mangels entsprechenden Vorbringens der beklagten Partei überschießend, weshalb darauf nicht Bedacht zu nehmen sei. Auf die vom Kläger begehrten zusätzlichen Feststellungen komme es nicht an, da schon die getroffenen Feststellungen für eine Qualifikation des Bestandverhältnisses als Unternehmenspacht sprächen.
Die Bezeichnung des Vertrags sei zwar nicht ausschlaggebend; in Grenzfällen komme ihr aber Indizfunktion zu, insbesondere dort, wo es sich bei der Pächterin um eine Gastronomiebetriebsstätten GmbH handle. Die vorübergehende Stilllegung des Unternehmens hindere die Annahme einer Unternehmspacht nicht, wenn ein wieder zu aktivierender Kundenstock vorhanden sei und das stillgelegte Unternehmen jederzeit wieder aufgenommen werden könne. Nachstehende Gründe würden dafür sprechen, dass es dem Kläger nicht in erster Linie um die lukrative Verwertung von Räumlichkeiten, sondern um die Fortführung einer seit Generationen bestehenden, nur vorübergehend stillgelegten Gaststätte gegangen sei:
‑ die Verpflichtung des Bestandnehmers, den Geschäftsbetrieb durch einen gewerberechtlich befähigten Geschäftsführer zu führen;
‑ die Verpflichtung zu umfassenden Sanierungsmaßnahmen;
‑ die Berechtigung des Bestandgebers, einmal halbjährlich in die betrieblichen und steuerlichen Unterlagen der Bestandnehmerin Einsicht zu nehmen, insbesondere in die Lastschriftanzeigen des Finanzamts, Vorschreibungen der Sozialversicherung und Abgabenerklärungen an den Magistrat der Stadt Wien;
‑ die Berechtigung des Bestandgebers, das Vertragsverhältnis sofort aufzulösen, wenn die nötige Gewerbeberechtigung der Pächterin widerrufen werde.
Derartige Vertragsbestimmungen würden nur dann Sinn machen, wenn es dem Bestandgeber um die Fortführung eines Unternehmens gehe.
Einem Vermieter könne grundsätzlich kein Interesse daran unterstellt werden, dass etwa eine Küche vom Mieter mit den erforderlichen Geräten ausgestattet werde. Gerade die Tatsache, dass sich der Bestandgeber die Einflussnahme auf derartige Umstände vorbehalte, lege nahe, dass es ihm um den Betrieb des Unternehmens gegangen sei und nicht bloß um die Vermietung von Räumlichkeiten. Auch das Recht zur Einsichtnahme in betriebliche und steuerliche Unterlagen der Bestandnehmerin lege sein Interesse an der Führung des Betriebs nahe und spreche für die Vereinbarung einer Betriebspflicht. Eine Vereinbarung dieser Art müsse nicht ausdrücklich erfolgen, sie könne sich auch aus den Umständen ergeben. Unter den gegebenen Umständen komme dem Fehlen der Verpflichtung der Bestandnehmerin, ein lebendes Unternehmen zurückzustellen, dem Fehlen eines überlassenen Warenlagers und der Tatsache, dass kein vom Umsatz abhängiger Bestandzins vereinbart wurde, keine entscheidende Bedeutung zu. Dass die überlassene Geschäftseinrichtung ‑ Stühle, Tische, eine Schank, eine eingebaute Kühlanlage, ein Herd, eine Wanne/Abwasch, eine Bain-Marie sowie Geschirr ‑ teilweise veraltet und zum Teil auszutauschen gewesen sei (wie der Herd und der Kopf der Schankanlage) spreche ebenfalls nicht gegen eine Unternehmenspacht. Die Erneuerung des Inventars durch den Pächter ändere nichts am Pachtvertragscharakter einer Unternehmensüberlassung. Auch der Umstand, dass der Pächter den Gewerbebetrieb aufgrund eigener Gewerbeberechtigung führe, stehe der Annahme eines Pachtvertrags nicht entgegen.
Da den für eine Unternehmenspacht sprechenden Umständen demnach die größere wirtschaftliche Bedeutung zukomme, bei Unternehmenspacht eine Aufkündigung aber auch ohne Vorliegen wichtiger Kündigungsgründe zulässig sei, sei die Aufkündigung für rechtswirksam zu erklären.
Das Berufungsgericht ließ die Revision nicht zu.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die außerordentliche Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist zulässig und auch berechtigt.
Die beklagte Partei bringt im Rechtsmittel im Wesentlichen vor, dass in der gegebenen Vertragskonstellation fast alle typischen Elemente eines Pachtvertrags fehlten: Im Zeitpunkt des Abschlusses des Bestandvertrags sei kein lebendes Unternehmen vorgelegen; der Kläger habe nie ein Unternehmen betrieben und habe daher auch keine Rechte aus einem Unternehmen weitergeben können; der Stilllegungs- und Umbauzeitraum von Jänner 1996 bis Mai 1997 spreche ebenfalls gegen ein lebendes Unternehmen; der Bestandgegenstand habe vielmehr erst von der beklagten Partei mittels ihrer kostenintensiven Investitionen zum Leben gebracht werden können; es seien keine bzw nur veraltete wertlose Einrichtungsgegenstände übernommen worden; ein Warenlager sei nicht übergeben worden; ein Kundenstock sei nicht übergeben worden bzw habe sich ein Kundenstock durch die lange Schließungsdauer aufgelöst; eine Betriebspflicht sei nicht vereinbart worden; eine Rückstellung eines lebenden Unternehmens sei nicht vereinbart worden. Das einzige für einen Unternehmenspachtvertrag sprechende Element sei die Bezeichnung des Vertrags als „Pachtvertrag“. Tatsächlich würde die Annahme eines Pachtvertrags bei einem stillgelegten oder erst aufzunehmenden Betrieb nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung voraussetzen, dass dem Bestandnehmer alle wesentlichen Grundlagen für das künftige Unternehmen zur Verfügung gestellt würden. Sei dies nicht der Fall, könne auch eine Betriebspflichtvereinbarung, an der der Bestandgeber ein wirtschaftliches Interesse habe, an der Qualifikation als Geschäftsraummiete nichts ändern.
Dazu wurde erwogen:
1. Bei der ‑ hier allein strittigen ‑ Abgrenzung von Geschäftslokalmiete und Unternehmenspacht kommt es immer auf die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalls an (RIS-Justiz RS0031183); dementsprechend existiert umfangreiche Judikatur, die für die Unterscheidung gewisse Kriterien entwickelt hat (siehe zuletzt etwa 2 Ob 133/11i). Verträge, die keine reinen Miet- oder Pachtverträge sind, müssen unabhängig von ihrer Bezeichnung im Rahmen eines Vergleichs der typischen Merkmale der Vertragstypen danach untersucht werden, welche Elemente in einer Gesamtbetrachtung überwiegen (1 Ob 25/08w = wobl 2009/58, 164 [Vonkilch 151]).
Unternehmenspacht liegt im Allgemeinen vor, wenn ein lebendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrags ist (RIS-Justiz RS0020398 [T6]). Neben den Räumen muss dem Bestandnehmer vom Bestandgeber auch das beigestellt werden, was wesentlich zum Betrieb des Unternehmens und dessen wirtschaftlichem Fortbestand gehört: Betriebsmittel (Einrichtung und Warenlager), Kundenstock und Gewerbeberechtigung. Dies bedeutet aber nicht, dass im Einzelfall all diese Merkmale gleichzeitig gegeben sein müssen. Das Fehlen einzelner Betriebsgrundlagen lässt noch nicht darauf schließen, dass Miete und nicht Pacht vorliegt, wenn nur die übrigen Betriebsgrundlagen vom Bestandgeber bereitgestellt werden und das lebende Unternehmen als rechtliche und wirtschaftliche Einheit fortbesteht (RIS-Justiz RS0020398). Grundsätzlich kann auch ein stillgelegtes Unternehmen den Gegenstand eines Pachtvertrags bilden, wenn auch die Anforderungen ‑ so wie bei erst zu gründenden Betrieben ‑ strenger sind: Es darf sich nicht um eine dauernde Stilllegung handeln und einer jederzeitigen Wiederaufnahme des Betriebs darf nichts im Wege stehen (RIS-Justiz RS0020528). Wesentlich ist, dass der Bestandgeber alle wesentlichen Grundlagen des zukünftigen Unternehmens zur Verfügung stellt und der Bestandnehmer zur Rückstellung eines lebenden Unternehmens verpflichtet ist. Treffen diese Voraussetzungen nicht zu, wird selbst bei einem eigenen wirtschaftlichen Interesse des Bestandgebers an der Führung des Betriebs Geschäftsraummiete und nicht Unternehmenspacht angenommen.
2. Als wesentlich erachtet die Rechtsprechung eine ausdrücklich oder schlüssig vereinbarte Betriebspflicht (RIS-Justiz RS0020451 [T9]; ausführlich zur Betriebspflicht und deren Bedeutung etwas relativierend 3 Ob 253/05k = wobl 2007/1, 14 [Vonkilch] = immolex 2007/39, 79 [Böhm] = RdW 2007/157, 152 [Iro] im Zusammenhang mit einem Bestandvertrag in einem Einkaufszentrum). Allerdings darf die Betriebspflicht keine Leerformel sein, sondern muss auf einem wirtschaftlichen Interesse des Bestandgebers beruhen (RIS-Justiz RS0020451 [T16]). Besteht keine Betriebspflicht wird in der Regel Miete vorliegen, soweit der Vertrag nicht schon wegen der Bedeutung anderer Merkmale als Pachtvertrag angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0020451 [T1]).
2.1. Für den konkreten Fall ist festzuhalten, dass eine Betriebspflicht (mit der Pflicht zur Rückstellung eines lebenden Unternehmens bei Bestandvertragsende) nicht explizit vereinbart wurde. Die Regelung in Punkt XIV. Abs 2 („Die Pächterin verpflichtet sich, den Geschäftsbetrieb durch einen gewerberechtlich befähigten Geschäftsführer zu führen, eine Unterverpachtung des Bestandobjektes ohne schriftliche Zustimmung des Verpächters ist nicht gestattet.“) hat ‑ im Kontext gesehen ‑ erkennbar eine andere Zielrichtung, nämlich die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen durch die Bestandnehmerin.
2.2. Das Berufungsgericht hat aus dem Bestandvertrag vier Klauseln hervorgehoben, aus denen es ableitet, dass es dem Bestandgeber um die Fortführung eines Unternehmens (im Sinne einer Betriebspflicht) gegangen sei. Allerdings gesteht das Berufungsgericht selbst zu, dass keine Verpflichtung zur Rückstellung eines lebenden Unternehmens mit Bestandvertragsende vereinbart wurde. Die Betriebspflicht ist jedoch kein Selbstzweck, sondern ist im Kontext mit der Erhaltung eines lebenden Unternehmens zu sehen, sodass schon die Bedeutung der angenommenen Betriebspflicht zu relativieren ist. Davon abgesehen sprechen diese vier Elemente (Betriebsführung durch einen gewerberechtlich befähigten Geschäftsführer, Erfordernis einer Betriebsstättengenehmigung für die Umbauarbeiten, Einsichtsrecht in die betrieblichen und steuerlichen Unterlagen, Auflösungsrecht bei Widerruf der Gewerbeberechtigung der Bestandnehmerin) nur peripher für eine Betriebspflicht. Vielmehr steht hier erkennbar der Zweck einer ordnungsgemäßen, vor allem mit den öffentlich‑rechtlichen Vorschriften in Einklang stehenden Betriebsführung im Vordergrund.
2.3. Dabei ist als wesentlich hervorzuheben, dass hier in Wahrheit keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Kläger jemals selbst Eigentümer eines im Bestandobjekt betriebenen Gastwirtschaftsunternehmens wurde: Der ehemalige Bestandnehmer beendete das Bestandverhältnis im Jänner 1996 und stellte den Betrieb ein. Erst im Oktober 1996 mietete der Kläger das Objekt. Der „Pachtvertrag“ mit der beklagten Partei wurde im Dezember 1996 geschlossen. Dass die seinerzeitige Vermieterin (die damalige Liegenschaftseigentümerin) dem Kläger anlässlich des Mietvertragsabschlusses das vom früheren Bestandnehmer zurückgegebene Unternehmen überlassen hätte, steht nicht fest und stünde im Übrigen im klaren Widerspruch dazu, dass der Kläger die Räumlichkeiten mietete und gerade keinen Pachtvertrag mit der Liegenschaftseigentümerin schloss.
3. Angesichts der in § 1091 ABGB angelegten Unterscheidung, wonach Miete (in ihrer reinen Form) die Überlassung zum bloßen Gebrauch ist, Pacht hingegen die Überlassung zum Gebrauch und zur Fruchtziehung, muss das Objekt von einem Verpächter bereits in einer zur Fruchtziehung geeigneten Form zur Verfügung gestellt werden. In diesem Sinn erfordert Pacht, dass der Bestandgeber über den bloßen Gebrauch der Räume hinausgehende Leistungen zur Verfügung stellt, die erst eine Fruchtziehung ermöglichen. Solche Elemente fehlen im vorliegenden Fall fast völlig, war doch das, was dem Bestandnehmer zu Beginn des Bestandverhältnisses über die (desolaten) Räumlichkeiten hinaus zur Verfügung gestellt wurde, für die Betriebsführung zwecks Fruchtziehung ohne besondere Bedeutung, vor allem im Vergleich zu den Investitionen, die die Eröffnung des Lokals erst ermöglichten.
4. Somit ist bei einer Gesamtbetrachtung von einem Mietvertrag auszugehen, weshalb die die Aufkündigung aufhebende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen ist.
5. Die Entscheidung über die der beklagten Partei zu ersetzenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Pauschalgebühren für das Revisionsverfahren betragen 194 EUR (Bemessungsgrundlage nach § 16 Abs 1 Z 1 GGG 750 EUR).
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