VfGH G249/2016 ua

VfGHG249/2016 ua14.3.2017

Keine Verfassungswidrigkeit einer strafprozessrechtlichen Regelung betreffend die Überprüfung der Beweiswürdigung im schöffengerichtlichen Verfahren; kein Verstoß des die volle Tatsachenkognition des Obersten Gerichtshofes beschränkenden Nichtigkeitsgrundes gegen die Rechte auf Zugang zu Gericht sowie auf ein faires Verfahren, auf Unschuldsvermutung, auf ein Rechtsmittel in Strafsachen und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz bzw gegen das Rechtsstaatsprinzip; Strafbarkeit des Sich-Verschaffens von pornographischen Darstellungen einer minderjährigen Person nicht gleichheitswidrig

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
StPO §281 Abs1 Z5a
StGB §207a Abs3
StGG Art2
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
EMRK Art6 Abs2
EMRK 7. ZP Art2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2017:G249.2016

 

Spruch:

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller, in §281 Abs1 Z5a StPO die Wortfolge "aus den Akten erhebliche“, in eventu in §281 Abs1 Z5a StPO das Wort "erhebliche" sowie §207a Abs3 StGB zur Gänze, in eventu in §207a Abs3 StGB das Wort "sich" sowie die Wortfolge "verschafft oder eine solche" als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

1. §281 Strafprozeßordnung 1975 ("StPO"), BGBl 631/1975, idF BGBl I 93/2007, lautet (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"§281. (1) Die Nichtigkeitsbeschwerde kann gegen ein freisprechendes Urteil nur zum Nachteile, gegen ein verurteilendes sowohl zum Vorteile als auch zum Nachteile des Angeklagten ergriffen werden, jedoch, sofern sie nicht nach besonderen gesetzlichen Vorschriften auch in anderen Fällen zugelassen ist, nur wegen eines der folgenden Nichtigkeitsgründe:

1. wenn das Schöffengericht nicht gehörig besetzt war, wenn nicht alle Richter der ganzen Verhandlung beiwohnten oder wenn sich ein ausgeschlossener Richter (§§43 und 46) an der Entscheidung beteiligte; es sei denn, daß der die Nichtigkeit begründende Tatumstand dem Beschwerdeführer noch vor oder während der Hauptverhandlung bekannt und von ihm nicht gleich beim Beginne der Hauptverhandlung oder sofort, nachdem er in dessen Kenntnis gelangt war, geltend gemacht wurde;

1a. wenn der Angeklagte nicht während der ganzen Hauptverhandlung durch einen Verteidiger vertreten war, obwohl dies zwingend vorgeschrieben war;

2. wenn ein Protokoll oder ein anderes amtliches Schriftstück über eine nichtige Erkundigung oder Beweisaufnahme im Ermittlungsverfahren trotz Widerspruchs des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung verlesen wurde;

3. wenn in der Hauptverhandlung eine Bestimmung verletzt oder missachtet worden ist, deren Einhaltung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit anordnet (§§126 Abs4, 140 Abs1, 144 Abs1, 155 Abs1, 157 Abs2 und 159 Abs3, 221 Abs2, 228, 240a, 250, 252, 260, 271, 427, 430 Abs3 und 4 sowie 439 Abs1 und 2);

4. wenn während der Hauptverhandlung über einen Antrag des Beschwerdeführers nicht erkannt worden ist oder wenn durch einen gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefassten Beschluss Gesetze oder Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt oder unrichtig angewendet worden sind, deren Beobachtung durch grundrechtliche Vorschriften, insbesondere durch Art6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr 210/1958 oder sonst durch das Wesen eines die Strafverfolgung und die Verteidigung sichernden, fairen Verfahrens geboten ist;

5. wenn der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen (§270 Abs2 Z4 und 5) undeutlich, unvollständig oder mit sich selbst im Widerspruch ist; wenn für diesen Ausspruch keine oder nur offenbar unzureichende Gründe angegeben sind; oder wenn zwischen den Angaben der Entscheidungsgründe über den Inhalt einer bei den Akten befindlichen Urkunde oder über eine Aussage und der Urkunde oder dem Vernehmungs- oder Sitzungsprotokoll selbst ein erheblicher Widerspruch besteht;

5a. wenn sich aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben;

6. wenn das Schöffengericht zu Unrecht seine Unzuständigkeit (§261) ausgesprochen hat;

7. wenn das ergangene Endurteil die Anklage nicht erledigt oder

8. diese gegen die Vorschrift der §§262, 263 und 267 überschritten hat;

9. wenn durch den Ausspruch über die Frage,

a) ob die dem Angeklagten zur Last fallende Tat eine zur Zuständigkeit der Gerichte gehörige strafbare Handlung begründe;

b) ob Umstände vorhanden seien, durch die die Strafbarkeit der Tat aufgehoben oder die Verfolgung wegen der Tat ausgeschlossen ist, endlich

c) ob die nach dem Gesetz erforderliche Anklage fehle,

ein Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet wurde;

10. wenn die der Entscheidung zugrunde liegende Tat durch unrichtige Gesetzesauslegung einem Strafgesetz unterzogen wurde, das darauf nicht anzuwenden ist;

10a. wenn nach der Bestimmung des §199 über die Einstellung des Verfahrens, anderen auf sie verweisenden Vorschriften oder nach §37 SMG vorzugehen gewesen wäre;

11. wenn das Schöffengericht seine Strafbefugnis überschritten oder bei dem Ausspruch über die Strafe für die Strafbemessung maßgebende entscheidende Tatsachen offenbar unrichtig beurteilt oder in unvertretbarer Weise gegen Bestimmungen über die Strafbemessung verstoßen hat.

 

(2) Die im Abs1 Z1a und 5a erwähnten Nichtigkeitsgründe können zum Nachteil des Angeklagten nicht geltend gemacht werden.

 

(3) Die unter Abs1 Z2, 3 und 4 erwähnten Nichtigkeitsgründe können zum Vorteile des Angeklagten nicht geltend gemacht werden, wenn unzweifelhaft erkennbar ist, daß die Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte. Zum Nachteile des Angeklagten können sie, abgesehen von dem im §282 Abs2 geregelten Fall, nur geltend gemacht werden, wenn erkennbar ist, daß die Formverletzung einen die Anklage beeinträchtigenden Einfluß auf die Entscheidung zu üben vermochte, und wenn außerdem der Ankläger sich ihr widersetzt, die Entscheidung des Schöffengerichts begehrt und sich sofort nach der Verweigerung oder Verkündung dieser Entscheidung die Nichtigkeitsbeschwerde vorbehalten hat."

 

2. §207a des Bundesgesetzes vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch – StGB), BGBl 60/1974, idF BGBl I 154/2015, lautet (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"Pornographische Darstellungen Minderjähriger

 

§207a. (1) Wer eine pornographische Darstellung einer minderjährigen Person (Abs4)

1. herstellt oder

2. einem anderen anbietet, verschafft, überlässt, vorführt oder sonst zugänglich macht,

ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.

 

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren ist zu bestrafen, wer eine pornographische Darstellung einer minderjährigen Person (Abs4) zum Zweck der Verbreitung herstellt, einführt, befördert oder ausführt oder eine Tat nach Abs1 gewerbsmäßig begeht. Mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren ist zu bestrafen, wer die Tat als Mitglied einer kriminellen Vereinigung oder so begeht, dass sie einen besonders schweren Nachteil der minderjährigen Person zur Folge hat; ebenso ist zu bestrafen, wer eine pornographische Darstellung einer minderjährigen Person (Abs4) unter Anwendung schwerer Gewalt herstellt oder bei der Herstellung das Leben der dargestellten minderjährigen Person vorsätzlich oder grob fahrlässig (§6 Abs3) gefährdet.

 

(3) Wer sich eine pornographische Darstellung einer mündigen minderjährigen Person (Abs4 Z3 und 4) verschafft oder eine solche besitzt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen. Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren ist zu bestrafen, wer sich eine pornographische Darstellung einer unmündigen Person (Abs4) verschafft oder eine solche besitzt.

 

(3a) Nach Abs3 wird auch bestraft, wer im Internet wissentlich auf eine pornographische Darstellung Minderjähriger zugreift.

 

(4) Pornographische Darstellungen Minderjähriger sind

1. wirklichkeitsnahe Abbildungen einer geschlechtlichen Handlung an einer unmündigen Person oder einer unmündigen Person an sich selbst, an einer anderen Person oder mit einem Tier,

2. wirklichkeitsnahe Abbildungen eines Geschehens mit einer unmündigen Person, dessen Betrachtung nach den Umständen den Eindruck vermittelt, dass es sich dabei um eine geschlechtliche Handlung an der unmündigen Person oder der unmündigen Person an sich selbst, an einer anderen Person oder mit einem Tier handelt,

3. wirklichkeitsnahe Abbildungen

a) einer geschlechtlichen Handlung im Sinne der Z1 oder eines Geschehens im Sinne der Z2, jedoch mit mündigen Minderjährigen, oder

b) der Genitalien oder der Schamgegend Minderjähriger,

soweit es sich um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelt, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienen;

4. bildliche Darstellungen, deren Betrachtung - zufolge Veränderung einer Abbildung oder ohne Verwendung einer solchen - nach den Umständen den Eindruck vermittelt, es handle sich um eine Abbildung nach den Z1 bis 3.

 

(5) Nach Abs1 und Abs3 ist nicht zu bestrafen, wer

1. eine pornographische Darstellung einer mündigen minderjährigen Person mit deren Einwilligung und zu deren oder seinem eigenen Gebrauch herstellt oder besitzt,

1a. eine pornographische Darstellung einer mündigen minderjährigen Person von sich selbst herstellt, besitzt, oder einem anderen zu dessen eigenen Gebrauch anbietet, verschafft, überlässt, vorführt oder sonst zugänglich macht oder

2. eine pornographische Darstellung einer mündigen minderjährigen Person nach Abs4 Z4 zu seinem eigenen Gebrauch herstellt oder besitzt, sofern mit der Tat keine Gefahr der Verbreitung der Darstellung verbunden ist."

 

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Urteil vom 14. April 2016 befand das Landesgericht Feldkirch als Schöffengericht den Antragsteller für schuldig, durch näher bezeichnete Handlungen das Verbrechen der Vergewaltigung nach §201 Abs1 StGB, das Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §206 Abs1 und Abs3 StGB, das Vergehen der Blutschande nach §211 Abs1 StGB, das Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach §212 Abs1 Z1 StGB sowie die Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach §207a Abs3 erster und zweiter Fall StGB begangen zu haben. Gegen dieses Urteil erhob der Antragsteller Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung und stellte den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Antrag an den Verfassungsgerichtshof.

2. Der Antragsteller legt die Bedenken, die ihn zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof veranlasst haben, wie folgt dar (ohne die Hervorhebungen im Original):

"[…] Verfassungswidrigkeit von §281 Abs1 Z5a StPO ('aus den Akten erhebliche'):

 

Verstoß gegen Art6 Abs1 MRK und gegen Art2 7. ZPzEMRK:

 

Art2 7. ZPzEMRK verlangt die Möglichkeit einer Nachprüfbarkeit einer strafrechtlichen Verurteilung durch ein übergeordnetes Gericht und Art6 Abs1 MRK statuiert den Grundsatz des fair trials, wozu insbesondere der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, jener der Waffengleichheit und jener der Begründung von Entscheidungen dazugehört (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 [2007] Rz 1544; Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention5 [2012] S 421 Rz 61, S 423 Rz 64, S 425 Rz 67).

 

Damit ist verlangt, dass sich das Gericht – auch das übergeordnete Gericht – mit dem (entlastenden) Vorbringen des Antragstellers auseinandersetzen kann bzw auseinandersetzt und dazu begründungsmäßig Stellung nimmt.

 

Diese Postulate werden jedoch von §281 Abs1 Z5a StPO weitgehend verhindert, wonach der Oberste Gerichtshof auf vorgebrachte Zweifel an der erstrichterlichen Beweiswürdigung weitgehend nicht eingehen kann.

 

Nach der Vorgabe der beanstandeten Norm reichen namentlich begründete und substantiierte bzw nachvollziehbare Zweifel nicht aus, diese müssen vielmehr erheblich sein.

 

Eine Latte hiefür ist ua, dass sich die Bedenken nicht mit der unzulänglichen Begründung des Urteils iSd §281 Abs1 Z5 StPO überschneiden (Hager/Meller/Hetlinger, Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung3 [2010] S 55).

 

Die Erheblichkeitsschwelle bedeutet eine qualifizierte Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung, sodass der Angeklagte bei einer falschen Beweiswürdigung zu Recht verurteilt wird!

 

Sogar die willkürliche (denkunmögliche) Beweiswürdigung ist nicht als erheblich angreifbar (Hager/Meller/Hetlinger, Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung3 [2010] S 55; Moos, Die Ausdehnung der Nichtigkeitsbeschwerde auf die Beweiswürdigung nach §281 Abs1 Z5a StPO, ÖJZ1989, S 101f, 105, 139).

 

Es bedeutet zudem eine Verletzung des Postulats eines unabhängigen und unparteiischen Gerichts, wenn der Oberste Gerichtshof trotz Richtigkeitsbedenken betreffend die dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen im Rahmen derer Erheblichkeitsprüfung sehenden Auges ein Fehlurteil fällen muss.

 

Insbesondere ist der Hauptanwendungsfall der unrichtigen Beweiswürdigung, nämlich die psychologisch nachgewiesene oder nachweisbare mangelnde Glaubwürdigkeit eines Zeugen unter Hinweis auf den persönlich gewonnen Eindruck des Richters entzogen (Hager/Meller/Hetlinger, Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung3 [2010] S 57), maW wenn ein Richter dem Sachverständigen nicht folgt, so muss dies sogar in der Rechtsmittelinstanz zum Nachteil des Angeklagten unerheblich bleiben.

 

Verstoß gegen Art6 Abs2 MRK:

 

Wenn nach der Konzeption des §281 Abs1 Z5a StPO die Beweiswürdigung bloß bei erheblichen Richtigkeitsbedenken oberstgerichtlich aufgegriffen werden kann und die verbleibende bedenkliche Beweiswürdigung – welche alles andere als einen Schuldnachweis iSd Art6 Abs2 MRK bedeutet – die Verurteilung laut Erstgericht in der Rechtsmittelinstanz bewirkt, so ist das Verbot der Verurteilung bei mangelndem Schuldnachweis nach Art6 Abs2 MRK verletzt.

 

Insofern führt an der Verfassungswidrigkeit der Norm des §281 Abs1 Z5a StPO kein Weg vorbei.

 

Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art2 StGG, Art7 Abs1 B‑VG):

 

Die Norm des §259 Z3 StPO verlangt bei mangelndem Schuld- oder Tatnachweis einen Zweifelsfreispruch.

 

Dieser Vorgabe läuft es in dazu legi[s]tisch unabgestimmter Weise zuwider, wenn bei Richtigkeitsbedenken gegen die Beweiswürdigung, welche mangels Erheblichkeit iSd §281 Abs1 Z5a StPO oberstgerichtlich nicht aufgreifbar sind, es beim Schuldspruch zu bleiben hat. Oder anders: Gibt es für den OGH keine Bedenken, welche erheblich sind, muss es beim Schuldspruch (Verurteilung) bleiben, obwohl bei Zweifel nach der Norm des §259 Z3 StPO ein Freispruch vorgesehen ist.

 

Diese Inkongruenz des Gesetzgebers bedeutet eine Gleichheitswidrigkeit nach Art2 StGG, Art7 Abs1 B‑VG.

 

Anders als im Schöffen- und Geschworenenprozess ist die Beweiswürdigung im einzelrichterlichen Verfahren, das sei vergleichend bemerkt, umfassend angreifbar und in der Rechtsmittelinstanz überprüfbar (Moos, Die Ausdehnung der Nichtigkeitsbeschwerde auf die Beweiswürdigung nach §281 Abs1 Z5a StPO, ÖJZ1989, S 99). Soweit die innere prozessrechtliche Rechtfertigung für den weitgehenden Ausschluss der Überprüfung der Beweiswürdigung im schöffengerichtlichen Verfahren seinen Grund darin hat, um den Obersten Gerichtshof von einem Arbeitsaufwand zu verschonen (vgl Moos, Die Ausdehnung der Nichtigkeitsbeschwerde auf die Beweiswürdigung nach §281 Abs1 Z5a StPO, ÖJZ1989, S 99), so bedeutet dies ein unsachliches Kriterium und ist der erhöhte Maßstab der Erheblichkeitsschwelle zur Hintanhaltung von Bedenken gegen ein Fehlurteil gleichheitswidrig (Art2 StGG, Art7 Abs1 B‑VG).

 

Auch der Umstand, dass bei Rechtsmitteln im Einzelrichterverfahren die Beweiswürdigung sowohl bei Schuld- als auch Freisprüchen überprüft werden kann, wohingegen §281 Abs1 Z5a StPO bloß die Bekämpfbarkeit von Schuldsprüchen betrifft (§281 Abs2 StPO), kann die konstatierte Ungleichbehandlung zwischen Einzelrichterverfahren und Schöffenverfahren in Bezug auf die grundsätzliche und weitgehende Unbekämpfbarkeit der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung sachlich (Art2 StGG, Art7 Abs1 B‑VG) nicht tragen, da ja bei Nichterweislichkeit schuldrelevanter Tatsachen (stets) der Grundsatz 'in dubio pro reo' zu greifen hat und es somit in sämtlichen Verfahrensarten zu einem Zweifelsfreispruch nach §259 Z3 StPO kommen muss: Die Gewissheit der Schuld ist schon durch einen kleinen Zweifel erschüttert, die Möglichkeit der Unschuld müsste dagegen massiv widerlegt werden (Moos, Die Ausdehnung der Nichtigkeitsbeschwerde auf die Beweiswürdigung nach §281 Abs1 Z5a StPO, ÖJZ1989, S 105), sodass die schlechte Bekämpfbarkeit von Freisprüchen im schöffengerichtlichen Verfahren sachlich (Art2 StGG, Art7 Abs1 BVG) von Art6 Abs2 MRK gedeckt ist. Bei Schuldsprüchen trifft eine solche sachliche Deckung der schlechten Bekämpfbarkeit der zugrundeliegenden Beweiswürdigung nicht zu. Oder anders: bei Freisprüchen sind verbleibende Zweifel tragbar und müssen es sein (Art6 Abs2 MRK), bei Schuldsprüchen sind sie ausnahmslos untragbar (Art6 Abs2 MRK).

 

Wenn §281 Abs1 Z5a StPO für den Regelfall des Schöffenverfahrens die Unbekämpfbarkeit der bedenklichen Beweiswürdigung unterhalb der statuierten Erheblichkeitsschwelle anordnet, so macht diese beanstandete Norm die Normen betreffend das Beweisverfahren (§§246ff StPO) regelmäßig weitgehend sanktionslos und mithin ineffektiv. Die Anordnung ineffektiver Normen ist unsachlich iSd Art2 StGG, Art7 Abs1 B‑VG.

 

Verletzung des Rechtsstaatsprinzips (Art18 B‑VG):

 

Es ist zudem rechtsstaatlich untragbar, dass §281 Abs1 Z5a StPO ein Fehlurteil zum Nachteil des Angeklagten anordnet, bloß weil die Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen nicht die Erheblichkeitsschwelle überschreiten (Jahoda, Zur Reform der Nichtigkeitsbeschwerde, AnwBl 1970, S 153). Die Einschränkung materieller Rechtsstaatlichkeit erfolgt aus prozessökonomischen Gründen (Moos, Die Ausdehnung der Nichtigkeitsbeschwerde auf die Beweiswürdigung nach §281 Abs1 Z5a StPO, ÖJZ1989, S 102) und verkennt die Praxis des OGH zu §281 Abs1 Z5a StPO (vgl dazu Bertel, Die Überprüfung der Tatfrage im schöffen- und geschworenengerichtlichen Verfahren, AnwBl 2005, S 388ff) – als Maßstab für den Normgehalt der beanstandeten Norm (Fichtenbauer/Hauer, Parteiantrag auf Normenkontrolle [2015] Rz 25) –, dass die konkrete Gefahr eines Fehlurteils 'erhebliche Bedenken' erzeugen muss (Moos, Die Ausdehnung der Nichtigkeitsbeschwerde auf die Beweiswürdigung nach §281 Abs1 Z5a StPO, ÖJZ1989, S 104).

 

Vor diesem Hintergrund denaturiert §281 Abs1 Z5a StPO am Ende zum Gnadencharakter (vgl Moos, Die Ausdehnung der Nichtigkeitsbeschwerde auf die Beweiswürdigung nach §281 Abs1 Z5a StPO, ÖJZ1989, S 104). Dies ist rechtsstaatlich (Art18 B‑VG) nicht tragbar.

 

Zur Verfassungswidrigkeit des Verschaffungstatbestands des §207a Abs3 StGB:

 

Das Verschaffen umfasst schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, einen Gegenstand zu besorgen, dh dafür Sorge zu tragen, dass er in den Verfügungsbereich des anderen gelangen kann, auch wenn dieser ihn damit noch nicht erwirbt, besitzt oder wenn er ihm damit noch nicht überlassen wird, wie etwa bei der Vermittlung des Zugangs zu Tatobjekten (Auer/Loimer, Zur Strafbarkeit der Verbreitung von Kinderpornographie über das Internet, ÖJZ1997, S 618).

 

Das Ansetzen der Strafbarkeit vor dem Besitz – dieser ist durch den animus rem sibi habendi geprägt – bedeutet die systemwidrige Loslösung vom Willensmoment als Grund der Strafbarkeit und mithin eine unsachliche und mithin gleichheitswidrige (Art2 StGG, Art7 Abs1 B‑VG) Durchbrechung eines grundlegenden strafrechtlichen Prinzips.

 

Gerade bei ZIPP-Dateien kann es zum unkontrollierbaren Herunterladen von Bildern kommen, was mit dem freien Auge gar nicht mehr wahrnehmbar ist und ist dies insbesondere kein Härtefall der beanstandeten Norm (vgl Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 [2007] Rz 1359).

 

Vielmehr erweist sich der Verschaffungstatbestand des §207a Abs3 StGB als Grund für die Strafbarkeit als unsachlich zu weit gefasst und ist diese Norm, gegebenenfalls im Umfang der beanstandeten Worte in dieser Norm, daher verfassungswidrig.

 

Einfachgesetzliche Rechtsverletzung:

 

Die monierte einfachgesetzliche Rechtsverletzung resultiert aus dem Wesen des subjektiven Rechts als Reflex aus dem objektiven Recht."

 

3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie zur Zulässigkeit des Antrages sowie zu den darin vorgebrachten Bedenken Folgendes ausführt (ohne die Hervorhebungen im Original):

"I.

Zur Rechtslage:

 

1. Mit seinem auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller aus Anlass einer Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen ein Urteil des Landesgerichts Feldkirch die Aufhebung der Wortfolge 'aus den Akten erhebliche', in eventu des Wortes 'erhebliche' in §281 Abs1 Z5a Strafprozessordnung – StPO und des §207a Abs3 Strafgesetzbuch – StGB.

 

2. §281 StPO, BGBl Nr 631/1975 zuletzt geändert durch BGBl I Nr 93/2007, hat folgenden Wortlaut (die im Hauptantrag angefochtene Wortfolge ist unterstrichen):

 

[…]

 

§207a StGB, BGBl Nr 60/1974 in der Fassung BGBl I Nr 40/2009, hat folgenden Wortlaut (der angefochtene Absatz ist unterstrichen):

 

[…]

 

3. Zu §281 Abs1 Z5a StPO:

 

3.1. Die Strafprozeßordnung unterscheidet zwischen Verfahren vor folgenden Gerichtsformationen:

 

 Landesgericht als Schöffengericht (§32 StPO)

 Landesgericht als Geschworenengericht (§32 StPO)

 Landesgericht als Einzelrichter (§31 StPO)

 Bezirksgericht (§30 StPO)

 

3.2. Das Schöffengericht besteht aus zwei Schöffen und – je nach dem angeklagten Delikt – einem (§32 Abs1 dritter Satz StPO) oder zwei Berufsrichtern (§32 Abs1a StPO). Der Schöffensenat entscheidet mit der Mehrheit der Stimmen (§41 Abs1 erster Satz StPO). Bei Stimmengleichheit gilt die für den Angeklagten günstigere Meinung. Bei einer Besetzung mit einem Berufsrichter und zwei Schöffen kann die Schuldfrage gegen die Stimme des Vorsitzenden nicht bejaht und keine für den Angeklagten nachteiligere rechtliche Beurteilung der Schuld vorgenommen werden (§41 Abs1 zweiter Satz StPO). Letztlich gibt daher die vom Berufsrichter vertretene, für den Angeklagten günstigere Meinung den Ausschlag (Markel in Fuchs/Ratz, WK StPO §41 Rz 2 [Stand: 1.9.2015, rdb.at]).

 

3.3. Das Geschworenengericht setzt sich aus dem Schwurgerichtshof und der Geschworenenbank zusammen. Der Schwurgerichtshof besteht aus drei Berufsrichtern, die Geschworenenbank ist mit acht Geschworenen besetzt (§32 Abs1 erster und zweiter Satz StPO). Die Entscheidung über die Schuldfrage treffen die Geschworenen alleine; im Falle einer Stimmengleichheit gibt die dem Angeklagten günstigere Meinung den Ausschlag (§331 Abs1 StPO). Über die Strafe im Falle einer Verurteilung entscheidet der Schwurgerichtshof gemeinsam mit den Geschworenen (§338 StPO).

 

3.4. Im bezirksgerichtlichen Verfahren und im Verfahren vor dem Landesgericht als Einzelrichter entscheidet jeweils ein Berufsrichter.

 

3.5. Als Standardverfahren normiert die Strafprozeßordnung im 14. Hauptstück (§§228 ff) das Schöffenverfahren vor dem Landesgericht. Für alle anderen Verfahrensarten sind, soweit die Strafprozeßordnung nichts anderes vorsieht, die Regelungen für das Schöffenverfahren sinngemäß anzuwenden (§302 Abs1 StPO für das Hauptverfahren vor dem Landesgericht als Geschworenengericht, §447 StPO für das bezirksgerichtliche Verfahren, §488 Abs1 StPO für das Hauptverfahren vor dem Landesgericht als Einzelrichter).

 

3.6. Bei der Urteilsfällung hat das Gericht die Beweismittel auf ihre Glaubwürdigkeit und Beweiskraft sowohl einzeln als auch in ihrem inneren Zusammenhang sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen. Über die Frage, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen sei, entscheiden die Richter nicht nach gesetzlichen Beweisregeln, sondern nach ihrer freien, aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnenen Überzeugung (§258 Abs2 StPO). Die freie Beweiswürdigung ist ein kritisch-psychologischer Vorgang, bei dem durch die Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungssätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind (RIS-Justiz RS0098390). Die freie Beweiswürdigung ist Verstandes-, nicht Gefühlstätigkeit (OGH 2.3.1978, 12 Os 10/78). Nicht nur zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse berechtigen das Gericht zu Tatsachenfeststellungen (RIS-Justiz RS0098471). Zu einer Verurteilung ist subjektiv volle Gewissheit über Täterschaft und Schuld nötig; das objektive Mindestmaß ist 'eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit' (SSt 45/23: auch eine hohe Wahrscheinlichkeit). Ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit gilt rechtlich als Wahrheit und das Bewusstsein des Richters von einer so hohen Wahrscheinlichkeit als die Überzeugung von Wahrheit (vgl. Fabrizy, StPO12 §258 Rz 8). Der Maßstab gilt sowohl für Berufs- als auch für Laienrichter (Kroschl in Schmölzer/Mühlbacher, StPO §14 Rz 3).

 

3.7. Im Zweifel hat das Gericht stets zugunsten des Angeklagten oder sonst in seinen Rechten Betroffenen zu entscheiden (§14 zweiter Halbsatz StPO). Bleiben Zweifel an der Täterschaft oder Schuld, so ist der Beweis nicht erbracht und das Gericht muss den Angeklagten gemäß §259 Z3 StPO freisprechen (vgl. RIS-Justiz RS0098475). Nach dem Grundsatz des 'in dubio pro reo' muss sich daher jeder Zweifel zugunsten des Angeklagten auswirken. Der Grundsatz stellt jedoch keine Beweisregel dar, bedeutet also etwa nicht, dass sich das Gericht bei mehreren denkbaren Schlussfolgerungen für die dem Angeklagten günstigste entscheiden muss. Soweit Schlussfolgerungen aus zweifelsfrei festgestellten Prämissen gezogen werden, müssen diese nicht zwingend sein, sondern den Denkgesetzen entsprechen (vgl. RIS-Justiz RS0098445; Fabrizy, StPO12 §258 Rz 11). Nach §270 Abs2 Z4 und 5 iVm §260 StPO muss der Urteilstenor im Fall eines Schuldspruchs die als erwiesen angenommenen Tatsachen bezeichnen und die Urteilsbegründung muss mit voller Bestimmtheit angeben, welche Tatsachen und aus welchen Gründen der Gerichtshof sie als erwiesen oder nicht erwiesen angenommen hat.

 

3.8. Das Rechtsmittelsystem der StPO

 

3.8.1. Rechtsmittel gegen Urteile des Schöffengerichts

 

3.8.1.1. Gegen Urteile des Landesgerichts als Schöffengericht stehen die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde (§281 Abs1 Z1 bis 11 StPO) und der Berufung (§283 StPO) offen. Die Nichtigkeitsbeschwerde geht an den Obersten Gerichtshof (OGH), die Berufung an das Oberlandesgericht (OLG) (§280 StPO).

 

3.8.1.2. Gemäß §281 Abs1 Z5 StPO ist ein Urteil nichtig, wenn der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen iSd §270 Abs2 Z4 und 5 StPO undeutlich, unvollständig oder mit sich selbst im Widerspruch ist; wenn für diesen Ausspruch keine oder nur offenbar unzureichende Gründe angegeben sind; oder wenn zwischen den Angaben der Entscheidungsgründe über den Inhalt einer bei den Akten befindlichen Urkunde oder über eine Aussage und der Urkunde oder dem Vernehmungs- oder Sitzungsprotokoll selbst ein erheblicher Widerspruch besteht.

 

Gegenstand dieser sogenannten Mängelrüge ist die Einhaltung der Grenzen, die der freien Beweiswürdigung des Gerichtes durch §258 Abs2 StPO gesetzt sind, einschließlich des Missbrauchs der Beweiswürdigungsfreiheit im Sinne eines Willkürverbotes (Fabrizy, StPO12 §281 Rz 46, SSt 64/39; Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO §281 Rz 397 [Stand: 1.4.2015, rdb.at]).

 

Undeutlichkeit (Z5 erster Fall) liegt vor, wenn – aus objektiver Sicht – den Feststellungen des Urteils nicht klar zu entnehmen ist, welche entscheidenden Tatsachen sowohl auf der objektiven wie auf der subjektiven Tatseite das Gericht als erwiesen angenommen hat und aus welchen Gründen dies geschah (Fabrizy, StPO12 §281 Rz 52; OGH 9.8.2011, 12 Os 79/11a).

 

Unvollständigkeit (Z5 zweiter Fall) liegt vor, wenn das Gericht bei Feststellung entscheidender Tatsachen erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgeführte Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergeht (nicht würdigt: SSt 2003/93; nicht berücksichtigt: OGH 9.8.2011, 12 Os 79/11a), Widersprüche zwischen den Aussagen der vernommenen Personen nicht würdigt oder die seinen Feststellungen widerstreitenden Beweisergebnisse nicht erörtert oder die Gründe nicht angibt, aus denen es diese Beweise für nicht stichhältig erachtet (SSt 52/11). Es kann auch die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen unvollständig sein, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat (OGH 27.8.2013, 14 Os 112/13x, EvBl 2014/7; zum Ganzen: Fabrizy, StPO12 §281 Rz 53).

 

Der Ausspruch des Gerichtes über entscheidende Tatsachen ist mit sich selbst im Widerspruch (Z5 dritter Fall), wenn entweder zwischen Feststellungen (in den Entscheidungsgründen) und deren zusammenfassender Wiedergabe im Urteilsspruch oder zwischen zwei oder mehreren Feststellungen (in den Entscheidungsgründen) oder zwischen Feststellungen und den dazu in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen oder zwischen in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen ein Widerspruch besteht (SSt 2004/43; vgl. auch SSt 2006/35 = EvBl 2006/126; Fabrizy, StPO12 §281 Rz 56).

 

Keine oder nur offenbar unzureichende Gründe (Z5 vierter Fall) liegen vor, wenn das Gericht für den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache überhaupt keine oder nur solche Gründe (Scheingründe) angegeben hat, aus denen sich nach Denkgesetzen und allgemeiner Lebenserfahrung ein Schluss auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen lässt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist (SSt 2007/78). Keine Begründung liegt auch vor, wenn eine Drohung mit dem Tod allein mit der semantischen Bedeutung eines Ausdrucks fundiert wird (EvBl 2006/8). Der Nichtigkeitsgrund liegt jedoch nicht vor, wenn die angeführten Gründe bloß nicht überzeugend erscheinen (SSt 6/61, 11/3; zum Ganzen: Fabrizy, StPO12 §281 Rz 58-60).

 

Aktenwidrigkeit (Z5 fünfter Fall) liegt vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunden in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (OGH 9.8.2011, 12 Os 79/11a; Fabrizy, StPO12 §281 Rz 61).

 

3.8.1.3. Gemäß §281 Abs1 Z5a StPO ist ein Urteil nichtig, wenn sich aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben. Damit kann der OGH – zum Vorteil des Angeklagten (§281 Abs2 StPO) – die Tatsachengrundlage eines kollegialgerichtlichen Urteils überprüfen (Fabrizy, StPO12 §281 Rz 62). §281 Abs1 Z5a StPO wurde mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1987, BGBl Nr 605/1987, eingeführt. Mit dieser Regelung kam die Gesetzgebung lange erhobenen Forderungen nach, im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde gegen Schöffen- und Geschworenengerichtsurteile in bestimmtem Umfang auch eine Anfechtbarkeit der Beweiswürdigung vorzusehen (JAB 359 BlgNR 17. GP , 43).

 

Die auf §281 Abs1 Z5a StPO gestützte Tatsachenrüge zielt auf eine Bewertung des Gebrauchs der Beweiswürdigungsfreiheit innerhalb der von Z5 definierten formalen Grenzen ab (Fabrizy, StPO12 §281 Rz 63). Die Bedenken gegen den Schuldspruch können sich sowohl aus nicht überzeugenden Erwägungen und Schlussfolgerungen in den Entscheidungsgründen als auch daraus ergeben, dass das Gericht zwar in sich folgerichtig argumentiert hat, jedoch unter Außerachtlassung seiner Pflicht zur amtswegigen Erforschung der Wahrheit (§§3, 232 Abs2, 254 StPO) die ihm zugänglichen Beweismittel, von denen es nach der Aktenlage Kenntnis haben konnte, nicht oder in erheblichen Punkten derart unvollständig ausgeschöpft hat, dass dadurch die Überzeugungskraft der Grundlagen für den Schuldspruch wesentlich berührt wird (JAB 359 BlgNR 17. GP , 43). Nach der Rechtsprechung des OGH ist der Nichtigkeitsgrund auch dann gegeben, wenn die dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen auf der Außerachtlassung aktenkundiger Verfahrensergebnisse beruhen, die sich bei einer lebensnahen, der allgemeinen menschlichen Erfahrung entsprechenden Beurteilung mit dem als erwiesen angenommenen Sachverhalt nicht oder nur schwer in Einklang bringen lassen (OGH 15.12.1994, 15 Os 112/94 = JBl 1996, 268).

 

3.8.1.4. Gelangt der OGH zur Auffassung, dass dem erstinstanzlichen Verfahren ein formeller Mangel iSd §§281 Abs1 Z1 bis 7, 281a StPO anhaftet (§§288 Abs2 Z1 und 2, 288a StPO), entscheidet er kassatorisch, d.h. er hebt das Urteil der ersten Instanz auf und verweist die Strafsache zur Durchführung einer neuen Verhandlung an die erste Instanz zurück. Eine derartige kassatorische Entscheidung hat deshalb zu erfolgen, weil es nicht Aufgabe des OGH ist, ein Beweisverfahren durchzuführen. Dazu müsste es aber bei Vorliegen solcher Verfahrensfehler kommen, wenn der OGH in der Sache selbst entscheiden will. Bei materiellen Nichtigkeitsgründen (§281 Abs1 Z9 bis 11 StPO) entscheidet der OGH in der Sache selbst (§288 Abs2 Z3 StPO).

 

Verweist der OGH die Sache zur neuerlichen Verhandlung an die erste Instanz zurück, hat diese alle Beweise, die zur Entscheidung nötig sind, wieder aufzunehmen. Das Gericht ist an die Rechtsansicht gebunden, von der der OGH bei seiner Entscheidung ausgegangen ist (§293 Abs2 StPO). So könnte im kassatorischen Erkenntnis die Beachtung eines Beweisverbots, das Erfordernis einer Beweisaufnahme oder die Erörterung übergangener Beweismittel bindend ausgesprochen werden (Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO §293 Rz 12 [Stand: 1.4.2015, rdb.at]). Ein Richter, der an einem Urteil mitgewirkt hat, das infolge eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs aufgehoben wurde, ist vom Hauptverfahren im zweiten Rechtsgang ausgeschlossen (§43 Abs2 StPO).

 

3.8.1.5. Die Berufung richtet sich gegen den Ausspruch über die Strafe und gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche (§283 Abs1 StPO) sowie gegen gleichgestellte Sanktionsaussprüche, Urteilsveröffentlichung, Entschädigungsansprüche oder sonstige Sanktionen nach dem Mediengesetz (Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO §283 Rz 1 und §295 Rz 1).

 

Die Berufung setzt die Rechtskraft des Schuldspruchs oder eines sonstigen Sanktionsanknüpfungspunkts voraus; sei es, dass dieser unangefochten geblieben ist, sei es, dass Nichtigkeitsbeschwerden kein Erfolg beschieden und auch keine amtswegige Maßnahme nach §290 Abs1 zweiter Satz erfolgt ist (Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO §295 Rz 1). Wird Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung zugleich erhoben, entscheidet das Oberlandesgericht über die Berufung erst nach Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde durch den Obersten Gerichtshof (§285i StPO). Dabei hat es sich auf die der Berufung unterzogenen Punkte zu beschränken und den Ausspruch des Gerichtes über die Schuld des Angeklagten und über das anzuwendende Strafgesetz zugrunde zu legen (§295 Abs1 StPO). Die Beweiswürdigung des Erstgerichts ist nicht bekämpfbar.

 

3.8.2. Rechtsmittel gegen Urteile des Geschworenengerichts

 

Gegen die Urteile des Geschworenengerichts stehen ebenfalls die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung offen (§344 StPO). Soweit die Strafprozessordnung nichts anderes vorsieht, sind die Bestimmungen für Rechtsmittel gegen Urteile der Schöffengerichte (§§280 bis 296a) sinngemäß anzuwenden.

 

3.8.3. Rechtsmittel gegen Urteile im einzelrichterlichen Verfahren (Bezirksgericht und Landesgericht)

 

Gegen Urteile des Bezirksgerichts und im Verfahren vor dem Landesgericht als Einzelrichter kann die volle Berufung erhoben werden (§§464 StPO bzw. §464 iVm 489 Abs1 StPO). Diese umfasst neben der Nichtigkeitsbeschwerde und Strafberufung auch die Anfechtbarkeit der Entscheidung in der Beweisfrage, die sogenannte Schuldberufung (Fabrizy, StPO12 §464 Rz 1). Damit kann der Berufungswerber Argumente gegen die Beweiswürdigung des Erstrichters vorbringen (Venier in Bertel/Venier, StPO §464 Rz 2).

 

4. Zu §207a Abs3 StGB:

 

4.1. Die Bestimmung des §207a StGB wurde durch die am 1. Oktober 1994 in Kraft getretene StGB-Novelle 1994, BGBl Nr 622/1994, mit dem Ziel eingeführt, die Kinderpornographie, als einen Teilbereich sog. 'harter' Pornographie, im Kernstrafrecht selbst zu regeln und so einen weitreichenden strafrechtlichen Schutz davor zu gewährleisten. Das Schutzinteresse des §207a StGB ist die ungestörte sexuelle und allgemein psychische Entwicklung von Minderjährigen. Dieser Schutzzweck soll primär über den in §207a StGB intendierten Darstellerschutz erreicht werden (Philipp in Höpfel/Ratz, WK2 StGB §207a StGB Rz 1 [Stand: 1.6.2016, rdb.at]; Hinterhofer in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch [14. Lfg 2006], §207a Rz 9).

 

Der Straftatbestand wurde in der Folge durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2004, BGBl I Nr 15/2004 und durch das 2. Gewaltschutz-Gesetz, BGBl I Nr 50/2009, in Anpassung an internationale Rechtsakte ausgeweitet (s. dazu näher Philipp in Höpfel/Ratz, WK2 StGB §207a StGB Rz 2 ff. [Stand: 1.6.2016, rdb.at]).

 

4.2. §207a Abs3 StGB betreffend die Strafbarkeit des Sich-Verschaffens und des Besitzes von einschlägigem Material war bereits in der Stammfassung des Straftatbestandes enthalten und ist bis zur – im Anlassverfahren anzuwendenden – Fassung BGBl I Nr 40/2009 – unverändert geblieben (danach wurde lediglich Abs3 erster Satz durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2015, BGBl I Nr 112/2015, um die alternative Androhung einer Geldstrafe von bis zu 720 Tagessätzen ergänzt).

 

Der Grund für die Strafbarkeit des Sich-Verschaffens und Besitzens ergibt sich im Hinblick auf den Schutzzweck der Norm aus dem Umstand, dass der Nachfrager von kinderpornographischen Darstellungen als mitverantwortlich für die Herstellung von Kinderpornographie und das Vorhandensein eines entsprechenden Marktes anzusehen ist (vgl. Hochmayr, Strafbarer Besitz, 31ff). Im Hinblick darauf, dass ein Besitzer kinderpornographischer Darstellungen üblicherweise weiteres einschlägiges Material haben möchte, motiviert der Besitz die Nachfrage und – in der Folge – die Produktion weiterer einschlägiger Darstellungen (Philipp in Höpfel/Ratz, WK2 StGB §207 a StGB Rz 20 [Stand 1.6.2016, rdb.at]; Hinterhofer in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer (Hrsg), Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch (14. Lfg 2006), §207a StGB Rz 10). Auch in einschlägigen internationalen Rechtsakten ist die Pönalisierung dieser Tathandlungen vorgesehen (vgl. zB Art5 Abs2 der Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornographie und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses des Rates 2004/68/JI, ABl. L 335/2011, 1).

 

4.3. Die Tathandlung des Sich-Verschaffens wird gesetzt, indem der Täter durch eigenes Zutun Gewahrsam an einer Darstellung erlangt. Die Tathandlung des Besitzes ist erfüllt, wenn der Täter (ohne eigenes Zutun) allein oder gemeinsam mit anderen Gewahrsam über eine Darstellung hat, also die tatsächliche und unmittelbare Herrschaft darüber ausüben kann (Philipp in Höpfel/Ratz, WK2 StGB, §207a StGB Rz 20 [Stand: 1.6.2016, rdb.at]; Hinterhofer/Rosbaud, BT II5 §207a Rz 17).

 

Unter Gewahrsam ist eine von natürlichem Herrschaftswillen getragene faktische Sachherrschaft zu verstehen (OGH 13.11.2007, 14 Os 123/07f; RIS-Justiz RS0093788). Gewahrsam setzt somit stets ein objektives Element (faktische Sachherrschaft) und ein subjektives Element (Herrschaftswillen) voraus (Salimi in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer (Hrsg), Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch [27. Lfg 2012], §127 StGB Rz 74).

 

Der Begriff des Gewahrsams iSv §207a Abs3 StGB ist ein spezifisch strafrechtlicher Begriff und daher von den zivilrechtlichen Kategorien des Eigentums, des Besitzes und der Innehabung strikt zu trennen (Kienapfel/Schmoller, StudB BT II Rz 65; Leukauf/Steininger 3 Rz 21; Birklbauer/Hilf/Tipold, BT I2 Rz 19; für eine Gleichsetzung mit der 'Innehabung' iSd des Zivilrechts allerdings Bertel, WK2 Rz 10 und Bertel/Schwaighofer, BT I12 Rz 10). Anders als beim Eigentum kommt es beim Gewahrsam nicht auf die rechtliche Beziehung zur Sache, sondern primär auf die faktische Herrschaftsmacht an. Der Besitz verlangt zwar ebenso wie der Gewahrsam eine subjektive und eine objektive Komponente (animus et corpus). Gewahrsam verlangt jedoch keinen spezifischen Besitzwillen iS des §309 Satz 2 ABGB und kann auch nicht durch eine dritte Person vermittelt werden, wie es für den Besitz durch Besitzdienerschaft und Besitzmittlerschaft möglich ist. Auch die in §309 Satz 2 ABGB genannte Innehabung ist nicht mit dem Gewahrsam gleichzusetzen, da es für den Gewahrsam im Gegensatz zur Innehabung auch auf eine (wenn auch reduzierte) subjektive Komponente, nämlich den Herrschaftswillen, ankommt.

 

Gleichgültig ist, ob der Erwerb einer pornographischen Darstellung Minderjähriger rechtsgeschäftlich erfolgt ist (zB durch Kauf oder Tausch) oder ob diesem die Begehung eines Vermögensdelikts (zB Diebstahl, Unterschlagung) zu Grunde liegt (Hinterhofer in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer [Hrsg.], Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch [14. Lfg 2006], §207a StGB Rz 58).

 

4.4. Die Tatbestände bzw. Qualifikationen nach §207a Abs1 bis 3 StGB erfordern bedingten Vorsatz im Sinn des §5 Abs1 StGB, der sich auf alle Tatbildmerkmale, somit auch auf die jeweilige Tathandlung beziehen muss (Fabrizy, StGB12 §207a Rz 10; Hinterhofer in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer [Hrsg], Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch [14. Lfg 2006], §207a StGB Rz 62).

 

Für die Abgrenzung der Tathandlungen 'sich verschaffen' und 'besitzen' ist daher ausschließlich die Frage relevant, ob der Täter durch sein eigenes Zutun Gewahrsam erlangt hat. Eine Loslösung der Tathandlung vom Willensmoment als Grund der Strafbarkeit liegt daher nicht vor.

 

II.

Zum Ausgangsverfahren und zu den Prozessvoraussetzungen

 

1. Der Antragsteller wurde mit Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 14. April 2016 wegen der Verbrechen der Vergewaltigung nach §201 Abs1 StGB und des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §206 Abs1 und Abs3 StGB sowie der Vergehen der Blutschande nach §211 Abs1 StGB, des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach §212 Abs1 Z1 StGB und der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach §207a Abs3 erster und zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil erhob der Antragsteller mit Schriftsatz vom 26. Juli 2016 Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung. Gleichzeitig stellte er den vorliegenden Parteiantrag auf Normenkontrolle.

 

2. Die Anfechtung des §281 Abs1 Z5a StPO ist mangels Präjudizialität unzulässig:

 

2.1. Ein Parteiantrag auf Normenkontrolle kann gemäß §62 Abs2 VfGG nur dann gestellt werden, wenn das angefochtene Gesetz vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw. wenn die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht der Antragsteller wäre. Der Antrag hat darzulegen, inwiefern das Gericht das Gesetz anzuwenden und welche Auswirkungen die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes auf die beim Gericht anhängige Rechtssache hätte.

 

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Gerichtsanträgen fehlt es an der gemäß §62 Abs2 VfGG erforderlichen Präjudizialität, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die angefochtene Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichts im Anlassfall bildet (zB VfSlg 17.670/2005, 17.790/2006, 17.983/2006). Diese Rechtsprechung ist sinngemäß auf den Parteiantrag auf Normenkontrolle übertragbar (vgl. VfGH 2.7.2015, G33/2015).

 

2.2. Bestimmungen, die ausschließlich im Rechtsmittelverfahren anzuwenden sind, können nach Auffassung der Bundesregierung denkmöglich nur eine Voraussetzung der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts, nicht jedoch des Erstgerichts sein (vgl. Kneihs, Der Subsidiarantrag auf Verordnungs- und Gesetzeskontrolle, ZfV 1/2015, 35 [42]). Zu diesen Bestimmungen zählen auch solche, die die Zulässigkeit eines Rechtsmittels regeln (Frank, Gesetzesbeschwerde [2015], 98). Insofern hat der Verfassungsgerichtshof etwa den Antrag eines Unabhängigen Verwaltungssenates (UVS) auf Aufhebung einer Vorschrift betreffend die Möglichkeit einer Amtsbeschwerde gegen Entscheidungen des UVS mangels Präjudizialität der Bestimmung mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, dass eine Bestimmung, die die Rechtsmittellegitimation beim Verwaltungsgerichtshof normiere, nicht bei der Erlassung des (Ersatz-)Bescheides durch den UVS, sondern denkmöglich nur im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof anzuwenden sei (VfSlg 16.680/2002).

 

2.3. §281 Abs1 StPO regelt die Gründe, aus denen eine Nichtigkeitsbeschwerde gegen ein Urteil eines Landesgerichts als Schöffengericht erhoben werden kann. Die Bestimmung ist demgemäß nur im Rechtsmittelverfahren anzuwenden, kann aber nicht Voraussetzung der Entscheidung des Erstgerichts im Anlassverfahren sein. Ein 'Ausnutzen' des 'sich aus §281 Abs1 Z5a ergebenden Spielraum(s) zur bedenklichen Beweiswürdigung unterhalb der statuierten Erheblichkeitsschwelle' (vgl. Antrag, Seite 8) durch das Erstgericht vermag nach Auffassung der Bundesregierung ebenfalls nicht die Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung zu begründen. Der vorliegende Parteiantrag erweist sich daher hinsichtlich §281 Abs1 Z5a StPO mangels Präjudizialität als unzulässig.

 

III.

In der Sache:

 

1. Die Bundesregierung verweist einleitend auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen beschränkt ist und ausschließlich beurteilt, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (vgl. zB VfSlg 19.160/2010, 19.281/2010, 19.532/2011, 19.653/2012). Die Bundesregierung beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der im Antrag dargelegten Bedenken.

 

2. Zu den Bedenken gegen die Wortfolge 'aus den Akten erhebliche' in §281 Abs1 Z5a StPO

 

2.1. Der Antragsteller bringt vor, dass die angefochtene Wortfolge gegen das Recht auf eine nachprüfende richterliche Kontrolle in Strafsachen nach Art2 7. ZPEMRK, auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht, auf ein faires Verfahren und auf rechtliches Gehör nach Art6 Abs1 EMRK, gegen die Unschuldsvermutung nach Art6 Abs2 EMRK und den Gleichheitsgrundsatz nach Art2 StGG und Art7 B‑VG verstoße. Zudem liege eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips gemäß Art18 B‑VG vor. Begründend führt er hinsichtlich Art6 Abs1 EMRK und Art2 7. ZPEMRK im Wesentlichen aus, dass die angefochtene Wortfolge dazu führe, dass der OGH auf vorgebrachte Zweifel an der erstrichterlichen Beweiswürdigung weitgehend nicht eingehen könne. Erheblichkeit liege erst bei einer qualifizierten Fehlentscheidung vor, sodass der Angeklagte sogar bei einer willkürlichen (denkunmöglichen) bzw. einer falschen Beweiswürdigung zu Recht verurteilt werde. Insbesondere bleibe somit auch der Umstand, dass ein Richter unter Hinweis auf seinen persönlich gewonnenen Eindruck einem Sachverständigen nicht folge – und damit der 'Hauptanwendungsfall der unrichtigen Beweiswürdigung' – zum Nachteil des Angeklagten unerheblich. Da insofern eine bedenkliche Beweiswürdigung, welche keinen Schuldnachweis iSd Art6 Abs2 EMRK bedeute, die Verurteilung in der Rechtsmittelinstanz bewirke, liege auch ein Verstoß gegen Art6 Abs2 EMRK vor. Zudem sei die angefochtene Bestimmung gleichheitswidrig, da sie der 'Vorgabe' nach §259 Z3 StPO, wonach es bei mangelndem Schuld- oder Tatnachweis zu einem Zweifelsfreispruch kommen müsse, in 'legistisch unabgestimmter Weise' zuwiderlaufe und die Normen betreffend das Beweisverfahren (§§246 ff StPO) regelmäßig weitgehend sanktionslos und ineffektiv mache. Zudem sei die Beweiswürdigung im einzelrichterlichen Verfahren im Gegensatz zu Schöffen- und geschworenengerichtlichen Verfahren umfassend angreifbar. Schließlich sei es rechtsstaatlich untragbar, dass die angefochtene Bestimmung mit der Erheblichkeitsschwelle aus prozessökonomischen Gründen 'ein Fehlurteil zum Nachteil des Angeklagten' anordne.

 

2.2.1. Nach Art6 EMRK reicht es aus, wenn in einem Verfahrensgang ein Gericht entscheidet. Art6 EMRK begründet daher keinen Anspruch auf ein Rechtsmittel gegen eine erstinstanzliche Entscheidung und damit auch keine Verpflichtung, Berufungs- oder Revisionsgerichte einzurichten (vgl. Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 [2016] §24, Rz. 63; Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2009], Artikel 6 Rz. 93). Ist jedoch ein Gerichtssystem mit mehreren gerichtlichen Instanzen eingerichtet, so ist sicherzustellen, dass die Garantien des Art6 EMRK auch im Rechtsmittelverfahren gewahrt werden (vgl. Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 [2016] §24, Rz. 63 mwN).

 

Bei der gesetzlichen Ausgestaltung des Zugangs zu einem (Rechtsmittel-)Gericht kommt den Staaten ein gewisser Gestaltungsspielraum zu: Beschränkungen sind dann zulässig, wenn sie im Hinblick auf das verfolgte Ziel dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen und nicht den 'Wesensgehalt' des Rechts verletzen (vgl. Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 [2016] §24, Rz 53; EGMR Urteil vom 15.11.2007, Khamidov gegen Russland, Appl. 72118/01, Rz. 155 mwN). Dies gilt umso mehr für die Bedingungen, unter welchen ein Rechtsmittel erhoben werden kann, da dieses seiner Natur nach einer Regelung durch den Staat bedarf (vgl. EGMR, Urteil vom 17.7.2003, Luordo gegen Italien, Appl. 32190/96, Rz. 85). Maßgeblich ist somit, dass allfällige Beschränkungen des Zugangs zu (Rechtsmittel-)Gerichten (etwa durch Beschränkungen der Rechtsmittelgründe) sachlich gerechtfertigt sind.

 

2.2.2. Art2 7. ZPEMRK gewährleistet ein Recht auf Nachprüfung einer strafrechtlichen Verurteilung durch ein Gericht höherer Instanz. Die Ausübung dieses Rechts, einschließlich der Gründe, aus denen es ausgeübt werden kann, richten sich jedoch nach dem innerstaatlichen Gesetz (Grabenwarter/Pabel, EMRK6 §24 Rz 171; EGMR 31.8.1999, Hubner gg. Österreich, Appl. 34311/96). Auch die konkrete Ausgestaltung der zweiten Instanz obliegt den Vertragsstaaten, denen in diesem Zusammenhang ein weiter Beurteilungsspielraum zukommt (Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 [2016] §24, Rz 172; EGMR 13.2.2001, Krombach gg. Frankreich, Appl. 29731/96, Z96). Insbesondere kann sich die Nachprüfung entweder auf Tatsachenfeststellungen und Rechtsfragen beziehen oder auf Tatsachenfeststellungen beschränkt sein (vgl. Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 [2016] §24, Rz 171 mwN).

 

2.3. Gegen Urteile der Landesgerichte als Schöffengerichte stehen gemäß §280 StPO die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung offen (s. ausführlich oben Pkt. I.3.7.1.). §281 StPO regelt die Nichtigkeitsbeschwerde. Die angefochtene Bestimmung des §281 Abs1 Z5a StPO regelt den Nichtigkeitsgrund der Tatsachenrüge.

 

Wie bereits dargelegt wurde (s. oben Pkt. I.3.8.1.3.), kam die Gesetzgebung mit Einführung dieser Regelung (durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987, BGBl Nr 605/1987) lange erhobenen Forderungen nach, im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde gegen Schöffen- und Geschworenengerichtsurteile in bestimmtem Umfang auch eine Anfechtbarkeit der Beweiswürdigung vorzusehen (JAB 359 BlgNR 17. GP , 43). Der Nichtigkeitsgrund ermöglicht es dem OGH – zum Vorteil des Angeklagten (§281 Abs2 StPO) – die Tatsachengrundlage eines kollegialgerichtlichen Urteils und in diesem Zusammenhang auch die erfolgte Beweiswürdigung zu überprüfen (vgl. Fabrizy, StPO12 §281 Rz 62). Er zielt insofern auf eine Bewertung des Gebrauchs der Beweiswürdigungsfreiheit innerhalb der von Z5 definierten formalen Grenzen und solcherart auf einen eigenständigen Ausspruch des OGH nach Maßgabe deutlich und bestimmt bezeichneter, in der Hauptverhandlung vorgekommener Beweismittel ab. So gesehen kann in dem von der Erheblichkeitsschwelle bezeichneten Umfang unter der Bedingung und nach Maßgabe deutlich und bestimmt bezeichneter Beweismittel die Beweiswürdigung thematisiert werden, ohne dass sie dem Erstgericht jedoch entzogen wird (RIS-Justiz RS0116733).

 

Die Erheblichkeitsschwelle führt dazu, dass nicht schon jeder Zweifel des OGH an der Richtigkeit des Urteils den Nichtigkeitsgrund verwirklicht, sondern nur schwerwiegende Zweifel, die sich bereits aus einem Vergleich der aktenkundigen Umstände mit den entscheidenden Tatsachenfeststellungen ergeben (vgl. Fabrizy, StPO12 §281 Rz 65). Sie dient daher der Verhinderung unverhältnismäßiger Belastungen des OGH und massiver Verfahrensverzögerungen (vgl. dazu im Detail Kier, Brauchen wir ein neues Rechtsmittelverfahren in Österreich? [Teil I] Pro und Contra, ÖJZ2013, 1013 [1015]; Nowakowski, ÖJZ1964 Bd. I, 3 [6ff.]), würde doch eine weiterreichende Anfechtbarkeit der Beweiswürdigung die Durchführung einer Verhandlung und ein Beweisverfahren durch den OGH notwendig machen. Insofern wird durch die Erheblichkeitsschwelle außerdem das Recht auf angemessene Dauer der Untersuchungshaft gemäß Art5 Abs3 zweiter Satz bzw. Art6 Abs1 EMRK gewährleistet (vgl. Kier aaO 1015). Daneben stellt sie – im Hinblick darauf, dass das erstinstanzliche Urteil unter Beteiligung von Laienrichtern gefällt wird – die Bedeutung der Laienbeteiligung sicher (vgl. Nowakowski, aaO 387) und dient insofern auch der wirksamen Umsetzung des in Art91 B‑VG verankerten Prinzips der Laienbeteiligung im Strafverfahren (vgl. dazu OGH 9.6.1993 11 Os 38/93).

 

Vor diesem Hintergrund erweist sich die angefochtene Bestimmung nach Auffassung der Bundesregierung als verhältnismäßig. Dem Vorbringen des Antragstellers, wonach wegen der angefochtenen Bestimmung eine willkürliche Beweiswürdigung nicht anfechtbar sei, ist zunächst die Möglichkeit der Mängelrüge gemäß §281 Abs1 Z5 StPO entgegen zu halten. Gegenstand dieser Mängelrüge ist nämlich – wie bereits dargelegt wurde – die Einhaltung der Grenzen, die der freien Beweiswürdigung des Gerichtes durch §258 Abs2 StPO gesetzt sind, einschließlich des Missbrauchs der Beweiswürdigungsfreiheit im Sinne eines Willkürverbotes (s. oben Pkt. I.3.8.1.2.). Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Einschränkung die Nachprüfung schöffengerichtlicher Urteile und damit Urteile betrifft, die nicht von einem einzelnen Richter, sondern durch ein Richterkollegium gefällt wurden. Nach Auffassung der Bundesregierung ist es sachlich gerechtfertigt, solchen Entscheidungen erhöhte Bestandskraft zuzuerkennen (s. dazu näher unten Pkt. III.2.6.3.) und die Nachprüfung daher – im Interesse der Verfahrensbeschleunigung – auf Fehlleistungen und bedenklichen Ermessensgebrauch zu beschränken.

 

Nach Auffassung der Bundesregierung verstößt die angefochtene Bestimmung vor diesem Hintergrund weder gegen das Recht auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht, auf ein faires Verfahren und auf rechtliches Gehör gemäß Art6 Abs1 EMRK noch gegen das Recht auf Nachprüfung einer strafrechtlichen Verurteilung durch ein Gericht höherer Instanz gemäß Art2 7. ZPEMRK.

 

2.4. Im Hinblick darauf, dass – wie bereits mehrfach ausgeführt wurde – im Schöffenverfahren in erster Instanz ein (dem Grundsatz des 'in dubio pro reo' verpflichtetes) Richterkollegium über die Schuld des Angeklagten entscheidet (s. dazu auch unten Pkt. 2.6.3.), verstößt der Umstand, dass erst erhebliche Bedenken zu einer Überprüfung der Beweiswürdigung dieses Richterkollegiums führen können, nach Auffassung der Bundesregierung auch nicht gegen das Gebot der Unschuldsvermutung gemäß Art6 Abs2 EMRK. Zu beachten ist außerdem, dass dann, wenn das Richterkollegium des Erstgerichts keine Mehrheit findet, die vom Berufsrichter vertretene, für den Angeklagten günstigere Meinung den Ausschlag gibt (s. oben Pkt. I.3.2.).

 

Soweit der Antragsteller diesbezüglich außerdem geltend macht, dass der OGH bei Vorliegen erheblicher Bedenken nicht selbst mit Freispruch nach §259 Z3 StPO vorgeht, sondern die Rechtssache an die erste Instanz zurückverweist, ist dem zunächst entgegen zu halten, dass sich dies nicht aus der angefochtenen Bestimmung, sondern aus §288a StPO ergibt. Diese Bestimmung hat der Antragsteller jedoch nicht angefochten. Abgesehen davon scheint er zu übersehen, dass das Gericht bei seiner neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht des OGH gebunden ist (§293 Abs2 StPO). Ein Verstoß gegen das Gebot der Unschuldsvermutung ist daher auch insofern nicht erkennbar.

 

2.5. Zum behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz der Waffengleichheit gemäß Art6 Abs1 EMRK wird darauf hingewiesen, dass es der Antragsteller unterlässt, diesen näher zu begründen. Abgesehen davon ist auch nicht erkennbar, inwiefern die angefochtene Bestimmung gegen diesen Grundsatz verstoßen sollte, da die angefochtene Beschränkung des Nichtigkeitsgrundes durch die Erheblichkeitsschwelle für Nichtigkeitsbeschwerden sowohl des Angeklagten als auch der Staatsanwaltschaft gilt. Zudem kann der Nichtigkeitsgrund gemäß §281 Abs1 Z5a StPO – sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch vom Angeklagten – lediglich zum Vorteil des Angeklagten geltend gemacht werden. Insofern bestehen mehr Möglichkeiten, eine verfehlte Beweiswürdigung zum Vorteil eines Angeklagten aufzugreifen, als zu dessen Nachteil.

 

2.6. Auch die Bedenken des Antragstellers gegen die Sachlichkeit der angefochtenen Bestimmung erweisen sich als unbegründet:

 

2.6.1. Zum Vorbringen, wonach die angefochtene Bestimmung 'in legistisch unabgestimmter Weise' der 'Vorgabe' nach §259 Z3 StPO (wonach ein Freispruch erfolgen muss, wenn nicht erwiesen ist, dass der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat begangen hat) zuwiderlaufe, ist zunächst festzuhalten, dass §259 Z3 StPO ausdrücklich nur für das erstinstanzliche Verfahren (vor dem Schöffensenat) gilt. Soweit dieses Vorbringen des Antragstellers dahingehend zu verstehen sein sollte, dass er eine entsprechende 'Vorgabe' (auch) für den OGH bei der Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde für verfassungsrechtlich geboten hielte, wird auf die obigen Ausführungen zur sachlichen Rechtfertigung der eingeschränkten Nachprüfungszuständigkeit des OGH verwiesen (s. oben Pkt. III.2.3.).

 

2.6.2. Die angefochtene Bestimmung macht auch die Normen betreffend das Beweisverfahren (§§246 ff StPO) nicht – wie vom Antragsteller vorgebracht wurde – 'weitgehend sanktionslos und ineffektiv'. Die Einhaltung dieser Vorgaben durch das Erstgericht kann vielmehr mit den Nichtigkeitsgründen nach §281 Abs1 Z4 und Z5 und (ab der Erheblichkeitsschwelle) auch Z5a nachgeprüft werden.

 

2.6.3. Dem Vorbringen, dass die Beweiswürdigung im einzelrichterlichen Verfahren im Gegensatz zu Schöffenverfahren umfassend angreifbar ist, ist entgegen zu halten, dass dies durch relevante Unterschiede zwischen diesen Verfahren gerechtfertigt ist.

 

Mit der Möglichkeit, im einzelrichterlichen Verfahren im Rahmen der vollen Berufung auch die Entscheidung in der Beweisfrage anzufechten, soll dem gesteigerten Rechtsschutzinteresse des Angeklagten im einzelrichterlichen Strafverfahren Rechnung getragen werden. Ein Einzelrichter kann gerade in Beweisfragen leichter irren als ein Richterkollegium; die Formlosigkeit des einfacheren Verfahrens vor dem Einzelrichter bietet nicht dieselben Garantien wie ein Verfahren vor einem Kollegialgericht; es gibt weder im bezirksgerichtlichen Verfahren noch im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts einen Einspruch gegen die Anklageschrift. Ankläger und Angeklagter sollen daher auch in der Schuldfrage (§260 Abs1 Z2 StPO) nicht von der Beweiswürdigung eines einzelnen Richters abhängig sein (Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO §464 Rz 2 [Stand 1.5.2016]; ähnlich auch Fabrizy, StPO12 §464 Rz 2). Wo in erster Instanz bloß ein Einzelrichter entscheidet, soll in zweiter Instanz eine kollegiale Gerichtsbesetzung bestehen, die eine höhere Richtigkeitsgewähr gewährleistet (Ratz, Zur Reform der Hauptverhandlung und des Rechtsmittelverfahrens, ÖJZ2010, 387 [390]; Kier, aaO 1013; Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO Vor §§280 – 296a Rz 10). Hingegen hat im kollegialgerichtlichen Schöffenverfahren das Berufungsgericht gemäß §295 Abs1 StPO seiner Entscheidung den Ausspruch des Erstgerichts über die Schuld des Angeklagten und das anzuwendende Strafgesetz zugrunde zu legen. Eine Berufung gegen den Ausspruch über die Schuld bzw. die Bekämpfung der Beweiswürdigung des Erstgerichts ist im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehen. Die Strafprozeßordnung geht hier grundsätzlich davon aus, dass durch die kollegiale Gerichtsbesetzung im Schöffenverfahren in der Schuldfrage bereits eine hinreichende Richtigkeitsgewähr gegeben ist.

 

Vor diesem Hintergrund ist im Schöffenverfahren eine umfassende nachprüfende Kontrolle durch ein in zweiter Instanz entscheidendes Kollegium, das nur aus Berufsrichtern besteht, weder notwendig noch sachgerecht. Nach Auffassung der Bundesregierung ist es daher gerechtfertigt, der Entscheidung eines Richterkollegiums aus Berufs- und Laienrichtern – im Vergleich zu Einzelrichterentscheidungen – erhöhte Bestandskraft zuzuerkennen.

 

Auch der OGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass in der verschiedenartigen Anfechtbarkeit von Strafurteilen in der Beweisfrage keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes liegt, da die Differenzierung der Anfechtbarkeit der Urteile der Kollegialgerichte einerseits und der Einzelrichter andererseits in punkto Beweiswürdigung angesichts der Unterschiede hinsichtlich der Anzahl der Richter und der Zusammensetzung des Richterkollegiums sachlich gerechtfertigt ist (RIS-Justiz RS0054093).

 

2.7. Auch zum behaupteten Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip ist auf die Ausführungen zur sachlichen Rechtfertigung der angefochtenen Bestimmung (s. oben Pkt. III.2.3.) zu verweisen. Mit der Behauptung, die Praxis des OGH würde 'verkennen', 'dass die konkrete Gefahr eines Fehlurteils 'erhebliche Bedenken' erzeugen' müsse, macht der Antragsteller im Übrigen keine Bedenken gegen die angefochtene Bestimmung geltend, sondern wendet sich bloß gegen deren Vollzug.

 

3. Zu den Bedenken gegen §207a Abs3 StGB:

 

3.1. Der Antragsteller bringt vor, dass der Straftatbestand des §207a Abs3 StGB mit dem Tatbestandsmerkmal des 'Verschaffens' vor dem Besitz einer Sache (der durch den animus rem sibi habendi geprägt sei) ansetze. Dies bedeute eine systemwidrige Loslösung vom Willensmoment als Grund der Strafbarkeit und stelle eine unsachliche Durchbrechung eines grundlegenden strafrechtlichen Prinzips dar. Gerade bei 'ZIPP-Dateien' könne es zum unkontrollierbaren Herunterladen von Bildern kommen. Der Straftatbestand sei daher unsachlich zu weit gefasst.

 

3.2. Wie oben dargelegt wurde (s. oben Pkt. I.4.3.), ist die Tathandlung des Sich-Verschaffens erfüllt, wenn der Täter durch eigenes Zutun Gewahrsam an einer Darstellung erlangt. Die Tathandlung des Besitzes ist erfüllt, wenn der Täter allein oder gemeinsam mit anderen ohne sein Zutun Gewahrsam über eine Darstellung hat, also die tatsächliche und unmittelbare Herrschaft darüber ausüben kann (Philipp in Höpfel/Ratz, WK2 StGB, §207a StGB Rz 20 [Stand: 1.6.2016, rdb.at]; Hinterhofer/Rosbaud, BT II5 §207a Rz 17). Für die Abgrenzung der Tathandlungen 'sich verschaffen' und 'besitzen' ist daher ausschließlich die Frage relevant, ob der Täter durch sein eigenes Zutun Gewahrsam erlangt hat. Die vom Antragsteller behauptete Loslösung der Tathandlung vom Willensmoment als Grund der Strafbarkeit liegt daher nicht vor. Das betreffende Vorbringen geht insoweit von vornherein ins Leere.

 

3.3. Der Straftatbestand ist auch nicht 'unsachlich zu weit gefasst'.

 

§207a StGB zielt auf die Gewährleistung der ungestörten sexuellen und allgemein psychischen Entwicklung von Unmündigen (s. oben Pkt. I.4.1.). Mit der Strafbarkeit des Sich-Verschaffens und Besitzens von pornographischen Darstellungen Minderjähriger pönalisiert §207a Abs3 StGB daher ein mit spezifischem Unrechtsgehalt behaftetes Verhalten. Dieser spezifische Unrechtsgehalt folgt vor allem auch aus dem Umstand, dass Nachfrager von Kinderpornographie allgemein als mitverantwortlich für die (weitere) Herstellung kinderpornographischer Darstellungen angesehen werden (s. dazu die Nachweise oben unter Pkt. I.4.2.). Nach Auffassung der Bundesregierung hat die Strafgesetzgebung damit ihren rechtspolitischen Gestaltungsspielraum, aus generalpräventiven Gründen solche in höchstem Maße unerwünschten Verhaltensweisen zurückzudrängen, nicht überschritten.

 

Die angefochtene Bestimmung stellt das 'Sich verschaffen' und den 'Besitz' kinderpornographischer Darstellungen unter Strafe. Die Abgrenzung dieser Tathandlungen erfolgt anhand des Kriteriums des 'eigenen Zutuns' bei der Gewahrsamserlangung. Strafbarkeit liegt nur vor, wenn der Täter diese Tathandlungen mit zumindest bedingtem Vorsatz iSd §5 Abs1 StGB begangen hat. Zwar ist die Tathandlung des 'Sich verschaffens' von kinderpornographischem Material auch erfüllt, wenn eine Person einschlägige Dateien über das Internet bezieht und auf der Festplatte seines Computers oder auf einer Diskette oder CD-ROM abspeichert (OGH 11.2.1999, 15 Os 190/98). Entscheidend für die Strafbarkeit derartiger Handlungen ist jedoch, dass sie vorsätzlich erfolgen. Wenn der Antragsteller in Bezug auf das 'unkontrollierbare Herunterladen von Bildern' aus ZIPP-Dateien von einer Strafbarkeit nach der angefochtenen Bestimmung ausgeht, übersieht er daher offenbar die subjektive Tatseite. Entgegen seiner offenbaren Auffassung können die Tathandlungen gemäß §207a Abs3 StGB nur bei Vorliegen von darauf gerichtetem bedingten Vorsatz zur Strafbarkeit führen. Der Täter muss es also ernstlich für möglich halten, dass er sich durch seine Handlungen pornographische Darstellungen verschafft oder diese aufgrund seiner Handlungen besitzt, und sich damit abfinden. Vor diesem Hintergrund erweisen sich auch die Bedenken des Antragstellers gegen die Sachlichkeit des §207a Abs3 StGB als unbegründet.

 

4. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass die Wortfolge 'aus den Akten erhebliche' in §281 Abs1 Z5a StPO, BGBl Nr 631/1975 zuletzt geändert durch BGBl I Nr 93/2007, und §207a StGB, BGBl Nr 60/1974 in der Fassung BGBl I Nr 40/2009, nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig sind."

 

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

1.1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.

Voraussetzung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle ist – entsprechend der Formulierung des Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG – die Einbringung eines Rechtsmittels in einer "in erster Instanz entschiedenen Rechtssache", somit eines Rechtsmittels gegen eine die Rechtssache erledigende Entscheidung erster Instanz (vgl. VfSlg 20.001/2015; VfGH 25.2.2016, G659/2015). Außerdem muss der Parteiantrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd "aus Anlass" der Erhebung eines Rechtsmittels gestellt werden. Für den Rechtsmittelwerber ist dabei die Frist zur Einbringung des Rechtsmittels maßgebend (vgl. VfGH 2.7.2016, G95/2016; 26.9.2016, G62/2016).

Der vorliegende Antrag wird aus Anlass einer Nichtigkeitsbeschwerde bzw. einer Berufung gegen ein Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht gestellt, mit dem der Antragsteller schuldig befunden wurde, näher bezeichnete Delikte begangen zu haben.

Der Parteiantrag wurde – ausweislich der Aktenlage – ebenso wie die gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch erhobenen Rechtsmittel innerhalb der vierwöchigen Rechtsmittelfrist eingebracht (vgl. §285 Abs1, §294 Abs2 StPO). Damit ist der Parteiantrag als rechtzeitig anzusehen. Die Zulässigkeit des im Verfahren vor dem ordentlichen Gericht erhobenen Rechtsmittels wurde auch vom Landesgericht Feldkirch bestätigt.

1.2. Die Grenzen der Aufhebung müssen auch in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden (vgl. VfSlg 13.965/1994, 16.542/2002, 16.911/2003). Diese Rechtsprechung beruht auf dem Grundgedanken, dass im Normenprüfungsverfahren nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist (vgl. VfSlg 17.220/2004, 19.933/2014).

Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrags nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.933/2014).

Unzulässig ist ein Antrag aber dann, wenn der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl. zB VfSlg 19.824/2013 mwN, 19.933/2014).

Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit alle vom Antrag erfassten Bestimmungen präjudiziell sind oder der Antrag mit solchen untrennbar zusammenhängende Bestimmungen erfasst, führt dies – ist der Antrag in der Sache begründet – im Fall der Aufhebung nur eines Teils der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl. VfGH 5.3.2014, G79/2013, V68/2013 ua.; zu auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestützten Anträgen von Gerichten, die, soweit die Präjudizialität für den gesamten Antrag gegeben ist, im Fall der Aufhebung nur eines Teils der angefochtenen Bestimmungen im übrigen Teil abzuweisen sind, vgl. VfSlg 19.746/2013, 19.905/2014). Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die im gerichtlichen Verfahren nicht präjudiziell sind, führt dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen zur partiellen Zurückweisung des Antrages (vgl. VfGH 9.12.2014, G73/2014; VfSlg 19.942/2014; VfGH 11.3.2015, G208/2014, V104/2014; 7.10.2015, G282/2015; 8.10.2015, G20/2015, G281/2015; 9.3.2016, G606/2015 ua.).

Der Antragsteller hat in seinem (Haupt-)Antrag den Anfechtungsumfang sowohl mit der Anfechtung der Wortfolge "in den Akten erhebliche" in §281 Abs1 Z5a StPO als auch mit der Anfechtung des §207a Abs3 StGB zutreffend gewählt, sodass sich ein Eingehen auf den jeweiligen Eventualantrag erübrigt: Der Antragsteller erblickt die Verfassungswidrigkeit der Wortfolge in §281 Abs1 Z5a StPO darin, dass ihm eine volle Überprüfung der Beweiswürdigung verwehrt sei. Durch die Aufhebung der angefochtenen Wortfolge in §281 Abs1 Z5a StPO würde dieses Ziel (anders als bei Aufhebung der gesamten Z5a des §281 Abs1 StPO) erreicht.

Entgegen der Auffassung der Bundesregierung ist die angefochtene Wortfolge in §281 Abs1 Z5a StPO im gerichtlichen Anlassverfahren präjudiziell: Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 2. Juli 2016, G95/2016, ausgeführt hat, ist unter "Rechtssache" im Sinne des Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG nicht nur der Gegenstand der Entscheidung des Gerichts erster Instanz zu verstehen, sondern die Rechtssache, die Gegenstand des Rechtsstreits im Instanzenzug der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist. Daraus folgt, dass §281 Abs1 Z5a StPO im vorliegenden Fall einen zulässigen Anfechtungsgegenstand nach Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG bildet.

1.3. Da im Verfahren auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, ist der Antrag auf Aufhebung der Wortfolge "aus den Akten erhebliche" in §281 Abs1 Z5a StPO und des §207a Abs3 StGB wegen Verfassungswidrigkeit zulässig.

2. In der Sache

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003, 20.001/2015).

2.1. Zusammengefasst bringt der Antragsteller vor, auf Grund der in §281 Abs1 Z5a StPO statuierten Erheblichkeitsschwelle könne die vom untergeordneten Gericht vorgenommene Beweiswürdigung nur bei gravierenden Richtigkeitsbedenken aufgegriffen werden. Die Erheblichkeitsschwelle nicht übersteigende Zweifel an der Richtigkeit der Beweiswürdigung, was auch auf eine willkürliche bzw. denkunmögliche Beweiswürdigung zutreffe, seien hingegen – anders als im einzelrichterlichen Verfahren – nicht mehr relevierbar. Dies führe dazu, dass entgegen dem Prinzip der Unschuldsvermutung und der Vorgabe des §259 Z3 StPO, wonach bei mangelndem Schuld- bzw. Tatnachweis ein Freispruch zu erfolgen habe, ein zweifelhafter Schuldspruch Bestand haben könne. Gleichzeitig bewirke es, dass die Vorschriften der Strafprozeßordnung 1975 über das Beweisverfahren regelmäßig weitgehend sanktionslos und mithin ineffektiv blieben. Aus den genannten Gründen verstoße die angefochtene Wortfolge gegen Art6 Abs1 und 2 EMRK, Art2 7. ZPEMRK, Art2 StGG sowie Art7 Abs1 B‑VG und das Rechtsstaatsprinzip iSv Art18 B‑VG.

2.2. Zur behaupteten Verletzung der Rechte auf Zugang zu Gericht und auf ein faires Verfahren gemäß Art6 Abs1 EMRK sowie auf ein Rechtsmittel in Strafsachen gemäß Art2 7. ZPEMRK:

2.2.1. Art6 Abs1 EMRK garantiert das Recht auf Zugang zu einem unabhängigen, unparteiischen und auf Gesetz beruhenden Gericht in Bezug auf zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen sowie strafrechtliche Anklagen, wobei über die Sache in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt werden muss. Dieses Recht gilt allerdings nicht absolut; der Zugang zu einer gerichtlichen Überprüfung kann Beschränkungen unterworfen werden, solange mit diesen ein legitimes Ziel verfolgt, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprochen und nicht in den Wesensgehalt des Rechts eingegriffen wird (EGMR 17.7.2003, Fall Luordo, Appl. 32.190/96 [Z85]; 15.11.2007, Fall Khamidov, Appl. 72.118/01 [Z155]). Weiterhin ist der Garantie des Art6 Abs1 EMRK bereits dann hinreichend Rechnung getragen, wenn eine einzige gerichtliche Instanz über die Sache entscheidet; Art6 Abs1 EMRK fordert nicht die Einrichtung eines Instanzenzuges. Entscheidet sich ein Staat allerdings dazu, ein Gerichtssystem mit mehreren Instanzen einzurichten, hat er sicherzustellen, dass die in Art6 Abs1 EMRK niedergelegten Garantien unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Verfahrens und der Stellung der übergeordneten Gerichte auch in den anderen Instanzen gewährleistet sind (EGMR 17.1.1970, Fall Delcourt, Appl. 2689/65 [Z25 f.]; 2.3.1987, Fall Monnell und Morris, Appl. 9562/81, 9818/82 [Z56]; 13.7.1995, Fall Miloslavsky, Appl. 18.139/91 [Z59]; 23.10.1996, Fall Levages Prestations Services, Appl. 21.920/93 [Z44 f.]; 31.7.2007, Fall Fc Mretebi, Appl. 38.736/04 [Z39]; VfSlg 13.553/1993; Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6 [2016] §24 Rz 53, 63, 169). Es kann jedoch im Hinblick auf die Vorgaben des Art6 EMRK gerechtfertigt sein, die Kognition vor Rechtsmittelgerichten auf eine reine Rechtskontrolle zu beschränken (EGMR 26.5.1988, Fall Ekbatani, Appl. 10.563/83 [Z31]; 8.4.2010, Fall Sinichkin, Appl. 20.508/03 [Z31]).

2.2.2. Art2 Abs1 des 7. ZPEMRK gewährleistet für denjenigen, der von einem Gericht wegen einer strafbaren Handlung verurteilt worden ist, das Recht, das Urteil von einem übergeordneten Gericht nachprüfen zu lassen, wobei sich die Ausübung dieses Rechtes, einschließlich der Gründe, aus denen es ausgeübt werden kann, nach den gesetzlichen Vorgaben richtet. Die konkrete Ausgestaltung des zweitinstanzlichen Verfahrens obliegt folglich dem jeweiligen Staat, dem hiebei ein weiter Beurteilungsspielraum zukommt (EGMR 31.8.1999, Fall Hubner, Appl. 34.311/96; 6.12.2005, Fall Gurepka, Appl. 61.406/00 [Z59]). Unter anderem muss es dem Rechtsmittelwerber nicht in jedem Fall ermöglicht werden, sowohl den Ausspruch über die Schuld wie auch jenen über die Strafe anzufechten, und kann die Überprüfung durch eine höhere Instanz auf reine Rechtsfragen beschränkt werden (EGMR 18.1.2000, Fall Pesti und Frodl, Appl. 27.618/95 ua. zur Kognitionsbefugnis des Obersten Gerichtshofes; 5.1.2007, Fall Müller, Appl. 12.555/03 [Z25]; 18.12.2008, Fall Müller, Appl. 28.034/04 [Z37], jeweils zum österreichischen Verwaltungsgerichtshof; "Explanatory Report" zum 7. ZPEMRK, Rz 17 f.). Die jeweilige Beschränkung muss allerdings – analog zu Art6 Abs1 EMRK – ein legitimes Ziel verfolgen und darf den Wesensgehalt des Grundrechtes nicht verletzen (EGMR 13.2.2001, Fall Krombach, Appl. 29.731/96 [Z96]; 6.12.2005, Fall Gurepka, Appl. 61.406/00 [Z59]).

2.2.3. Gemäß §280 StPO können gegen Urteile der Landesgerichte als Schöffengerichte nur die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung erhoben werden. Die Relevierung der Schuldfrage kommt hiebei nur im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde in Betracht, weil §283 Abs1 StPO die Berufungsgründe gegen ein schöffengerichtliches Urteil ausdrücklich auf den Ausspruch über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche einschränkt und §295 Abs1 StPO die Kognitionsbefugnis des Oberlandesgerichtes bei seiner Berufungsentscheidung dahingehend festlegt, dass dieses an den erstgerichtlichen Ausspruch über die Schuld und das anzuwendende Strafgesetz gebunden ist. Im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde kann die Schuldfrage aber nur eingeschränkt gerügt werden, zumal §281 StPO das zulässige Vorbringen auf taxativ genannte Nichtigkeitsgründe beschränkt. Im gegebenen Zusammenhang sind insbesondere Z5 und 5a des §281 Abs1 StPO relevant:

Gemäß der – im Wesentlichen bereits in der Strafprozeßordnung 1873 (RGBl. 119/1873) enthaltenen – Bestimmung des §281 Abs1 Z5 StPO kann Nichtigkeitsbeschwerde erhoben werden, wenn der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen (iSd §270 Abs2 Z4 und 5 StPO) undeutlich, unvollständig oder mit sich selbst im Widerspruch ist, wenn für diesen Ausspruch keine oder nur offenbar unzureichende Gründe angegeben sind oder wenn zwischen den Angaben der Entscheidungsgründe über den Inhalt einer bei den Akten befindlichen Urkunde oder über eine Aussage und der Urkunde oder dem Vernehmungs- oder Sitzungsprotokoll selbst ein erheblicher Widerspruch besteht.

Mit der Novelle BGBl 605/1987 zur Strafprozeßordnung 1975 wurde diese Bestimmung durch §281 Abs1 Z5a StPO ergänzt. Danach kann im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde auch geltend gemacht werden, dass "sich aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben". Die Materialien führen zu dieser Novelle wie folgt aus (AB 359 BlgNR 17. GP 43):

"Seit langem erhobenen Forderungen nach Verbesserung des Rechtsmittelverfahrens bei Schöffen- und Geschwornengerichtsurteilen entsprechend, soll in Hinkunft auch im Senatsprozeß die Beweiswürdigung des erkennenden Gerichtes in bestimmtem Umfang im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde angefochten werden können. Das Urteil soll auch dann nichtig sein, 'wenn sich aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben'.

 

[…]

 

Die Überprüfung der tatsächlichen Feststellungen eines schöffengerichtlichen Urteils soll insoweit möglich sein, als erhebliche Bedenken gegen den Schuldspruch geltend gemacht werden. Diese Bedenken dürfen demnach nicht unerheblich sein, sondern müssen wesentliche Elemente des Ausspruchs über die Schuld betreffen. Sie müssen ferner auf Anhaltspunkten in den Akten selbst beruhen, zB auf den Angaben eines Entlastungszeugen oder Hinweisen auf einen solchen, mit denen sich das erkennende Gericht nicht hinreichend auseinandergesetzt hat. Bedenken 'aus den Akten' können sich für das Rechtsmittelgericht auch dann ergeben, wenn ihm der unmittelbare Eindruck fehlt, der für die Überzeugung des Erstgerichtes maßgebend gewesen sein mag. Über die mit dem Nichtigkeitsgrund der Z5 geltend zu machenden Begründungsmängel der 'offenbar unzureichenden' Begründung und der Aktenwidrigkeit hinaus soll demnach in Zukunft auch die (intersubjektiv) nicht hinreichend überzeugende Beweiswürdigung in bezug auf die Lösung der Tatfrage mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpfbar sein. 'Der neue Nichtigkeitsgrund darf nicht formal verstanden werden. Er verlangt eine materielle Überprüfung der Tatsachenfeststellungen auf ihre sachliche Richtigkeit hin. Das könnte verdunkelt werden, wenn er in die Z5 eingebaut .... würde' (Nowakowski, Gutachten für die Verhandlungen des 2. Österreichischen Juristentages 1964, 22). Die Bedenken gegen den Schuldspruch können sich sowohl aus nicht überzeugenden Erwägungen und Schlußfolgerungen in den Entscheidungsgründen als auch daraus ergeben, daß das Gericht zwar in sich folgerichtig argumentiert hat, jedoch unter Außerachtlassung seiner Pflicht zur amtswegigen Erforschung der Wahrheit (§§3, 232 Abs2, 254 StPO) die ihm zugänglichen Beweismittel, von denen es nach der Aktenlage Kenntnis haben konnte, nicht oder in erheblichen Punkten derart unvollständig ausgeschöpft hat, daß dadurch die Überzeugungskraft der Grundlagen für den Schuldspruch wesentlich berührt wird.

 

Der für das Schöffengericht maßgebende Grundsatz der Entscheidung über die Schuldfrage unter Beteiligung von Laienrichtern wird durch den neuen Nichtigkeitsgrund der Z5 a nicht angegriffen, weil der Oberste Gerichtshof, wenn er die geltend gemachten Beden[k]en teilt, nicht in der Sache selbst entscheiden, sondern das Urteil aufheben und die Sache an die erste Instanz zurückverweisen

soll (§288 Abs2 Z1 StPO idF des ArtII Z43). Aus demselben Grund kann auch nicht davon gesprochen werden, daß der Oberste Gerichtshof durch die Einführung des neuen Nichtigkeitsgrundes zu einer 'Tatsacheninstanz' im eigentlichen Sinne werde."

 

2.2.4. Die genannten Rechtsmittelvorschriften sind im Zusammenhang mit §258 Abs2 StPO zu sehen, der den Grundsatz der freien Beweiswürdigung festlegt. Demnach hat das Gericht die Beweismittel sowohl einzeln als auch in ihrem inneren Zusammenhang sorgfältig und gewissenhaft im Hinblick auf ihre Glaubwürdigkeit und Beweiskraft zu prüfen. Darauf aufbauend hat die Beantwortung der Frage, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist, nicht nach gesetzlichen Beweisregeln zu erfolgen, sondern nur nach der freien, aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnenen Überzeugung des Gerichtes. Im Falle eines Schuldspruches muss im Urteil gemäß §270 Abs2 Z4 und 5 StPO neben dem Ausspruch über die Schuld "in gedrängter Darstellung, aber mit voller Bestimmtheit angegeben sein, welche Tatsachen und aus welchen Gründen das Schöffengericht sie als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen hat".

2.2.5. Der Oberste Gerichtshof interpretiert den angefochtenen Nichtigkeitsgrund gemäß §281 Abs1 Z5a StPO dahingehend, dass nur besonders qualifizierte Fehler bei der Beweiswürdigung von ihm aufgegriffen werden können (vgl. OGH 28.1.2016, 12 Os 77/15p: "Z5a will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen" (RS0118780); Fabrizy, StPO12 [2014] §281 Rz 64 f.; Ratz, WK-StPO [2015] §281 Rz 488 ff.), womit die Möglichkeit, die Beweiswürdigung durch das Erstgericht im Rechtsweg überprüfen zu lassen, stark eingeschränkt wird. Ob die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, welche dem §281 Abs1 Z5a StPO einen derart restriktiven Inhalt zugrunde legt (anderer Meinung zB Bertel/Venier, Srafprozessrecht9 [2016] Rz 507), zutreffend ist, muss hier nicht erörtert werden, weil §281 Abs1 Z5a StPO selbst in der restriktiven Interpretation des Obersten Gerichtshofes keinen Bedenken im Hinblick auf Art6 Abs1 EMRK und Art2 7. ZPEMRK begegnet:

2.2.6. Wie bereits einleitend ausgeführt, gebieten es Art6 Abs1 EMRK und Art2 7. ZPEMRK nicht, mehrere Instanzen einzurichten. Erweitert ein Staat sein Rechtsschutzsystem über diese Vorgaben hinaus, ist er nicht gehindert, die übergeordneten Instanzen auf eine reine Rechtskontrolle zu beschränken. Dies ergibt sich bereits daraus, dass selbst Art2 7. ZPEMRK, dem zufolge in Strafsachen jedenfalls eine zweite Instanz geschaffen werden muss, einen Spielraum dahingehend belässt, die Kognition der Rechtsmittelinstanz auf Rechtsfragen zu beschränken. Es wäre nicht einsichtig, warum nach Art6 Abs1 EMRK, dessen Vorgaben bereits durch eine Instanz entsprochen wird, eine zwingende volle Tatsachenkognition des Rechtsmittelgerichtes vorausgesetzt sein sollte, würde dies doch den von Art2 7. ZPEMRK belassenen Spielraum des Gesetzgebers konterkarieren. Im Übrigen ist für den Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar, dass die Garantien des Art6 Abs1 EMRK in jenem (begrenzten) Rahmen, in dem der Oberste Gerichtshof zur Überprüfung von Tatsachen berufen ist, nicht gewahrt wären.

2.2.7. Der Verfassungsgerichtshof kann im Übrigen dem Vorbringen des Antragstellers nicht folgen, wonach die Bestimmungen der Strafprozeßordnung 1975 über das Beweisverfahren durch §281 Abs1 Z5a StPO "regelmäßig weitgehend sanktionslos und mithin ineffektiv" würden. Sollte der Antragsteller damit eine etwaige Unsachlichkeit der Bestimmungen über das Rechtsmittelverfahren rügen, kann auf die eben dargelegten Ausführungen zur Zulässigkeit der Beschränkung des Rechtsmittelverfahrens verwiesen werden (vgl. aber zB auch §281 Abs1 Z4 StPO).

2.2.8. Wenn der Antragsteller weiters eine Verletzung von Art6 Abs1 EMRK in Gestalt der Rechte auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht, auf rechtliches Gehör, auf Beachtung der Waffengleichheit sowie auf Begründung der Entscheidung geltend macht, unterlässt er ein substantiiertes Vorbringen, inwiefern diese Gewährleistungen durch die angefochtene Wortfolge in §281 Abs1 Z5a StPO beeinträchtigt werden.

2.3. Zur behaupteten Verletzung der Unschuldsvermutung gemäß Art6 Abs2 EMRK:

2.3.1. Das in Art6 Abs2 EMRK verankerte rechtsstaatliche Gebot der Unschuldsvermutung schützt von Strafverfolgung betroffene Personen vor Vorverurteilung bzw. der Zuweisung der Schuld, solange diese nicht gerichtlich festgestellt wurde (VfGH 12.12.2016, G63/2016). Dieses Recht ist dann verletzt, wenn die Beweislast auf Grund der anzuwendenden Rechtsvorschriften oder tatsächlich vom Ankläger auf den Beschuldigten übertragen wird (vgl. EGMR 20.3.2001, Fall Telfner, Appl. 33.501/96 [Z15]).

Aus dem kann allerdings nicht gefolgert werden, dass Art6 Abs2 EMRK der im Rahmen des Art6 Abs1 EMRK bestehenden Möglichkeit, die Kognitionsbefugnis der Rechtsmittelinstanz zu beschränken, entgegenstünde. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Unschuldsvermutung des Art6 Abs2 EMRK (auch) einen Aspekt des Rechts auf eine faires Verfahren gemäß Art6 EMRK darstellt.

2.4. Zur behaupteten Verletzung des Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 Abs1 B‑VG:

2.4.1. Der Gleichheitsgrundsatz setzt dem Gesetzgeber insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s. etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002). Diese Schranken sind im vorliegenden Fall nicht überschritten. Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (zB VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000 und 16.814/2003).

2.4.2. Nach dem System der Strafprozeßordnung 1975 können Urteile im bezirksgerichtlichen Verfahren sowie im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichtes mit sog. "voller Berufung" (§§464, 489 Abs1 StPO) in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht bekämpft werden, wobei mittels Berufung gegen den Ausspruch über die Schuld auch die Anfechtung der Tatfrage zulässig ist. Demgegenüber ist die Überprüfbarkeit der Beweiswürdigung im Rahmen schöffengerichtlicher sowie geschworenengerichtlicher Verfahren nur im Umfang der Nichtigkeitsgründe nach §281 Abs1 Z5 und 5a bzw. §345 Abs1 Z10a StPO möglich. Durch diese Unterscheidung zwischen der Überprüfbarkeit von Entscheidungen eines Richtersenats gegenüber einzelrichterlichen Entscheidungen hat der Gesetzgeber entgegen dem Antragsvorbringen keine unsachliche Regelung getroffen, sondern vielmehr in zulässiger Weise den Unterschieden im Tatsächlichen Rechnung getragen. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes kann dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er kollegialgerichtlichen Urteilen eine höhere Richtigkeitsgewähr zumisst als den Urteilen eines Einzelrichters. Es steht dem Gesetzgeber nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes grundsätzlich frei, sich in unterschiedlichen Verfahrensbereichen für eigenständige Ordnungssysteme zu entscheiden, die deren jeweiligen Erfordernissen und Besonderheiten Rechnung tragen, sofern die betreffenden Verfahrensgesetze in sich gleichheitskonform gestaltet sind (VfSlg 19.831/2013; vgl. auch VfSlg 18.632/2008; OGH 24.4.1980, 13 Os 166/79; 28.9.1993, 14 Os 135/92; 13.6.2006, 14 Os 25/06t).

2.5. Zur behaupteten Verletzung des Rechtsstaatsprinzipes iSv Art18 B‑VG:

2.5.1. Der Verfassungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit dem rechtsstaatlichen Prinzip bereits mehrfach das Postulat der faktischen Effektivität des Rechtsschutzes betont (vgl. etwa VfSlg 17.340/2004, 19.969/2015). Aus diesem Prinzip ergibt sich auch, dass der Zugang zu den jeweiligen Rechtsschutzeinrichtung nicht ungebührlich eingeschränkt werden darf (vgl. auch VfGH 13.12.2016, G248/2016).

2.5.2. Auch in diesem Zusammenhang kann auf die Ausführungen unter Punkt 2.2.6. verwiesen werden.

2.6. Die angefochtene Wortfolge in §281 Abs1 Z5a StPO verstößt daher nicht gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Zugang zu Gericht sowie auf ein faires Verfahren gemäß Art6 Abs1 EMRK, auf Unschuldsvermutung gemäß Art6 Abs2 EMRK, auf ein Rechtsmittel in Strafsachen gemäß Art2 7. ZPEMRK, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 Abs1 B‑VG bzw. gegen das Rechtsstaatsprinzip iSv Art18 B‑VG.

2.7. Der Antragsteller begründet die Verfassungswidrigkeit des §207a Abs3 StGB im Wesentlichen damit, dass dieser die Strafbarkeit in unsachlicher Weise an das "Verschaffen" pornographischer Darstellungen knüpfe. Da die Strafbarkeit hiedurch vom Besitz und folglich auch vom Willen der betroffenen Person losgelöst werde, verstoße die angefochtene Bestimmung gegen Art2 StGG und Art7 Abs1 B‑VG.

2.7.1. Mit diesem Vorbringen zeigt der Antragsteller keine Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmung auf: Wie die Materialien zu §207a Abs3 StGB, der den Besitz und das Sich-Verschaffen von pornographischen Darstellungen einer minderjährigen Person unter Strafe stellt, ausführen, kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass dieser Tatbestand eine von Willensmomenten losgelöste Strafbarkeit statuiere (AB 1848 BlgNR 18. GP 3):

"Abs2 bezieht das Sichverschaffen und den Besitz (bildlicher) pornographischer Darstellungen mit Unmündigen (im Sinne des Abs1) in die Strafbarkeit ein. Ein Tatobjekt verschafft sich, wer daran (durch eigenes Zutun) Gewahrsam erlangt. Ein Tatobjekt besitzt, wer daran allein oder gemeinsam mit anderen Gewahrsam hat, also die tatsächliche und unmittelbare Herrschaft über den Tatbestand ausüben kann. Strafbarer Versuch (§15 StGB) kommt begrifflich für die Tathandlung des Sichverschaffens, nicht aber für die des Besitzens in Betracht.

 

[…]

 

[…] Der subjektive Tatbestand des §207 a (Abs1 und 2) verlangt – zumindest bedingt – vorsätzliche Begehung. Der Vorsatz muß sich auf alle Tatbestandsmerkmale beziehen.

 

Wer ungewollt in den Besitz pornographischer Darstellungen mit Unmündigen gelangt, wird sie vernichten oder sich ihrer sonst entledigen müssen, um sich nicht strafbar zu machen. […]"

 

2.7.2. Wie die Bundesregierung zutreffend ausführt, ist für die Abgrenzung der Tathandlungen des "Sich-Verschaffens" und des "Besitzes" iSd §207a Abs3 StGB ausschließlich die Frage relevant, ob der Täter durch oder ohne eigenes Zutun Gewahrsame am Tatobjekt erlangt hat. Da auch für den Tatbestand, dass sich eine Person kinderpornographische Darstellungen iSd §207a Abs3 StGB "verschafft", zumindest bedingter Vorsatz iSd §5 Abs1 StGB erforderlich ist, treffen die Bedenken des Antragstellers nicht zu.

2.8. §207a Abs3 StGB verstößt daher nicht gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B‑VG.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte