Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des Christoph K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.
Danach hat er am 14. Oktober 2010 in Wien unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer paranoiden Schizophrenie beruht, eine fremde bewegliche Sache, nämlich ein Paar Rauhlederhandschuhe im Wert von 30 Euro Gewahrsamsträgern des Unternehmens „H*****“ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, indem er diese aus einem Korb entnahm und in seine Jacke steckte, wobei er, bei dem Diebstahl auf frischer Tat betreten, Gewalt gegen die Verkäuferin Brigitte W***** anwendete und sie mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) bedrohte, um sich die weggenommene Sache zu erhalten, indem er sie an der „Gurgel“ ergriff und äußerte, „Greif mich ja nicht mehr an, weil sonst passiert etwas Schlimmeres, die Handschuhe gehören jetzt mir, geh weg, sonst tue ich dir was“, und dadurch das Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach (richtig:) §§ 127, 131 erster Fall StGB begangen.
Die dagegen vom Betroffenen aus Z 5, 5a, 9 lit b und 10, der Sache nach auch aus Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.
Rechtliche Beurteilung
Der Mängelrüge ist Folgendes voranzustellen:
Dem erkennenden Gericht ist aufgetragen, die Urteilsbegründung in gedrängter Darstellung abzufassen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO). Es ist nicht verpflichtet, den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen oder überhaupt sämtliche Verfahrensergebnisse zu erörtern und darauf zu untersuchen, wieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen (Fabrizy StPO10 § 281 Rz 43).
Der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen aufgrund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher ist der Anfechtung mit Mängelrüge entzogen (RIS-Justiz RS0106588).
Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) liegt dann vor, wenn nicht unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt wurde oder auch aus welchen Gründen dies geschah (RIS-Justiz RS0117995).
Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ. Dem Rechtsmittelgericht obliegt dabei nur die Kontrolle, ob alles aus seiner Sicht Bedeutsame erwogen wird, nicht aber der Inhalt dieser Erwägungen (RIS-Justiz RS0118316).
Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat (RIS-Justiz RS0119422).
Mit sich im Widerspruch (Z 5 dritter Fall) ist ein Urteil unter anderem dann, wenn das Gericht entscheidende Tatsachen als nebeneinander bestehend feststellt, die einander nach den Gesetzen logischen Denkens ausschließen oder nicht nebeneinander bestehen können (RIS-Justiz RS0117402 [T15]).
Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (RIS-Justiz RS0118317).
Aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) sind die Entscheidungsgründe, wenn sie den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergeben (RIS-Justiz RS0099547).
Die Mängelrüge lässt die Ausrichtung an diesen Anfechtungskriterien weitgehend vermissen.
Dass die Angaben der als glaubwürdig erachteten Brigitte W***** nicht völlig widerspruchsfrei waren, bezogen die Tatrichter in ihre Überlegungen mit ein. Sie legten auch im Einklang mit den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen dar, weshalb sie die Depositionen der Zeugin dennoch als verlässlich erachteten (US 7). Soweit der Beschwerdeführer dies als lebensfremd bezeichnet, bekämpft er unzulässig die Beweiswürdigung.
Entgegen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) hat sich das Erstgericht mit der Einlassung des Betroffenen auseinandergesetzt, wonach er die auf Wiedererlangung der Handschuhe gerichtete Intention der Brigitte W***** nicht eindeutig verstanden und sich angegriffen gefühlt habe. Dabei legten die Tatrichter dem Maßstab der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) entsprechend dar, weshalb sie der Verantwortung des Christoph K***** nicht folgten, sondern vom Streben nach Erhaltung der Sachherrschaft ausgingen (US 8).
In diesem Zusammenhang ist ohne Bedeutung, ob sich Brigitte W***** nach dem Diebstahl im Zug der Anhaltung gleich als Verkäuferin zu erkennen gab.
Die Mängelrüge verkennt den von einer Schuldberufung verschiedenen Anfechtungsrahmen, indem sie Erwägungen der Tatrichter zur Annahme der subjektiven Tatseite, insbesondere zum Bereicherungsvorsatz (US 8), bekämpft, indem sie ihnen die als widerlegt erachtete Einlassung des Betroffenen entgegensetzt.
Das Verlangen nach Feststellung eines bloßen Provokationswillens des Betroffenen im Rahmen der Mängelrüge zeigt keinen Rechtsfehler iSd § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO (RIS-Justiz RS0099810; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581) auf, sondern übergeht unzulässig die entgegengesetzten, zum Bereicherungsvorsatz und zum Willen auf Sacherhalt getroffenen Konstatierungen (US 5).
Der Vorwurf von Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) ist nicht nur unzutreffend (ON 50 S 7 und 15), sondern auch unschlüssig, weil die Mängelrüge die dem im Urteil referierten Tatsachengeständnis entsprechende Verantwortungspassage selbst zitiert.
Mit Blick auf den konstatierten Griff an den Hals (vgl US 4 f), der dem Gewaltbegriff des § 131 StGB entspricht, betrifft die Kritik (Z 5 zweiter Fall) an den zur Drohung getroffenen Feststellungen keine entscheidende Tatsache.
Den in der Beschwerde hervorgehobenen Angaben der Monika V***** hinsichtlich des Vorfalls vom 19. September 2010 kommt ausschließlich im Zusammenhang mit der Gefährlichkeitsprognose Relevanz zu.
Gleiches gilt für die vorgetragene Kritik am Sachverständigengutachten:
Die Anordnung einer Maßnahme nach § 21 StGB stellt einen Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 3 StPO dar, der mit Berufung und lediglich nach Maßgabe des § 281 Abs 1 Z 11 StPO (aus Z 11 erster Fall zudem iVm Z 2 bis 5a) auch mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft werden kann. Nichtigkeit des Sanktionsausspruchs nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO liegt vor, wenn die in Frage gestellte Gefährlichkeitsprognose zumindest eine der in § 21 Abs 1 StGB genannten Erkenntnisquellen (Person, Zustand des Rechtsbrechers und Art der Tat) vernachlässigt oder die Feststellungsgrundlage die Ableitung der Befürchtung der Begehung von strafbaren Handlungen mit schweren Folgen als willkürlich erscheinen lässt (vgl Ratz in WK² Vorbem zu §§ 21 bis 25 Rz 8 ff mwN; ders, WK-StPO § 281 Rz 715 ff; RIS-Justiz RS0118581, RS0113980, RS0090341).
Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist die von den Tatrichtern aus dem schizophrenen Krankheitsbild (US 2), dem wahnhaftgeprägten Realitätsverhalten des Betroffenen (US 9), den gegen den Bauch gerichteten Tätlichkeiten gegenüber Monika V*****, die ihn lediglich ersucht hatte, seinen Hund anzuleinen (US 4), der mangelnden Krankheitseinsicht (US 5) sowie der Art der Tat abgeleitete hohe Befürchtung der Begehung einer Prognosetat, also einer mit Strafe bedrohten Handlung, welche schwere Folgen nach sich zieht, nach den Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungssätzen nicht zu beanstanden.
Soweit der Beschwerdeführer gegen die gesetzeskonform auf alle Prognosekriterien gegründete Ermessensentscheidung der Tatrichter vorbringt, von einem psychisch Kranken wie ihm sei eben keine Krankheitseinsicht zu erwarten, zeigt er keine Nichtigkeit auf.
Gleiches gilt, wenn die Rüge ohne Ableitung aus dem Gesetz behauptet, nur Umstände der Anlasstat seien bei der Gefährlichkeitsprognose zu berücksichtigen.
Indem der Betroffene ohne einen Mangel iSd § 127 Abs 3 StPO oder ein erfolglos gebliebenes Verbesserungsverfahren aufzuzeigen, das Sachverständigengutachten des Univ.-Prof. Dr. Helmut P***** als „unschlüssig“ kritisiert, bekämpft er unzulässig die erstrichterliche Beweiswürdigung (vgl RIS-Justiz RS0117263; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351).
Einen Rechtsfehler prozessordnungsgemäß aufzuzeigen, verlangt striktes Festhalten an den im Urteil getroffenen Konstatierungen.
An diesem Erfordernis geht die Subsumtionsrüge (Z 10) vorbei (vgl die auf US 4 konstatierte Beobachtung, Verfolgung und Anhaltung durch die Verkäuferin), indem sie die Betretung des Betroffenen auf frischer Tat bestreitet und argumentiert, die Tatsituation, auf die § 131 StGB abstelle, sei bereits beendet gewesen.
Die weitere Rüge verfehlt gleichfalls die Ausrichtung am Verfahrensrecht, wenn sie die Urteilsfeststellungen zum Bereicherungsvorsatz (US 5) bestreitet.
Der Einwand, wonach der konstatierte Griff an den Hals und das Wegstoßen keine Gewalt iSd § 131 StGB darstelle, weil es unter der typischen Erheblichkeitsschwelle liege, entbehrt der gebotenen Ableitung aus dem Gesetz (RIS-Justiz RS0116569; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).
Als nicht an der Prozessordnung orientiert erweist sich das entgegen den Urteilsannahmen (US 5 und 8) eine Notwehrsituation behauptende Beschwerdevorbringen (Z 9 lit b).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
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