Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art10
B-VG Art12
B-VG Art18
B-VG Art140 Abs1 Z2
BVG über die Rechte von Kindern Art1
Sozialhilfe-GrundsatzG §1, §3, §4, §5, §6, §7, §9, §10
Sozialhilfe-StatistikG §1
DSG §1
ASVG §293
IntegrationsG §4
VfGG §7 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2019:G164.2019
Spruch:
I. §5 Abs2 Z3 und §5 Abs6 bis 9 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, BGBl I Nr 41/2019, sowie §1 Abs1 Sozialhilfe-Statistikgesetz, BGBl I Nr 41/2019, werden als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Bundeskanzlerin ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
II. Der Antrag wird abgewiesen, soweit er sich gegen §1, §3 Abs6, §4 Abs1 und Abs2 Z3, §5 Abs2 Z1, 2, 4 und 5 sowie Abs3, 4 und 5, §7 Abs1 und 6, §9 Abs3, die Wortfolge "innerhalb von sieben Monaten" in §10 Abs2 sowie §10 Abs3 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, BGBl I Nr 41/2019, richtet.
III. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z2 B‑VG gestützten Antrag begehren 21 Mitglieder des Bundesrates, der Verfassungsgerichtshof möge
"1.
1.1 §4 Abs1 und §4 Abs2, Zif. 3 SH-GG wegen Verstoßes gegen die Kompetenzbestimmung des Art12 Abs1 Zif. 1 B‑VG;
1.2 §3 Abs5 und §5 Abs9 SH-GG wegen Verstoßes gegen die Kompetenzbestimmung des Art12 Abs1 Zif. 1 B‑VG;
1.3 §3 Abs6 SH-GG, §5 Abs2 bis Abs9 SH-GG, §7 Abs1 und Abs6 SH-GG sowie §9 Abs3 SH-GG wegen Verstoßes gegen die Kompetenzbestimmung des Art12 Abs1 Zif. 1 B‑VG;
2.
2.1 §5 Abs3 SH-GG wegen Verstoß[es] gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B‑VG und Art2 StGG und Verstoß[es] gegen das Legalitätsprinzip gem. Art18 Abs1 B‑VG;
2.2 §1 SH-GG sowie §5 Abs6 bis 9 SH-GG wegen Verstoßes gegen Art12 B‑VG;
3.
3.1 §5 Abs2 und 3 SH-GG wegen Verstoß[es] gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B‑VG und Art2 StGG;
3.2 §5 Abs4 SH-GG wegen Verstoßes gegen Art7 B‑VG und wegen Verstoßes gegen das Legalitätsprinzip;
3.3 §5 Abs3 und 4 sowie 6 bis 9 SH-GG wegen Verstoß[es] gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B‑VG und Art2 StGG und Verstoß[es] gegen §1 BVG zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung;
3.4 die Wendung 'innerhalb von sieben Monaten' in §10 Abs2 SH-GG – in eventu §10 Abs2 SH-GG zur Gänze - sowie §10 Abs3 SH-GG wegen Verstoß[es] gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B‑VG und Art2 StGG;
4. §5 Abs2 Zif. 2 litc) SH-GG wegen Verstoß[es] gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B‑VG und Art2 StGG und Verstoß[es] gegen Art1 BVG über die Rechte von Kindern;
5. §7 Abs6 SH-GG wegen Verstoß[es] gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B‑VG und Art2 StGG;
6. §5 Abs7, letzter Satz SH-GG wegen Verstoß[es] gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B‑VG und Art2 StGG;
7. §1 Abs1 und 2 Sozialhilfe-Statistikgesetz wegen Verstoß[es] gegen das Grundrecht auf Datenschutz gem. §1 DSG 2018 sowie Verstoß[es] gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B‑VG und Art2 StGG;
als verfassungswidrig aufheben."
II. Rechtslage
1. Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (im Folgenden: SH-GG), BGBl I 41/2019, lautet wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"Ziele
§1. Leistungen der Sozialhilfe aus öffentlichen Mitteln sollen
1. zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohnbedarfs der Bezugsberechtigten beitragen,
2. integrationspolitische und fremdenpolizeiliche Ziele berücksichtigen und
3. insbesondere die (Wieder-)Eingliederung von Bezugsberechtigten in das Erwerbsleben und die optimale Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes weitest möglich fördern.
Bedarfsbereiche
§2. (1) Sozialhilfe im Sinne dieses Bundesgesetzes umfasst Geld- oder Sachleistungen, die zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohnbedarfs gewährt werden.
(2) Der allgemeine Lebensunterhalt umfasst den regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege sowie sonstige persönliche Bedürfnisse wie die angemessene soziale und kulturelle Teilhabe.
(3) Der Wohnbedarf umfasst den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete, Hausrat, Heizung und Strom, sonstige allgemeine Betriebskosten und Abgaben.
(4) Dieses Bundesgesetz berührt nicht sonstige Leistungen der Sozialhilfe, die zum Schutz bei Alter, Schwangerschaft, Krankheit und Entbindung oder zur Deckung eines Sonderbedarfs bei Pflege oder Behinderung erbracht werden. Gleiches gilt für besondere landesgesetzliche Vorschriften, aufgrund derer Leistungen infolge eines Pflegebedarfs oder einer Behinderung gewährt werden.
(5) Landesgesetzliche Vorschriften, die ausschließlich der Minderung eines Wohnaufwandes gewidmet sind und an eine soziale Bedürftigkeit anknüpfen, unterliegen nicht den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes. Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass ein gleichzeitiger Bezug dieser Leistungen (mit Ausnahme von Heizkostenzuschüssen) und monatlicher Leistungen gemäß §5 ausgeschlossen ist.
Allgemeine Grundsätze
§3. (1) Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass Leistungen der Sozialhilfe nur nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes und aufgrund der entsprechenden Ausführungsgesetze gewährt werden.
(2) Leistungen der Sozialhilfe sind nur Personen zu gewähren, die von einer sozialen Notlage betroffen und bereit sind, sich in angemessener und zumutbarer Weise um die Abwendung, Milderung oder Überwindung dieser Notlage zu bemühen.
(3) Leistungen der Sozialhilfe sind subsidiär und nur insoweit zu gewähren, als der Bedarf nicht durch eigene Mittel des Bezugsberechtigten oder durch diesem zustehende und einbringliche Leistungen Dritter abgedeckt werden kann.
(4) Leistungen der Sozialhilfe sind von der dauerhaften Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft und von aktiven, arbeitsmarktbezogenen Leistungen der Bezugsberechtigten abhängig zu machen, soweit dieses Bundesgesetz keine Ausnahmen vorsieht.
(5) Leistungen der Sozialhilfe sind vorrangig als Sachleistungen vorzusehen, soweit dadurch eine höhere Effizienz der Erfüllung der Leistungsziele zu erwarten ist. Leistungen für den Wohnbedarf sind, sofern dies nicht unwirtschaftlich oder unzweckmäßig ist, in Form von Sachleistungen zu gewähren. Als Sachleistung gilt auch die unmittelbare Entgeltzahlung an eine Person, die eine Sachleistung zugunsten eines Bezugsberechtigten erbringt.
(6) Bedarfszeitraum ist der tatsächliche und rechtmäßige Aufenthalt im Inland, frühestens jedoch ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung. Die Landesgesetzgebung hat Leistungen der Sozialhilfe mit längstens zwölf Monaten zu befristen. Ausnahmen können für dauerhaft erwerbsunfähige Bezugsberechtigte vorgesehen werden. Eine neuerliche Zuerkennung befristeter Leistungen der Sozialhilfe ist zulässig, wenn die Anspruchsvoraussetzungen weiterhin vorliegen.
(7) Zuständig für die Gewährung von Sozialhilfe ist jenes Land, in dem die Person, die Leistungen der Sozialhilfe geltend macht, ihren Hauptwohnsitz (Art6 Abs3 B‑VG) und ihren tatsächlichen dauernden Aufenthalt hat.
Ausschluss von der Bezugsberechtigung
§4. (1) Leistungen der Sozialhilfe sind unbeschadet zwingender völkerrechtlicher oder unionsrechtlicher Verpflichtungen ausschließlich österreichischen Staatsbürgern und Asylberechtigten, im Übrigen nur dauerhaft niedergelassenen Fremden zu gewähren, die sich seit mindestens fünf Jahren dauerhaft tatsächlich und rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Vor Ablauf dieser Frist sind aufenthaltsberechtigte EU-/EWR-Bürger, Schweizer Bürger und Drittstaatsangehörige österreichischen Staatsbürgern nur insoweit gleichzustellen, als eine Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe aufgrund völkerrechtlicher oder unionsrechtlicher Vorschriften zwingend geboten ist und dies im Einzelfall nach Anhörung der zuständigen Fremdenbehörde (§3 NAG) festgestellt wurde. Subsidiär Schutzberechtigten sind ausschließlich Kernleistungen der Sozialhilfe zu gewähren, die das Niveau der Grundversorgung (BGBl I Nr 80/2004) nicht übersteigen.
(2) Von Leistungen der Sozialhilfe auszuschließen sind
1. Personen ohne tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet;
2. Asylwerber;
3. ausreisepflichtige Fremde;
4. Personen, die wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener gerichtlich strafbarer Handlungen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zumindest sechs Monaten verurteilt wurden, für den Zeitraum der Verbüßung ihrer Strafhaft in einer Anstalt (§8 StVG).
(3) Die Landesgesetzgebung kann ergänzende Regelungen über einen temporären oder dauerhaften Ausschluss von der Bezugsberechtigung treffen.
Monatliche Leistungen der Sozialhilfe
§5. (1) Die Landesgesetzgebung hat Leistungen der Sozialhilfe in Form von Sachleistungen oder monatlicher, zwölf Mal im Jahr gebührender pauschaler Geldleistungen zur Unterstützung des Lebensunterhalts sowie zur Befriedigung eines ausreichenden und zweckmäßigen, das Maß des Notwendigen aber nicht überschreitenden Wohnbedarfs vorzusehen.
(2) Die Landesgesetzgebung hat Leistungen gemäß Abs1 im Rahmen von Haushaltsgemeinschaften degressiv abgestuft festzulegen. Eine Haushaltsgemeinschaft bilden mehrere in einer Wohneinheit oder Wohngemeinschaft lebende Personen, soweit eine gänzliche oder teilweise gemeinsame Wirtschaftsführung nicht aufgrund besonderer Umstände ausgeschlossen werden kann. Die Summe der Geld- und Sachleistungen gemäß Abs1 darf die in Abs2 Z1 bis 4 festgelegten Höchstsätze pro Person und Monat auf Basis des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende nicht übersteigen:
1. für eine alleinstehende oder alleinerziehende Person …………………… 100%
2. für in Haushaltsgemeinschaft lebende volljährige Personen
a) pro leistungsberechtigter Person ……………………………………………………. 70%
b) ab der dritten leistungsberechtigten volljährigen Person ……………….. 45%
3. für in Haushaltsgemeinschaft lebende unterhaltsberechtigte minderjährige Personen, für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht
a) für die erste minderjährige Person …………………………………………………. 25%
b) für die zweite minderjährige Person ……………………………………………….. 15%
c) ab der dritten minderjährigen Person ……………………………………………….. 5%
4. Zuschläge, die alleinerziehenden Personen zur weiteren Unterstützung des Lebensunterhalts gewährt werden können:
a) für die erste minderjährige Person …………………………………………………. 12%
b) für die zweite minderjährige Person …………………………………………………. 9%
c) für die dritte minderjährige Person …………………………………………………… 6%
d) für jede weitere minderjährige Person ……………………………………………… 3%
5. Zuschläge, die volljährigen und minderjährigen Personen mit Behinderung (§40 Abs1 und 2 BBG) zur weiteren Unterstützung des Lebensunterhalts zu gewähren sind, sofern nicht besondere landesgesetzliche Bestimmungen, die an eine Behinderung anknüpfen, höhere Leistungen vorsehen:
pro Person …………………………………………………………………………………………. 18%
(3) Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass die Summe aller Geldleistungen der Sozialhilfe, die unterhaltsberechtigten minderjährigen Personen einer bestimmten Haushaltsgemeinschaft aufgrund einer Berechnung gemäß §5 zur Verfügung stehen soll, rechnerisch gleichmäßig – mit Ausnahme von Leistungen gemäß §5 Abs2 Z5 – auf alle unterhaltsberechtigten minderjährigen Personen aufgeteilt wird.
(4) Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass die Summe aller Geldleistungen der Sozialhilfe, die volljährigen Bezugsberechtigten innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft aufgrund einer Berechnung gemäß §5 zur Verfügung stehen soll, pro Haushaltsgemeinschaft mit 175% des Netto‑Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende begrenzt wird. Bei Überschreitung der Grenze sind die Geldleistungen pro volljährigem Bezugsberechtigten in dem zur Vermeidung der Grenzüberschreitung erforderlichen Ausmaß anteilig zu kürzen. Geldleistungen zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts im Ausmaß von bis zu 20% des Netto‑Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende pro Person sowie Geldleistungen an Bezugsberechtigte gemäß Abs6 Z1 bis 8 können von der anteiligen Kürzung ausgenommen werden.
(5) Sachleistungen sind im Ausmaß ihrer angemessenen Bewertung auf Geldleistungen anzurechnen. Die Landesgesetzgebung kann vorsehen, dass auf Antrag des Bezugsberechtigten oder von Amts wegen Leistungen zur Befriedigung des gesamten Wohnbedarfs anstelle von Geldleistungen in Form von Sachleistungen erbracht werden. Diesfalls können bis zu 70% der Bemessungsgrundlage gemäß Abs2 und Abs6 ausschließlich in Form von Sachleistungen zur Befriedigung des Wohnbedarfs erbracht und pauschal mit 40% bewertet werden, sodass 60% der Bemessungsgrundlage in Form von Geld- oder Sachleistungen zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts zur Verfügung verbleiben (Wohnkostenpauschale).
(6) Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass ein monatlicher Mindestanteil in Höhe von 35% der Leistung gemäß Abs2 Z1 und 2 von der Voraussetzung der Vermittelbarkeit am österreichischen Arbeitsmarkt im Sinne der Abs7 bis 9 abhängig gemacht wird (Arbeitsqualifizierungsbonus). Von der Vermittelbarkeit am österreichischen Arbeitsmarkt und von der dauerhaften Bereitschaft zum Einsatz ihrer Arbeitskraft (§3 Abs4) ist für Personen abzusehen, die
1. das Regelpensionsalter nach dem ASVG erreicht haben;
2. Betreuungspflichten gegenüber Kindern haben, welche das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und keiner Beschäftigung nachgehen können, weil keine geeigneten Betreuungsmöglichkeiten bestehen;
3. pflegebedürftige Angehörige (§123 ASVG), welche ein Pflegegeld mindestens der Stufe 3, bei nachweislich demenziell erkrankten oder minderjährigen pflegebedürftigen Personen mindestens ein Pflegegeld der Stufe 1 (§5 BPGG) beziehen, überwiegend betreuen;
4. Sterbebegleitung oder Begleitung von schwersterkrankten Kindern (§§14a, 14b AVRAG) leisten;
5. in einer zielstrebig verfolgten Erwerbs- oder Schulausbildung stehen, die bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres begonnen wurde oder den erstmaligen Abschluss einer Lehre zum Ziel hat;
6. Grundwehrdienst oder Zivildienst leisten;
7. von Invalidität (§255 Abs3 ASVG) betroffen oder
8. aus vergleichbar gewichtigen, besonders berücksichtigungswürdigen Gründen am Einsatz ihrer Arbeitskraft gehindert sind.
(7) Eine Vermittelbarkeit am österreichischen Arbeitsmarkt im Sinne dieses Bundesgesetzes ist anzunehmen, wenn
1. zumindest das Sprachniveau B1 (Deutsch) oder C1 (Englisch) gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und
2. die Erfüllung der integrationsrechtlichen Verpflichtungen (§16c Abs1 IntG) oder hilfsweise, sofern dies aufgrund einer österreichischen Staatsbürgerschaft oder Unionsbürgerschaft des Bezugsberechtigten nicht in Betracht kommt, der Abschluss einer geeigneten beruflichen Qualifizierungsmaßnahme
nachgewiesen werden. Der Nachweis der ausreichenden Sprachkenntnisse ist durch einen österreichischen oder gleichwertigen Pflichtschulabschluss mit Deutsch als primärer Unterrichtssprache, ein aktuelles Zertifikat des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) oder eine aktuelle Spracheinstufungsbestätigung des ÖIF oder, sofern ausreichende Sprachkenntnisse angesichts der Erstsprache des Bezugsberechtigten offenkundig sind, durch persönliche Vorsprache vor der Behörde zu erbringen.
(8) Vom Erfordernis der Vermittelbarkeit am österreichischen Arbeitsmarkt sind solche Bezugsberechtigte auszunehmen,
1. deren Behinderung einen erfolgreichen Spracherwerb gemäß Abs7 Z1 ausschließt;
2. die über einen Pflichtschulabschluss mit Deutsch als primärer Unterrichtssprache verfügen oder
3. die ein monatliches Nettoeinkommen aus selbständiger oder unselbständiger Tätigkeit in Höhe von mindestens 100% des Netto‑Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende erzielen.
(9) Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass Personen, deren Vermittelbarkeit am österreichischen Arbeitsmarkt aus nicht in Abs6 genannten, in der Person des Bezugsberechtigten gelegenen Gründen, insbesondere aufgrund tatsächlich mangelhafter Sprachkenntnisse oder aufgrund einer mangelhaften Schul- oder Ausbildung eingeschränkt ist, Leistungen der Sozialhilfe gemäß Abs2 nur abzüglich des Arbeitsqualifizierungsbonus gemäß Abs6 gewährt werden. Die Landesgesetzgebung hat als Ersatz für den Differenzbetrag sprachqualifizierende Sachleistungen bei vom ÖIF-zertifizierten Kursträgern oder sonst, sofern bereits ausreichende Sprachkenntnisse bestehen (Abs7 Z1), geeignete berufsqualifizierende Sachleistungen vorzusehen, die jeweils eine Überwindung der eingeschränkten Vermittelbarkeit bezwecken. Der Wert der Ersatzleistung darf die Höhe des Differenzbetrages bzw des Arbeitsqualifizierungsbonus gemäß Abs6 nicht unterschreiten.
Zusatzleistungen zur Vermeidung besonderer Härtefälle
§6. Sofern es im Einzelfall zur Vermeidung besonderer Härtefalle notwendig ist, können durch die Landesgesetzgebung zusätzliche Leistungen zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts oder zur Abdeckung außerordentlicher Kosten des Wohnbedarfs in Form zusätzlicher Sachleistungen gewährt werden, soweit der tatsächliche Bedarf durch pauschalierte Leistungen nach §5 nicht abgedeckt ist und dies im Einzelnen nachgewiesen wird.
Berücksichtigung von Leistungen Dritter und eigenen Mitteln
§7. (1) Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass bei der Bemessung von Leistungen der Sozialhilfe alle zur Deckung der eigenen Bedarfe zur Verfügung stehenden Leistungen Dritter, sonstige Einkünfte und verwertbares Vermögen – auch im Ausland – angerechnet werden. Zu den Leistungen Dritter zählen auch sämtliche öffentlichen Mittel zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs sowie jener Teil des Einkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Angehörigen bzw des Lebensgefährten, der eine für diese Person gemäß §5 vorgesehene Bemessungsgrundlage übersteigt. Leistungen, die einer Person aufgrund der Bemessungsgrundlage gemäß §5 zur Verfügung stehen sollen, sind in einem der Anrechnung entsprechenden Ausmaß zu reduzieren.
(2) Leistungen der Sozialhilfe sind davon abhängig zu machen, dass die diese Leistungen geltend machende Person bedarfsdeckende Ansprüche gegen Dritte verfolgt, soweit dies nicht offenbar aussichtslos oder unzumutbar ist. Die Zulässigkeit einer unmittelbar erforderlichen Unterstützung bleibt unberührt. Die Ansprüche können auch zu deren Rechtsverfolgung an den zuständigen Träger übertragen werden.
(3) Leistungen, die aufgrund des AlVG erbracht werden, sind auf Leistungen der Sozialhilfe anzurechnen. Ansprüche, die dem Bezugsberechtigten aufgrund des AlVG grundsätzlich zustehen, aber aufgrund eines zurechenbaren Fehlverhaltens des Bezugsberechtigten verloren gehen, dürfen nur bis zum Höchstausmaß von 50 % des Differenzbetrages durch Leistungen der Sozialhilfe ausgeglichen werden.
(4) Die Familienbeihilfe (§8 FLAG), der Kinderabsetzbetrag (§33 Abs3 EStG) und die Absetzbeträge gemäß §33 Abs4 EStG sind nicht anzurechnen. Keiner Anrechnung unterliegen auch freiwillige Geldleistungen der freien Wohlfahrtspflege oder Leistungen von Dritten, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, es sei denn, diese Leistungen werden bereits für einen ununterbrochenen Zeitraum von vier Monaten gewährt oder erreichen ein Ausmaß, sodass keine Leistungen der Sozialhilfe mehr erforderlich wären. Darüber hinaus können Heizkostenzuschüsse, die aus öffentlichen Mitteln gewährt werden, von der Anrechnung ausgenommen werden.
(5) Eine Anrechnung von öffentlichen Mitteln hat insoweit zu unterbleiben, als diese der Deckung eines Sonderbedarfs dienen, der nicht durch Leistungen der Sozialhilfe im Sinne dieses Bundesgesetzes berücksichtigt wird. Dies gilt insbesondere für Leistungen, die aufgrund von Behinderung oder eines Pflegebedarfs des Bezugsberechtigten gewährt werden. Die Landesgesetzgebung hat diese Leistungen im Einzelnen zu bezeichnen.
(6) Personen, die während des Bezuges von Leistungen der Sozialhilfe eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, ist ein anrechnungsfreier Freibetrag von bis zu 35 % des hieraus erzielten monatlichen Nettoeinkommens und für eine Dauer von höchstens zwölf Monaten einzuräumen.
(7) Bezugsberechtigte sind zur Abgabe eines Einkommens- und Vermögensverzeichnisses, zur Vorlage geeigneter Urkunden zum Nachweis ihrer wirtschaftlichen Situation sowie zur unverzüglichen Bekanntgabe nachträglicher Änderungen, längstens binnen eines Monats zu verpflichten.
(8) Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass das Vermögen des Bezugsberechtigten keiner Anrechnung oder Verwertung unterliegt,
1. wenn dadurch eine Notlage erst ausgelöst, verlängert oder deren Überwindung gefährdet werden könnte;
2. wenn dieses der Deckung des unmittelbaren Wohnbedarfes der Person, die Leistungen der Sozialhilfe geltend macht oder ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen dient (Wohnvermögen); insoweit kann die Landesgesetzgebung hinsichtlich solcher Leistungen, die nach drei unmittelbar aufeinander folgenden Jahren eines Leistungsbezugs weiterhin zu gewähren sind, die grundbücherliche Sicherstellung einer entsprechenden Ersatzforderung gegenüber dem Bezugsberechtigten vorsehen;
3. soweit das verwertbare Vermögen einen Wert von 600 % des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende nicht übersteigt (Schonvermögen).
Datenverarbeitung und Statistik
§8. (1) Die Landesgesetzgebung hat Ermächtigungen zur Erhebung und zur Verarbeitung sämtlicher Daten vorzusehen, die zu Zwecken der Aufrechterhaltung des österreichischen Sozialhilfewesens und zwar zur Feststellung der Voraussetzungen und der Höhe einer Leistung der Sozialhilfe, für Kostenerstattungs- und Rückersatzverfahren, zu Zwecken der Kontrolle eines rechtmäßigen Leistungsbezugs sowie zur Vollziehung des Bundesgesetzes betreffend die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikgesetz) benötigt werden.
(2) Die Landesgesetzgebung hat zu Zwecken der Einrichtung und Aufrechterhaltung eines wirksamen Kontrollsystems (§9 Abs1) einen wechselseitigen Austausch sowie einen zeitnahen periodischen Abruf bezugsrelevanter Daten gemäß Abs1 zwischen den Sozialbehörden, den Meldebehörden, dem Bundesministerium für Inneres, dem Arbeitsmarktservice sowie dem Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) sicherzustellen.
Wirksames Kontrollsystem und Sanktionen
§9. (1) Die Landesgesetzgebung hat wirksame Kontrollsysteme einzurichten, um die gesamten tatsächlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse von Bezugsberechtigten periodisch zu überprüfen und die Rechtmäßigkeit des Bezugs von Leistungen der Sozialhilfe sowie deren widmungskonforme Verwendung nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes und der Ausführungsgesetze sicherzustellen.
(2) Die Landesgesetzgebung hat für Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Bereitschaft zum Einsatz der Arbeitskraft oder der Überwindung einer eingeschränkten Vermittelbarkeit am österreichischen Arbeitsmarkt, für den unrechtmäßigen Bezug, insbesondere aufgrund des Verschweigens von Einkünften bzw sonstiger anrechnungspflichtiger Leistungen oder aufgrund einer fehlerhaften oder unvollständigen Angabe der eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse, sowie für eine zweckwidrige Verwendung von Leistungen der Sozialhilfe wirksame und abschreckende Sanktionen vorzusehen, insbesondere Reduktionen bis zur gänzlichen Einstellung sowie Rückforderungen von Leistungen.
(3) Für eine schuldhafte Verletzung der Pflichten gemäß §16c Abs1 IntG sind Leistungskürzungen im Ausmaß von zumindest 25 % über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten vorzusehen.
Schluss- und Übergangsbestimmungen
§10. (1) Mit der Wahrnehmung der Rechte des Bundes gemäß Art15 Abs8 des Bundes-Verfassungsgesetzes ist die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler betraut.
(2) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Juni 2019 in Kraft. Ausführungsgesetze sind innerhalb von sieben Monaten nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes zu erlassen und in Kraft zu setzen.
(3) Ausführungsgesetze haben angemessene Übergangsbestimmungen vorzusehen, um eine allgemeine Überführung sämtlicher Ansprüche von Personen, die Leistungen aus einer bedarfsorientierten Mindestsicherung oder sonstiger Leistungen der Sozialhilfe aufgrund früherer landesgesetzlicher Bestimmungen bezogen haben, in den neuen Rechtsrahmen innerhalb eines Übergangszeitraums, der spätestens mit 1. Juni 2021 endet, zu gewährleisten. Durch gesetzliche Übergangsbestimmungen ist sicherzustellen, dass bestehende behördliche Rechtsakte oder privatrechtliche Vereinbarungen über die Zuerkennung von Leistungen einer bedarfsorientierten Mindestsicherung oder sonstiger Leistungen der Sozialhilfe im Sinne dieses Bundesgesetzes, die aufgrund der früheren Rechtslage erlassen wurden, außer Kraft treten und die Anspruchsvoraussetzungen gegenüber bisherigen Leistungsempfängern nach Maßgabe der neuen Rechtslage geprüft werden, um sämtliche Leistungen bis zum Ablauf des Übergangszeitraums an den Rahmen dieses Bundesgesetzes und der Ausführungsgesetze anzupassen.
2. Das Sozialhilfe-Statistikgesetz (im Folgenden: SH-SG), BGBl I 41/2019, lautet wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"§1. (1) Die Sozialversicherungsträger, der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, die Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice, der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) sowie sämtliche Behörden, insbesondere die Finanzbehörden, die Justizbehörden, die Meldebehörden und die Fremdenbehörden sind verpflichtet, den Ländern die zu Zwecken der Aufrechterhaltung und Vollziehung des österreichischen Sozialhilfewesens erforderlichen Daten, insbesondere zur Feststellung der Voraussetzungen und der Höhe einer Leistung der Sozialhilfe, für Kostenerstattungs- und Rückersatzverfahren sowie zu Zwecken der Kontrolle eines rechtmäßigen Leistungsbezugs verarbeitet werden (§8 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz), elektronisch zur Verfügung zu stellen.
(2) Die Länder haben der Bundesanstalt Statistik Österreich die statistisch relevanten Daten über die Bezugsberechtigten von Leistungen der Sozialhilfe zur Verfügung zu stellen, wie sie in der Anlage und in dem dort vorgesehenen Zeitplan festgelegt sind. Die Verarbeitung dieser Daten zu Zwecken der Erstellung einer bundesweiten Gesamtstatistik ist zulässig.
(3) Die Bundesanstalt Statistik Österreich hat auf Grundlage der übermittelten Daten eine regelmäßige Gesamtstatistik bzw eine Verlaufsstatistik über Leistungen der Sozialhilfe zu erstellen.
(4) Die Bundesanstalt Statistik Österreich hat die Daten gemäß der Anlage in die Transparenzdatenbank (Transparenzdatenbankgesetz 2012 – TDBG 2012, BGBl I Nr 99/2012, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 37/2018) zu Zwecken der Vollziehung des TDBG 2012 sowie der für den Vollzug beauftragten Bundesministerin zu übermitteln.
§2. (1) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betraut.
(2) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Juni 2019 in Kraft.
Anlage zu ArtII
Die Länder stellen der Bundesanstalt Statistik Österreich monatlich bis zum 15. des jeweiligen Folgemonats Merkmale über die Bezugsberechtigten von Leistungen der Sozialhilfe im Wege der automationsunterstützten Datenübermittlung zur Verfügung. Dazu gehören:
1. Auf Personenebene:
a) verschlüsseltes bereichsspezifisches Personenkennzeichen
aa) 'Amtliche Statistik' (vbPK-AS)
ab) für die Verarbeitung in der Transparenzdatenbank (vbPK-ZP-TD)
b) Identifikationsnummer der Haushaltsgemeinschaft
c) Identifikationsnummer der Person
d) Beginndatum der jeweiligen Bezugsperiode
e) Enddatum der jeweiligen Bezugsperiode
f) Gesamtbezugsdauer
g) Geburtsdatum
h) Geburtsort
i) Geschlecht
j) Staatsangehörigkeit der Person (inkl. Staatenlose)
k) Staatsangehörigkeit und Geburtsort der leiblichen Eltern
l) Wohnsitzbezirk
m) Stellung der Person in der Haushaltsgemeinschaft
ma) Referenzperson
mb) Partner/in
mc) Kind
md) Sonstige
n) Leistungsbezug des Kindes (ja/nein)
o) Aufenthaltsrechtlicher Status der Person
oa) Asylberechtigt
ob) Subsidiär schutzberechtigt
oc) EWR-Bürger
od) Sonstige
p) Höhe der Leistungen
pa) Geldleistungen
pb) Art und Höhe der Sachleistungen
q) Einsatz der Arbeitskraft der Person
qa) Steht zur Verfügung
qb) Nicht arbeitsfähig (befristet oder unbefristet)
qc) Schüler/in
qd) Lehre
qe) Kinderbetreuung
qf) Angehörigenpflege
qg) Alter (außerhalb des erwerbsfähigen Alters)
qh) Sonstiges
r) Höhe des angerechneten Erwerbseinkommens
s) Höhe der angerechneten AMS-Leistung
t) Höhe des angerechneten Unterhaltes
u) Höhe des angerechneten Kinderbetreuungsgeldes
v) Höhe der angerechneten Pension
w) Höhe der sonstigen angerechneten Einkunftsarten
x) Sanktion aufgrund einer Verletzung des Einsatzes der Arbeitskraft oder Sanktion aufgrund einer Verletzung der Integrationsbemühung
y) Leistung bzw Vergünstigung zum Arbeitsanreiz
z) Einbezug in die Krankenversicherung
2. Auf Haushaltsgemeinschaftenebene:
a) Identifikationsnummer der Haushaltsgemeinschaft
b) Beginndatum der jeweiligen Bezugsperiode
c) Enddatum der jeweiligen Bezugsperiode
d) Höhe der Leistungen
da) Geldleistungen
db) Art und Höhe der Sachleistungen
e) Höhe der Zahlungen für Lebensunterhalt
f) Höhe der Sachleistungen für ergänzenden Wohnungsaufwand
g) Höhe der Zahlungen für die Krankenversicherung
h) Höhe der Zahlungen für sonstige Krankenhilfe"
3. §16c Integrationsgesetz (im Folgenden: IntG) BGBl I 68/2017 idF BGBl I 41/2019, lautet wie folgt:
"Sprachnachweise und Integrationspflichten für Bezugsberechtigte gemäß dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz
Mitwirkungspflichten
§16c. (1) Asylberechtigte (§3 Z1), subsidiär Schutzberechtigte (§3 Z2) und Drittstaatsangehörige (§3 Z3), die Leistungen der Sozialhilfe zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohnbedarfs in Anspruch nehmen (§2 Abs1 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz), haben sich im Rahmen einer verpflichtenden Integrationserklärung (§6 Abs1) zur Einhaltung der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung zu verpflichten und unterliegen während des aufrechten Bezugs von Leistungen der Sozialhilfe, die an die Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft geknüpft sind, der Pflicht zur Absolvierung einer B1-Integrationsprüfung des Österreichischen Integrationsfonds sowie zur vollständigen Teilnahme, zur gehörigen Mitwirkung und zum Abschluss eines Werte- und Orientierungskurses gemäß §5 bzw §16a.
(2) Auf Personen gemäß Abs1 ist §28 Abs1 dieses Bundesgesetzes nicht anzuwenden."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Die antragstellenden Mitglieder des Bundesrates legen ihre Bedenken wie folgt dar:
"II. ZUM THEMA UND ZUR ZULÄSSIGKEIT DES ANTRAGS
Am 22. Mai 2019 wurde im Bundesgesetzblatt, BGBl I 41/2019, ein Bundesgesetz, mit welchem Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und ein Bundesgesetz über die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikgesetz) erlassen und das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz-IntG) geändert werden, kundgemacht. Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (im Folgenden kurz: SH-GG) trat gem. §10 Abs2 SH‑GG mit 1. Juni 2019 in Kraft, ebenso trat das Sozialhilfe-Statistikgesetz gem. §2 Abs2 leg.cit. am 1. Juni 2019 in Kraft.
Gemäß Art140 Abs1 Zif. 2 B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Bundesgesetzen auf Antrag (wenigstens) eines Drittels der Mitglieder des Bundesrates. Der Bundesrat verfügt derzeit über 61 Mitglieder (vgl Art34 B‑VG iVm der Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Festsetzung der Zahl der von den Ländern in den Bundesrat zu entsendenden Mitglieder, BGBl II 237/2013), die Antragsteller repräsentieren daher (mehr als) ein Drittel seiner Mitglieder.
Der Antrag auf Prüfung einzelner Bestimmungen des SH-GG und des Sozialhilfe‑Statistikgesetzes idF BGBl I 41/2019, ist daher zulässig.
III. ZUR DARLEGUNG DER BEDENKEN ZUM SH-GG:
1. Verfassungswidrigkeit durch Überschreitung des zulässigen Regelungsinhaltes eines Grundsatzgesetzes gem. Art12 :
Art12 Abs1 B‑VG regelt als verfassungsrechtlicher Kompetenztatbestand ua das Armenwesen. Demnach ist Bundessache die Gesetzgebung über die Grundsätze des Armenwesens, Landessache die Erlassung von Ausführungsgesetzen. Der Bundesgesetzgeber hat sich bei der Erlassung von Grundsatzgesetzen auf die Aufstellung von Grundsätzen zu beschränken; die Erlassung von Einzelregelungen ist unzulässig (VfSlg 15.279, 19.658), zumal diese der Ausführungsgesetzgebung vorbehalten sind. Eine Verfassungswidrigkeit besteht insbesondere dann, wenn die grundsatzgesetzlichen Vorgaben überbestimmt sind (VfSlg 16.058) und den Ländern kein Spielraum zur Ausführung bleibt. Ein Grundsatzgesetz darf keinesfalls derartig konkretisiert und bestimmt sein darf, dass es bereits als Grundsatzgesetz im Hinblick auf Art18 B‑VG einwandfrei vollziehbar wäre, vielmehr sind Grundsatzgesetze von der Vollziehung nicht anwendbar (VfSlg 7263, 8890, 10.066, 16.244).
Grundsatzgesetze dienen der bundesweiten Vereinheitlichung in Grundzügen; ungeachtet dessen darf den Ländern nicht alles vorgegeben werden, so dass diese keinen oder - wie im hier interessierenden Anlassfall – nur noch Spielraum nach unten haben. Ein Grundsatzgesetz richtet sich an den Landesgesetzgeber, diesem muss eine Möglichkeit für sozialpolitische Gestaltung innerhalb der vom Bund vorgegeben[en] Grundsätze verbleiben.
Art12 Abs1 B‑VG räumt den Ländern bei der Erlassung ihrer Ausführungsregelungen einen Spielraum ein (Pürgy, Das Recht der Länder (2012) Rz 34; Grabenwarter/Holoubek, Verfassungsrecht³, Rz 163). Unter Berücksichtigung des bundesstaatlichen Grundprinzips und dem dadurch verankerten Föderalismus ist keine andere Auslegung des Art12 Abs1 B‑VG mit der verfassungsrechtlichen Systematik vereinbar.
Das SH-GG verstößt mehrfach gegen diese kompetenzrechtlichen Bestimmungen. Entgegen den oben angeführten Grundsätzen beschränkt es sich in keiner Weise auf die Erlassung von Grundsatzbestimmungen. Vielmehr ist es teilweise weit über das zulässige Maß hinaus konkretisiert und bestimmt:
1.1. Verfassungswidrigkeit der Determinierung der Bezugsberechtigung (§4 SH‑GG):
§4 SH-GG regelt detailliert den Kreis der Bezugsberechtigten der Sozialhilfe. In Abs1 leg.cit. wird der Kreis der Anspruchsberechtigten taxativ festgelegt; Personen die nicht von diesem Kreis umfasst sind, werden vom Bezug jeglicher Sozialhilfe ausgeschlossen. §4 Abs2 SH-GG legt bindend fest, wer vom Bezug der Sozialhilfe auszuschließen ist. Einen gesetzgeberischen Spielraum bietet §4 Abs3 SH-GG nur insofern, dass der Landesgesetzgeber weitere Personen vom Bezug der Sozialhilfe temporär oder dauerhaft ausschließen kann, eine Ausweitung des Kreises der Bezugsberechtigten ist dem Landesgesetzgeber aber verwehrt.
§4 Abs1, zweiter Satz SH-GG sieht eine Anhörung der zuständigen Fremdenbehörde in Verfahren betreffend EU-/EWR-Bürger, Schweizer Bürger und Drittstaatsangehörige vor; diese Regelung ist als eine direkte Vollzugsanweisung an die Länder auch kompetenzrechtlich überschießend.
Dem Landesgesetzgeber ist es daher beispielsweise verwehrt, Personen, die zwar ausreisepflichtig sind, die aber faktisch dauerhaft nicht abgeschoben werden können, weil etwa ihre Staatsbürgerschaft unklar ist oder das Herkunftsland die Rücknahme verweigert, in die Sozialhilfe einzubeziehen; da Angehörige dieser Personengruppe nicht am Arbeitsmarkt zugelassen sind, sind sie in besonderem Maße auf die Sozialhilfe angewiesen, um nicht gezwungen zu sein, zu betteln oder mit gesetzwidrigen Methoden den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Auch Nicht-Österreicher, die sich weniger als fünf Jahre lang dauerhaft und rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, sind vom Sozialhilfebezug ausnahmslos ausgeschlossen, was etwa in Österreich geborene Kinder, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, vor dem Erreichen des sechsten Lebensjahres vom Anspruch auf Sozialhilfe ohne erkennbaren sachlichen Grund ausschließt (§4 Abs1, erster Satz SH-GG), wenn ihre Eltern trotz Bedarfs nicht zum Sozialhilfebezug berechtigt sind. Letztlich wird es dem Landesgesetzgeber verwehrt, subsidiär Schutzberechtigten Sozialhilfe in dem Kernleistungen übersteigenden Umfang zu gewähren (§4 Abs1, letzter Satz SH-GG). Gegen letztgenannte Bestimmung bestehen auch erhebliche unionsrechtliche Bedenken, da gemäß Art29 Abs2 der Status-RL (2011/95/EU ) der Anspruch subsidiär Schutzberechtigter im Rahmen der Sozialhilfe zumindest die Kernleistungen erreichen muss; diese 'Kernleistungen' im SH-GG zugleich als Obergrenze zu definieren scheint vor diesem Hintergrund unionsrechtlich bedenklich und nimmt in jedem Falle dem Landesgesetzgeber jeden verbliebe[b]nen Regelungsspielraum.
§4 Abs1 und §4 Abs2, Zif. 3 SH-GG sind daher wegen zu detaillierter Einzelregelungen im Rahmen eines Grundsatzgesetzes verfassungswidrig.
Antrag:
Es wird beantragt, §4 Abs1 und §4 Abs2, Zif. 3 SH-GG wegen Verstoßes gegen die Kompetenzbestimmung des Art12 Abs1 Zif. 1 B‑VG als verfassungswidrig aufzuheben.
1.2. Verfassungswidrigkeit der Determinierung des Vorrangs von und Zwangs zu Sachleistungen:
Gemäß §3 Abs5 SH-GG sind Leistungen der Sozialhilfe vorrangig als Sachleistungen vorzusehen, soweit dadurch eine höhere Effizienz der Leistungsziele zu erwarten ist. Leistungen für den Wohnbedarf sind, sofern dies nicht unwirtschaftlich oder unzweckmäßig ist, in Form von Sachleistungen zu gewähren.
In §5 Abs9, zweiter Satz, SH-GG ist sogar eine 'Sachleistungszwang' vorgesehen, da nach der zitierten Bestimmung der 'Arbeitsqualifizierungsbonus' durch 'sprachqualifizierende Sachleistungen' oder 'berufsqualifizierende Sachleistungen' zu ersetzen ist. Weitere obligatorische Verpflichtungen zur Sachleistung gibt es bei der Wohnkostenpauschale (§5 Abs5 SH-GG), bei Zusatzleistungen (§6 SH-GG) ind indirekt auch bei der Deckelungsregelung (§5 Abs4 SH-GG).
Der Bundesgesetzgeber hat mit diesem angeordneten Vorrang von Sachleistungen den Landesgesetzgebern jede Möglichkeit genommen, auf individuelle Gegebenheiten im Land Bedacht zu nehmen. Insbesondere der Sachleistungszwang bei Leistungen für den Wohnbedarf (vg. §5 SH-GG, Wohnkostenpauschale) der ungeachtet der Effizienz bei der Erfüllung der Leistungsziele gelten soll, stellt aber jedes Bundesland vor unterschiedliche Herausforderungen: Die Länder verfügen in ganz unterschiedlichem Ausmaß über eigenen Wohnraum, die vom Bundesgesetzgeber angebotene Alternative der Anweisung von Mietzins und Energiekosten durch das Land als indirekte Sachleistung verringert den Anreiz für die Betroffenen, ihre Wohnsituation selbst zu managen und beschneidet damit den Spielraum des Landesgesetzgebers bei der Gewährung der Sozialhilfe für den Wohnbedarf. Darüber hinaus wird damit ein sehr hoher administrativer Aufwand auf Grund ständiger Änderungen der Berechnungsgrundlagen - wie zB Wohnungswechsel, Wechsel Energiebetreiber, Betriebskosten- und Jahresabrechnungen, Mieterhöhungen, Höhe des Einkommens - verbunden sein, der gegen die im Verwaltungsverfahren geltenden Verfahrensgrundsätze der 'Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis' (vgl §39 Abs2 AVG) verstößt. Auch auf Seite der BezieherInnen führt dieser Sachleistungszwang zu nicht vertretbaren Ergebnissen und Aufwendungen, da der über die Wohnunterstützung der Sozialhilfe hinausgehende Wohnkostenanteil von den BezieherInnen durch Ergänzungszahlungen zu begleichen sein wird und die zu erwartenden regelmäßigen Änderungen der Berechnungsgrundlagen auch auf Seiten der BezieherInnen zu wiederkehrenden Änderungen (zB Änderung des Dauerauftrages der Banküberweisung) und Neuberechnungen ihrer Ergänzungszahlungen führt.
Diese starre Regelung des 'Sachleistungszwangs' in §5 Abs4, 5, 9 sowie §6 sieht auch keine Ausnahme vor, sollte die postulierte Gewährung von Sach- statt Geldleistungen aus bestimmten Gründen nicht möglich bzw zweckmäßig sein.
Die gesetzlich für Länder vorgesehene Verpflichtung, im Rahmen von Sachleistungen sprach- und berufsqualifizierende Maßnahmen durchzuführen, ist auch inhaltlich kompetenzwidrig. Die Finanzierung von Sprach- und Berufsqualifikationskursen kann den Ländern nicht im Rahmen eines Grundsatzgesetzes nach dem Kompetenztatbestand 'Armenwesen' vorgeschrieben werden. Das Armenwesen dient ausschließlich der Abdeckung des dringendsten Lebensbedarfes von sozial hilfsbedürftigen Personen. Die Förderung und Finanzierung von Sprach- und Berufsqualifizierungsmaßnahmen ist aber eine ausschließliche Bundesangelegenheit gem. Art10 B‑VG und zwar entweder im Rahmen des Kompetenztatbestandes Fremdenwesen oder jenem der Arbeitslosenversicherung. Das Armenwesen als Kompetenzgrundlage setzt voraus, dass eine Person nicht ohne fremde Hilfe in der Lage ist, durch den Einsatz der eigenen Arbeitskraft (oder von vorhandenem Vermögen) seinen nptwendigen Lebensunterhalt (einschließlich eines Minimums an Teilhabe am sozialen Leben) zu bestreiten. Die Kompetenzgrundlage ermöglicht die Leistung der zur Überwindung dieser (in aller Regel unverschuldeten) Notlage (auch dann, wenn diese auf Behinderung zurückzuführen ist) erforderlichen Hilfestellung durch Geld- oder Sachleistungen. Die (sprachliche und gesellschaftliche) Integration von Personen mit Migrationshintergrund ist hingegen ausschließlich Aufgabe des Bundes.
Der Bundesgesetzgeber hat in diesem Zusammenhang im Rahmen des zeitgleich novellierten Integrationsgesetzes in §4 Abs2a des Integrationsgesetzes vorgesehen, dass 'von Deutschkursen gemäß Abs1 […] jene Personen [ausgenommen sind], denen sprachqualifizierende Leistungen im Rahmen des §5 Abs9 des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes, BGBl I Nr 41/2019, zukommen.' Damit nimmt der Bundesgesetzgeber eine Verschiebung des Aufgabenbereiches der Erbringung von Sprachkursen für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte im finanziellen Umfang von jährlich EUR 15 Millionen (vgl 'Wirkungsorientierte Folgenabschätzung zur Anpassung des Integrationsgesetzes an das Sozialhilfe‑Grundsatzgesetz', 514 der Beilagen XXVI. GP) vor, ohne auf eine zulässige kompetenzrechtliche Grundlage zurückgreifen zu können.
Sowohl bei der Finanzierung von Deutschkursen als auch bei der Anweisung von Wohnkosten geht das SH-GG darüber hinaus von der Annahme aus, dass es sich um VollbezieherInnen handelt, die ausschließlich auf Sozialhilfe angewiesen sind. Laut Statistik Austria beträgt der Anteil der TeilbezieherInnen in Österreich aber über 70% (2017). Im Schnitt erhält jede Bedarfsgemeinschaft rund 606 Euro pro Monat, bei TeilbezieherInnen liegt der durchschnittliche Auszahlungsbetrag darunter. Die Finanzierung von Deutschkursen durch Einbehalt des Arbeitsqualifizierungsbonus ist daher bei Personen mit Einkommen bzw geringen Höchstwerten (zB 45% ab der dritten volljährigen Person) nicht in jedem Fall gesichert und die Überweisung von Wohnkosten nur zum Teil möglich (Differenzzahlung durch die Beziehenden erforderlich). Eine sachliche Lösung bietet das SH-GG für diesen BezieherInnenkreis nicht.
Antrag:
Es wird daher beantragt, §3 Abs5 und §5 Abs9 SH-GG wegen Verstoßes gegen die Kompetenzbestimmung des Art12 Abs1 Zif. 1 B‑VG als verfassungswidrig aufzuheben.
1.3. Verfassungswidrigkeit wegen überschießender Determinierung der Anspruchsvoraussetzungen und des Leistungsumfanges:
Die vom Bundesgesetzgeber vorgenommene konkrete Vorgabe von je nach Personenanzahl und -zusammensetzung unterschiedlich hohen, nicht überschreitbaren Höchstsätzen für Sozialhilfeleistungen (§5 Abs2 SH-GG) geht über den zulässigen Inhalt einer Ermächtigungsnorm für die Länder hinaus. Dem Landesgesetzgeber steht es auf diese Weise nicht mehr frei, besondere Regelungen für Mehrpersonenhaushalte (Familien) zu schaffen, obwohl hier grundsätzlich ein anderer Bedarf vorliegt als bei Einpersonenhaushalten. Der Landesgesetzgeber kann auch nicht mehr sicherstellen, dass das von ihm bisher eingerichtete System der bedarfsorientierten Mindestsicherung seinen eigentlichen Zweck – die Vermeidung und Bekämpfung sozialer Notlagen bei hilfsbedürftigen Personen – erfüllen kann.
Die angeordnete gleichmäßige Aufteilung der Summe aller Geldleistungen der Sozialhilfe auf unterhaltsberechtigte minderjährige Personen (§5 Abs3 SH-GG), weiters die Befristung der Leistungsdauer mit zwölf Monaten (§3 Abs6 SH-GG), die Berücksichtigung von Leistungen Dritter und eigener Mittel (§7 Abs1 SH‑GG), die Bedingungen für einen anrechnungsfreien Freibetrag (§7 Abs6 SH‑GG) sowie die Vorgabe von Leistungskürzungen bei schuldhaften Pflichtverletzungen (§9 Abs3 SH-GG) sind Vollzugsanweisungen ohne jeglichen Umsetzungsspielraum.
Die Begrenzung der Summe aller Geldleistungen der Sozialhilfe, die volljährigen Bezugsberechtigten innerhalb einer bestimmten Haushaltsgemeinschaft aufgrund einer Berechnung gemäß §5 SH-GG zur Verfügung stehen soll, mit 175 Prozent des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende (§5 Abs4 SH-GG), räumt den Ländern ebenfalls keinerlei Umsetzungsspielraum mehr ein. Daneben sieht diese starre Regelung aber auch keine Ausnahme vor, sollte die postulierte Gewährung von Sach- statt Geldleistungen aus bestimmten Gründen nicht möglich bzw zweckmäßig sein.
Die Bedingungen für die Gewährung einer Wohnkostenpauschale (§5 Abs5 SH‑GG) sind durch das SH-GG derart detailliert vorgegeben, dass keinerlei landesgesetzlichen Ausführungen für die Vollziehbarkeit mehr notwendig sind.
Der Anspruch auf Sozialhilfe soll weiterhin – wie bisher bei der Leistung der bedarfsorientierten Mindestsicherung – an die Bereitschaft, am österreichischen Arbeitsmarkt teilzunehmen, geknüpft sein. Insbesondere die Regelung über die Vermittelbarkeit des Antragstellers am österreichischen Arbeitsmarkt ist überschießend und ermöglicht den Ländern keinerlei Ausführungen, wann die Voraussetzungen hierfür vorliegen (vgl §5 Abs6 bis 9 SH-GG).
Es bestehen somit gewichtige Bedenken hinsichtlich dieser Bestimmungen, da sie über den Rahmen eines Grundsatzgesetzes hinausgehen und über das zulässige Maß hinaus überbestimmt sind, und nur wenig bzw keinen Umsetzungsspielraum für den Landesgesetzgeber vorsehen.
Antrag:
Es wird daher beantragt, §3 Abs6 SH-GG, §5 Abs2 bis Abs9 SH-GG, §7 Abs1 und Abs6 SH-GG sowie §9 Abs3 SH-GG wegen Verstoßes gegen die Kompetenzbestimmung des Art12 Abs1 Zif. 1 B‑VG als verfassungswidrig aufzuheben.
2. Verfassungswidrigkeit wegen Verletzung des Legalitätsprinzips und Verletzung kompetenzrechtlicher Bestimmungen:
2.1. Verfassungswidrige Anordnung des §5 Abs3 SH-GG:
§5 Abs3 SH-GG sieht vor, dass die Landesgesetzgebung sicherzustellen hat, dass die Summe aller Geldleistungen (aus der Sozialhilfe) gleichmäßig auf alle unterhaltsberechtigten minderjährigen Personen einer Haushaltsgemeinschaft rechnerisch aufgeteilt wird. Diese Anordnung ist vom Landesgesetzgeber rechtstechnisch nicht, oder nicht ohne völlig überbordendem Verwaltungsaufwand umsetzbar: Wie soll gesetzlich 'sichergestellt' werden, dass jede unterhaltsberechtigte Person tatsächlich einen gleichen Anteil bekommt? Soll die Landesverwaltung die Mittelverwendung für jeden minderjährigen Bezugsberechtigten im Einzelfall prüfen? Diese Bestimmung kann den Anforderungen des Art18 B‑VG nicht entsprechen. Auch wenn es sich beim SH-GG um ein Grundsatzgesetz handelt, verletzt die Bestimmung des §5 Abs3 SH-GG das Bestimmtheitserfordernis des Art18 B‑VG.
Darüber hinaus widerspricht eine vom Alter und vom individuellen Bedarf der davon betroffenen minderjährigen Personen losgelöste, 'rechnerisch gleichmäßige' Aufteilung der Leistungen auf alle minderjährigen Angehörigen einer Hausgemeinschaft dem Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes , weil es in der Sozialhilfe auf den individuellen Bedarf ankommt, der gerade bei Minderjährigen fast ausschließlich vom Alter abhängt. Die Anordnung des §5 Abs3 SH-GG unterläuft daher einerseits geradezu den Zweck der Sozialhilfe und andererseits werden den Ländern im Wege im Wege des Grundsatzgesetzes Anweisungen gegeben, die von diesen weder in der Ausführungsgesetzgebung, noch in der Verwaltungspraxis eingehalten werden können; soweit das Grundsatzgesetz die Verwaltung nicht unmittelbar bindet (und Art18 B‑VG daher uU nicht anwendbar ist), ist es wegen Unsachlichkeit jedenfalls gleichheitswidrig. Die Unsachlichkeit ergibt sich auch aus der Judikatur des VfGH zum NÖ bzw bgld. Mindestsicherungsgesetz (G136/2017-19 bzw G308/2018-8), in welcher der Gerichtshof die Unsachlichkeit der 'gleichmäßigen Verteilung' bereits ungeachtet der Frage angenommen hatte, wie diese Zielvorstellung vollzogen werden sollte.
Antrag:
Es wird daher beantragt, §5 Abs3 SH-GG wegen Verstoß[es] gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B‑VG und Art2 StGG und Verstoß[es] gegen das Legalitätsprinzip gem. Art18 Abs1 B‑VG als verfassungswidrig aufzuheben.
2.2. Verfassungswidrigkeit wegen kompetenzrechtlich unzulässiger Zielbestimmungen und Regelungsinhalte:
Gemäß §1 SH-GG sollen Leistungen der Sozialhilfe aus öffentlichen Mitteln 'integrationspolitische Und fremdenpolizeiliche Ziele berücksichtigen' (Zif. 2) und 'insbesondere die (Wieder)Eingliederung von Bezugsberechtigten in das Erwerbsleben und die optimale Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes weitest möglich fördern' (Zif. 3). Beide Gesetzeszielbestimmungen können nicht unter den Kompetenztatbestand 'Armenwesen' oder einen anderen Kompetenztatbestand gem. Art12 B‑VG subsummiert werden. Das Armenwesen dient in erster Linie (nach der Judikatur des VfgH sogar: ausschließlich, vgl etwa VfSlg 17.942) der Sicherung von Lebensbedürfnissen und knüpft somit an der sozialen Hilfsbedürftigkeit an. Dieses Ziel ist daher nicht tauglich, um als Rechtfertigung für Regelungen (vgl §5 Abs6 bis 9 SH-GG) im Rahmen von Art12 Abs1 B‑VG herangezogen zu werden.
Der in den Gesetzesmaterialien (ErläutRV, 2) vorgenommene Verweis auf das auch vom VfGH anerkannte 'Berücksichtigungsprinzip' hilft dem Bundesgesetzgeber hier nicht aus der selbst verursachten Widersprüchlichkeit: Dieses spielt vor allem im Verhältnis zwischen Bundes- und Landesgesetzgebung eine Rolle und soll die jeweiligen Gesetzgeber dazu verhalten, bei der Normfestsetzung 'alle in Betracht kommenden Rechtsvorschriften der gegenbeteiligten Gebietskörperschaften zu berücksichtigen' (vgl VfSlg 10.292/1984). Hier aber gibt es gar keine landesrechtlichen Regelungen, die mit bundesrechtlichen Vorschriften, welche auf die Kompetenztatbestände 'Ein- und Auswanderungswesen' bzw 'Fremdenpolizei' oder 'Arbeitsrecht und Sozialversicherungswesen' (Art10 Abs1 Zif. 3, 7 und 11 B‑VG) gestützt sind, in Konflikt geraten könnten. Das Berücksichtigungsgebot soll zwar verhindern, dass die Gesetzgebung einer Gebietskörperschaft die Ziele der Gesetzgebung der anderen Körperschaft ver- oder behindert; es geht aber nicht so weit, dass der nicht zuständige Gesetzgeber verpflichtet werden kann, Ziele des zuständigen Gesetzgebers auf dem Gebiet des Ausländerrechts proaktiv zu fördern. Der Bund nimmt hier vielmehr zu Unrecht die ihm zugewiesenen Kompetenztatbestände in Anspruch, um in einem Grundsatzgesetz nach Art12 Abs1 Zif. 1 B‑VG Regelungen zu treffen, die von diesem Kompetenztatbestand nicht erfasst sind.
Der Bundesgesetzgeber verfolgt auf diese Weise aber auch Ziele, für die die Länder im Rahmen der Gesetzgebung keine Kompetenz haben und schreibt diesen eine Ausführungsgesetzgebung zu diesen Zielen vor; er überbürdet damit seine gesetzgeberische Kompetenz in Bezug auf die genannten Zielbestimmungen Integration, Fremdenwesen und Arbeitsmarkt auf die Länder, was den Kompetenztatbeständen des B‑VG widerspricht.
Verfassungswidrig ist aber auch die vom Gesetzgeber beabsichtigte Rückstufung der Sozialhilfe gegenüber der Mindestsicherung auf bloße 'Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts' anstelle der bisher in der (früheren) Sozialhilfe und in der Mindestsicherung (erforderlichenfalls) vorgesehenen Deckung dieses Bedarfs, woraus – entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes – abgeleitet wird, dass das 'System' nicht dadurch verfassungswidrig werden kann, dass es den Bedarf nicht deckt, dh die eigenen Ziele verfehlt.
Der Grundsatz der - falls erforderlich - gänzlichen Bedarfsdeckung ergibt sich schon aus dem Kompetenztatbestand 'Armenwesen', welcher die absolute Untergrenze jenes Einkommens markiert, welches erforderlich ist, um auch den von Armut betroffenen Mitgliedern der Gesellschaft ein Leben in Würde zu erlauben. Da unterhalb dieses Systems kein weiteres soziales Netz existiert, auf welches betroffene Personen zurückgreifen könnten, muss dieses Netz (gleichgültig ob es begrifflich als Sozialhilfe bezeichnet ist oder als soziale Mindestsicherung) jedenfalls die Funktion der Bedarfsdeckung nicht nur teilweise (unterstützend), sondern zur Gänze erfüllen.
Davon geht der Gesetzgeber auch an mehreren Stellen des Gesetzes aus, nämlich bei der Anrechnung des Vermögens (bis auf ein kleines Schonvermögen) und bei der Anrechnung des Einkommens. Ist die arme Person verpflichtet, ihr Vermögen und ihr Einkommen zur Gänze zu verwerten, ehe sie auf Leistungen der Sozialhilfe zurückgreifen kann bzw findet ein solcher Rückgriff auf Leistungen der der Sozialhilfe prinzipiell nur unter Anrechnung jeglichen erzielten Einkommens statt, dann ist der Gesetzgeber vor dem Hintergrund der Zwecke des Kompetenztatbestandes Armenwesen und Art3 EMRK verpflichtet dafür Vorsorge zu treffen, dass zu den zu einem menschenwürdigen Leben erforderlichen Mitteln nicht bloß ein Zuschuss gewährt, sondern diese erforderlichen Mittel abzüglich allfälliger Eigenmittel zur Gänze gesichert werden.
Die Beschränkung der Ziele der Sozialhilfe auf bloße 'Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts' ist daher per se auf der Ebene des Kompetenztatbestandes verfassungsrechtlich unzulässig. Die Ziele, bei deren Verfehlung der Verfassungsgerichtshof Bestimmungen des Sozialhilferechts als verfassungswidrig aufhebt (vgl zB. VfGH 27.6.2018, G415/2017, und 12.10.2012, G56/2011 ua), ergeben sich nämlich nicht bloß aus dem einfachen Gesetz, sondern sind notwendigerweise ein Maßstab aus der Verfassung. Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts. Ist in einem vom Gesetzgeber eingerichteten System der Sicherung zur Gewährung eines zu einem menschenwürdigen Leben erforderlichen Mindeststandards der Zweck, dem betroffenen Personenkreis das Existenzminimum zu gewähren, nicht mehr gewährleistet, dann verfehlt ein solches Sicherungssystem offensichtlich insoweit seine Aufgabenstellung. Dieser Maßstab, das Existenzminimum zu garantieren, ist dem Kompetenztatbestand Armenwesen immanent und steht daher nicht zur Disposition des einfachen Gesetzgebers, mag diesem auch ein gewisser Spielraum bei der Einschätzung der höher dieses Bedarfs insoweit zukommen, als diese Einschätzung nicht dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widerspricht.
Diesem gebotenen Maßstab widerspricht die Rückstufung des §1 Z1 des SH-GG bei der generellen Zielsetzung von Bedarfsdeckung auf Unterstützung zur Bedarfsdeckung, eine Rückstufung, die es dem (Ausführungs-)Gesetzgeber auch erlauben soll, ohne besonderen, dies rechtfertigenden Grund hinter dem Erfordernis der Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs zurückzubleiben. Da die Aufhebung nur der Ziffer 1 die in §1 genannten Ziele weiter in verfassungswidriger Weise einschränken und das Problem daher verschärfen würden, kann die Verfassungswidrigkeit nur durch Aufhebung des §1 zur Gänze (der also insoweit eine untrennbare Einheit bildet) beseitigt werden.
Das SH-GG ist in diesem Zusammenhang sohin wegen der Kompetenzwidrigkeit der Regelungen verfassungswidrig
Antrag:
Es wird daher beantragt, §1 SH-GG sowie §5 Abs6 bis 9 SH-GG wegen Verstoßes gegen Art12 B‑VG als verfassungswidrig aufzuheben.
3. Verfassungswidrigkeit durch gleichheitswidrig unsachliche Regelungen:
Allgemeine Überlegungen zur unsachlichen Ausgestaltung des SH-GG:
Ebenso wie in Teilbereichen de SH-GG der Bundesgesetzgeber zu verfassungswidriger Über-Regelung im Rahmen des Grundsatzgesetzes gegriffen hat, hat er zugleich mit Erlassung des SH-GG auch in verfassungswidriger Weise den Regelungsbedarf des 'Armenwesens' unterbestimmt. Die bundesweit einheitliche Ausgestaltung einer Materie ist der wesentlichste Zweck und die eigentliche Legitimation für ein Grundsatzgesetz nach Art12 B‑VG. Nach VfSlg 2087/1951 und VfSlg 3853/1960 geht es bei derartigen Grundsatzgesetzen stets um Fragen, bei denen Bedarf nach einer bundeseinheitlichen Regelung besteht. Das SH-GG kommt dieser Forderung jedoch in einer Fülle von Regelungsgegenständen nicht nach. Das Ziel der Vereinheitlichung wird nämlich insbesondere deshalb nicht erreicht, weil das SH-GG keine 'Untergrenzen' angibt. Es statuiert keine Mindeststandards, die von den Ländern nicht unterschritten werden dürfen, und das gerade in zentralen Fragen.
Den Ländern wird nur die Möglichkeit eingeräumt, zusätzliche Tatbestände zum Ausschluss von der Bezugsberechtigung vorzusehen (§4 Abs3 SH-GG). Es werden die Leistungsbeträge in §5 Abs2 SH-GG als Höchstsätze formuliert, die nur im Ausnahmefall (AlleinerzieherInnen-Zuschlag) überschritten werden dürfen, nur in einem Fall sogar überschritten werden muss (Zuschlag für Menschen mit Behinderungen), während ansonsten strikte Deckelungen vorgesehen sind (§5 Abs4 SH-GG). Weiters sind grundsätzlich alle Leistungen Dritter und Einkünfte anzurechnen (§7 Abs1 SH-GG). Eine Kumulierung mit anderen landesrechtlichen Leistungen zur Deckung des Wohnbedarfes wird vollständig ausgeschlossen (§2 Abs5 SH-GG).
Es wird mit dem SH-GG den Ländern zur eigenen Entscheidung daher nur die Möglichkeit gegeben, für die Anspruchsberechtigten schlechtere Ansprüche zu statuieren, ein Spielraum wird also nur nach unten eingeräumt. Damit verfehlt das SH-GG als Grundsatzgesetz aber die von der Judikatur des VfGH vorgegebene Zielsetzung einer bundeseinheitlichen (Mindest-)Regelung durch ein Grundsatzgesetz im Rahmen des Armenwesens, und zwar umso mehr dort, wo bereits die im SH-GG vorgesehenen Deckelungen, Begrenzungen etc. mit anderen Vorgaben, insbesondere dem Gleichheitssatz oder dem Unionsrecht, in Konflikt geraten. Damit ist das SH-GG aber auch kompetenzwidrig. Der Bund erlässt ein Grundsatzgesetz, erreicht damit aber das angestrebte Ziel der Vereinheitlichung nicht, da die Länder in praktisch beliebiger Weise die vom Bund nur als Obergrenzen genannten Beträge unterlaufen können. Statt zu einer Vereinheitlichung führt dies zu einer Zersplitterung der Sozialhilfe im Bundesgebiet.
Die Gefahr der größer werdenden Uneinheitlichkeit wird noch dadurch verstärkt, dass es den Ländern etwa freisteht, das Verfahren wie bisher durch besondere, iSd Art11 Abs2 B‑VG erforderliche Vorschriften zu regeln oder es bei den Regelungen des AVG zu belassen. Das würde etwa bedeuten, dass die sechsmonatige Entscheidungsfrist nach §73 Abs1 AVG beibehalten oder ausgeschlossen werden kann, Rechtsmittelverzichte zugelassen oder verboten werden können oder Rechtsmitteln auch in Leistungsangelegenheiten aufschiebende Wirkung zugebilligt werden kann oder nicht. Die Länder sind darüber hinaus völlig frei, ob und in welchem Ausmaß sie Ersatzpflichten, wie zB einen umfassenden Angehörigenregress, festsetzen. Möglich wäre auch, dass die Verpflichtung ehemaliger Leistungsbezieher zum Kostenersatz eingeführt wird, wenn und weil sie ihre Notlage überwunden haben und wieder ein regelmäßiges Einkommen beziehen.
Ob die Länder solche Regelungen treffen, ist zwar ungewiss. Die angesprochenen Bereiche belegen aber, wie auch das Einräumen von Spielräumen nach unten, dass dem Bundes-Grundsatzgeber offenkundig eine bundesweite Vereinheitlichung nicht gelungen ist. Die Möglichkeiten für länderweise unterschiedliche Regelungen sind fast größer als zuvor, und der jeweiligen Landes(finanz)politik sind – nach unten und in der Restriktion – große Spielräume für eine gegenüber dem Grundsatzgesetz noch restriktivere Lösung eingeräumt.
§1 SH-GG definiert die Ziele des Gesetzes. Demzufolge sollen Leistungen der Sozialhilfe aus öffentlichen Mitteln zum einen 'zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohnbedarfs beitragen' (Z1), weiters 'integrationspolitische und fremdenpolizeiliche Ziele berücksichtigen' (Z2), und 'insbesondere die (Wieder-)Eingliederung von Bezugsberechtigten in das Erwerbsleben und die optimale Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes weitestgehend fördern' (Z3) sollen. Dabei handelt es sich nach den Materialien um eine demonstrative Aufzählung. Die Landesgesetzgebung kann weitere Zielsetzungen formulieren; diese dürfen jedoch die Zielsetzungen nach §1 SH-GG nicht beeinträchtigen. Das SH-GG spricht aber ausdrücklich nicht davon, dass die Sozialhilfe ein menschenwürdiges Leben ermöglichen und die dafür erforderliche Existenzsicherung gewährleisten soll (vgl aber dazu VfGH 2012/VfSlg 19.698; VfGH 7.3.2018, G136/2017; VfGH 1.12.2018, G308/2018; VfGH 11.12.2018, G156/2018). Demgemäß wird durch das SH-GG ein Paradigmenwechsel vorgenommen, der in verfassungs- und unionsrechtlicher Hinsicht bedenklich erscheint. Denn nach der Regelung des §1 SH-GG wird das Ziel der 'Bedarfsabdeckung' und der 'Existenzsicherung' nicht mehr verfolgt. Der Grundsatzgesetzgeber normiert nunmehr vielmehr lediglich, dass bloß zur 'Unterstützung' des allgemeinen Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohnbedarfs 'beigetragen' werden soll.
In verfassungsrechtlicher Hinsicht ist damit unklar, ob durch eine Sozialhilfe, die bloß zur 'Unterstützung' des allgemeinen Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohnbedarfs 'beiträgt', überhaupt dem Tatbestand 'Armenwesen' in Art12 Abs1 Z1 B‑VG vom Bundesgrundsatzgesetzgeber vollständig und hinreichend Rechnung getragen wird. In verfassungsrechtlicher Hinsicht meint Armenwesen doch die Verpflichtung, für den unentbehrlichen Lebensunterhalt von Personen, die diesen nicht selbst beschaffen können, aus öffentlichen Mitteln aufzukommen. Dabei ist auf die Entwicklung dieses Begriffs Bedacht zu nehmen. Zum unentbehrlichen Lebensunterhalt zählte ursprünglich die Versorgung mit Unterkunft, Beheizung, Nahrung, Bekleidung, Verpflegung im Krankheitsfall einschließlich ärztlicher Hilfe und Beistellung von Heilmitteln sowie – bei Minderjährigen - auch die Erziehung. Entsprechend dem 'Grundsatz der intrasystematischen Fortentwicklung' der Kompetenztatbestände der Bundesverfassung umfasst das 'Armenwesen' auf Grund der gesetzlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte und der diesbezüglichen Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 19.698/2012) auch die Vermeidung und Bekämpfung von sozialen Notlagen bei hilfsbedürftigen Personen und soll somit eine entsprechende 'Existenzsicherung' sicherstellen.
Der Bundesgrundsatzgesetzgeber setzt aber mit dem SH-GG die Vorgaben aus dem Tatbestand 'Armenwesen' nur unzureichend um. Der Tatbestand 'Armenwesen' umfasst nämlich nicht nur einen 'Unterstützungsbeitrag', sondern geht offenbar darüber hinaus und beansprucht auch die Beseitigung von sozialen Notlagen bei hilfsbedürftigen Personen und sichert ein entsprechendes 'Existenzminimum'. Dazu verweisen die Antragsteller ausdrücklich auch auf ihre Ausführungen zu Punkt 2.2 dieser Beschwerde.
In diesem Sinne ist auch die Definition von Höchstwerten (in §5 Abs2 SH-GG) statt Mindeststandards (=Untergrenze) verfassungsrechtlich bedenklich. Das Grundsatzgesetz macht nämlich auch ein Absenken der Leistung durch die Länder möglich, mangels Festsetzung einer Untergrenze kann diese Reduktion bis auf Null gehen.
Den Antragstellern ist bewusst, dass diese Untätigkeit des Bundesgrundsatzgesetzgebers im Wege einer Gesetzesprüfung nach Art140 B‑VG nur schwer geltend gemacht werden kann; das Fehlen etwa von Bestimmungen zur Festlegung von Untergrenzen des Sozialhilfebezugs kann nicht durch Aufhebung anderer Gesetzesbestimmungen moniert werden. Die hier vorgetragenen Bedenken sind aber bei der Prüfung, ob die unten näher diskutierten Regelungen das Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes tatsächlich erfüllen, stets mit zu bedenken.
3.1. Verfassungswidrigkeit wegen unsachlicher degressiver Kürzung der Sozialhilfe:
§5 Abs2 SH-GG gibt eine degressive Gestaltung der monatlichen Leistungen an in Haushaltsgemeinschaften lebende Bezugsberechtigte vor. Überschreitungen sind nur in Ausnahmefällen zulässig. Grundsätzlich sind nach der Judikatur des VfGH degressive Abstufungen zulässig, jedoch müssen diese gewährleisten, dass bei zunehmender Größe eines Haushalts für jede weitere Person auch ein zusätzlicher Aufwand Anerkennung findet; es muss ein Sicherheitsniveau geschaffen sein, das den konkreten Bedarf der einzelnen Personen im Haushalt angemessen berücksichtigt (vgl VfgH V101/2017 und G136/2017). Im Rahmen der Prüfung des OÖ MSG (VfGH vom 11.12.2018, G156/2018) hat der VfGH die aufgrund solcherart gegebener Vorkehrungen im Gesetz flexiblere Deckelung der einer Haushaltsgemeinschaft gebührenden Gesamtleistung im Gegensatz zu jener im NÖ- bzw Bgld MSG als verfassungskonform angesehen. Allerdings enthält das SH-GG solche 'Untergrenzen', wie diese in §13a Abs6 Z1 bzw Abs7 OÖ MSG vorgesehen sind, gerade nicht! Das OÖ MSG sieht nämlich eine Untergrenze von 12 % des Netto- Ausgleichszulagenrichtsatzes pro Kind vor; pro erwachsenem Haushaltsangehörigen sind es 30 %.
Zwar werden derartige Untergrenzen nach dem SH-GG nicht ausdrücklich verboten, die Konzeption und die Systematik der Vorgaben sprechen aber dagegen, dass der Landesgesetzgeber Mindestgeldleistungen vorsehen darf. Daraus folgt, dass ein Höchstsatz von 5 % (= EUR 44,27 pro Monat!) des Netto‑Ausgleichszulagenrichtsatzes für das dritte und jedes weitere einem Haushalt zugehörige Kind den verfassungsrechtlichen Spielraum einer degressiven Abstufung überschreitet. Es handelt sich um eine sprunghafte Kürzung, die zu niedrig bemessen ist, um den konkreten Bedarf des Lebensunterhaltes noch angemessen abdecken und eine soziale Notlage der Haushaltsgemeinschaft vermeiden zu können. Damit verstößt diese Norm aber auch gegen das BVG Kinderrechte (BGBl I 2011/14; vgl dazu Punkt 4.). Die Willkürlichkeit der vom Bundesgesetzgeber festgesetzten Obergrenzen ergibt sich auch aus den seit Jahrzehnten von der Recht[s]sprechung anerkannten Regelsätzen im Unterhaltsrecht, bei denen – nach dem Alter des Kindes progressiv gestaffelte (und viel höhere!) – Beträge gelten. Auch im Ausgleichszulagenrecht werden die Kinderzuschläge immerhin noch einheitlich bemessen und belaufen sich auf etwa EUR 143,00 pro Kind.
Die vom Gesetz vorgesehenen Ausnahmen und Zuschläge ändern an dieser Betrachtung nichts: Der in §5 Abs2 Zif. 4 SH-GG vorgesehene Alleinerzieherbonus verschärft sogar die relative Ungleichheit, da im Verhältnis zu AlleinerzieherInnen Paare mit vielen Kindern unsachlich schlechter gestellt werden, obwohl auch hier der Bedarf pro Kind faktisch nicht kleiner ist.
Der Umstand, wonach die Landesgesetzgebung nach §5 Abs3 SH-GG sicherstellen muss, dass die 'Summe aller Geldleistungen' auf alle unterhaltsberechtigten minderjährigen Personen im betreffenden Haushalt 'rechnerisch gleichmäßig (…) aufgeteilt wird', ändert an der Unsachlichkeit der nunmehr bekämpften Regelung nichts: Einerseits erlegt der Gesetzgeber den Ländern eine nicht umsetzbare Verpflichtung auf (siehe dazu auch Punkt 2.1). Andererseits widerspricht diese Regelung aber auch der Judikatur des VfGH, wonach eine angeordnete Umverteilung, die in Wahrheit nur auf eine Durchschnittsrechnung hinausläuft, an der systemimmanenten Unsachlichkeit des Grundansatzes nichts ändert (VfGH G136/2017). Verdeutlicht wird dies, wenn im Vergleich zur (vom VfGH akzeptierten, G156/2018-28) Regelung des OÖ Mindestsicherungsgesetzes die dort vorgesehene Grenze von 12 % je Kind im neuen SH[_]-GG schon ab dem fünften Kind mit 11 % (= durchschnittlicher Zuschlag pro Kind bei fünf Kindern) unterschritten wird. Dieser durchschnittliche Prozentsatz sinkt aber mit jedem weiteren Kind.
Wie im Falle des §11b NÖ MSG verhindert auch die Bestimmung des §5 Abs2 SH-GG nicht nur, dass der konkrete Bedarf von Personen, die in einer Haushaltsgemeinschaft leben, wahrgenommen wird. Damit liegt aber auch in §5 Abs2 SH-GG – wie bei der in VfGH G136/2017 beurteilten Rechtslage – eine systemimmanente Unsachlichkeit vor, sodass auch nicht von einem bloßen Härtefall gesprochen werden kann. Das mit §5 Abs2 SH-GG geschaffene System verhindert die Berücksichtigung des konkreten Bedarfes von in Haushaltsgemeinschaft lebenden Personen. Dadurch verfehlt dieses System ab einer bestimmten Haushaltsgröße seinen eigentlichen Zweck, nämlich die Vermeidung und Bekämpfung von sozialen Notlagen bei hilfsbedürftigen Personen (vgl VfSlg 19.698/2012) und wird auch deshalb verfassungswidrig.
Die tatsächliche Errechnung des de[m]n einzelnen BezieherInnen zustehe[3]nden Anspruches ist auf Grund der gesetzlichen Vorgaben des SH-GG eine – verfassungsrechtlich bedenkliche – Denksportaufgabe, was an dem folgenden Beispiel illustriert werden möge:
Annahme:
Haushaltsgemeinschaft mit drei volljährigen Mitgliedern:
100% Netto-Ausgleichszulagenrichtsatz = EUR 885,47
davon 70% (§5 Abs2 Z2 lita) SH-GG) = EUR 619,83
davon 45% (§5 Abs2 Z2 litb) SH-GG) = EUR 398,46
davon 61.7% (= gleichmäßige rechnerische Aufteilung der Höchstsätze gem. §5 Abs2 Z2 SH-GG bei drei volljährigen Personen in einer Haushaltsgemeinschaft) = EUR 546,33 je Person.
Die drei Personen (E1 – E3) - keine unterhaltsrechtlichen Beziehungen zu einander - in einer Haushaltsgemeinschaft stellen jeweils einen Antrag.
E1 verdient EUR 500,00 .
E2 verdient EUR 565,00
E3 verdient EUR 580,00
Auf Grund der Regelung in §5 Abs2 Z2 SH-GG bekäme diese Haushaltskonstellation folgende Höchstsätze: 70% + 70% + 45%.
Bei einer gleichmäßigen Aufteilung (auf Grund des Sachlichkeitsgebotes wäre auch keine andere Aufteilung zulässig) dieser Höchstsätze, bekäme jede Person daher einen Richtsatz von 61,7% = EUR 546,33.
Auf Grund des Einkommens haben jedoch E2 und E3 keinen Anspruch auf Sozialhilfe. E1 wäre demnach die einzige leistungsberechtigte Person der Haushaltsgemeinschaft. Nachdem nur leistungsberechtigte Personen bei der Höchstsätzeverteilung zu berücksichtigen sind (vgl §5 Abs2 Z2 und VfGH G156/2018-28), bekäme
E1 danach 70% zugesprochen und hätte insgesamt (Einkommen plus Differenz zum Sozialhilfeanspruch) pro Monat EUR 619,83
zu Verfügung, während
E2 und
E3 auf Grund ihres Einkommens keinen Anspruch und insgesamt weniger 'Geld' pro Monat hätten, als E1 mit Sozialhilfeanspruch.
Bei Ausscheiden einer Person aus der Bedarfsgemeinschaft oder einer Veränderung des Einkommens einer Person wirkt sich das auch sofort auf alle übrigen Mitglieder aus, so dass die tatsächliche Höhe der Sozialhilfe für den Einzelnen kaum berechenbar oder vorhersehbar ist. Bescheide müssten nicht nur für Einzelpersonen, sondern für Bedarfsgemeinschaften erlassen werden; damit verbundene Rechtsfragen (Wem ist zuzustellen? Wer ist rechtsmittellegitimiert? Auf wen wirkt sich eine allfällige Entscheidung im Rechtsmittelverfahren aus?) sind ungeklärt.
Letztlich wird von den Antragstellern auch noch eine Unsachlichkeit der Regelung des §5 Abs2 Zif. 5 erkannt: Selbstverständlich haben Menschen mit Behinderung einen erhöhten Bedarf, weshalb die hier vorgenommene Ausnahmeregelung zu begrüßen wäre. Weshalb es aber sachlich gerechtfertigt sein soll, dass die Abgrenzung des hier begünstigten Personenkreises von der Ausstellung eines Behindertenpasses nach §40 Abs2 BBG abhängig gemacht wird und den Ländern damit verwehrt wird, auch für Personen, deren Grad der Behinderung unter 50 % beträgt, eine – allenfalls degressive – Ausnahmebestimmung zu erlassen, bleibt unklar und erscheint unsachlich. Auch wenn der erhöhte Bedarf von Menschen mit Behinderung durch andere Leistungen (zB Pflegegeld, Erhöhte Familienbeihilfe, Leistungen nach den Behindertengesetzen der Länder) abgedeckt werden würde, bleibt die ungelöste Problematik, dass AusgleichszulagenbezieherInnen mit Behinderung in Zukunft Ansprüche auf Sozialhilfe geltend machen müssten, da der Zuschlag des SH-GG für Menschen mit Behinderung höher ist, als die beiden Sonderzahlungen, die sie nach pensionsrechtlichen Bestimmungen von der Pensionsversicherungsanstalt erhalten.
Antrag:
Es wird daher beantragt, §5 Abs2 und 3 SH-GG wegen Verstoß[es] gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B‑VG und Art2 StGG als verfassungswidrig aufzuheben.
3.2. Unsachlichkeit wegen Deckelung der Bezugshöhe:
Unsachlich ist aber auch die Deckelung der Geldleistungen, die in §5 Abs4 SH‑GG bei Haushaltsgemeinschaften mit mehreren volljährigen Bezugsberechtigten mit 175 Prozent des Netto-Ausgleichsrichtsatzes bestimmt wird. Bereits ab der dritten erwachsenen Person in einem Haushalt wird dieser auf diese Art ein geringerer Bedarf zugebilligt, als dies sonst nach §5 Abs2 Z2 SH-GG der Fall ist. Weiters und vor allem findet der zusätzliche Bedarf von Kindern, die diesem Haushalt zugehören, keinerlei Berücksichtigung mehr. Diese Regelung ist nach den ErläutRV, S 6. auf sogenannte 'gewillkürte Haushaltsgemeinschaften' ausgerichtet. Tatsächlich trifft diese Regelung Familien mit mehreren (allenfalls auch größeren) Kindern. Diese Norm ist als überschießend und unsachlich zu qualifizieren. Die anteilige Kürzung bei allen volljährigen Haushaltsangehörigen kann daran ebenso wenig ändern wie die den Ländern zugebilligten Ausnahmemöglichkeiten.
Eine starre Deckelung der Bezugshöhe bei Haushalten mit mehreren Personen wurde wegen Unsachlichkeit der Regelung auch bereits im burgenländischen MSG und im NÖ MSG als unsachlich aufgehoben (vgl VfgH 01.12.2018, G136/207 und VfGH 0703.2018, G136/2017). Angesichts der VfGH-Judikatur (siehe dazu auch die bei Pfeil, Gedenkschrift Rebhahn (2019), 447 ff, und Pfeil, Verfassungswidrige Beschränkungen in der Mindestsicherung, DRdA 2018, 416, zitierte Literatur), kann auch die in §5 Abs4, dritter Satz, SH-GG getroffene Regelung, wonach jedem volljährigen Bezugsberechtigten einer Haushaltsgemeinschaft ein Mindestbetrag von 20 % des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende durch Landesgesetz verbleiben kann (!), die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht beseitigen: Erstens ist diese Untergrenze nicht einmal zwingend vorgesehen, zweitens würde in diesem Fall einer einzelnen volljährigen Person nur noch eine Geldleistung von EUR 177,09 pro Monat, also € 5,90 pro Tag, verbleiben, was evident für die von der Judikatur geforderte Mindestleistung für ein menschenwürdiges Leben nicht ausreicht (siehe dazu VfSlg 19698/2012 und VfGH G156/2018-28).
'Synergieeffekte' unter mehreren Erwachsenen sind – anders als bei Kindern unterschiedlichen Alters – nicht denkbar, da mangels eines Wachstums ältere Erwachsener jüngere Erwachsene deren Kleider oder Schuhe nicht im noch gebrauchsfähigen Zustand auftragen und die Aufwendungen für das Essen schon ihrer Natur nicht degressiv sind, sondern entsprechend der Anzahl der Personen linear wachsen. Eine degressive Gestaltung der Leistungen zum Lebensunterhalt unter Erwachsenen kann daher nur insoweit verfassungskonform sein, als sie auf berechenbare Synergieeffekte bei Infrastruktureinrichtungen, wie Gas und Strom Bedacht nimmt. Eine Regelung, die eine Anpassung der Leistung an die Zahl der Personen erst ab einer rechnerischen Untergrenze von 5,90 Euro täglich überhaupt zulässt, ist evident verfassungswidrig. Eine solche Regelung kann durch nichts gerechtfertigt werden.
Die im SH-GG vorgenommene Regelung der Deckelung des Bezugs innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft ist aber auch unbestimmt und unklar (Art18 Abs1 B‑VG): Das Gesetz lässt nämlich die Frage offen, welche Höchstsätze in Haushaltsgemeinschaften mit mehreren erwachsenen Personen heranzuziehen sind, sofern einzelne Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft über Einkommen verfügen. Es wäre ein mehrstufiges Verfahren zur Ermittlung des jeweils auf eine Person anwendbaren Höchstwertes erforderlich. Übersteigt das Einkommen einer Person den jeweiligen Höchstwert (und wäre damit diese nicht mehr leistungsberechtigt), so ist sofort ein anderer relativer Höchstwert (bemessen an der Deckelung) für alle übrigen heranzuziehen! Dieser neue Höchstwert würde bei der zuerst genannten Person aber uU wieder zu einer Bezugsberechtigung führen, auch, da sonst die arbeitende Person weniger Geld zur Verfügung hat, als die übrigen im Haushalt lebenden Personen.
Besonders bemerkenswert ist noch die Regelung des Höchstwertes für die dritte leistungsberechtigte Person in einem Haushalt (45%). In den bisherigen Regelungen der Länder bezog sich der Mindeststandard für die dritte leistungsberechtigte Person auf unterhaltsberechtigte Personen (zB volljährige Kinder). Die Ausweitung auf alle volljährigen Personen eines Haushaltes führt auch dazu, dass bei Mehrgenerationenhaushalten (zB Großeltern und Eltern mit mj. Kindern) oder Haushalten mit mehreren Familien die Leistungshöhen der volljährigen Personen sich stark verringern. Dies kann zu einer weiteren Einkürzung der Leistung von Familien mit Kindern führen. Zudem wirkt sich jede Änderung in einer Bedarfsgemeinschaft auf alle anderen Bedarfsgemeinschaften aus, so kann bei Ausscheiden einer volljährigen Person (zB Tod) sich das Leistungsniveau für alle volljährigen Personen im Haushalt verändern. Es wären demnach Bescheide für alle Bedarfsgemeinschaften zu erlassen, was mit umfassendem Verwaltungsaufwand verbunden ist!
All das ist weder sachlich gerechtfertigt, noch rechnerisch lösbar und – in Hinblick auf die Gleichbehandlung – nicht verfassungskonform.
Antrag:
Es wird daher beantragt, §5 Abs4 SH-GG wegen Verstoß[es] gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B‑VG und Art2 StGG und wegen Versto[ss]ßes gegen das Legalitätsprinzip als verfassungswidrig aufzuheben.
3.3. Verfassungswidrigkeit wegen unsachlichen Abzugs von 35 % für mangelnde Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt:
Gemäß §5 Abs6 SH-GG sind mindestens 35 Prozent des Sozialhilfeanspruchs ('der Leistung') bei Personen, die vom Einsatz der Arbeitskraft nicht ausgenommen sind, von der Vermittelbarkeit am österreichischen Arbeitsmarkt abhängig zu machen ('Arbeitsqualifizierungsbonus'). §5 Abs7 SH-GG unterstellt eine Vermittelbarkeit am österreichischen Arbeitsmarkt dergestalt, dass diese lediglich bei Sprachniveau B1 (Deutsch) oder C1 (Englisch) bzw bei Pflichtschulabschluss mit Deutsch als primärer Unterrichtssprache gegeben sein soll.
Ausnahmen hiervon werden nur sehr eingeschränkt für bestimmte Personen vorgesehen (§5 Abs8 Z1 und 3 SH-GG). Die in §5 Abs8 Z1 SH-GG normierte Ausnahme für Personen, deren Behinderung einen erfolgreichen Spracherwerb nach §5 Abs7 Z1 SH-GG ausschließt, ist in der Zusammenschau mit den Erläuterungen zum Gesetzestext aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklich. Aus den Erläuterungen ist nämlich zu entnehmen, dass darunter (nur) gehörlose ('stumme') oder sehbehinderte Personen, nicht aber Personen mit bestehender Lern- oder Leseschwäche zu verstehen sind. Insbesondere bei Personen mit bestehender Lern- oder Leseschwäche, Personen mit psychischen Erkrankungen oder älteren Personen besteht deshalb die akute Gefahr, dass sie die Anforderungen für den Arbeitsqualifizierungsbonus kaum erreichen können und deshalb auf Dauer vom vollen Bezug der Sozialhilfe ausgeschlossen sein könnten. Diese Regelung führt daher zu gleichheitswidrigen Ergebnissen und führt zu einer Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen – Art7 Abs1 BVG, Art21 Abs1 GRC.
Die Vorgaben in §5 Abs7 SH-GG sind überschießend und unverhältnismäßig, da eine Vermittelbarkeit in bestimmten Sparten (zB Bauwirtschaft) auch schon unter dem vorgegebenen Sprachniveau besteht. Das Niveau B1 bzw C1 ist zu hoch, um als gelindestes Mittel für die Zielerreichung (Vermittelbarkeit) sachlich gerechtfertigt zu sein. Zudem wird weder auf die zumutbare Leistungsfähigkeit noch auf die individuelle Mitwirkungsbereitschaft Rücksicht genommen. Es ist insbesondere verfassungswidrig, die Bedarfsdeckung in Grundbedürfnissen vom Vorhandensein eines bestimmten Sprachniveaus abhängig zu machen: auch Analphabeten, die ohne ihr Verschulden außerstande sind, ein derart hohes sprachliches Niveau zu erreichen, benötigen die vollen Leistungen der Sozialhilfe, wenn sie in Not geraten. Dies gilt für alle Zwischenstufen bis zum Akademiker entsprechend: für manche Personen wird es zumutbar sein, ein Sprachniveau B1 (Deutsch) bzw C1 (Englisch) zu erreichen, vielen anderen aber nicht. Auch ist sachlich nicht einsichtig, welchen Vorteil Englisch gegenüber anderen verbreiteten Sprachen der europäischen Union haben soll, wie Italienisch oder Spanisch und was es unter Arbeitsmarktgesichtspunkten rechtfertigt, Englisch den Kenntnissen der deutschen Sprache gleichzusetzen, aber zB. Polnisch oder Serbokroatisch nicht zu berücksichtigen, also Sprachen, die von Arbeitsnehmern die in einfachen Arbeitsverwendungen stehen, in Österreich häufig gesprochen werden. Es muss unter dem Gesichtspunkt einer in Österreich in Not geratenen Person vielmehr gänzlich irrelevant sein, ob sie neben ihrer eigenen Muttersprache bzw Deutsch auch noch eine Fremdsprache kann, da dies auch von im Inland geborenen Personen nicht verlangt wird.
Die angeführten Normen sind aber auch nicht kohärent im Sinne der Einheitlichkeit der Rechtsordnung: §4 Abs3 Integrationsgesetz sieht die Arbeitsvermittlung im Sinne des §7 Abs2 AlVG schon dann als gewährleistet an, wenn keine oder geringe Deutschkenntnisse vorliegen. Damit normiert §5 Abs7 SH-GG strengere Voraussetzungen für die Vermittelbarkeit am österreichischen Arbeitsmarkt, als dies in den derzeit geltenden, die Integration und den Arbeitsmarkt betreffenden Bundesgesetzen der Fall ist, ohne dass dafür sachliche Gründe angeführt werden. Solche Verschärfungen sind zur Regelung des 'Armenwesens', insbesondere aber zur Vermeidung der Deprivierung bestimmter Bevölkerungsteile, nicht gerechtfertigt (VfSlg 17.942/2006).
Die Höhe des Abzuges von mindestens 35 % verhindert aber auch, dass eine angemessene Bedarfsabdeckung für diese Person gewährleistet ist. Der Abzug ist durch keine weiteren Vorkehrungen eingeschränkt und trifft daher auch jene, deren Bedarfsdeckung schon durch andere Bestimmungen (wie zB jene des §5 Abs3 und 4 SH-GG) eingeschränkt ist. Umgekehrt wird bei den Einschränkungen des §5 Abs3 und 4 SH-GG nicht darauf Bedacht genommen, ob die betreffende Person nicht schon einer Einschränkung des §5 Abs6 und 7 unterliegt. Das SH‑GG enthält somit eine Reihe von nebeneinander bestehenden Einschränkungsmöglichkeiten der Sozialhilfegewährung ohne wechselseitige Bedachtnahme auf die jeweils anderen Möglichkeiten. Unter dem Gesichtspunkt der Sicherung des Lebensunterhaltes ist dieses wechselseitige Anrechnungs- und Kürzungssystem, das dem Landesgesetzgeber zwingend auferlegt wird, grob unsachlich und kann mit den Zielen des Kompetenztatbestandes 'Armenwesen' nicht gerechtfertigt werden. Leistungen im Rahmen des Armenwesens dienen in erster Linie der Abdeckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs von sozial Hilfsbedürftigen und nicht der Sanktionierung von mangelhaften Sprachkenntnissen und Berufsqualifikationen. Aufgrund des insoweit untrennbaren Zusammenhanges der Kürzungsregelung ist das SH-GG kompetenzwidrig und gleichheitswidrig.
Im Hinblick auf den 'Arbeitsqualifizierungsbonus', der auch bei EU/EWR-Bürgern in Abzug zu bringen ist, wenn diese gemäß §5 Abs7 Z1 SH-GG als nicht 'vermittelbar' gelten, weil sie weder das Sprachniveau B1 für Deutsch oder C1 für Englisch nachweisen können, noch einem der Ausnahmetatbestände nach Abs6 bzw Abs8 dieser Bestimmung unterliegen, liegt auch eine nicht zu rechtfertigende Verletzung der unionsrechtlichen Grundfreiheiten vor. Dies ist jedenfalls der Fall bei all jenen EU/EWR-Bürgern, die sich seit mindestens fünf Jahren dauerhaft tatsächlich und rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und sich auf die Arbeitnehmer-Freizügigkeit bzw die Niederlassungsfreiheit berufen können oder Angehörige solcher Personen sind. Für andere EU/EWR-Bürger wird zu gelten haben, dass für deren Gleichstellung mit den österreichischen Staatsangehörigen zwar in §4 Abs1 Satz 1 SH-GG grundsätzlich verlangt wird, dass sie sich – wie andere Fremde – 'seit mindestens fünf Jahren dauerhaft tatsächlich und rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten'. Diese Auflage soll allerdings nach Satz 2 der Bestimmung dann nicht gelten, wenn 'eine Gewährung von … Sozialhilfe aufgrund … unionsrechtlicher Vorschriften zwingend geboten ist und dies im Einzelfall nach Anhörung der zuständigen Fremdenbehörde … festgestellt wurde'. Zwingend geboten ist eine Gleichstellung mit den Inländern insbesondere bei Personen, die nicht nur ihre Unionsbürgerschaft geltend machen könnten, sondern bei denen eine Differenzierung eine Verletzung von Grundfreiheiten bedeuten würde, weil sie sich auf ihre Freizügigkeit als Arbeitnehmer oder ihre Niederlassungsfreiheit als Selbständige berufen können (Art7 Abs3 der (Unionsbürger-)Richtlinie 2004/38/EG ). Die durch das SH-GG angeordnete Einzelfallprüfung verursacht demgegenüber administrativen Aufwand, und führt auch zu einer Einschränkung oder zumindest verzögerten Gewährung eines sonst gebührenden Leistungsanspruchs. Die ErläutRV (4) scheinen dieses Problem insofern selbst erkannt zu haben, als sie dem Landesgesetzgeber die Aufgabe zuweisen, 'sicherzustellen, dass die Einzelfallprüfung keine nachteiligen Auswirkungen haben kann' – der unsachliche Widerspruch zum Unionsrecht findet sich allerdings im SH-GG selbst.
Eine (mittelbare) Diskriminierung von Asylberechtigten, EU-/EWR- Bürgern und Drittstaatsangehörigen besteht aber auch darin, dass die Vorgabe, ein bestimmtes Sprachniveau für den 'Arbeitsqualifizierungsbonus' vorweisen zu müssen, Personen ausschließlich auf Grund ihrer (sprachlichen) Herkunft in der Regel ab dem ersten Tag schlechter stellt, ohne dass diese Schlechterstellung mit den Zielen des Kompetenztatbestandes 'Armenwesen' sachlich gerechtfertigt werden kann.
Aber auch im Lichte von §1 BVG zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung scheint diese Bestimmung bedenklich.
Bei Asylberechtigten liegt eine Unionsrechtswidrigkeit vor, da nach Art29 Abs1 RL 2011/95/EU die Verpflichtung zur Gleichbehandlung bei der Gewährung von Sozialhilfe auch im Falle einer mittelbaren Diskriminierung verletzt ist. Die Vorgaben des Art29 Abs1 RL 2011/95/EU sind unmittelbar anzuwenden und dringen auch gegen widersprechendes nationales Recht durch (EuGH, Rs C‑713/17 , Ayubi zum OÖ MSG). Die Vorgaben des SH-GG dürften daher vom Landesgesetzgeber nicht beachtet werden.
Asylberechtigte sind darüber hinaus aber auch nach nationalem Verfassungsrecht den österreichischen Staatsbürgern gleichzustellen (VfGH G136/2017). Das Erfordernis eines bestimmten Sprachniveaus führt demgemäß ebenfalls zu einer zumindest mittelbaren Diskriminierung.
Die Beschränkung des Anspruchs für subsidiär Schutzberechtigte auf das Niveau der Grundversorgung in §4 Abs1 letzter Satz SH-GG erscheint unionsrechtlich ebenfalls bedenklich. Der VfGH hat dies zwar bereits einmal für zulässig erachtet. Allerdings ist dies im Lichte des damaligen Verfahrens nur im Hinblick auf das nationale Recht erfolgt, ohne dass der VfGH auf die Auslegung des unionsrechtlichen Begriffs der 'Kernleistungen' in Art29 Abs2 RL 2011/95/EU eingehen musste.
Die Antragsteller stellen daher in diesem Zusammenhang auch die
Anregung,
diese aufgeworfenen unionsrechtlichen Fragen dem EuGH vorzulegen.
Die Notwendigkeit ausreichender Deutschkenntnisse als eine zentrale Bedingung für die Integration und berufliche Eingliederung soll durch die Ausführungen zu diesem Beschwerdepunkt nicht in Frage gestellt werden. Allerdings ist es überschießend und mit den Zielen des 'Armenwesens' nicht vereinbar, wenn Sanktionen bei Nichterfüllung dieser Integrationsziele so weit gehen, dass kein ausreichender Lebensunterhalt für die Betroffenen gesichert ist. Bereits derzeit besteht im Rahmen der Mindestsicherungsgesetze der Länder die Verpflichtung zur Teilnahme an arbeitsmarkt- und integrationspolitischen Angeboten. Eine Verweigerung führt auch zu entsprechenden Sanktionen. Weder aus den Sanktions- noch aus den Sprachniveaustatistiken der BezieherInnen der Mindestsicherung ist ein entsprechender Handlungsbedarf ableitbar.
Antrag:
Es wird daher beantragt, §5 Abs3 und 4 sowie 6 bis 9 SH-GG wegen Verstoß[es] gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B‑VG und Art2 StGG und Verstoß[es] gegen §1 BVG zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, als verfassungswidrig aufzuheben.
3.4. Unsachlichkeit der Umsetzungsfristen:
Ausführungsgesetze der Länder zum SH-GG sind gemäß §10 Abs2 SH-GG innerhalb von sieben Monaten nach Inkrafttreten des Grundsatzgesetzes zu erlassen und in Kraft zu setzen. In Anbetracht der notwendigen legistischen und vollziehungstechnischen Vorarbeiten, politischen Abstimmungen, Begutachtungen, Gremienbeschlüsse und Kundmachungen ist diese Frist unverhältnismäßig kurz und sachlich nicht gerechtfertigt.
Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz ist mit 1. Juni 2019 in Kraft treten und ist von den Ländern innerhalb von sieben Monaten mittels eigener Ausführungsregelung umzusetzen. Da es sich bei der Sozialhilfe neu nicht mehr um ein System sozialer Absicherung im Sinne einer Existenzsicherung handeln soll, sondern nur noch um eine 'Unterstützungsleistung' im Sinne einer staatlich finanzierten Beitragsleistung zur Deckung des Lebensbedarfes, soll nunmehr auch eine Überstellung sämtlicher Hilfeempfänger in das neue System bis spätestens 1. Juni 2021 erfolgen (§10 Abs3 SH-GG).
Das bloße Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand einer gegebenen Rechtslage ist verfassungsrechtlich nicht besonders geschützt (VfSlg 16.687/2002). Es bleibt einem Gesetzgeber unbenommen, einmal geschaffene Rechtspositionen Einzelner - entgegen deren Erwartungen und auch zu Lasten Betroffener - abzuändern und für die Zukunft ungünstiger zu gestalten (VfSlg 19.761/2013 betreffend Verträge der Krankenkassen mit Vertragsärzten; vgl außerdem VfSlg 19.629/2012). Selbst in bereits bestehende Leistungen darf der Gesetzgeber dabei eingreifen (VfSlg 16.764/2002; vgl auch VwGH 2.12.1997, 97/05/0193, sowie VwGH vom 30.11.1999, 99/05/0168). Der VfGH hat in ständiger Judikatur zu steuerfinanzierten Transferleistungen zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzgeber bei Verfolgung rechtspolitischer Ziele grundsätzlich frei ist (vgl VfSlg 8541/1979).
Dieser dem Gesetzgeber zustehende Gestaltungsspielraum wird allerdings durch das Gleichheitsgebot des Art7 B‑VG insofern beschränkt, als es ihm verwehrt ist, Regelungen zu treffen, für die eine sachliche Rechtfertigung nicht besteht (VfSlg 19.698/2012); bei intensiveren Eingriffen in Rechtspositionen Betroffener sind spezielle Begleitregelungen in Form von (großzügigen) Übergangsbestimmungen zu schaffen; insbesondere dürfen schwerwiegende Eingriffe in die Rechtspositionen von Adressaten nicht derart plötzlich erfolgen, dass diesen keine Möglichkeit verbleibt, anderweitig vernünftige Dispositionen zu treffen oder alternative Möglichkeiten zu suchen (vgl zum Vertrauensschutz ua Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht11, Rz 786 ff, zur möglichen [oder uU sogar gebotenen] Differenzierung im Hinblick auf den Schutz sozial Schwächerer vgl Pfeil, in DRdA 2015, 420 [insb 423 ff]).
Im Lichte der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur zum Vertrauensschutz des Art7 B‑VG sind die Übergangsregelungen des §10 Abs2 und 3 SH-GG verfassungsrechtlich bedenklich.
Antrag:
Es wird daher beantragt, die Wendung 'innerhalb von sieben Monaten' in §10 Abs2 SH-GG – in eventu §10 Abs2 SH-GG zur Gänze - sowie §10 Abs3 SH-GG wegen Verstoß[es] gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B‑VG und Art2 StGG als verfassungswidrig aufzuheben.
4. Verfassungswidrigkeit durch Verstoß gegen Bestimmungen des BVG Kinderrechte:
§5 Abs2 SH-GG, der eine unsachlich abrupte Kürzung der Sozialhilfe ab dem dritten Kind auf nur 5 % vorsieht, verstößt auch gegen das BVG Kinderrechte (BGBl I 2011/14), wie dies der VfGH in G308/2018 eindeutig zum Ausdruck gebracht hat: 'Der Lebensunterhalt einer hinzukommenden Person – etwa eines dritten Kindes – kann (…) in der Regel nicht mit der Familienbeihilfe allein bestritten werden (vgl VfGH 7.3.2018, G136/2017 ua, Rz 122). Da die Deckelung vor allem Haushalte mit einer größeren Anzahl von Kindern trifft, wodurch die Bedarfsdeckung besonders bei Kindern nicht mehr gewährleistet ist, ist in diesem Zusammenhang auch Art1 BVG über die Rechte von Kindern zu beachten. Danach hat jedes Kind Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig sind, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie auf die Wahrung seiner Interessen auch unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit. Bei alle Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher und privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein. Die verfassungsrechtliche Vorgabe, bei Kinder betreffenden Maßnahmen das Kindeswohl als vorrangige Erwägung zu berücksichtigen, bindet auch den Gesetzgeber, wenn er die Grundlagen für solche Maßnahmen normiert (VfSlg 20.018/2015). Die Ausgestaltung des §10b Bgld MSG, die es verhindert, den konkreten Bedarf von Personen wahrzunehmen, die in einer Haushaltsgemeinschaft leben, ist daher – auch in Anbetracht des Art1 BVG über die Rechte von Kindern – verfassungswidrig.'
Die vom VfGH zur Regelung des burgenländischen Mindestsicherungsgesetzes getroffenen Überlegungen können zur Bestimmung des §5 Abs2 Zif 3 litc zwanglos übernommen werden. Die Ausgestaltung des §5 Abs2 Zif. 3 SH-GG verhindert es, den konkreten Bedarf von Kindern wahrzunehmen und ist daher – auch in Anbetracht des Art1 BVG über die Rechte von Kindern – verfassungswidrig. Die Festlegung eines Bagatellbetrages von EUR 1,50 pro Tag und Kind stellt in Wahrheit eine Umgehung, wenn nicht sogar eine Verhöhnung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Unzulässigkeit von starren Deckelungen dar, wird doch damit im Wesentlichen dasselbe Ergebnis von nahezu keiner Leistung für die Betroffenen erreicht.
Antrag:
Es wird daher beantragt, §5 Abs2 Zif. 2 litc) SH-GG wegen Verstoß[es] gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B‑VG und Art2 StGG und Verstoß[es] gegen Art1 BVG über die Rechte von Kindern als verfassungswidrig aufzuheben.
5. Unsachlich rigide Anrechnung von Eigeneinkommen:
Ein Phänomen des österreichischen Arbeitsmarktes ist in den letzten beiden Jahrzehnten aus den USA und dem übrigen Europa auch zu uns vorgedrungen: Die Gruppe der 'working poor'. Es handelt sich dabei um Personen, die einer Beschäftigung, oft sogar auch zwei Jobs, nachgehen und dennoch nicht genug Einkommen zur Führung eines menschenwürdigen Lebens erzielen. Diese sind ungeachtet ihrer Berufstätigkeit auf den Bezug der Sozialhilfe angewiesen.
§7 Abs6 SH-GG sieht einen anrechnungsfreien Freibetrag von bis zu 35 % des aus solchen Beschäftigungsverhältnissen erzielten Netto-Einkommens für die Dauer von höchstens 12 Monaten vor. Die Bestimmung ist obligatorisch formuliert und bietet den Ländern keinen Spielraum nach oben oder unten.
Diese rigide Formulierung bewirkt einen Ausschluss der betroffenen Personengruppe bzw der zahlreichen 'Aufstocker' aus den Leistungen der Sozialhilfe über der Grenze von 35 % oder nach Ablauf von 12 Monaten und verunmöglicht es den Ländern auch nur geringfügig günstigere Regelungen zu erlassen.
Die Regelung des §7 Abs6 SH-GG ist aus diesem Grunde unsachlich und verfassungswidrig.
Antrag:
Es wird daher beantragt, §7 Abs6 SH-GG wegen Verstoß[es] gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B‑VG und Art2 StGG als verfassungswidrig aufzuheben.
6. Unsachliche Beschränkung der Nachweisbarkeit ausreichender Sprachkenntnisse:
§5 Abs7 SH-GG regelt, dass die geforderten Nachweise für das Sprachniveau B1 (Deutsch) oder C1 (Englisch) durch den erfolgreichen Abschluss der Pflichtschule, eine persönliche Vorsprache bei der Behörde (sofern die ausreichenden Sprachkenntnisse dadurch offenkundig sind) oder ein aktuelles Zertifikat des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) oder eine aktuelle Spracheinstufungsbestätigung des ÖIF erbracht werden müssen. Als 'aktuell' gilt dabei nach den Erläuterungen eine Bestätigung, die nicht älter als sechs Monate ist.
Ausführungen dazu, weshalb ein älteres Sprachzertifikat nicht mehr gültig sein soll und weshalb nur Zertifikate des ÖIF und nicht anderer, ebenfalls renommierter Sprachschulen gültig sein können, fehlen völlig. In der Praxis führt diese Regelung zu einer erheblichen Entwertung der bisher von betroffenen abgelegten Sprachkurse und zugleich einer Monopolisierung des ÖIF; beides entbehrt einer sachlichen Rechtfertigung.
Antrag:
Es wird daher beantragt, §5 Abs7, letzter Satz SH-GG wegen Verstoß[es] gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B‑VG und Art2 StGG als verfassungswidrig aufzuheben.
IV. ZUR DARLEGUNG DER BEDENKEN ZUM SOZIALHILFE-STATISTIKGESETZ:
7. Unzureichende Determinierung, datenschutzrechtliche Bedenken:
§1 Abs1 des Sozialhilfe-Statistikgesetzes sieht vor, dass den Ländern ' die zu den Zwecken der Aufrechterhaltung und Vollziehung des österreichischen Sozialhilfewesens erforderlichen Daten' von bestimmten Bundesbehörden elektronisch zur Verfügung zu stellen sind. Bei diesen Daten wird es sich in ihrer überwiegenden Mehrzahl um personenbezogene Daten iSd §1 DSG 2018 handeln. Nach §1 Abs2 DSG 2018 darf – von hier nicht in Frage kommenden Ausnahmen abgesehen – ein Eingriff einer staatlichen Behörde in das Grundrecht auf Geheimhaltung der eine Person betreffenden Daten nur erfolgen, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist und einem der Gründe in Art8 Abs2 EMRK entspricht. Zudem müssen derartige Gesetze gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen festlegen.
Schon an der zuletzt genannten Bedingung mangelt es, da das Sozialhilfe‑Statistikgesetz keinerlei Garantien für den Datenschutz bestimmt. Aber auch die Eingriffsnorm selbst ist unbestimmt, da nur von 'erforderlichen Daten' gesprochen wird, eine Klarstellung, welche Arten von Daten, für welchen Zeitraum, in welchem Detaillierungsgrad und in welcher Form der Übermittlung, fehlt völlig. Die Bestimmung widerspricht daher dem Bestimmtheitsgebot und dem verfassungsrechtlichen Schutz der personenbezogenen Daten der Betroffenen.
Aber auch die Bestimmung des §1 Abs2 Sozialhilfestatistikgesetz, die einen Datenfluss von den Ländern zur Bundesanstalt Statistik Austria vorsieht, ist datenschutzrechtlich bedenklich: Die in der Anlage unter Zif. 1 litk festgeschriebenen Datenarten 'Staatsangehörigkeit und Geburtsort der leiblichen Eltern' sind für den Vollzug der Sozialhilfe offenbar nicht erforderlich und beziehen zwei weitere Personen, die selbst gar nicht Bezieher von Sozialhilfe waren oder sind, in die zu übermittelnden Daten ein. Auch dies stellt einen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz dar. Eine Begründung, weshalb diese Daten für die Statistik erforderlich wären, lassen auch die Materialien vermissen.
Antrag:
Es wird daher beantragt, §1 Abs1 und 2 Sozialhilfe-Statistikgesetz wegen Verstoß[es] gegen das Grundrecht auf Datenschutz gem. §1 DSG 2018 sowie gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B‑VG und Art2 StGG als verfassungswidrig aufzuheben." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
2. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegengetreten wird:
"II. Zur Zulässigkeit:
1.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes soll ein Gesetzesprüfungsverfahren dazu dienen, die behauptete Verfassungswidrigkeit – wenn sie tatsächlich vorläge – zu beseitigen. Unzulässig ist ein Antrag daher dann, wenn die Aufhebung einer Bestimmung beantragt wird, welche die angenommene Verfassungswidrigkeit gar nicht beseitigen würde (VfSlg 16.191/2001, 18.397/2008, 18.891/2009, 19.178/2010, 19.674/2012; VfGH 26.11.2015, G179/2015; 14.12.2016, G573/2015 ua; jeweils mwN).
Das trifft in mehrfacher Hinsicht auf den vorliegenden Normprüfungsantrag zu:
1.2. Vor dem Hintergrund der Bedenken hinsichtlich einer Überdeterminierung des §4 Abs2 SH-GG erscheint fraglich, ob die beanstandete Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung des §4 Abs2 Z3 SH-GG beseitigt werden kann. Das Vorbringen der Antragsteller enthält keine Ausführungen dazu, inwiefern sich §4 Abs2 Z3 SH-GG mit Blick auf seinen Bestimmtheitsgrad qualitativ von den übrigen Ziffern des §4 Abs2 SH-GG unterscheidet. Die Antragsteller hätten daher nach Auffassung der Bundesregierung nicht nur §4 Abs2 Z3, sondern jedenfalls auch §4 Abs2 Z1, 2 und 4 SH-GG anfechten müssen.
1.3. Gleichermaßen erweist sich der Antrag, soweit er sich gegen den Arbeitsqualifizierungsbonus gemäß §5 Abs6 SH-GG richtet, aus der Sicht der Bundesregierung als zu eng gefasst. §5 Abs6 Z1 bis 8 SH-GG nimmt die genannten Personengruppen nämlich nicht nur von der Voraussetzung der Vermittelbarkeit am österreichischen Arbeitsmarkt aus, sondern – aufgrund des expliziten Verweises in der angefochtenen Bestimmungen auf §3 Abs4 – auch von der Voraussetzung der 'dauerhaften Bereitschaft zum Einsatz ihrer Arbeitskraft (§3 Abs4)'. Eine Aufhebung dieser Bestimmung hätte daher den Effekt, dass der Bezug von Sozialhilfeleistungen durch diese Personengruppen vom Vorliegen der dauerhaften Arbeitsbereitschaft abhängig wäre. Durch die Aufhebung des §5 Abs6 SH-GG würde daher nicht eine Rechtslage hergestellt, auf die die vom Antragsteller vorgebrachten Bedenken nicht mehr zuträfen. Vor dem Hintergrund ihres Bedenkens der Überdeterminierung (Pkt. 1.3. des Antrags) wie auch im Hinblick auf den Gleichheitssatz (Pkt. 3.3) hätten sie daher auch §3 Abs4 SH‑GG anfechten müssen (in Hinblick auf das Bedenken zur Überdeterminierung zumindest aber die Wendung 'soweit dieses Bundesgesetz keine Ausnahme vorsieht').
2.1. Die Antragsteller begründen ihre Bedenken im Hinblick auf §1 Abs2 des Sozialhilfe-Statistikgesetzes damit, dass die darin vorgesehene Datenübermittlung die in Z1 litk der Anlage angeführte Datenart 'Staatsangehörigkeit und Geburtsort der leiblichen Eltern' umfasse.
2.2. Die Grenzen der Aufhebung eines Gesetzes sind nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden. Diese Rechtsprechung beruht auf dem Grundgedanken, dass im Normenprüfungsverfahren nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes muss in Fällen, in denen sich verfassungsrechtliche Bedenken nicht gegen eine Verweisung, sondern gegen die verwiesene Norm richten, geprüft werden, ob den Bedenken – sofern sie zutreffen – durch Aufhebung der verweisenden oder der verwiesenen Norm Rechnung zu tragen ist (vgl VfSlg 18.033/2006; VfGH 13.10.2016, G614‑615/2015; 13.2.2017, G111/2017). Es ist dabei Sache des Verfassungsgerichtshofes, im Gesetzesprüfungsverfahren zu entscheiden, wie der Aufhebungsumfang im konkreten Fall abzugrenzen ist. Der Antragsteller muss daher all jene Bestimmungen mitanfechten, die in diese Abwägung bei der Abgrenzung des Aufhebungsumfanges miteinzubeziehen sind, und darf nicht durch Anfechtung nur eines Teils dieser Bestimmungen das Ergebnis der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vorwegnehmen (s VfGH 13.10.2016, G640-641/2015 mwN).
2.3. Vor dem Hintergrund ihrer Bedenken gegen die Übermittlungspflicht nach §1 Abs2 des Sozialhilfe-Statistikgesetzes hinsichtlich der in Z1 litk der Anlage angeführten Datenart 'Staatsangehörigkeit und Geburtsort der leiblichen Eltern' hätten die Antragsteller nach Auffassung der Bundesregierung nicht nur §1 Abs2 des Sozialhilfe-Statistikgesetzes, sondern kumulativ zumindest auch Z1 lit k der Anlage mitanfechten müssen. Die behauptete Verfassungswidrigkeit könnte nämlich jedenfalls durch Aufhebung der Z1 litk der Anlage (allein oder gemeinsam mit §1 Abs2 des Sozialhilfe-Statistikgesetzes) beseitigt werden. Hingegen ist fraglich, ob eine Aufhebung nur des §1 Abs2 des Sozialhilfe-Statistikgesetzes – ohne gleichzeitige Aufhebung der Z1 litk der Anlage – überhaupt geeignet wäre, die behauptete Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Dieselben Datenübermittlungen könnten nämlich – unabhängig von §1 Abs2 des Sozialhilfe-Statistikgesetzes – unmittelbar auf Grundlage der Anlage erfolgen, deren Einleitungssatz ausdrücklich vorsieht, dass die Länder der Bundesanstalt 'Statistik Österreich' zu einem näher festgelegten Zeitpunkt die in den Z1 und 2 angeführten Merkmale über die Bezugsberechtigten von Leistungen der Sozialhilfe im Wege der automationsunterstützten Datenübermittlung zur Verfügung stellen.
Die Antragsteller hätten daher nach Auffassung der Bundesregierung zusätzlich zu §1 Abs2 des Sozialhilfe-Statistikgesetzes zumindest auch Z1 litk der Anlage mitanfechten müssen, um nicht das Ergebnis der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über die Abgrenzung des Aufhebungsumfangs vorwegzunehmen und eine Beseitigung der behaupteten Verfassungswidrigkeit zu ermöglichen.
3. Aus diesen Gründen ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der Antrag teilweise unzulässig ist.
In der Sache nimmt die Bundesregierung wie folgt Stellung:
III. In der Sache:
Die Bundesregierung verweist einleitend auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen beschränkt ist und ausschließlich beurteilt, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (vgl zB VfSlg 19.160/2010, 19.281/2010, 19.532/2011, 19.653/2012). Die Bundesregierung beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der im Antrag dargelegten Bedenken.
1. Zu den Bedenken im Hinblick auf eine Überschreitung des zulässigen Regelungsinhaltes eines Grundsatzgesetzes gemäß Art12 B‑VG:
1.1. Die Antragsteller vertreten die Ansicht, dass zahlreiche Bestimmungen des SH-GG überdeterminiert sind und daher gegen Art12 Abs1 B‑VG verstoßen.
1.1.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hat sich ein Grundsatzgesetz auf die Aufstellung von Grundsätzen zu beschränken und darf über diese im Art12 B‑VG gezogene Grenze hinaus nicht Einzelregelungen treffen, die der Landesgesetzgebung vorbehalten sind (vgl zB VfSlg 2087/1951, 3340/1958, 3598/1959, 14.322/1995, 15.279/1998, 16.058/2000, 16.244/2001, 17.232/2004 und 18.894/2009 mwN). Dafür, wo diese Grenze im Einzelnen verläuft, existieren aber keine justiziablen Kriterien (vgl Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht12 [2019] Rz 245; in diesem Sinne auch Adamovich/Funk/Holzinger, Österreichisches Staatsrecht Bd. I [2011] Rz 19.019: Die Grenze zwischen Grundsatz- und Detailregelungen könne nicht generell-abstrakt gezogen, sondern nur Fall für Fall untersucht und dargestellt werden).
Aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes erscheinen dazu insbesondere folgende Erwägungen von Bedeutung: In VfSlg 2087/1951 hat der Verfassungsgerichtshof etwa ausgeführt, dass der Bund in Grundsatzgesetzen all jene gesetzlichen Anordnungen erlassen soll, die nach Ansicht des Bundesgesetzgebers Fragen von grundsätzlicher Bedeutung betreffen und die daher einer für das ganze Bundesgebiet wirksamen einheitlichen Regelung bedürfen (in diesem Sinne auch VfSlg 3853/1960, 16.244/2001, 17.232/2004 mwN). In VfSlg 3340/1958 hat er anerkannt, dass es zweifellos Bestimmungen von grundsätzlicher Bedeutung gebe, die ihrem Inhalt nach einer unmittelbaren Vollziehung fähig seien, wenn sie durch die Ausführungsgesetzgebung übernommen werden. In VfSlg 3598/1959 scheint dies jedoch eingeschränkt zu werden, wenn der Verfassungsgerichtshof eine Grundsatzregelung, die ohne inhaltliche Ergänzung in unmittelbar anwendbares Recht transformiert werden könnte, als Art12 B‑VG verletzend aufgehoben hat. In jüngerer Zeit hat der Verfassungsgerichtshof – unter Hinweis auf die Erläuterungen zur B‑VG-Novelle 1974, RV 182 BlgNR 13.GP , 18 – betont, dass die Einrichtung der Grundsatzgesetzgebung auf eine gewisse Einheitlichkeit der Regelung in allen Bundesländern abzielt (VfSlg 15.279/1998).
1.1.2. In der Lehre vertritt etwa Walter (Bundesverfassungsrecht [1972] 204) den Standpunkt, eine grundsatzgesetzliche Regelung dürfe nicht so bestimmt sein, dass das Bundesgesetz im Hinblick auf Art18 B‑VG einwandfrei vollzogen werden könne (ebenso Mayer, Ist der Landesgesetzgeber nach Art10 Abs2 B‑VG zuständig, ohne ausdrückliche Ermächtigung durch einfaches Bundesgesetz, Strafbestimmungen zu erlassen?, JBl. 1974, 459 [461]). Dem steht die Meinung gegenüber, die Bundesgesetzgebung sei frei, auch solche Bestimmungen als Grundsätze aufzustellen, die eine erschöpfende Regelung einer Materie darstellen und die daher von der Landesgesetzgebung nur formal als Ausführungsgesetze zu beschließen sind, ohne einer weiteren materiellen 'Ausführung' zu bedürfen (so Rabofsky, Sozialrechtliche Bestimmungen und die Grundsatzgesetzgebung des Bundes, ÖJZ1949, 169). Dieser Auffassung entspricht jedenfalls die jahrzehntelange – bisher vom Verfassungsgerichtshof nicht geprüfte – Gesetzgebungspraxis etwa im Landarbeitsrecht; weiters finden sich zB auch im Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz, BGBl Nr 1/1957, zT sehr detaillierte Grundsatzbestimmungen.
1.1.3. Der Bund bemühte sich bis Ende der 1960er-Jahre um die Erlassung eines Fürsorgegrundsatzgesetzes. Die Länder lehnten diese Vorschläge aus kompetenzrechtlichen Gründen und aus stark divergierenden Partikularinteressen ab. 1968 erklärte der Bund, von seiner Zuständigkeit zur Regelung des 'Armenwesens' nicht Gebrauch zu machen. In den folgenden Jahren erließen die Länder auf der Grundlage des Art15 Abs6 B‑VG eigene Sozialhilfegesetze, die eine Weiterentwicklung der auf die Armenversorgung beschränkten Fürsorge zu einer umfassenden Sozialhilfe brachten (vgl Dragaschnig, Fürsorgeprobleme und Sozialhilfegesetzgebung in Österreich, in Krejci [Hrsg.], Probleme der Fürsorge und Sozialhilfe im Wohlfahrtsstaat [1974], S. 65 [67]; Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht [1989], S. 37 f).
Aufgrund der erheblich voneinander abweichenden Sozialhilfesysteme in den Ländern wurde bereits im Jahr 2007 damit begonnen, Maßnahmen zur bundesweiten Harmonisierung dieser Systeme zu unternehmen. Im Jahr 2010 wurde schließlich eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern gemäß Art15a B‑VG über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung, BGBl I Nr 96/2010, abgeschlossen. Darin wurden bundesweit einheitliche Standards für den Sozialhilfebezug geschaffen und Maßnahmen formuliert, um die langfristige Finanzierung der Armutsbekämpfung sicherzustellen. Ein Schwerpunkt lag dabei auf der Reintegration von Leistungsempfängern in den Arbeitsmarkt durch gezielte Weiterbildungsangebote und Fördermaßnahmen (vgl ErlRV 677 BlgNR 24.GP , 1).
Die Rechtsentwicklung im Bereich der Sozialhilfe hat seitdem jedoch zu einer noch stärker differenzierten Gesetzeslandschaft geführt als vor Einführung der Mindestsicherung im Jahre 2011 (ErlRV 514 BlgNR 26. GP , 1). Bei der Neugestaltung der Mindestsicherung durch das Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes im Jahr 2019 wurde zusätzlich der Fokus auf die Reduktion bestehender Anreize für eine Binnenwanderung und die Dämpfung der Zuwanderung in das österreichische Sozialsystem gelegt (vgl ErlRV 514 BlgNR 26. GP , 4; vgl Vorblatt und WFA ArtI + II zu RV 514 BlgNR 26. GP , 1 und 5). Nach Ansicht der Bundesregierung handelt es sich daher bei den von den Antragstellern unter Pkt. 1 (Seiten 4 bis 9 des Antrags) angefochtenen Bestimmungen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes um Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, die einer einheitlichen, bundesweiten Regelung iSd Art12 Abs1 Z1 B‑VG bedürfen.
1.2. Die Antragsteller bringen Bedenken hinsichtlich der Abgrenzung des Kreises der Bezugsberechtigten in §4 Abs1 und 2 Z3 SH-GG vor (vgl Normprüfungsantrag, Punkt 1.1., S. 4 f.).
Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass die genannten bundesweiten Zielsetzungen nur dann sinnvoll erreicht werden können, wenn bereits der Kreis der Bezugsberechtigten einheitlich geregelt wird. Ansonsten entstünden Divergenzen in den Zugangsvoraussetzungen, die das Interesse an einer weitreichenden Harmonisierung der Sozialhilfesysteme wiederum konterkarieren würden.
Soweit diese Bedenken die Anhörung der zuständigen Fremdenbehörde in Verfahren betreffend EU- oder EWR-Bürger, Schweizer Staatsbürger oder Drittstaatsangehörige gemäß §4 Abs1 zweiter Satz SH-GG betreffen, ist zunächst der Deutung dieser Bestimmung (wie auch einzelner anderer Bestimmungen) durch die Antragsteller als 'direkte Vollzugsanweisung an die Länder' entgegenzutreten. Es handelt sich dabei um einen Auftrag an die Ausführungsgesetzgebung, die im Sinne der obigen Ausführungen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung betrifft.
Dazu sei zunächst angemerkt, dass gemäß Art24 Abs2 der Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und sich aufzuhalten, ABl. L 158 vom 30.4.2004 (im Folgenden: Freizügigkeits-Richtlinie) Aufnahmemitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, anderen Personen als Arbeitnehmern oder selbstständigen Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen einen Anspruch auf Sozialhilfe zu gewähren (vgl EuGH 15.09.2015, Rs. C67/14, Alimanovic, Slg. 2015, I-597, mit Verweisen auf Art24 Abs2 der Freizügigkeits-Richtlinie). Österreich hat daher insbesondere bei inaktiven EU- oder EWR-Bürgern und deren unionsrechtlich begünstigten Familienangehörigen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, nur eine teilweise Gleichstellung mit eigenen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern vorzunehmen. Ein zuvor erteilter Aufenthaltstitel bzw eine ausgestellte Bescheinigung reicht daher als alleinige Grundlage für einen Zugang zu Sozialhilfeleistungen nicht aus.
Die in §4 Abs1 SH-GG vorgesehene Einzelfallprüfung verfolgt dabei allein den Zweck, die innerstaatliche Verpflichtung zur Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe vor Ablauf der fünfjährigen Wartefrist zu prüfen. Die Landesgesetzgebung wird überdies verpflichtet, sicherzustellen, dass die Einzelfallprüfung keine nachteiligen Auswirkungen auf die Anspruchsdauer und Höhe eines gerechtfertigten Bezugs haben kann (vgl ErlRV 514 BlgNR 26. GP , 4).
Soweit diese Bedenken die Beschränkung gemäß §4 Abs1 letzter Satz SH-GG von Sozialhilfeleistungen für subsidiär Schutzberechtigte auf Kernleistungen betreffen, ist anzumerken, dass die im Grundsatzgesetz festgelegte Limitierung von Leistungen an subsidiär Schutzberechtigte mit dem Niveau der Grundversorgung der Judikatur des Verfassungsgerichthofs entspricht, wonach gegen den Ausschluss subsidiär Schutzberechtigter von Leistungen der Mindestsicherung keine verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert wurden (vgl VfSlg 20.177/2017 zum NÖ. Mindestsicherungsgesetz). Der Verfassungsgerichtshof hat das damit begründet, dass dieser Personengruppe Leistungen aus der Grundversorgung zustünden, die die zu einem menschenwürdigen Leben erforderlichen Grundbedürfnisse abdecken.
Soweit diese Bedenken sich gegen den Ausschluss ausreisepflichtiger Fremder von der Sozialhilfe gemäß §4 Abs2 Z3 SH-GG richten, ist zu entgegnen, dass damit dem fremdenpolizeilichen Interesse einer Durchsetzung der Ausreisepflicht entsprochen wird (vgl ErlRV 514 BlgNR 26. GP , 4). Zudem fand die Personengruppe der ausreisepflichtigen Fremden auch bisher keine nähere Erwähnung in den Mindestsicherungsgesetzen der Länder (vgl auch Art4 Abs3 der außer Kraft getretenen Vereinbarung, gemäß Art15a B‑VG), BGBl I Nr 96/2010, wonach Rechtsansprüche auf Leistungen der Mindestsicherung für Personen vorgesehen waren, die zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt waren).
1.3. Die Antragsteller bringen vor, dass der angeordnete Vorrang von Sachleistungen gemäß den §§3 Abs5 und 5 Abs9 SH-GG gegen Art12 B‑VG verstoße (vgl Normprüfungsantrag, Punkt 1.2., S. 5 f.)
1.3.1. Die Befriedigung des Wohnbedarfs des einzelnen Bezugsberechtigten ist eine der wichtigsten Funktionen der Sozialhilfe. Eine treffsichere Kostenabdeckung in diesem Bereich ist daher vorrangig anzustreben. Gerade bei Personen, die auf dem Wohnungsmarkt mangels ausreichender finanzieller Ressourcen oft benachteiligt sind, erscheint die Erbringung von Sachleistungen in Form einer direkten Übernahme der Wohnkosten oder einer Zurverfügungstellung von Wohnraum zweckmäßig. Hier können Sachleistungen sowohl auf Seiten des Vermieters ('sichere Mietkostenüberweisung') als auch auf Seiten des Mieters ('sichere Mietkostenabdeckung') mehr Rechtssicherheit schaffen.
Gleichermaßen ist für die Sicherstellung der langfristigen, bundesweiten Finanzierung der Armutsbekämpfung – zumindest auch – die erfolgreiche Reintegration von Leistungsempfängern in den Arbeitsmarkt von Bedeutung. Zu diesem Zweck sollen Bezugsberechtigte gemäß §5 Abs9 SH-GG vorrangig dazu angehalten werden, zusätzliche bzw bessere berufliche oder sprachliche Qualifikationen zu erwerben.
1.3.2. Der in §3 Abs5 SH-GG geregelte Sachleistungsvorrang besteht aber nur, 'soweit dadurch eine höhere Effizienz der Erfüllung der Leistungsziele zu erwarten ist'. In Fällen, in denen die Erbringung von Sachleistungen unwirtschaftlich oder unzweckmäßig ist, kann die Landesgesetzgebung daher vorsehen, dass die Sozialhilfe stattdessen in Form von Geldleistungen geleistet wird.
Gleichermaßen kann die Landesgesetzgebung gemäß §5 Abs5 SH-GG vorsehen, dass die Wohnkosten bis zu einem tatsächlichen Ausmaß von bis zu 70% der jeweils anwendbaren Bemessungsgrundlage übernommen und pauschal mit 40% bewertet werden. Die Regelung gibt der Landesgesetzgebung die Möglichkeit, auf ortsbedingte Unterschiede in der durchschnittlichen Höhe der Wohnkosten zu reagieren, soweit dafür ein Bedarf gesehen wird. Der Landesgesetzgebung kommt daher entgegen dem Vorbringen der Antragsteller ein Ausgestaltungsspielraum iSd Art12 B‑VG zu.
1.4. Die Antragsteller beanstanden überdies eine 'überschießende Determinierung der Anspruchsvoraussetzungen und des Leistungsumfangs' in den §§3 Abs6, 5 Abs2 bis 9, 7 Abs1 und 6 sowie 9 Abs3 SH-GG (vgl Normprüfungsantrag, Punkt 1.3., S. 8 f.).
1.4.1. Die Antragsteller bringen vor, dass die Befristung der Leistungsdauer mit zwölf Monaten gemäß §3 Abs6 SH-GG überdeterminiert sei, weil sie eine Vollzugsanweisung ohne jeglichen Umsetzungsspielraum darstelle.
Dabei wird einerseits übersehen, dass die in §3 Abs6 zweiter Satz SH-GG vorgesehene Befristung eine Maximalfrist darstellt, die Leistungsdauer von der Ausführungsgesetzgebung also auch für einen kürzer als zwölf Monate dauernden Zeitraum vorgesehen werden kann. Kürzere Befristungen, wie sie in manchen Bundesländern bereits der gegenwärtigen Praxis entsprechen (vgl zB §9 Abs4 des NÖ Mindestsicherungsgesetzes, das bei erstmaliger Gewährung eine Befristung mit maximal sechs Monaten vorsieht), wären somit auch weiterhin grundsatzgesetzkonform. Andererseits normiert §3 Abs6 dritter Satz SH-GG die Zulässigkeit von Ausnahmen für Bezugsberechtigte, die von dauerhafter Erwerbsunfähigkeit bzw Invalidität betroffen sind (§255 Abs3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes).
Die befristete Zuerkennung wiederkehrender Leistungen der Mindestsicherung bzw Sozialhilfe war für die meisten Bundesländer schon bisher ein maßgebendes Prinzip. Der Grundsatzgesetzgeber schreibt dieses nun verpflichtend fest, um eine regelmäßige Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen durch die Behörde zu gewährleisten (vgl ErlRV 514 BlgNR 26. GP , 4). Dort, wo eine solche Vorkehrung aufgrund besonderer Umstände nicht erforderlich ist, nämlich in Fällen, in denen aufgrund dauerhafter Erwerbsunfähigkeit keine Änderung der Bedarfslage zu erwarten ist, soll der Ausführungsgesetzgeber von der – im Regelfall verpflichtend vorgesehenen – Befristung absehen können. Auch damit wird bereits geltenden Bestimmungen bzw gängiger Vollzugspraxis in den Bundesländern Rechnung getragen.
1.4.2. Die Antragsteller bringen vor, dass die vom Bundesgesetzgeber vorgenommene konkrete Vorgabe von je nach Personenanzahl und ‑zusammensetzung unterschiedlich hohen, nicht überschreitbaren Höchstsätzen für Sozialhilfeleistungen gemäß §5 Abs2 SH-GG 'über den zulässigen Inhalt einer Ermächtigungsnorm für die Länder' hinausgehe.
Diese Höchstsätze sind jedoch nicht als eine absolute Obergrenze anzusehen. Sie können im Einzelfall bei Vorliegen bestimmter Umstände durch eine Reihe von Maßnahmen erhöht werden. So kann sich das Gesamtausmaß der Sozialleistungen etwa durch Zuspruch einer Wohnkostenpauschale gemäß §5 Abs5 SH-GG bis zu 30 % erhöhen, wenn der gesamte Wohnbedarf als Sachleistung gewährt wird. Gemäß §6 SH-GG kann die Behörde im Einzelfall zur Abdeckung eines nachgewiesenen Zusatzbedarfs weitere Sachleistungen zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts oder zur Abdeckung außerordentlicher Kosten des Wohnbedarfs (zB Umzugskosten) zur Verfügung stellen, wenngleich der Bedarf in diesem Rahmen von der Behörde ausnahmslos zu prüfen ist (vgl ErlRV 514 BlgNR 26. GP , 4; 'Härtefallklausel').
Auch wenn die Festlegung von Höchstgrenzen eine gewisse Einschränkung des Spielraums des Ausführungsgesetzgebers bei der Leistungsbemessung bewirkt, sind diese aus Sicht der Bundesregierung als angesichts ihrer grundsätzlichen Bedeutung zulässige Regulierung anzusehen, weil sie geeignet sind, sowohl eine Dämpfung der Zuwanderung in das österreichische Sozialsystem zu bewirken als auch Anreize einer Binnenwanderung innerhalb Österreichs zu vermindern.
1.4.3. Die Antragsteller wenden weiters ein, dass die angeordnete gleichmäßige Aufteilung der Summe aller Geldleistungen der Sozialhilfe auf unterhaltsberechtigte minderjährige Personen gemäß §5 Abs3 SH-GG eine Vollzugsanweisung ohne jeglichen Umsetzungsspielraum darstelle.
Die gleichmäßige Aufteilung erscheint aber insbesondere geboten, um sachlich nicht begründbare Differenzierungen im Umgang mit bezugsberechtigten Minderjährigen zu vermeiden. Gleiches würde für die Miteinbeziehung des Behindertenzuschlags in die Betrachtung zur Ermittlung der Leistungshöhe nach §5 Abs3 SH-GG gelten. Mit der dort normierten Ausnahme soll daher gewährleistet sein, dass der Zuschlag keiner Aufteilung unterliegt und sohin nur jener Person ungekürzt zusteht, der er gebührt.
1.4.4. Soweit die Antragsteller Bedenken gegen die Begrenzung der Summe aller Geldleistungen der Sozialhilfe an volljährige Bezugsberechtigte innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft gemäß §5 Abs4 SH-GG vorbringen, sei zunächst darauf hingewiesen, dass der geregelte Höchstbetrag nur die zuerkennbaren Geldleistungen betrifft. Es bleibt der Landesgesetzgebung daher unbenommen, darüber hinaus weitere Sachleistungen zu gewähren (vgl ErlRV 514 BlgNR 26. GP , 6, wonach 'das Recht der Landesgesetzgebung, über die in Abs4 angeführte Betragsgrenze hinaus weitere Sachleistungen im Rahmen des §5 Abs2 zu gewähren, unberührt bleibt').
Überdies kann sich die Ausführungsgesetzgebung aber auch dafür entscheiden, die Höchstsätze nicht auszuschöpfen und ergänzende Regelungen zu treffen bzw eine allgemeine Deckelung für Haushaltsgemeinschaften vorzusehen (vgl ErlRV 514 BlgNR 26. GP , 6). Dabei obliegt es dem Landesgesetzgeber zu prüfen, ob und in welcher Höhe die Festlegung eines nicht unterschreitbaren Mindestbetrages pro Bezugsberechtigtem zur Wahrung der Verfassungskonformität einer allgemeinen Haushaltsdeckelung geboten ist (vgl VfGH 11.12.2018, G156/2018).
Durch den Verweis in §5 Abs4 SH-GG auf §5 Abs6 Z1 bis 8 SH-GG eröffnet sich darüber hinaus ein Umsetzungsspielraum, weil bestimmte Personengruppen von einer anteiligen Kürzung generell ausgenommen werden können.
1.4.5. Die Antragsteller bringen vor, dass die Bedingungen für die Wohnkostenpauschale gemäß §5 Abs5 SH-GG derart detailliert vorgegeben seien, dass keinerlei landesgesetzliche Ausführungen für die Vollziehbarkeit mehr notwendig seien. Auch die Regelung über die Vermittelbarkeit sei überschießend und ermögliche den Ländern keinerlei Ausführungen, wann die Voraussetzungen hierfür vorliegen.
Dem ist zu entgegnen, dass die in §5 Abs5 SH-GG getroffene Regelung Ausdruck der Intention der Grundsatzgesetzgebung ist, dass Sozialhilfeleistungen verstärkt in Form von Sachleistungen erbracht werden sollen. Schon §3 Abs5 SH-GG legt nahe, dass der Sachleistungsvorrang insbesondere bei Leistungen zur Befriedigung des Wohnbedarfs maßgebend sein soll. In diesem Zusammenhang ist §5 Abs5 zweiter Satz SH-GG als eine zusätzliche Form der Leistungsgewährung zu sehen, die von der Landesgesetzgebung vorgesehen werden kann, um Wohnkosten, die im Rahmen der Höchstsatzgrenzen nicht abgedeckt werden können, dennoch angemessen zu berücksichtigen.
Damit kann auf regionale Besonderheiten in den Bundesländern eingegangen werden, solange das Grundprinzip der Regelung – nämlich, dass die Höchstsatzgrenzen für Geldleistungen überschreitende Leistungen zur Befriedigung des Wohnbedarfs ausschließlich in Form von Sachleistungen erbracht werden dürfen – beachtet wird. Ob und in welchen Fällen diese Pauschalregelung von Amts wegen oder auf Antrag zur Anwendung gelangt, liegt dabei gänzlich im Ermessen der Landesgesetzgebung (s Erläuterungen zu §5 SH-GG, 514 BlgNR 26. GP , 6).
Während in §5 Abs5 SH-GG das Sachleistungsprinzip zum Ausdruck kommt, ist es in §5 Abs6 bis 9 SH-GG der Leitgedanke des Grundsatzgesetzgebers, dass jeder Sozialhilfebezieher, der dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, so rasch wie möglich grundlegende Basiskompetenzen für eine Beschäftigungsaufnahme erwerben soll. Die vergleichsweise klaren Anordnungen des §5 Abs5 SH-GG bzw des §5 Abs6 bis 9 SH-GG sind dem Umstand geschuldet, dass der Grundsatzgesetzgeber gerade in diesen von den Antragstellern angesprochenen Regelungsbereichen ein erhöhtes Interesse an einer für das gesamte Bundesgebiet wirksamen einheitlichen Regelung hat.
1.4.6. Im Hinblick auf §7 Abs1 SH-GG behaupten die Antragsteller ebenso, es läge eine Vollzugsanweisung ohne jeglichen Umsetzungsspielraum vor.
Das Vorbringen der Antragsteller zu §7 Abs1 SH-GG ist im Gesamtkontext des §7 SH-GG zu beleuchten. Der §7 Abs1 SH-GG zugrundeliegende Einkommensbegriff ist als Ausprägung des für die Sozialhilfe charakteristischen Subsidiaritätsprinzips zu verstehen, wonach Hilfe insbesondere nur insoweit zu gewähren ist, als eigene Einkünfte und zur Verfügung stehende Leistungen Dritter nicht ausreichen, um den eigenen Lebensbedarf (und den Bedarf allfälliger unterhaltsberechtigter Dritter) abzudecken. Dabei wurde schon bisher von einem umfassenden Einkommensbegriff ausgegangen (vgl Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, 1989, S. 408 ff). Dieser ist in den – derzeit noch – geltenden Mindestsicherungsgesetzen der Länder nicht näher definiert bzw erfährt lediglich durch bestimmte Ausnahmen eine nähere Konkretisierung.
Dieser Systematik folgt nun auch das Grundsatzgesetz, wenn es in §7 Abs1 und 4 SH-GG entsprechende Vorgaben trifft, die – überwiegend – lediglich die geltende Rechtslage in den Bundesländern abbilden bzw eine Weiterentwicklung derselben darstellen (vgl §7 Abs4 SH-GG, der neben der Familienbeihilfe nun bundesweit einheitlich auch den Kinderabsetzbetrag gemäß §33 Abs3 EStG 1988 und die Absetzbeträge gemäß §33 Abs4 EStG 1988 als nicht anrechenbares Einkommen definiert).
Auch wenn die angefochtene Bestimmung vergleichsweise geringe Spielräume für die Ausführungsgesetzgebung eröffnet, scheint die gewählte Ausgestaltung der Bestimmung geboten, weil gerade auch in der Frage der Einkommensanrechnung ein erhöhtes Interesse des Grundsatzgesetzgebers an einer für das ganze Bundesgebiet wirksamen einheitlichen Regelung besteht.
Bliebe der Grundsatzgesetzgeber in diesem Regelungsbereich vage bzw überließe er diesen der freien Regelung durch die Länder, würden auf ausführungsgesetzlicher Ebene wohl differierende Vorkehrungen zur Anrechnung von Einkommensbestandteilen getroffen. Diese würden folglich zu dem unerwünschten Ergebnis führen, dass gleichgelagerte Sachverhalte länderweise unterschiedlich beurteilt würden und Auszahlungshöhen bei Leistungsansprüchen – je nach Ausgestaltung der jeweiligen Anrechnungsregelung – schwanken würden.
1.4.7. Die Antragsteller behaupten, dass die Bedingungen für einen anrechnungsfreien Freibetrag gemäß §7 Abs6 SH-GG Vollzugsanweisungen ohne jeglichen Umsetzungsspielraum seien, und verweist in diesem Zusammenhang auf die Gruppe der 'Working Poor'.
Richtig ist, dass der Grundsatzgesetzgeber mit der zitierten Regelung einen finanziellen Anreiz schaffen wollte, der bei einem Einstieg in ein neu begründetes Arbeitsverhältnis einzuräumen ist ('…eine Erwerbstätigkeit aufnehmen…'). Folgerichtig lässt sich daraus ableiten, dass der Grundsatzgesetzgeber eine spezielle (Teil)-Gruppe von Leistungsbeziehenden im Auge hatte, deren Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt er mit dieser Vorkehrung in besonderer Form fördern wollte. Dabei sieht §7 Abs6 SH-GG für die Ausführungsgesetzgebung lediglich eine Obergrenze in Höhe und Dauer vor, nicht etwa aber auch eine Vorgabe der Art, dass eine Begünstigung an ein bestimmtes Beschäftigungsausmaß zu knüpfen wäre.
Nicht geregelt sind demgegenüber mögliche Anreizsysteme für Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher, die Sozialhilfe lediglich ergänzend zu einem niedrigen Erwerbseinkommen beziehen und/oder den Sprung aus der Geringfügigkeit oder Teilzeit in ein reguläres Vollzeitbeschäftigungsverhältnis schaffen.
Aus Sicht der Bundesregierung bewirkt das Fehlen einer grundsatzgesetzlichen Regelung in dieser Frage keineswegs die Unzulässigkeit von Regelungen der Länder, die darauf abzielen, für andere Gruppen als erwerbslose Bezieherinnen und Bezieher Leistungsanreize schaffen zu wollen (vgl VfSlg 3649/1959 und VfSlg 15.279/1989, wonach die Ausführungsgesetzgebung frei ist, soweit sie nicht durch den Grundsatzgesetzgeber gebunden ist und die Vermutung im Zweifelsfall für den weiteren Rahmen spricht; vgl auch Wiederin in Korinek/Holoubek (Hrsg.), Österreichisches Bundesverfassungsrecht (10. Lfg 2011), Art15 Abs6 B‑VG, Rz 12, wonach die Vermutung für eine ausführungsoffene Regelung streite, wenn im Grundsatzgesetz die Antwort auf eine bestimmte Frage fehle, mwN).
Weder aus dem Wortlaut des §7 Abs6 SH-GG noch aus den Erläuterungen kann eine solche 'Ausschlusswirkung' betreffend Anreizsysteme für andere Beziehergruppen abgeleitet werden. Eine Regelung, die im Sinne des oben Gesagten über §7 Abs6 SH-GG hinausgeht, würde daher wohl in den sogenannten 'grundsatzfreien' Raum fallen und könnte von der Landesgesetzgebung damit ohne jegliche Bindung an grundsatzgesetzliche Vorgaben getroffen werden (s VfSlg 15.279/1989).
1.4.8. Die Antragsteller sehen auch in der Vorgabe des §9 Abs3 SH-GG, der im Fall einer schuldhaften Verletzung der Pflichten gemäß §16c des Integrationsgesetzes – IntG, BGBl I Nr 68/2017 zuletzt geändert durch BGBl I Nr 41/2019, eine Leistungskürzung von zumindest 25 % für mindestens drei Monate vorsieht, einen Verstoß gegen Art12 Abs1 Z1 B‑VG.
Die Antragsteller übersehen dabei, dass §9 SH-GG bei einer Gesamtbetrachtung in §9 Abs1 und 2 SH-GG die Ausführungsgesetzgebung grundsätzlich nur verpflichtet, 'wirksame Kontrollsysteme' einzurichten und für Pflichtverletzungen 'wirksame und abschreckende Sanktionen' vorzusehen. Im Ergebnis schreibt die Grundsatzgesetzgebung damit lediglich vor, dass bestehende Sanktionssysteme auf Landesebene auf ihre Effektivität hin zu prüfen und allenfalls anzupassen sind. Die Beurteilung, ob bestehende Sanktionen den Erfordernissen, die der Grundsatzgesetzgeber in §9 SH-GG festschreibt, bereits genügen oder ob hier doch ein entsprechender Handlungsbedarf besteht, obliegt – wie auch die Auslegung der Begriffe 'wirksam' bzw 'abschreckend' – dabei ausschließlich der Ausführungsgesetzgebung. §9 Abs3 SH-GG stellt in diesem System lediglich eine Mindestsanktion für eine konkrete Art der Pflichtverletzung nach dem IntG dar.
2. Zu den Bedenken im Hinblick auf die Erlassung kompetenzwidriger Regelungen gemäß Art12 Abs1 Z1 B‑VG ('Armenwesen'):
2.1. Die Antragsteller bringen vor, dass der Kompetenztatbestand 'Armenwesen' gemäß Art12 Abs1 Z1 B‑VG 'ausschließlich der Abdeckung des dringendsten Lebensbedarfes von sozial hilfsbedürftigen Personen' diene und die Verpflichtung gemäß §5 Abs9 SH-GG, im Rahmen von Sachleistungen sprach- und berufsqualifizierende Maßnahmen durchzuführen, daher kompetenzwidrig sei (vgl Normprüfungsantrag, Punkt 1.2., S. 7 f.).
2.1.1. Dieser Einschätzung kann nach Ansicht der Bundesregierung nicht zugestimmt werden. Dem Kompetenztatbestand 'Armenwesen' (Art12 Abs1 Z1 B‑VG) kommt nach der für die Interpretation von Kompetenztatbeständen maßgeblichen Versteinerungstheorie grundsätzlich jener Inhalt zu, den er zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens – also am 1. Oktober 1925 – hatte, wobei allerdings eine 'intrasystematische Fortentwicklung' zulässig ist. Zur Ermittlung dieses Inhalts sind die den Gegenstand regelnden einfachen Gesetze heranzuziehen.
Für das 'Armenwesen' kommen das Gesetz vom 3. Dezember 1863 betreffend die Heimatverhältnisse (im Folgenden auch kurz: Heimatgesetz), RGBl. Nr 105/1863, und die Armengesetze der Länder in Betracht (vgl die ausführliche Darstellung bei Mayerhofer/Pace, Handbuch für den politischen Verwaltungsdienst, V. Band5 [1901] 213 ff). Die 'Armenversorgung' – so die Überschrift des IV. Abschnitts des Heimatgesetzes – umfasste den notwendigen Unterhalt und die Verpflegung im Krankheitsfall sowie bei Kindern auch die Vorsorge für deren Erziehung (§24 des Heimatgesetzes; Mayerhofer/Pace, Handbuch, S. 242 f und 249 ff). Daraus und aus der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs (vgl zB VfSlg 4766/1964) ergibt sich zunächst, dass Regelungen über die (Mindest-)Höhe von Geldleistungen zur Deckung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs, über allgemeine Anspruchsvoraussetzungen, über Wohnkostenzuschüsse, über Zusatzleistungen für Sonderbedarfe, über die Berücksichtigung von Leistungen Dritter und eigenen Mitteln, über den Einsatz der Arbeitskraft und über die Heranziehung zum Ersatz ihrem Inhalt nach unter 'Armenwesen' fallen.
Die Ansprüche des Heimatgesetzes 1863 waren als subsidiäre Leistungen ausgestaltet und standen nur dann zu, wenn die Versorgung nicht bereits durch Dritte gewährleistet war bzw der 'Arme' seinen Unterhalt nicht mit eigenen Kräften bestreiten konnte (vgl Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, 1989, S. 35). Bereits im Heimatgesetz 1863 ist daher das Ziel der Selbsthilfefähigkeit der von Armut bedrohten Personen zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Lebens enthalten.
Nachdem die Bemühungen zur Erlassung eines Fürsorgegrundsatzgesetzes Ende der 1960er-Jahre gescheitert waren (vgl Punkt III.1.1.3.), erließen die Länder in den 1970er-Jahren eine Reihe von Landessozialhilfegesetzen, die ebenfalls Ansatzpunkte dafür enthielten, dass Leistungen zur Erhöhung der Vermittelbarkeit Hilfesuchender als Teil der Sozialhilfesystematik angesehen und insofern dem Kompetenztatbestand 'Armenwesen' als systematisch zugehörig betrachtet wurden. Beispielhaft dafür sei auf das Oö. Sozialhilfegesetz, LGBl Nr 66/1973 (Oö. SHG) verwiesen, das gemäß §17 Oö. SHG die 'Erziehung und Erwerbsbefähigung' bereits in seiner Stammfassung als eine Leistung definierte, die dem Lebensbedarf von Minderjährigen zugeordnet wurde:
'§17 Erziehung und Erwerbsbefähigung
(1) Zum Lebensbedarf eines Minderjährigen gehört die nach seiner Persönlichkeit erforderliche Erziehung und eine auf seine Fähigkeiten und Neigungen entsprechend Bedacht nehmende angemessene Berufsausbildung (§11 Abs1 lite). Wenn es die Fähigkeiten des Hilfeempfängers und der bisherige Erfolg rechtfertigen, so ist die Beendigung einer Berufsausbildung höchstens bis zur Erreichung des 21. Lebensjahres zu ermöglichen.
(2) Die ausreichende Erziehung und Erwerbsbefähigung ist durch Maßnahmen zu sichern die den minderjährigen Hilfeempfänger befähigen, sich in die soziale Umwelt bzw in das Erwerbsleben einzugliedern. Wenn es die Fähigkeiten und Leistungen des Hilfeempfängers rechtfertigen, so ist der Besuch einer mittleren oder höheren Schule bis zur Erreichung des 21. Lebensjahres zu ermöglichen.'
Weitergehende Analysen zu den einschlägigen Bestimmungen in den übrigen Bundesländern zeigen auch, dass die Maßnahmen zur Her- und Sicherstellung der Erwerbsbefähigung schon damals nicht zwingend auf den Kreis minderjähriger Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher beschränkt waren. So stellten die Sozialhilfegesetze Kärntens, Salzburgs und Wiens bei der Hilfe zur Erwerbsbefähigung ausdrücklich auf die 'Eingliederung des Hilfesuchenden in das Erwerbsleben' ab, ohne dabei auf eine bestimmte Altersgrenze abzustellen (s dazu §12 Abs2 des Kärntner Sozialhilfegesetzes, LGBl Nr 40/1975, sowie gleichlautend §16 Abs2 des Salzburger Sozialhilfegesetzes, LGBl Nr 19/1975, sowie §18 Abs2 des Wiener Sozialhilfegesetzes, LGBl Nr 11/1973).
Das Ziel, die Selbsterhaltungsfähigkeit von Sozialhilfebezieherinnen und ‑beziehern bzw deren Eingliederung in den Arbeitsmarkt auch im Rahmen der Sozialhilfe zu unterstützen, war insofern bereits ein immanenter Bestandteil der damaligen Leistungssystematik. Als Maßnahmen kamen dabei beispielsweise die Sicherstellung des Abschlusses einer Berufsausbildung oder die Gewährung von (Beihilfen zu) Kursen zur Um- oder Nachschulung in Betracht, sofern ein solcher Bedarf nicht bereits anderweitig gedeckt war (s dazu und zu den obigen Ausführungen ausführlicher: Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, 1989, S. 468 ff).
Auch jüngere Rechtsgrundlagen im Bereich der Mindestsicherung sahen die weitestmögliche Förderung der dauerhaften (Wieder-)Eingliederung von Sozialhilfebezieherinnen und -beziehern in das Erwerbsleben als eine wesentliche – über eine bloße Alimentierung hinausgehende – Zielsetzung eines zeitgemäßen Mindestsicherungssystems an (s dazu die außer Kraft getretene Mindestsicherungs-Vereinbarung sowie die derzeit geltenden Mindestsicherungsgesetze der Länder). So führen auch geltende Landesgesetze zur Mindestsicherung neben der bloßen Armutsbekämpfung auch die Wiedereingliederung der Bezieherinnen und Bezieher in das Erwerbsleben und ihre soziale Inklusion als Ziele des Mindestsicherungssystems an (vgl §1 Abs1 und 5 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes, LGBl Nr 02/2011, §1 Abs1 sowie §2 Abs4 des Salzburger Mindestsicherungsgesetzes, LGBl Nr 63/2010, und §1 und §2 Abs1 des Steiermärkischen Mindestsicherungsgesetzes, LGBl Nr 14/2011).
Sprach- und Berufsqualifizierungsmaßnahmen dienen dieser (Wieder-)Eingliederung der Bezieherinnen und Bezieher in das Erwerbsleben und ermöglichen zugleich gesellschaftliche Teilhabe. Sie sind daher – unabhängig davon, ob es sich um Personen mit oder ohne Migrationshintergrund handelt – nicht alleinige Aufgabe des Bundes (vgl Normprüfungsantrag, S. 7), sondern können auch im Rahmen des Kompetenztatbestands 'Armenwesen' vorgesehen werden. Beispielsweise kann die Förderung von Sprach- und Berufsqualifizierungsmaßnahmen nicht – wie die Antragsteller vermeinen – ohne Weiteres dem Sozialversicherungswesen gemäß Art10 Abs1 Z11 B‑VG zugeordnet werden. Insbesondere ist für den Bereich des Sozialversicherungswesens die Pflichtversicherung typisch (vgl zB Mayer/Muzak B‑VG5 Art10 B‑VG I.11 mwN).
2.2. Die Antragsteller bringen überdies vor, dass die in §1 Abs1 SH-GG genannten Ziele, insbesondere die integrationspolitischen und fremdenpolizeilichen Ziele (Z2), sowie das Ziel der Förderung der Wiedereingliederung von Bezugsberechtigten in das Erwerbsleben und die optimale Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes (Z3) nicht mit dem Kompetenztatbestand 'Armenwesen' vereinbar seien (vgl Normprüfungsantrag, Punkt 2.2., S. 11 f.).
2.2.1. Die Antragsteller erkennen eine Verfassungswidrigkeit zunächst darin, dass statt der 'Deckung' des allgemeinen Lebensunterhaltes §1 Abs1 Z1 SH-GG die 'Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts' als Ziel formuliert.
Dem ist zu entgegnen, dass der Gesetzgebung bei der Beurteilung sozialer Bedarfslagen und bei der Ausgestaltung der an diese Bedarfslagen anknüpfenden sozialen Maßnahmen ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zukommt (vgl bspw. VfSlg 18.885/2009 sowie VfGH 27.06.2018, G415/2017 und VfGH 7.3.2018, G136/2017). Die Gesetzgebung ist daher nicht gehalten, Leistungen der Mindestsicherung (bzw nunmehr wieder: Sozialhilfe) in unbeschränkter Weise zu gewähren, wenn dies eine Förderung rechtspolitisch unerwünschter Ziele zur Folge hätte (vgl VfSlg 5972/1969 und VfSlg 8541/1979 sowie VfSlg 20.177/2016). Auf diese Leitlinien wird auch in den Erläuterungen zu §1 SH-GG ausdrücklich verwiesen (vgl ErlRV 514 BlgNR 26. GP , 2).
Mit der Rechtsfrage, ob sich aus der österreichischen Rechtsordnung für die einzelne Person verfassungsrechtlich gesicherte 'Mindestansprüche' auf Sozialleistungen ableiten lassen, hat sich in einer ausführlichen Analyse Univ.-Prof. Dr. Rebhahn im Rahmen eines Gutachtens für die Bundesregierung befasst. Festgehalten wurde darin ua, dass nach herrschender Auffassung weder das B‑VG noch das StGG soziale Grundrechte enthalten. Aus der Verfassungslage lasse sich ein Grundrecht auf Gewährleistung eines Existenzminimums in Österreich – anders als in Deutschland, wo das Bundesverfassungsgericht ein solches aus Art1 iVm. Art20 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland abgeleitet hatte – nicht nachweisen (vgl Rebhahn, Sozialleistungen an 'international Schutzberechtigte und Schutzsuchende' – Möglichkeiten einer Differenzierung gegenüber Staatsangehörigen, 23ff, online abrufbar auf der Website des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz unter https://www.sozialministerium.at/cms/site/attachments/5/0/0/CH3434/CMS1459340430592/gutachten_sozialleistungen_schutzberechtigte.pdf ). Das Bestehen eines verfassungsrechtlich geschützten 'sozialen Grundrechts' ist daher für Österreich ebenso zu verneinen wie auch die Frage nach einer verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Existenzminimums.
2.2.2. Die Antragsteller beanstanden auch die Zielbestimmung des §1 Z2 SH-GG, die vorsieht, dass Leistungen der Sozialhilfe auch integrationspolitische und fremdenpolizeiliche Ziele berücksichtigen sollen.
Wie die Erläuterungen darlegen, kann die Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe geeignet sein, wirtschaftliche Anreize einer Arbeitsaufnahme durch erwerbsfähige Bezugsberechtigte sowie eine erfolgreiche Integration von rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältigen Fremden zu vermindern (vgl §2 IntG). In diesem Sinne kann auch eine (Weiter-)Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe an Fremde, die sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten (§31 Abs1a FPG), das fremdenpolizeiliche Ziel einer möglichst freiwilligen Durchsetzung der Ausreisepflicht konterkarieren.
Wie auch der WFA zum SH-GG entnommen werden kann, hat der Bund ein Interesse an der Dämpfung des Zuzugs in das österreichische Sozialsystem (vgl Vorblatt und WFA ArtI + II zu RV 514 BlgNR 26. GP , 1). Die Intention des Grundsatzgesetzgebers liegt allerdings nicht in der 'proaktiven Förderung' integrationspolitischer und fremdenpolizeilicher Ziele, sondern vielmehr darin, dass diese von den Landesgesetzgebern berücksichtigt und nicht konterkariert werden sollen. Damit bewegt sich der Grundsatzgesetzgeber innerhalb der Grenzen des verfassungsrechtlich Zulässigen. So hat der Verfassungsgerichtshof etwa im Erkenntnis zu VfSlg 10.292/1984 ausgesprochen, dass 'der rechtspolitische Gestaltungsfreiraum des Bundesgesetzgebers (…) insoweit eingeschränkt ist, als es ihm verwehrt ist, Regelungen zu treffen, die sich als sachlich nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung der Effektivität landesgesetzlicher Regelungen darstellen.'
Dass die angefochtene Zielbestimmung einen solchen Eingriff normiere, erscheint schon mit dem Wortlaut des §1 Z2 SH-GG nicht vereinbar ('Leistungen der Sozialhilfe sollen integrationspolitische und fremdenpolizeiliche Ziele berücksichtigen'). Zudem müsste dafür wohl offenkundig sein, dass der Grundsatzgesetzgeber die Interessen des Landesgesetzgebers durch seine Vorkehrungen negiert oder gar unterläuft (s dazu ebenfalls VfSlg 10.292/1984 zu der der Bundesverfassung innewohnenden, die gesetzgebenden Gebietskörperschaften bindenden Rücksichtnahmepflicht).
Mit der Zielbestimmung des §1 Z2 SH-GG soll daher keinesfalls eine Überbürdung der gesetzgeberischen Kompetenzen für Fragen des Fremdenwesens, der Integration und des Arbeitsmarktes auf die Länder bewirkt werden.
Abschließend sei noch auf den Umstand verwiesen, dass die im Grundsatzgesetz genannten Zielsetzungen lediglich demonstrativen Charakter haben. Der Landesgesetzgebung steht es daher frei, Leistungen aus öffentlichen Mitteln, die an eine soziale Hilfsbedürftigkeit der Betroffenen anknüpfen, mit weiteren Zielen zu verbinden. Das können auch Ziele wie die Vermeidung von Armut, Obdachlosigkeit oder sozialer Exklusion sein (vgl ErlRV 514 BlgNR 26. GP , 2).
2.2.3. Hinsichtlich des in §1 Z3 SH-GG normierten Ziels darf auf die vorigen Ausführungen zu §1 Abs1 Z2 (Punkt III.2.2.2.) verwiesen werden.
3. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Legalitätsprinzip:
3.1. Die Antragsteller bringen vor, dass die Anordnungen des §5 Abs3 und 4 SH‑GG zu unbestimmt seien und daher gegen das Bestimmtheitsgebot gemäß Art18 B‑VG verstoßen (vgl Normprüfungsantrag, Punkt 2.1., S. 10, und Punkt 3.2., S. 22).
Da diese Behauptungen der Antragsteller durch das weitere Vorbringen nicht näher ausgeführt werden, wäre nach Ansicht der Bundesregierung auf diese Beschwerdepunkte grundsätzlich nicht näher einzugehen. Grundlegend wird jedoch angemerkt, dass Grundsatzgesetze nicht an die Vollziehung gerichtet sind, sondern an die Landesgesetzgebung. Sie sind daher nicht an Art18 Abs1 B‑VG zu messen (vgl VfSlg 19.749/2013 mwN).
Im Übrigen erscheint das Vorbringen der Antragssteller zur Unbestimmtheit von Bestimmungen des SH-GG in einem doch bemerkenswerten Kontrast zu der unter Pkt. 1 des Antrags erhobenen Kritik an einer Überdeterminierung mehrerer Bestimmungen des Grundsatzgesetzes zu stehen.
Lediglich aus advokatorischer Vorsicht wird zum Inhalt von §5 Abs3 und 4 SH‑GG Folgendes angemerkt:
3.2. Der Inhalt der in §5 Abs3 SH-GG getroffenen Anordnung lässt sich etwa anhand des folgenden Beispiels veranschaulichen:
Bei drei Kindern stehen für das erste minderjährige Kind max. € 221,37, für das zweite minderjährige Kind max. € 132,82 und ab dem dritten minderjährigen Kind jeweils max. € 44,27 pro Monat zu (dies entspricht jeweils 25% bzw 15% bzw 5% des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende). In Umsetzung der Anordnung des §5 Abs3 SH-GG wären diese Leistungen in weiterer Folge zusammenzuzählen und sodann durch drei zu dividieren, wodurch sich pro Kind eine anteilige Leistung von maximal € 132,82 pro Monat ergäbe.
Beispiel (Maximalwerte 2019):
1. Kind 221,37 €
2. Kind 132,82 €
3. Kind 44,27 €
Gesamt 398,46 €
Leistung pro Kind 132,82 €
Weitere Rechenschritte sind zur Ermittlung des Ausgangswertes je Kind – von dem noch ein allfälliges Eigeneinkommen wie Unterhalt abzuziehen wäre – nicht anzustellen. Es erscheint daher nicht nachvollziehbar, weshalb die Antragsteller in §5 Abs3 SH-GG eine für den Landesgesetzgeber 'rechtstechnisch nicht oder nicht ohne völlig überbordenden Verwaltungsaufwand' umsetzbare Anordnung erkennen. Wenn sie weiters einwenden, dass es der Landesverwaltung nicht zumutbar sei, die Mittelverwendung für jeden minderjährigen Bezugsberechtigten im Einzelfall zu prüfen, so ist dazu klarzustellen, dass eine solche Verpflichtung weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus den Erläuterungen abgeleitet werden kann.
Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot durch §5 Abs3 SH-GG ist für die Bundesregierung demnach nicht erkennbar.
3.3. Gleiches gilt für §5 Abs4 SH-GG. Das Grundsatzgesetz enthält zu §5 Abs4 SH-GG keine näheren Vorgaben. Der Ausführungsgesetzgeber ist in der Frage, wie das Leistungsausmaß pro Person in Haushaltsgemeinschaften mit mehreren Erwachsenen zu ermitteln ist, dementsprechend auch an kein bestimmtes Verfahren gebunden. Auch für die Ausführungsgesetzgebung gilt jedoch der Gleichheitssatz, insofern sind unsachliche Differenzierungen in Umsetzung der in §5 Abs2 Z2 und §5 Abs4 SH-GG jedenfalls zu vermeiden. Dementsprechend steht es der Landesgesetzgebung frei, aus Sachlichkeitserwägung auch bei volljährigen Bezugsberechtigten eine rechnerisch gleichmäßige Aufteilung der Höchstsatzleistungen vorsehen, um – in einem weiteren Schritt – eine personenbezogene Anrechnung allenfalls vorhandener Einkünfte vorzunehmen.
4. Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz:
Die Antragsteller vertreten die Ansicht, dass zahlreiche Bestimmungen des SH‑GG unsachlich sind und daher gegen den Gleichheitssatz verstoßen. Auf die Bestimmungen soll hier im Einzelnen eingegangen werden:
4.1. Unter Pkt. 2.1 (Seite 10 des Antrags) bemängeln die Antragsteller, dass eine vom Alter und vom individuellen Bedarf losgelöste, rechnerisch gleichmäßige Aufteilung der Leistungen auf alle minderjährigen Angehörigen einer Haushaltsgemeinschaft dem Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes widerspreche:
Dazu ist Folgendes zu bemerken: Die Abdeckung von Bedarfen für den Lebensunterhalt und im Bereich des Wohnens erfolgte auch in der Vergangenheit schon durch die Zuerkennung pauschalierter (Geld-)Leistungen der Mindestsicherung. Eine Ermittlung von Ausgangswerten anhand eines tatsächlichen individuellen Bedarfs hilfesuchender Personen war nicht nur der Mindestsicherungssystematik fremd, sondern auch der Sozialhilfesystematik vor Einführung der Mindestsicherung im Jahr 2010 (s dazu ua Art10 der Mindestsicherungs-Vereinbarung, welche 2016 außer Kraft getreten ist und die Leistungen in Form von Mindeststandards vorsah; zuvor wurde Sozialhilfe in Form von Richtsätzen erbracht).
Anstelle von Mindeststandards legt die Tabelle in §5 Abs2 SH-GG nunmehr Höchstgrenzen fest, beansprucht aber – wie auch den Erläuterungen zu entnehmen ist – keine Festsetzung eines fiktiven bzw tatsächlichen Mindest- oder Durchschnittsbedarfs der bezeichneten Personen. Die Deckung des tatsächlichen Bedarfs minderjähriger Personen obliegt nach dem Willen des Grundsatzgesetzgebers vielmehr 'stets den zum Unterhalt verpflichteten Personen', denen zum Ausgleich entsprechender Mehrbelastungen die Familienbeihilfe zusteht (s Erläuterungen zu §5 SH-GG, S. 5 und 6 sowie im Kontext auch die Ausführungen unten zu Pkt. 4).
Dass der Aufwand für Kinder dabei in gewissem Ausmaß auch vom Alter des jeweiligen Kindes abhängt, wird vom Grundsatzgesetzgeber nicht negiert. Allerdings sieht er diesen Aspekt bereits durch die progressiv gestaltete Familienbeihilfe ausreichend berücksichtigt. Aus diesem Grund war der 'alterstypische' Bedarf eines Kindes bei der Festlegung der Höhe (zusätzlicher) Sozialhilfeleistungen nicht mehr zwingend mitzudenken.
Dazu sei am Rande erwähnt, dass auch die in einigen Mindestsicherungsgesetzen implementierte 'Altersstaffelung' erst in den 2000er-Jahren bzw mit dem Inkrafttreten der zitierten Mindestsicherungs-Vereinbarung Eingang in den Rechtsbestand der Länder fand. In der Zeit davor war in der offenen Sozialhilfe in aller Regel ein 'Kinderrichtsatz' maßgebend, der jährlich anzupassen war. Dieser war nur an den Bezug einer Familienbeihilfe gebunden, sodass selbst Volljährige mit einem Familienbeihilfenbezug (zB Menschen mit Behinderung) mit diesem Richtsatz das Auslangen finden mussten. Die 'Entkoppelung' von der Familienbeihilfe wurde erst anlässlich der Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung im Wege der o.a. Vereinbarung im Jahr 2010 vorgenommen.
4.2. Die Antragsteller wenden weiters ein, dass insbesondere die Festlegung eines Höchstsatzes von 5% des Nettoausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende für das dritte und jedes weitere einem Haushalt zugehörige Kind gemäß §5 Abs2 und 3 SH-GG den verfassungsrechtlichen Spielraum einer degressiven Abstufung überschreite. Es handle sich um eine sprunghafte Kürzung, die zu niedrig bemessen sei, um den konkreten Bedarf des Lebensunterhaltes noch angemessen abdecken zu können (Normprüfungsantrag, Punkt 3.1., S. 17 ff).
In dem von den Antragstellern in diesem Kontext zitierten Erkenntnis VfSlg 20.244/2018 — betreffend das Burgenländische Mindestsicherungsgesetz – erkannte es der Verfassungsgerichthof 'als systemimmanent unsachlich, wenn Leistungsbegrenzungen so ausgestaltet sind, dass sie verhindern, den konkreten Bedarf von Personen, die in einer Haushaltsgemeinschaft leben, wahrzunehmen, indem sie den Anspruch eines Haushaltes mit einem bestimmten Betrag unabhängig davon begrenzen, wie viele und welche Personen dem Haushalt angehören' (vgl Rz 126 und 128). Auch wenn es zulässig sei anzunehmen, dass die Lebenshaltungskosten pro Person bei zunehmender Größe der Haushaltsgemeinschaft abnehmen, sei je weiterer Person immer noch 'ein Aufwand in einiger Höhe erforderlich, der in der Regel nicht allein aus der Familienbeihilfe bestritten werden' könne (vgl VfGH 1.12.2018, G308/2018, mit Verweis auf VfSlg 11.662/1988).
Diesen Leitlinien trägt auch die Regelung des §5 Abs2 SH-GG Rechnung, indem sie in Z3 ganz klar anerkennt, dass leistungsbeziehenden Haushalten mit jedem weiteren Kind auch zusätzliche Aufwendungen entstehen, die mit einem bestimmten Leistungsansatz zu berücksichtigen sind. Dass die Leistungen pro Kind dabei mit steigender Kinderanzahl absinken, entspricht im Ergebnis der klaren Intention des Grundsatzgesetzgebers, der nicht primär die Sozialhilfe als jene Leistung ansieht, deren Zweckbestimmung es ist, die Unterstützung des Unterhalts minderjähriger Personen zu gewährleisten. Vielmehr schreibt er diesen Zweck vorrangig der Familienbeihilfe zu, die er in §7 Abs4 SH-GG folgerichtig als auf die Sozialhilfe nicht anrechenbar definiert.
Die nunmehr stärkere Berücksichtigung der Familienbeihilfe als eines wesentlichen Teils der Gesamtleistung für Familien mit Kindern steht auch im Einklang mit der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs. Dieser hatte bereits mehrfach ausgesprochen, 'dass der Bezug der Familienbeihilfe bei der Bemessung von Transferleistungen, die bei der die Leistung empfangenden Person demselben Zweck wie die Familienbeihilfe dienen, berücksichtigt werden darf' (vgl VfSlg 19.913/2014 sowie zuletzt 20.229/2017).
Die Erläuterungen führen zur Bedarfsdeckung bei minderjährigen Personen aus, dass die Deckung des tatsächlichen Bedarfs minderjähriger Personen stets den zur Unterhaltsleistung verpflichteten Personen obliegt. Das trifft auch auf Haushalte, in denen Sozialleistungen bezogen werden, zu. Ein öffentlicher Ausgleich der dadurch entstehenden Mehrbelastung des allgemeinen Lebensunterhalts wird in Form der Familienbeihilfe gemäß §8 FLAG gewährt (vgl ErlRV 514 BlgNR 26. GP , 5).
Im Ergebnis korrespondieren die degressiv abgestuften Höchstbeträge dementsprechend ab der ersten minderjährigen Person in der Sozialhilfe mit der altersabhängig progressiven Erhöhung der Familienbeihilfe. Auch dieses Ergebnis hat der Verfassungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht beanstandet (vgl VfSlg 20.229/2017, Rz 47).
Für die Höchstsatzwerte von minderjährigen Personen kann daher in einer Gesamtbetrachtung Folgendes festgestellt werden: Einerseits schließt die Vorkehrung in §7 Abs4 erster Satz SH-GG eine Anrechnung familienbezogener Leistungen aus, sodass diese in sozialhilfebeziehenden Haushalten ungeschmälert und zusätzlich zur Sozialhilfe zustehen. Damit werden künftig – wie bisher – neben der Familienbeihilfe nach §8 FLAG auch der Kinderabsetzbetrag nach §33 Abs3 EStG 1988 und die Absetzbeträge gemäß §33 Abs4 EStG 1988 nicht angerechnet.
An einem Beispiel mit fünf Kindern zeigt sich, dass sich die zuerkennbare Sozialhilfeleistung bei einer Ausschöpfung der Höchstsätze und gleichmäßiger Aufteilung gemäß §5 Abs3 SH-GG auf € 97,40 pro Monat und Kind belaufen würde (in Werten für 2019 gerechnet). Dabei wären entsprechende Familienleistungen jeweils noch hinzuzurechnen, was einer Gesamtleistung (an Familienleistungen) von € 1.092,80 für fünf Kinder entspräche. Angenommen wurde hier, dass ein Kind 1 Jahr alt ist, 2 Kinder jeweils 5 Jahre alt sind und die beiden ältesten Kinder 10 und 15 Jahre (s Beilage: Familienleistungen_02.08.2019).
Andererseits wird der Umstand, dass die Aufwendungen für Kinder mit zunehmendem Alter steigen, bereits mit der Familienbeihilfensystematik berücksichtigt. Auf die Ausführungen in Punkt III.3. darf verwiesen werden.
4.3. Dem Vorwurf, die Regelung des §5 Abs2 Z5 SH-GG sei unsachlich, ist zu entgegnen, dass die Definition einer Person mit Behinderung gemäß §40 Abs1 und 2 des Bundesbehindertengesetzes dem Ziel der österreichweiten Vereinheitlichung dient. Derzeit fehlt eine entsprechende Definition in einigen Mindestsicherungsgesetzen entweder gänzlich oder wurde der Behindertenbegriff – soweit Begriffsbestimmungen getroffen wurden – in den Bundesländern unterschiedlich definiert.
4.4. Die Antragsteller wenden zu §5 Abs4 SH-GG ein, dass die Deckelung der Geldleistungen bei Haushaltsgemeinschaften mit mehreren volljährigen Bezugsberechtigten unsachlich sei. Zudem finde der zusätzliche Bedarf von Kindern, die diesem Haushalt zugehören, 'keinerlei Berücksichtigung' mehr. Eine starre Deckelung der Bezugshöhe bei Haushalten mit mehreren Personen hätte der Verfassungsgerichtshof bereits im Fall des burgenländischen und des niederösterreichischen Mindestsicherungsgesetzes als unsachlich aufgehoben.
Wie bereits zu Antrag 1.3. ausgeführt, begrenzt §5 Abs4 SH-GG ausschließlich die Summe aller Geldleistungen, die volljährigen Bezugsberechtigten innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft zustehen soll (s Punkt III.1.4.4.). Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinngehalt der Bestimmung kann abgeleitet werden, dass §5 Abs4 SH-GG die Berücksichtigung zusätzlicher Bedarfe von minderjährigen Kindern, die diesem Haushalt zugehören, ausschließt. In diesem Sinne sieht die Bestimmung – im Unterschied zu vergleichbaren, bereits vom Verfassungsgerichtshof in Prüfung gezogenen Begrenzungsmodellen (zB §13a Oö. BMSG) – nicht die Einbeziehung aller, sondern nur der volljährigen Personen, die in einer Haushaltsgemeinschaft leben, in die Berechnung des Deckels vor. Mit dieser – vom Grundsatzgesetzgeber bewusst gewählten – Vorkehrung soll der Anreiz zur Bildung gewillkürter Haushaltsgemeinschaften volljähriger Personen verringert werden, in denen (…) 'systemwidrig hohe Geldbeträge aus Leistungen der Sozialhilfe erwirtschaftet werden' (vgl ErlRV 514 BlgNR 26. GP , 6).
Wenn die Antragsteller weiters einwenden, dass einer einzelnen volljährigen Person dadurch nur noch eine Geldleistung von € 177,09 pro Monat (€ 5,90 pro Tag) verbliebe, verkennen sie wiederum, dass §5 Abs4 SH-GG lediglich das Ausmaß der maximal zulässigen Geldleistung reglementiert. Wie bereits an anderer Stelle dargelegt, gehen die durch den Grundsatzgesetzgeber gezogenen Schranken nicht so weit, dass es dem Landesgesetzgeber versagt bliebe, über die in §5 Abs4 SH-GG angeführte Betragsgrenze hinaus weitere Sachleistungen im Rahmen des §5 Abs2 SH-GG (folglich: innerhalb der Höchstsatzgrenzen) zu gewähren.
Ebenso wenig gibt die Grundsatznorm die oben skizzierte Vorgehensweise in abschließender Weise vor. Wie in den Erläuterungen zu §5 Abs4 SH-GG näher dargelegt ist, kann der Ausführungsgesetzgeber davon auch abweichen und beispielsweise eine der Regelung des §13 Oö. BMSG vergleichbare, allgemeine Deckelung für Haushaltsgemeinschaften vorsehen. Je nachdem, für welches Modell sich der Ausführungsgesetzgeber entscheidet, kann eine Festlegung eines nicht unterschreitbaren Mindestbetrages zur Wahrung der Verfassungskonformität geboten sein oder nicht (vgl VfGH 11.12.2018, G156/2018). Die Verankerung einer Untergrenze erschien dem Grundsatzgesetzgeber daher nicht zwingend erforderlich.
4.5. Die Antragsteller machen hinsichtlich der Regelungen des §5 Abs6 bis 9 SH-GG betreffend den Arbeitsqualifizierungsbonus einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz sowie einen Verstoß gegen §1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung geltend. Den bezüglich der Ausnahme gemäß §5 Abs8 Z1 SH-GG für Personen, deren Behinderung einen erfolgreichen Spracherwerb ausschließt, geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken, ist Folgendes entgegenzuhalten:
Personen, die dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung stehen, und Personen, deren Vermittelbarkeit aufgrund der Ausnahmebestimmungen des §5 Abs6 Z1 bis 8 oder Abs8 Z1 bis 3 SH-GG nicht zu prüfen ist, steht ein Arbeitsqualifizierungsbonus in Höhe von 35 % der für die betreffende volljährige Person anwendbaren Bemessungsgrundlage zur Unterstützung des Lebensunterhalts bzw zur Befriedigung des Wohnbedarfs zu. Für volljährige Bezugsberechtigte, die nicht schon aufgrund der besonderen Bestimmungen des §5 Abs6 Z1 bis 8 und Abs8 Z1 bis 3 SH-GG vom Erfordernis der Vermittelbarkeit ausgenommen sind, ist die Vermittelbarkeit gemäß §5 Abs7 SH-GG zu prüfen. Außerdem ist anzumerken, dass gemäß §5 Abs6 Z1 SH-GG unter anderem auch jene Personen vom Erfordernis der Vermittelbarkeit und von der dauerhaften Bereitschaft zum Einsatz ihrer Arbeitskraft ausgenommen sind, die das Regelpensionsalter nach dem ASVG bereits erreicht haben.
Darüber hinaus ist anzumerken , dass der Arbeitsqualifizierungsbonus bei volljährigen Personen als Geld- oder als Sachleistung zusteht und sohin von Seiten des Landes wertmäßig keine Schlechterstellung jener betroffenen Person vorliegt, die (noch) nicht die Voraussetzungen für die Vermittelbarkeit gemäß §5 Abs7 SH-GG erfüllen: Der Arbeitsqualifizierungsbonus ist in jenen Fällen, in denen entweder eine Ausnahme vorliegt oder die entsprechenden Voraussetzungen (vgl §5 Abs7 SH-GG) erfüllt sind, als Geldleistung auszuzahlen. Personen, welche die normierten Voraussetzungen (noch) nicht erfüllen, erhalten anstelle dieser Geldleistung eine Sachleistung, die mindestens dem Wert des Differenzbetrages entsprechen muss (vgl §5 Abs9 SH-GG). Die bezugsberechtigte Person erhält somit in keinem Fall eine wertmäßig geringere Leistung, weshalb von einer Schlechterstellung in diesem Zusammenhang nicht gesprochen werden kann.
Ein Ziel, welches der Grundsatzgesetzgeber mit der Regelung des Arbeitsqualifizierungsbonus verfolgt, ist unter anderem die Dämpfung der Zuwanderung in das österreichische Sozialsystem sowie die Einführung von höheren Restriktionen beim Zugang zur (vollen) Sozialhilfe für Neuzugewanderte. In der Wirkungsorientierten Folgenabschätzung zum SH-GG wird zu dieser Maßnahme näher ausgeführt, dass Neuzugewanderten aus Gerechtigkeitserwägungen nicht von Anfang an das gleiche Leistungsniveau zustehen soll wie bereits seit längerer Zeit in Österreich befindlichen Personen (vgl Vorblatt und WFA ArtI + II zu RV 514 BlgNR 26. GP , 7).
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass vom Arbeitsqualifizierungsbonus nicht nur Fremde, sondern auch österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger erfasst sind, die trotz Vorliegens eines entsprechenden Sprachniveaus und anstelle von Integrationsmaßnahmen eine geeignete berufliche Qualifizierungsmaßnahme nachweisen müssen (vgl §5 Abs7 Z2 SH-GG). Auch österreichische Staatsangehörige trifft in diesem Fall eine erhöhte Mitwirkungspflicht und eine stärkere Verbindlichkeit, ihre Vermittelbarkeit zu verbessern. Ihre Rechtsposition unterscheidet sich damit von jener anderer anspruchsberechtigter Personengruppen insofern nicht, als jeder Antragsteller angehalten ist, die Absolvierung von Maßnahmen nachzuweisen, die auf die Überwindung der eingeschränkten Vermittelbarkeit gerichtet sind (daher auch EU- und EWR‑Bürger sowie Drittstaatsangehörige; vgl ErlRV 514 BlgNR 26. GP , 7). Eine Diskriminierung von EU- und EWR-Bürgern bzw Drittstaatsangehörigen kann daher nicht erblickt werden.
Die Intention des Grundsatzgesetzgebers liegt – wie bereits ausgeführt – darin, dass jeder Sozialhilfebezieher, der dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, so rasch wie möglich grundlegende Basiskompetenzen für die Aufnahme einer Beschäftigung erwerben soll. Leistungsbezieher sollen damit letztendlich von der Sozialhilfe unabhängig gemacht werden.
Die besondere Widmung von berufs- oder sprachqualifizierenden Sachleistungen als Ersatz für den Entfall des Arbeitsqualifizierungsbonus bezweckt somit die Überwindung der eingeschränkten Vermittelbarkeit in Umsetzung der Bemühungspflicht und dient als Ausgleich für den Umstand, dass erwerbsfähige Bezugsberechtigte, die nur eingeschränkt am Arbeitsmarkt vermittelbar sind, Leistungen der Sozialhilfe typischerweise für einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen.
Der Einsatz der eigenen Arbeitskraft gehört zu den ältesten – expressis verbis – verankerten Grundprinzipien der Armenversorgung. Bereits das Gesetz vom 3. Dezember 1863 betreffend die Regelung der Heimatverhältnisse, RGBl. Nr 105/1863, normierte in seinem §26 Folgendes:
'Die Armenversorgung von Seite der Gemeinde tritt auch nur insoweit ein, als sich der Arme den nothwendigen Unterhalt nicht mit eigenen Kräften zu verschaffen vermag.
Arbeitsfähige Bewerber um Armenversorgung sind zur Leistung geeigneter Arbeit nöthigenfalls zwangsweise zu verhalten.'
Die Vermittelbarkeit rührt daher aus dem traditionellen Grundsatz der Sozialhilfe, wonach die Leistungsgewährung bei arbeitsfähigen Personen an die Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft bzw arbeitsmarktbezogener Leistungen geknüpft ist. Verlangt wird dabei nicht nur ein Bemühen um einen Arbeitsplatz und der Nachweis des eigenen Arbeitswillens, sondern auch die Bereitschaft zur Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen.
Zur Behauptung, dass im Grundsatzgesetz strengere Voraussetzungen für die Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt vorgesehen würden als dies in den derzeit geltenden, die Integration und den Arbeitsmarkt betreffenden Bundesgesetzen der Fall ist, ist Folgendes festzuhalten:
Die Erläuterungen geben in diesem Zusammenhang wieder, dass das Erfordernis der Vermittelbarkeit im Sinne des Grundsatzgesetzes unabhängig davon zu prüfen ist, ob die Bezugsberechtigten bereits dem Arbeitsmarkt bzw der Arbeitsvermittlung im Sinne des §7 Abs2 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AlVG) zur Verfügung stehen. Bei der Arbeitsvermittlung im Sinne des AlVG und der Vermittelbarkeit im Sinne des Grundsatzgesetzes handelt es sich um verschiedene Begrifflichkeiten.
Der Kritik, dass Bezugsberechtige mehrfachen Kürzungen unterliegen, ist zu entgegnen, dass – auch wenn es zu einer Umwandlung des Arbeitsqualifizierungsbonus in eine Sachleistung kommt – die Wohnkostenpauschale nach §5 Abs5 SH-GG zur Anwendung gelangen kann. Auf diese Weise kann dem Bezugsberechtigten eine höhere Leistung zur Abdeckung von Wohnaufwänden gewährt werden (zusätzliche 30 % als Sachleistung).
Klargestellt werden soll an dieser Stelle nochmals, dass vom Arbeitsqualifizierungsbonus nur erwachsene Personen betroffen sind. Die im Antrag erhobenen Bedenken, wonach §5 Abs3 SH-GG, der eine rechnerisch gleichmäßige Aufteilung von Geldleistungen auf alle unterhaltsberechtigten minderjährigen Personen vorsieht, nicht darauf Bedacht nehme, ob die betreffende Person schon einer Einschränkung infolge des Arbeitsqualifizierungsbonus unterliegt, gehen daher ins Leere.
4.6. Soweit die Antragsteller eine Unsachlichkeit der Übergangsregelungen gemäß §10 Abs2 und 3 SH-GG vorbringen, ist dem grundsätzlich zu entgegnen, dass das Grundsatzgesetz gemäß Art15 Abs6 B‑VG für die Erlassung der Ausführungsgesetze eine Frist bestimmen kann, die ohne Zustimmung des Bundesrates nicht kürzer als sechs Monate und nicht länger als ein Jahr sein darf. Vor dem Hintergrund dieser Regelung sprechen gute Gründe dafür, dass das Ermessen des Grundsatzgesetzgebers bei der Festlegung einer Frist gemäß Art15 Abs6 B‑VG gar nicht mehr am Gleichheitssatz zu messen ist. Der Grundsatzgesetzgeber bewegt sich mit seiner Regelung zur Umsetzungsfrist im gegenständlichen Fall innerhalb des von Art15 Abs6 B‑VG vorgegebenen Rahmens.
Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Erlassung des gegenständlichen Grundsatzgesetzes schon vor dem Tag seiner Kundmachung bekannt geworden ist. Der Kundmachung des SH-GG mit BGBl I Nr 41/2019 vom 22. Mai 2019 ist zum einen ein vorparlamentarisches Begutachtungsverfahren (Entwurf BMASGK‑57024/0002-V/B/2018 vom 28. November 2018; 104/ME 26. GP ) vorangegangen. Zum anderen ist die Regierungsvorlage am 13. März 2019 in den Nationalrat eingebracht und der Gesetzesvorschlag am 25. April 2019 vom Nationalrat in dritter Lesung angenommen worden.
Im Übrigen scheint das Bedenken einer zu kurzen Frist für die Erlassung von Ausführungsgesetzen auch in einem gewissen Spannungsverhältnis zur behaupteten Überdeterminierung zahlreicher Bestimmungen (Pkt. 1 des Antrags) zu stehen; träfe dies zu, wäre anzunehmen, dass etwa die 'notwendigen legistischen … Vorarbeiten, politischen Abstimmungen, Begutachtungen' etc. (Seite 28 des Antrags) mangels – Ermessens der Ausführungsgesetzgebung nicht besonders zeitaufwändig ausfallen (müssen).
§10 Abs3 SH-GG sieht einen Übergangszeitraum bis 1. Juni 2021 vor, also zwei Jahre nach der Kundmachung des Gesetzes, um eine allgemeine Überführung sämtlicher Ansprüche von Personen, die mindestsichernde Leistungen aufgrund früherer landesgesetzlicher Bestimmungen bezogen haben, in den neuen Rechtsrahmen zu gewährleisten. Wie den Erläuterungen zu entnehmen ist, soll der Landesgesetzgebung mit dieser Vorkehrung eine möglichst schrittweise bzw gleitende Umstellung bisheriger Leistungsbezüge in den neuen Rechtsrahmen ermöglicht werden. Dies auch vor dem Hintergrund, dass eine allzu plötzliche Überführung in ein neues System, mit dem auch Leistungseinschränkungen verbunden sein können, Bedenken im Hinblick auf den Vertrauensschutz aufwerfen könnte, da ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Rechtsposition Einzelner vorliegen könnte (vgl zB VfSlg 16.754/2002 zur plötzlich (ohne angemessene Übergangsbestimmung bzw Legisvakanz) wirksam gewordenen Besteuerung von Unfallrenten).
Im vorliegenden Fall trifft dies jedoch nicht zu: So hat der Verfassungsgerichtshof – etwa in seinem Erkenntnis VfSlg 20.177/2017 (Nö. Mindestsicherung) – ausgesprochen, dass 'das Vertrauen auf einen unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage' insbesondere bei steuerfinanzierten Transferleistungen, denen keine Anwartschaft oder Beitragsleistung gegenübersteht, 'keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genießt'.
Nach Auffassung der Bundesregierung ist die Frist des §10 Abs3 SH-GG daher verfassungskonform. Zum Vergleich sei etwa auf die – von den Antragstellern zitierte – Entscheidung VfSlg 19.761/2013 verwiesen, wonach eine Frist von 12 Monaten für den Übergangszeitraum im Hinblick auf den verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz ausreichend war (betreffend die Auflösung von bestehenden Einzelverträgen von Ärzten, die das 70. Lebensjahr erreicht haben; das Wirksamwerden der Rechtsfolge nach einjähriger Vorbereitungszeit unter Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes wurde als ausreichend angesehen).
4.7. Die Antragsteller bringen vor, dass §7 Abs6 SH-GG so formuliert sei, dass zahlreiche Personen aus den Leistungen der Sozialhilfe über der Grenze von 35 % oder nach Ablauf von 12 Monaten ausgeschlossen seien und es den Ländern daher unmöglich sei, auch nur geringfügig günstigere Regelungen zu erlassen. Die Regelung des §7 Abs6 SH-GG sei daher unsachlich (vgl Normprüfungsantrag, Punkt 5., S. 30 f.).
Dem ist zu entgegnen, dass §7 Abs6 SH-GG dem Landesgesetzgeber nur insofern inhaltliche Schranken vorgibt, als er die Gewährung von Freibeträgen an beschäftigungslose Sozialhilfebezieher und Sozialhilfebezieherinnen, denen der (Wieder-)einstieg in Arbeitsmarkt gelingt, bestimmten Rahmenbedingungen unterstellen wollte.
Der Grundsatzgesetzgeber regelt nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung nur den Fall, dass eine Person während des Bezugs von Leistungen der Sozialhilfe eine Erwerbstätigkeit aufnimmt. Nicht geregelt ist demgegenüber die Frage, ob und in welchem Ausmaß auch Personen, die bereits im Erwerbsleben stehen und ihr Stundenausmaß erhöhen, gleichartige Begünstigungen erhalten können (vgl bereits oben Punkt III.1.4.7).
4.8. Die Antragsteller bringen überdies vor, dass die Voraussetzung, dass Sprachnachweise gemäß §5 Abs7 SH-GG 'aktuell' sein müssten, unsachlich sei, weil sie nicht nur zu einer Monopolisierung des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF), sondern auch zu einer erheblichen Entwertung der bisher von den Betroffenen abgelegten Sprachkurse führen würde.
Der in §5 Abs6 bis 9 SH-GG normierte Arbeitsqualifizierungsbonus ist – nicht nur wegen des Raumes, den ihm das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz gibt – ein wesentlicher Eckpunkt der 'Sozialhilfe neu'. Der Grundsatzgesetzgeber sieht hier einen Bereich, in dem eine für das gesamte Bundesgebiet wirksame, einheitliche Regelung erforderlich war. Er muss deshalb geradezu ein erweitertes Interesse daran haben, dass auch die vorgelagerten Rahmenbedingungen möglichst einheitlich gestaltet sind. Die Etablierung einer einzigen staatlichen Prüfungsstelle erscheint daher sachlich geboten.
Mit dem Fokus auf den ÖIF soll es künftig einen bundesweit einheitlichen Qualitätsstandard bei Deutschkursen geben, der für die Erreichung des in der Sozialhilfe geforderten Sprachniveaus maßgeblich sein wird. Auch die von den Bezieherinnen und Beziehern zu absolvierende Integrationsprüfung soll im Sinne einer möglichst weitreichenden Harmonisierung bundesweit einheitlich gestaltet sein. Damit soll verhindert werden, dass der Zugang zur vollen Sozialhilfeleistung von unterschiedlichen Anbieter- oder Kursqualitäten abhängt. Mit Prüfungen, die Auswirkungen auf staatliche Leistungen haben, ist ein sensibler Umgang gefordert. Es entspricht daher der klaren Intention des Grundsatzgesetzgebers, die Abnahme von Prüfungen in diesem Bereich nicht mehr privaten Vereinen, sondern dem ÖIF, einem Fonds nach dem Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetz 2015, BGBl I Nr 160/2015, der auf jahrelange Erfahrungen im Bereich der Sprachkursprüfungen zurückgreifen kann, als weisungsgebundenem und diesbezüglich auch der parlamentarischen Kontrolle bzw jener des Rechnungshofes unterliegendem Organ zu überlassen.
5. Zu den Bedenken im Hinblick auf Bestimmungen des BVG Kinderrechte
Die Antragsteller wenden ein, dass die Vorkehrung des §5 Abs2 Z3 litc SH-GG eine unsachlich abrupte Kürzung der Sozialhilfe ab dem dritten Kind bewirke, und erkennen darin einen Verstoß gegen das Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern. In ihrer Begründung ziehen sie dafür die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Dezember 2018, G308/2018, zum Burgenländischen Mindestsicherungsgesetz heran, in der die Ausgestaltung des §10b des Burgenländischen Mindestsicherungsgesetzes – Bgld MSG, LGBl Nr 20/2017, ua in Anbetracht des Art1 BVG über die Rechte von Kindern als verfassungswidrig erkannt wurde, weil die Regelung die Wahrnehmung des konkreten Bedarfes von Kindern verhindert hatte.
Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes zu der obengenannten Entscheidung können aus der Sicht der Bundesregierung jedoch nicht ohne Weiteres auch für die Beurteilung des §5 Abs2 Z3 litc SH-GG übernommen werden, weil sich die burgenländische Rechtslage von der durch das Grundsatzgesetz geschaffenen Rechtslage in mehrfacher Hinsicht unterscheidet.
Zum einen bezog sich die Deckelung der Mindeststandards nach §10b Bgld MSG grundsätzlich auf alle Personen, die in einem gemeinsamen Haushalt lebten. Dies mit der Konsequenz, dass dabei auch die Mindeststandards für Kinder ohne jede Einschränkung in die Betrachtung miteinbezogen wurden (s in diesem Kontext auch die Ausführungen in Punkt III.3.).
In diesem Punkt unterscheidet sich §5 Abs4 SH-GG von den bislang durch den Verfassungsgerichtshof geprüften Deckelungsmodellen der Länder Burgenland, Niederösterreich und Oberösterreich.
Die Rechtsfolge des §10b Bgld MSG – nämlich die Begrenzung der Leistungsansprüche in einem Haushalt bei einem bestimmten Betrag 'unabhängig davon, wie viele und welche Personen (volljährige, minderjährige, mit oder ohne Anspruch auf Transfer- bzw Unterhaltsleistungen) dem Haushalt angehören' – kann bei einer grundsatzgesetzkonformen Umsetzung des §5 Abs2 iVm. §5 Abs4 SH‑GG sohin gar nicht eintreten (vgl VfGH 1.12.2018, G308/2018, Rz 37).
Zum anderen anerkennt der Grundsatzgesetzgeber – wenn er in §5 Abs2 Z3 litc SH-GG den Höchstsatz ab der dritten minderjährigen Person mit 5 % des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende festlegt – den Bedarf jeder weiteren, hinzukommenden Person im Rahmen einer Haushaltsgemeinschaft (s weiterführend dazu auch die Ausführungen zu Punkt III.3.).
Soweit die Antragsteller in diesem Zusammenhang vorbringen, dass 'die Festlegung eines Bagatellbetrags von € 1,50 pro Tag und Kind' eine Umgehung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs darstelle, wird auf die Ausführungen in den Punkten 1.4., 3. und 4.2. verwiesen.
6. Zu den Bedenken betreffend §1 Abs1 des Sozialhilfe-Statistikgesetzes:
6.1. Die Antragsteller hegen das Bedenken, dass §1 Abs1 des Sozialhilfe‑Statistikgesetzes nicht den in §1 Abs2 DSG festgelegten Anforderungen für Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz (§1 DSG) entspreche. Das Sozialhilfe-Statistikgesetz bestimme keinerlei Garantien für den Datenschutz. Die Eingriffsnorm nehme nur auf die 'erforderlichen Daten' Bezug; eine Klarstellung hinsichtlich der Arten von Daten, des Zeitraums, des Detaillierungsgrades und der Form der Übermittlung fehle. Die Bestimmung widerspreche daher dem Bestimmtheitsgebot und dem Grundrecht auf Datenschutz.
6.2. Beschränkungen des Grundrechtes auf Datenschutz sind nach dem Gesetzesvorbehalt des §1 Abs2 DSG (abgesehen von lebenswichtigen Interessen des Betroffenen an der Verwendung personenbezogener Daten oder seiner Zustimmung hierzu) bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen zulässig, die aus den in Art8 Abs2 EMRK genannten Gründen notwendig sind und die ausreichend präzise, also für jedermann vorhersehbar regeln, unter welchen Voraussetzungen die Ermittlung bzw die Verwendung personenbezogener Daten für die Wahrnehmung konkreter Verwaltungsaufgaben erlaubt ist. Die Gesetzgebung muss somit nach den Vorgaben des §1 Abs2 DSG eine materienspezifische Regelung in dem Sinn vorsehen, dass die Fälle zulässiger Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz konkretisiert und begrenzt werden (vgl VfSlg 19.886/2014 mwN).
6.3. Das Bedenken der Antragsteller trifft nach Auffassung der Bundesregierung nicht zu:
6.3.1. §1 Abs1 des Sozialhilfe-Statistikgesetzes dient einem legitimen Zweck iSd Art8 Abs2 EMRK, nämlich dem wirtschaftlichen Wohl des Landes, und ist zur Erreichung der damit verfolgten Ziele auch geeignet. Gegenteiliges wird auch von den Antragstellern nicht behauptet.
6.3.2. Die Übermittlungspflicht ist zur Erreichung dieser Ziele auch erforderlich und – unter Berücksichtigung ihrer Ausgestaltung – verhältnismäßig:
Die Verarbeitung (einschließlich Übermittlung) personenbezogener Daten zu den in §1 Abs1 des Sozialhilfe-Statistikgesetzes angeführten Zwecken unterliegt den Vorschriften der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung; im Folgenden: DSGVO). Dies gilt auch für die Übermittlung personenbezogener Daten, die ursprünglich (etwa von Justizbehörden) zu in §36 Abs1 DSG genannten Zwecken erhoben wurden und gemäß §1 Abs1 des Sozialhilfe-Statistikgesetzes den Ländern zu übermitteln sind (vgl idZ§40 Abs2 DSG). Vor diesem Hintergrund vermag das Bedenken, dass das Sozialhilfe-Statistikgesetz keine Garantien für den Datenschutz vorsehe, nicht zu überzeugen. Bei der Beurteilung, ob eine Eingriffsnorm den Erfordernissen des §1 Abs2 DSG genügt, ist nämlich neben den Bestimmungen des Sozialhilfe-Statistikgesetzes (sowie allfälligen weiteren anwendbaren materiengesetzlichen Bestimmungen) die unmittelbar anwendbare DSGVO zu berücksichtigen. Diese sieht umfassende datenschutzrechtliche Garantien (einschließlich der in Art5 Abs1 DSGVO verankerten Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten) vor.
Der Kreis der nach §1 Abs1 des Sozialhilfe-Statistikgesetzes zu übermittelnden Datenarten (und auch des Zeitraums) wird durch die in dieser Bestimmung angeführten Übermittlungszwecke beschränkt. Übermittelt werden dürfen nämlich nur solche Daten, die 'zu Zwecken der Aufrechterhaltung und Vollziehung des österreichischen Sozialhilfewesens erforderlich sind, insbesondere zur Feststellung der Voraussetzungen und der Höhe einer Leistung der Sozialhilfe, für Kostenerstattungs- und Rückersatzverfahren sowie zu Zwecken der Kontrolle eines rechtmäßigen Leistungsbezugs verarbeitet werden (§8 Sozialhilfe‑Grundsatzgesetz)'. Überdies erstreckt sich die Übermittlungspflicht notwendigerweise nur auf solche Daten, die von den übermittlungspflichtigen Behörden verarbeitet werden, wobei auch diese Verarbeitungen dem Erfordernis der Rechtmäßigkeit unterliegen (vgl Art6 DSGVO, ggf. iVm Art9 DSGVO).
Eine abschließende Aufzählung der einzelnen zu übermittelnden Datenarten ist im Hinblick auf den Kreis der übermittlungspflichtigen Behörden nicht möglich und zur Erreichung der damit verfolgten Ziele nicht geeignet. Überdies stellt die Bundesregierung zur Erwägung, dass eine taxative gesetzliche Festlegung der zu übermittelnden Datenarten sowie des Zeitraums im Ergebnis eine erheblich weitere Übermittlungspflicht zur Folge haben könnte als ein Anknüpfen an die Erforderlichkeit zu Zwecken der Aufrechterhaltung und Vollziehung des österreichischen Sozialhilfewesens. Letzteres ermöglicht nämlich – im Sinne des Grundsatzes der Datenminimierung (Art5 Abs1 litc DSGVO) – eine differenziertere Durchführung der Übermittlungspflicht als eine – möglicherweise im Einzelfall überschießende – Festlegung von Datenarten bzw Zeiträumen.
Entgegen dem Antragsvorbringen ist auch die Form der Übermittlung gesetzlich geregelt. Gemäß §1 Abs1 letzter Halbsatz des Sozialhilfe-Statistikgesetzes sind die zu übermittelnden Daten elektronisch zur Verfügung zu stellen. Ungeachtet dessen, dass eine Festlegung der Übermittlungsform aufgrund des §1 Abs2 DSG nicht zwingend erforderlich wäre, ist die Form der Übermittlung damit nach Auffassung der Bundesregierung jedenfalls hinreichend determiniert.
6.3.3. Aus Sicht der Bundesregierung verletzt §1 Abs1 des Sozialhilfe‑Statistikgesetzes daher nicht das Grundrecht auf Datenschutz (§1 DSG).
6.3.4. Aus denselben Gründen liegt auch keine Verletzung des in Art18 B VG verankerten Bestimmtheitsgebots vor. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist es verfassungsgesetzlich zulässig, wenn die einfache Gesetzgebung der Vollziehung Ermessen einräumt und die Entscheidung an – die Vollziehung bindende – Kriterien knüpft (vgl zB VfSlg 5810/1968, 12.399/1990, 12.497/1990, 16.625/2002). Dass die Gesetzgebung bei der Beschreibung und Formulierung dieser Kriterien unbestimmte Gesetzesbegriffe verwendet, dadurch zwangsläufig Unschärfen in Kauf nimmt und von einer exakten Determinierung des Vollziehungshandelns Abstand nimmt, kann im Hinblick auf den Regelungsgegenstand erforderlich sein, steht aber grundsätzlich in Einklang mit Art18 Abs1 B‑VG (vgl die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum 'differenzierten Legalitätsprinzip', VfSlg 13.785/1994 mwN). Ein solcher Fall liegt hier aus den bereits oben dargelegten Gründen vor, zumal eine taxative Festlegung der zu übermittelnden Datenarten und Zeiträume nicht geeignet wäre, die mit der Datenübermittlungspflicht verfolgten Ziele zu erreichen.
7. Zu den Bedenken betreffend §1 Abs2 des Sozialhilfe-Statistikgesetzes:
7.1. Im Hinblick auf §1 Abs2 des Sozialhilfe-Statistikgesetzes hegen die Antragsteller das Bedenken, dass die in Z1 litk der Anlage festgeschriebenen Datenarten 'Staatsangehörigkeit und Geburtsort der leiblichen Eltern' für den Vollzug der Sozialhilfe nicht erforderlich seien und zwei weitere Personen, die selbst gar nicht Bezieher von Sozialhilfe (gewesen) seien, in die zu übermittelnden Daten einbeziehen würden. §1 Abs1 und 2 des Sozialhilfe-Statistikgesetzes verstoße daher gegen das Grundrecht auf Datenschutz (§1 DSG) und den Gleichheitsgrundsatz (Art7 B‑VG, Art2 StGG).
7.2. Die statistische Datenerhebung des Merkmals 'Staatsangehörigkeit und Geburtsort der leiblichen Eltern' zielt auf eine verbesserte Beurteilung der Effektivität staatlicher Integrationsbemühungen über mehrere Generationen hinweg ab. Nach Auffassung der Bundesregierung ist es zu diesem Zweck nicht unverhältnismäßig, die beiden punktuellen Datenarten 'Staatsangehörigkeit' und 'Geburtsort' auch hinsichtlich der leiblichen Eltern von Bezugsberechtigten zu verarbeiten. Die Bundesanstalt 'Statistik Österreich' darf diese Daten nur zu Zwecken der Erstellung einer bundesweiten Gesamtstatistik bzw einer Verlaufsstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (§1 Abs2 letzter Satz, Abs3 des Sozialhilfe-Statistikgesetzes) verarbeiten und in die Transparenzdatenbank zu Zwecken der Vollziehung des Transparenzdatenbankgesetzes 2012 sowie der für den Vollzug beauftragten Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (§1 Abs3 iVm Abs4 des Sozialhilfe-Statistikgesetzes) übermitteln. Im Übrigen unterliegen auch diese Datenverarbeitungen den Vorschriften der DSGVO.
7.3. Die behauptete Verletzung des Grundrechts auf Datenschutz (§1 DSG) sowie des aus dem Gleichheitsgrundsatz abgeleiteten Sachlichkeitsgebots (Art7 B‑VG, Art2 StGG) liegt daher nicht vor.
8. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass die angefochtenen Bestimmungen nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig sind." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
3. Der Verfassungsgerichtshof hat die Länder eingeladen, eine Äußerung zu erstatten; davon haben Burgenland, Niederösterreich und Wien Gebrauch gemacht.
3.1. Die Burgenländische Landesregierung hat sich in der Sache im Wesentlichen den Bedenken der Antragsteller angeschlossen. In der Äußerung wird Folgendes ausgeführt:
"1. Überschreitung des zulässigen Regelungsinhaltes eines Grundsatzgesetzes gemäß Art12 B‑VG:
Wie bereits im verfahrensgegenständlichen Gesetzesprüfungsantrag ausgeführt, verstößt das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz mehrfach gegen die kompetenzrechtlichen Bestimmungen des Art12 B‑VG:
Der Kompetenztatbestand des Art12 B‑VG normiert, dass dem Bund die Kompetenz zukommt, Grundsatzgesetze zu erlassen, während die Länder für die Erlassung von Ausführungsgesetzen sowie für die Vollziehung zuständig sind. Eine Verfassungswidrigkeit besteht insbesondere dann, wenn die grundsatzgesetzlichen Vorgaben überbestimmt sind (VfSlg 16.058), sodass den Ländern kein Spielraum zur Ausführung bleibt.
Nach ho. Ansicht sind vor allem nachfolgende Bestimmungen zu detailliert geregelt und daher als verfassungswidrig zu qualifizieren:
1.1. Zu §4 SH-GG:
§4 SH-GG normiert detailliert und damit überbestimmt den Kreis der Anspruchsberechtigten. Jene Personen, welche nicht von diesem Kreis umfasst sind, sind vom Bezug der Sozialhilfe grundsätzlich ausgeschlossen.
Gemäß §4 Abs2 Z4 SH-GG sind Personen, die wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener gerichtlich strafbarer Handlungen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zumindest sechs Monaten verurteilt wurden, für den Zeitraum der Verbüßung der Strafhaft von Leistungen der Sozialhilfe auszuschließen. Diese zwingende Regelung führt letztlich dazu, dass eine Resozialisierung zumindest erschwert wird. Betroffene Personen drohen durch den Ausschluss wiederum in die Kriminalität gedrängt zu werden. Einerseits könnte dieser Umstand Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Österreich haben, andererseits wird auch die Armut dadurch verstärkt.
1.2. Zu §5 SH-GG:
Die Regelung des §5 Abs2 SH-GG legt überdeterminiert nunmehr nicht überschreitbare Höchstsätze fest, welche länderspezifische Differenzierungen nicht mehr zulassen. Im Lichte des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern (BGBl I Nr 4/2011) ist auch die degressive Abstufung und Ungleichbehandlung der zum Haushalt zugehörigen Kinder kritisch zu sehen. Gemäß Art1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern ist das Kindeswohl als eine oberste Handlungsmaxime des Gesetzgebers anzusehen. Die gegenständliche Regelung verhindert es, den konkreten Bedarf von Kindern wahrzunehmen und ist letztlich auch im Vollzug mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden: Es ist nicht ersichtlich, wie der Gesetzgeber sicherstellen soll, dass die für die Kinder empfangenen Leistungen auch tatsächlich gleichmäßig auf alle zum Haushalt zugehörigen Kinder aufgeteilt werden.
Alle dargelegten Bedenken gegen das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz entsprechen den im Gesetzesprüfungsantrag dargelegten Argumenten und kann daher die Position des Gesetzesprüfungsantrags bekräftigt werden.
2. Sonstige verfassungsrechtliche Bedenken:
Darüber hinaus erscheinen vor allem die nachfolgenden Punkte als verfassungsrechtlich bedenklich:
2.1. Kompetenzrechtlich unzulässige Zielbestimmungen und Regelungsinhalte:
Die Bekämpfung von Armut, sozialer Ausschließung und anderer sozialer Notlagen findet sich nicht mehr in den Zielbestimmungen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes. An deren Stelle treten integrationspolitische und fremdenpolizeiliche Ziele (§1 Z2 SH-GG). Dies ist zunächst aus sozialpolitischer Sicht bedenklich, da der Gesetzgeber hier offenbar versucht, einen Zusammenhang zwischen Sozialhilfe und fremdenpolizeilichen Agenden herzustellen, was bestehende Ressentiments gegen Asylberechtigte bzw auch österreichische Hilfsbedürftige mehr verstärkt als entkräftet.
Darüber hinaus erscheint aus verfassungsrechtlicher Sicht fraglich, ob integrationspolitische und fremdenpolizeiliche Ziele vom Kompetenztatbestand des Art12 Abs1 Z1 B‑VG (Armenwesen) umfasst sind.
2.2. Unsachliche Deckelung der Bezugshöhe:
Insbesondere die in §5 Abs4 SH-GG vorgesehene Begrenzung der Geldleistungen an volljährige Bezugsberechtigte innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft mit 175% des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende führt zu unsachlichen Ergebnissen und Härtefällen. Abgesehen davon, dass auch diese Regelung keinerlei Handlungsspielraum in den Ausführungsgesetzen erlaubt, bleiben hier die bereits unter Punkt 1.2. im Zusammenhang mit den Höchstsätzen für im Haushalt lebende Kinder angesprochenen Vollzugsprobleme offen:
Bescheide wären diesfalls wohl nicht nur für Einzelpersonen, sondern (auch) für Haushaltsgemeinschaften zu erlassen, wobei deren Rechtsmittellegitimation offen bleibt. Darüber hinaus ändert sich die Berechnung für eine Haushaltsgemeinschaft, sobald ein Mitglied auszieht oder sich das Einkommen eines Mitglieds ändert. Der damit verbundene Verwaltungsaufwand ist enorm und kaum durchführbar.
2.3. Unsachlicher Abzug von 35% für mangelnde Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt:
§5 Abs6 SH-GG sieht vor, dass 35% der Leistungen der Sozialhilfe von der Voraussetzung der Vermittelbarkeit am österreichischen Arbeitsmarkt abhängig zu machen sind. §5 Abs7 Z1 SH-GG normiert, dass eine Vermittelbarkeit am österreichischen Arbeitsmarkt dann anzunehmen ist, wenn zumindest das Sprachniveau B1 (Deutsch) oder C1 (Englisch) erreicht wird. Einerseits ist diese Regelung als überschießend und unverhältnismäßig zu qualifizieren, da für bestimmte Berufsgruppen ein derart hohes Sprachniveau nicht erforderlich ist. Andererseits erfüllt diese Regelung auch nicht den Regelungszweck der Sozialhilfe, Menschen, die ohne ihr Verschulden in Not geraten sind, zu unterstützen.
Der Arbeitsqualifizierungsbonus zielt darüber hinaus vorrangig auf nichtösterreichische Staatsangehörige ab und ist damit im Lichte von Art1 BVG zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung (BGBl Nr 390/1973) zumindest mittelbar diskriminierend.
Darüber hinaus lässt diese Bestimmung ebenso keinen Handlungsspielraum für die darauf basierenden Ausführungsgesetze zu und ist daher als zu bestimmt für ein Grundsatzgesetz im Sinne des Art12 B‑VG anzusehen.
3. Anträge
Im Ergebnis greift das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz insbesondere in verfassungswidriger Weise in den Gestaltungsspielraum der Bundesländer ein. Die in dieser Äußerung dargelegten Bedenken entsprechen den im verfahrensgegenständlichen Gesetzesprüfungsantrag dargelegten Argumenten.
Die Burgenländische Landesregierung schließt sich daher den Anträgen der Antragsteller gemäß Punkt V. des Gesetzesprüfungsantrags vollinhaltlich an." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
3.2. Die Niederösterreichische Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie dem Antrag wie folgt entgegentritt:
"I. Zur Zulässigkeit der Anträge:
Mit dem Antrag wird eine Aufhebung des §5 Abs2 Z2 litc SH-GG geltend gemacht. Das SH-GG kennt jedoch diese Bestimmung nicht. Aus dem Antrag ergibt sich, dass offenbar eine Aufhebung des §5 Abs2 Z3 litc SH-GG gemeint war.
Ein Antrag auf Normprüfung hat in formeller Hinsicht unter anderem die genaue Bezeichnung der angefochtenen Regelung zu enthalten, deren Mangel zur Zurückweisung des Antrages führt (§62 VfGG).
Im vorliegenden Fall wäre daher der Antrag auf Aufhebung des §5 Abs2 Z2 litc SH-GG (Pkt. 4) wegen falscher Bezeichnung im Anfechtungsbegehren zurückzuweisen.
II. Zu den geltend gemachten Normbedenken:
Zu 1. Verfassungswidrigkeit durch Überschreitung des zulässigen Regelungsinhaltes eines Grundsatzgesetzes gemäß Art12 B‑VG:
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis VfSlg 19.529/2011 hinsichtlich der Grundsatzgesetzgebung ausgesprochen, dass sich das Grundsatzgesetz auf die Aufstellung von Grundsätzen zu beschränken hat und über diese im Art12 B‑VG gezogene Grenze hinaus nicht Einzelregelungen treffen darf, die der Landesgesetzgebung vorbehalten sind (vgl zB VfSlg 2087/1951, 3340/1958, 3598/1959).
Mit dem vorliegenden SH-GG wird eine österreichweite Vereinheitlichung in den Grundprinzipien der künftigen Sozialhilfe erreicht, da bestimmte 'Höchststandards' (Höhe der Leistungen, Freibetrag, anrechenfreies Einkommen und Vermögen udgl.) vorgegeben werden. Die zulässigen Regelungsinhalte des Grundsatzgesetzes wurden dadurch nicht überschritten.
Zu 2. Verfassungswidrigkeit wegen Verletzung des Legalitätsprinzips und Verletzung kompetenzrechtlicher Bestimmungen:
Zu §5 Abs3:
Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit des §5 Abs3 SH-GG ist festzustellen, dass die Höchstsätze gleichmäßig auf die minderjährigen unterhaltsberechtigten Personen aufgeteilt werden, indem die jeweiligen Höchstsätze zusammengezählt und danach durch die Anzahl der Personen zu dividiert werden. So erhält jede minderjährige unterhaltsberechtigte Person dieselbe 'Grundleistung', bei welcher in einem zweiten Schritt allfällige Alimente und dgl. zu berücksichtigen sind. Durch diese Aufteilung wird ein dem Gleichheitsgrundsatz entsprechendes Ergebnis erzielt, da jede minderjährige unterhaltsberechtigte Person dieselbe 'Grundleistung' erhält. Im Übrigen wird das Vorbringung zur Verletzung des Legalitätsprinzips nicht geteilt.
Zu §1 und §5 Abs6 bis 9:
Im Antrag wird eine Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmungen erachtet, da gegen die Kompetenzbestimmung 'Armenwesen' des Art12 Abs1 Z1 B‑VG verstoßen worden sei.
Dem ist entgegen zu halten, dass die gegenständlichen Bestimmungen im Kompetenztatbestand 'Armenwesen' Deckung finden. Von dieser Kompetenz sind solche Regelungen umfasst, die die Versorgung mittelloser Personen mit dem Notwendigsten zum Inhalt haben, sofern diese Leistungen allein aus dem Motiv der sozialen Hilfsbedürftigkeit gewährt werden (VfGH 3.10.2006, G33/06). Es ist davon auszugehen, dass der Bund im Rahmen seiner Kompetenz diese Regelungen treffen durfte.
Zu 3. Verfassungswidrigkeit durch gleichheitswidrig unsachliche Regelungen:
Zu §5 Abs2 und 3:
In §5 Abs2 SH-GG werden je nach Haushaltskonstellation gewisse Höchstsätze pro Person vorgegeben. Aufgrund von Synergieeffekten, welche beim Zusammenleben von mehreren Personen in einer Haushaltsgemeinschaft entstehen, haben solche Personen nicht dieselben Kosten wie eine Person, die alleine lebt. Aus diesem Grund werden die Höchstsätze für Personen, welche in einer Haushaltsgemeinschaft zusammenleben, niedriger bemessen. Dies gilt auch für Leistungen für minderjährige unterhaltsberechtigte Personen. Bei minderjährigen Personen ist jedoch nach §5 Abs3 SH-GG eine gleichmäßige Aufteilung vorzunehmen.
Unabhängig von dieser gleichmäßigen Aufteilung kommt es aber bei jeder weiteren Person, die in der Haushaltsgemeinschaft lebt, zu einer zusätzlichen Leistung. Eine starre Deckelung liegt somit nicht vor. In VfSlg 11.662/1988 hat der Verfassungsgerichthof bereits betont, dass die Lebenshaltungskosten pro Person mit zunehmender Größe der Haushaltsgemeinschaft abnehmen mögen, jedoch immer noch je weiterer Person ein Aufwand in eigener Höhe erforderlich ist. Mit der gegenständlichen Regelung wurde dieser Rechtsprechung entsprochen.
Weiters wird darauf hingewiesen, dass das im Antrag angeführte Berechnungsbeispiel nicht nachvollzogen werden kann, da eine gleichmäßige Aufteilung der Höchstsätze hinsichtlich volljähriger Personen im SH-GG nicht vorgesehen ist.
Zu §5 Abs4:
Die in §5 Abs4 SH-GG vorgesehene Begrenzung der Summe aller Geldleistungen der Sozialhilfe, die volljährigen Bezugsberechtigten innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft pro Monat zur Verfügung steht, mit 175% des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende gründet auf den Überlegungen, dass bei Zusammenwohnen von mehreren Personen Synergieeffekte bestehen, zumal Großpackungen bei Lebensmittel erworben werden können bzw die Erhaltung der Einrichtungsgegenstände und Mietaufwände und dgl. von mehreren Personen getragen wird.
Demnach werden nur die Geldleistungen von volljährigen Personen nach dieser Bestimmung begrenzt. Aufgrund dessen, dass das SH-GG einen Vorrang von Sachleistungen hinsichtlich des Wohnbedarfs und eine Aufteilung der Höchstsätze in 60% Lebensunterhalt (Geldleistung) und 40% Wohnbedarf (Sachleistung) vorsieht, kommt die Begrenzung der Geldleistung nach §5 Abs4 erst bei der sechsten volljährigen Person in einer Haushaltsgemeinschaft zur Anwendung. Ein Sachverhalt, dass sechs volljährige Personen in einer Haushaltsgemeinschaft leben, stellt im System der Sozialhilfe (und vormals der Bedarfsorientierten Mindestsicherung) nicht den Regelfall, sondern vielmehr die Ausnahme dar. Der VfGH hat mehrmals festgehalten, dass der Gesetzgeber eine auf Verwaltungsvereinfachung abzielende, pauschalierende Regelung treffen und dabei auch Härtefälle in Kauf nehmen kann (VfSlg 11.615/1988, 16.485/2002, 17.315/2004).
Zu §5 Abs6 bis 9:
Der Arbeitsqualifizierungsbonus soll eine rasche Integration fördern und der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit dienen, wodurch im Endeffekt die soziale Notlage beseitigt werden kann. Aus diesem Grund besteht eine Vereinbarkeit mit den Zielen der Armutsbekämpfung.
Zu §10 Abs2 und 3:
Gemäß Art15 Abs6 B‑VG darf die Frist für die Umsetzung eines Ausführungsgesetzes ohne Zustimmung des Bundesrates nicht kürzer als sechs Monate und nicht länger als ein Jahr sein. Die Frist in §10 Abs2 SH-GG liegt in diesem Rahmen. Hinsichtlich der Übergangsbestimmung in §10 Abs3 SH-GG wird ein Zeitraum von eineinhalb Jahren als ausreichend erachtet, um dem Vertrauensschutz zu genügen.
Zu 4. Verfassungswidrigkeit durch Verstoß gegen Bestimmungen des BVG Kinder-rechte:
Im Antrag wird eine Verfassungswidrigkeit des §5 Abs2 Z3 litc SH-GG behauptet, da die Ausgestaltung dieser Bestimmung die Wahrnehmung des konkreten Bedarfs von Kindern verhindert. Es werde eine starre Deckelung erzielt, was im Hinblick auf das Judikat des VfGH vom 07.03.2018, G136/2017 ua, verfassungswidrig sei.
Diesbezüglich wird darauf hingewiesen, dass im Antrag verkannt wird, dass im Rahmen der Sozialhilfe (und vormals der Bedarfsorientierten Mindestsicherung) auf den Regelbedarf eines Menschen abgestellt wird. Die gegenständliche Grundsatzbestimmung sieht einen Höchstsatz von 5% des Netto-Ausgleichzulagenrichtsatzes für Alleinstehende pro Monat ab dem dritten Kind für jedes weitere Kind vor. Somit kommt es bei jeder weiteren Person im Gegensatz zur oben angeführten Deckelung zu einer zusätzlichen Leistung. Diesbezüglich ist aber darauf hinzuwiesen, dass aufgrund der gleichmäßigen Aufteilung gemäß §5 Abs3 SH-GG keine minderjährige unterhaltsberechtigte Person tatsächlich nur den Höchstsatz von 5% erhält.
Zu 5. Unsachliche rigide Anrechnung von Eigeneinkommen:
Die Anrechnung von Eigeneinkommen entspricht dem Subsidiaritätsprinzip. Demnach ist Sozialhilfe nur so weit zu leisten, als der jeweilige Bedarf nicht durch eigene Mittel (Einkommen und Vermögen) oder durch Leistungen Dritter abgedeckt werden kann (§3 Abs3 SH-GG). Dieses Prinzip wurde nicht neu im SH-GG verankert, sondern war schon bisher in den Mindestsicherungsgesetzen vorgesehen (vgl §2 Abs1 NÖ Mindestsicherungsgesetz – NÖ MSG).
Im SH-GG wurden bestimmte Einkommen als anrechenfrei bezeichnet, weshalb diese bei der Bemessung der Leistung der Sozialhilfe nicht herangezogen werden (vgl §7 Abs4 bis 6 SH-GG).
Der Einkommensfreibetrag, der im Falle einer Aufnahme einer Erwerbstätigkeit während eines Bezugs von Leistungen der Sozialhilfe einen anrechenfreien Betrag in Höhe von bis zu 35 % des monatlichen Nettoeinkommens für einen Zeitraum bis zu 12 Monate vorsieht, soll einen Anreiz für Bezieher von Leistungen der Sozialhilfe bieten, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen und dadurch ihre soziale Notlage zu verbessern. Die im SH-GG vorgesehene Höhe wird als nicht zu niedrig und die Frist von 12 Monaten als ausreichend angesehen.
Aus den genannten Gründen liegt daher aus Sicht der NÖ Landesregierung keine Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen vor." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
3.3. Die Wiener Landesregierung hat sich in der Sache im Wesentlichen den Bedenken der Antragsteller angeschlossen und führt in der Äußerung Folgendes aus:
"Die Wiener Landesregierung schließt sich den im vorliegenden Antrag von Mitgliedern des Bundesrates gemäß Art140 Abs1 Z2 B‑VG, näher bezeichnete Teile des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes und des Sozialhilfe-Statistikgesetzes, BGBl I Nr 41/2019, als verfassungswidrig aufzuheben, dargelegten Bedenken vollinhaltlich an und verweist im Übrigen auf die Stellungnahme des Amtes der Wiener Landesregierung zum Entwurf des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes und des Sozialhilfe-Statistikgesetzes vom 7. Jänner 2019 sowie auf die Stellungnahme des Amtes der Wiener Landesregierung zur Regierungsvorlage vom 11. April 2019."
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Gemäß Art140 Abs1 Z2 B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Verfassungswidrigkeit von Bundesgesetzen auch auf Antrag eines Drittels der Mitglieder des Bundesrates. Die einschreitenden 21 Mitglieder des Bundesrates verkörpern mehr als ein Drittel der Mitglieder des Bundesrates (vgl Art34 B‑VG iVm der Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Festsetzung der Zahl der von den Ländern in den Bundesrat zu entsendenden Mitglieder, BGBl II 237/2013); dem in Art140 Abs1 Z2 B‑VG normierten Erfordernis ist daher entsprochen.
1.2. Ein von Mitgliedern des Bundesrates gestellter Antrag ist zulässig, sobald das Gesetz rechtswirksam erlassen wurde, und zwar auch dann, wenn es noch nicht in Kraft getreten ist (vgl zB VfSlg 16.911/2003 mwN).
1.3. Wie sich aus Art140 Abs4 B‑VG ergibt, ist ein solcher Antrag als Fall einer abstrakten Normenkontrolle nur gegen geltende, nicht aber gegen schon außer Kraft getretene Rechtsvorschriften zulässig (zB VfSlg 14.802/1997).
1.4. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
1.4.1. Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001, 20.000/2015). Die Antragsteller haben all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung der Antragsteller teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.972/2015).
Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; 10.10.2016, G662/2015), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015; VfGH 15.10.2016, G339/2015).
Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Gesetzesbestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).
1.4.2. Hingegen macht eine zu weite Fassung des Antrages diesen nicht in jedem Fall unzulässig (vgl VfSlg 20.000/2015; VfGH 13.10.2016, G219/2015). Soweit ein Antrag auf abstrakte Normenkontrolle die Aufhebung von Bestimmungen begehrt, gegen die im Einzelnen konkrete Bedenken in schlüssiger und überprüfbarer Weise dargelegt werden (VfSlg 14.802/1997, 17.102/2004; vgl auch VfSlg 11.888/1988, 12.223/1989; VfGH 11.6.2012, G120/11; VfSlg 19.938/2014 – die Zuordnung pauschal vorgetragener Bedenken zu einzelnen angefochtenen Bestimmungen ist demgegenüber nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, siehe nur VfSlg 17.102/2004, weiters etwa VfSlg 13.123/1992, 17.099/2003), oder mit solchen untrennbar zusammenhängende Bestimmungen erfasst, ist der Antrag daher, wenn auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, zulässig. Umfasst ein solcher Antrag darüber hinaus noch weitere Bestimmungen, führt dies, wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind, zur partiellen Zurückweisung des Antrages (vgl bereits VfSlg 14.802/1997).
Die Antragsteller hegen gegen die (in unterschiedlichem Umfang) angefochtenen Bestimmungen des SH-GG gegliedert in 13 Punkte in mehrerlei Hinsicht Bedenken: Sie bringen vor, dass Teile des SH-GG Art12 B‑VG widersprächen, dass die Zielbestimmungen und Regelungsinhalte des Gesetzes im Lichte der Art10 und Art12 B‑VG kompetenzwidrig seien, dass Teile des Gesetzes zu unbestimmt (Art18 B‑VG) bzw unsachlich (Art7 B‑VG, Art2 StGG, ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973) seien und dass einzelne Bestimmungen gegen Art1 Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern, BGBl I 4/2011, verstießen. Die Antragsteller bringen außerdem vor, dass näher bezeichnete Bestimmungen des SH-SG den Gleichheitssatz und das Grundrecht auf Datenschutz nach §1 DSG verletzten.
1.5. Die Bundesregierung vertritt in ihrer Äußerung, dass der Anfechtungsumfang teilweise zu eng gewählt worden sei: Im Hinblick auf die Bedenken der Antragsteller zu §4 Abs2 Z3 SH-GG im Lichte des Art12 B‑VG geht die Bundesregierung davon aus, dass die beanstandete Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung dieser Bestimmung nicht beseitigt werden könne; vielmehr hätten die Antragsteller auch §4 Abs2 Z1, 2 und 4 SH‑GG anfechten müssen. Vor dem Hintergrund der Bedenken zum Arbeitsqualifizierungsbonus gemäß §5 Abs6 SH-GG hätte des Weiteren §3 Abs4 SH-GG – zumindest jedoch die Wortfolge "soweit dieses Bundesgesetz keine Ausnahme vorsieht" – mitangefochten werden müssen. Bezüglich der im Antrag dargelegten Bedenken zu Z1 litk der Anlage des SH-SG hätte schließlich jedenfalls auch diese Bestimmung angefochten werden müssen und nicht nur §1 Abs2 SH-SG.
1.6. Soweit die Bundesregierung vorbringt, dass die Antragsteller vor dem Hintergrund ihres Bedenkens des Verstoßes gegen Art12 B‑VG wegen "Überdeterminierung" auch §4 Abs2 Z1, 2 und 4 SH‑GG anfechten hätten müssen, ist sie damit nicht im Recht: §4 Abs2 Z1, 2 und 4 SH-GG schließen Personen ohne tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet, Asylwerber und Personen, die sich in einer Strafvollzugsanstalt befinden, vom Bezug der Sozialhilfe aus. §4 Abs2 Z3 SH-GG verbietet es, ausreisepflichtigen Fremden Sozialhilfeleistungen zu gewähren. §4 Abs2 SH-GG legt somit einzelne Personengruppen fest, die von der Sozialhilfe ausgeschlossen sind. Da die Regelungen zu den einzelnen Personengruppen in §4 Abs2 SH‑GG in keinem untrennbaren Zusammenhang stehen, ist der Antrag hinsichtlich §4 Abs1 und Abs2 Z3 SH-GG zulässig.
Zudem geht die Bundesregierung davon aus, dass die Antragsteller vor dem Hintergrund ihrer Bedenken gegen die Regelung des Arbeitsqualifizierungsbonus wegen Verstoßes gegen Art12 B‑VG auf Grund von "Überdeterminierung" und im Hinblick auf den Gleichheitssatz neben §5 Abs6 SH-GG auch §3 Abs4 SH‑GG mitanfechten hätten müssen. Nach dem allgemeinen Grundsatz des §3 Abs4 SH-GG sind – soweit das SH‑GG keine Ausnahmen vorsieht – Sozialhilfeleistungen von der dauerhaften Bereitschaft zum Arbeitseinsatz und von aktiven, arbeitsmarktbezogenen Leistungen abhängig zu machen. Gemäß §5 Abs6 SH‑GG ist für bestimmte Personen von der Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt und von der dauerhaften Bereitschaft zum Einsatz ihrer Arbeitskraft (§3 Abs4 SH‑GG) abzusehen. Diese Regelungen stehen trotz des Verweises aber in keinem untrennbaren Regelungszusammenhang, weshalb der Anfechtungsumfang in dieser Hinsicht nicht zu eng gewählt wurde.
1.8. Zum Antrag, §3 Abs5 und §5 Abs9 SH-GG wegen Verletzung von Art12 B‑VG auf Grund von "Überdeterminierung" aufzuheben (Antrag Punkt 1.2.): Die Antragsteller begehren die Aufhebung von §3 Abs5 und §5 Abs9 SH-GG, weil diese Bestimmungen den Ausführungsgesetzgeber dazu verpflichteten, vorrangig bzw ausschließlich Sachleistungen vorzusehen. Durch diesen Sachleistungszwang sei es dem Ausführungsgesetzgeber verwehrt, "individuelle Gegebenheiten im Land", insbesondere bei der Beurteilung des Wohnbedarfs, zu berücksichtigen. §3 Abs5 und §5 Abs9 SH-GG verletzten daher Art12 B‑VG.
§3 Abs5 SH-GG stellt den allgemeinen Grundsatz auf, dass Leistungen der Sozialhilfe vorrangig als Sachleistungen zu gewähren sind, soweit dadurch eine höhere Effizienz der Erfüllung der Leistungsziele zu erwarten ist. §5 Abs9 SH-GG verpflichtet den Ausführungsgesetzgeber, Personen, die iSd §5 Abs6 SH-GG nur eingeschränkt am österreichischen Arbeitsmarkt vermittelbar sind, sprach- oder berufsqualifizierende Sachleistungen bereitzustellen.
Die vorgebrachten Bedenken der Antragsteller richten sich der Sache nach insbesondere dahin, dass dem Ausführungsgesetzgeber kein Spielraum bleibe, die Sozialhilfeleistungen als Geldleistungen auszugestalten und auf lokale Gegebenheiten zu reagieren. Die Begründung bezieht sich überwiegend auf die Erforderlichkeit von Geldleistungen iZm dem Wohnbedarf und richtet sich daher im Wesentlichen gegen §5 Abs5 SH-GG, aber auch gegen §6 SH-GG. In Bezug auf dieses Vorbringen erweist sich der Anfechtungsumfang damit als zu eng, weshalb auf das Bedenken der "Überdeterminierung" im Hinblick auf §5 Abs9 SH‑GG nicht einzugehen ist (zur behaupteten Verfassungswidrigkeit von §5 Abs9 SH‑GG wegen sonstiger Kompetenzwidrigkeiten sowie wegen Verletzung des Gleichheitssatzes siehe Punkt 2.2.2. und 2.3.3.). Hinsichtlich §3 Abs5 SH‑GG ist der Antrag zurückzuweisen.
1.9. Im Übrigen – soweit die Verfassungswidrigkeit von §1, §3 Abs6, §4 Abs1 und Abs2 Z3, §5 Abs2 bis 9, §7 Abs1 und 6, §9 Abs3, der Wortfolge "innerhalb von sieben Monaten" in §10 Abs2 sowie §10 Abs3 SH-GG behauptet wird – sind die Anträge zulässig.
1.10. Zu den Anträgen, §1 Abs1 und 2 SH-SG wegen Verletzung des Gleichheitssatzes und §1 DSG aufzuheben (Antrag Punkt 7.): Die Antragsteller hegen auch Bedenken gegen §1 Abs2 SH-SG. Sie bringen dazu lediglich vor, dass die in Z1 litk der Anlage zum SH-SG angeführten Daten, nämlich die Staatsangehörigkeit und der Geburtsort der leiblichen Eltern der Sozialhilfe beziehenden Person, für den Vollzug der Sozialhilfe offenbar nicht erforderlich seien. Es sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Erfassung von Daten von Personen, die selbst gar nicht Sozialhilfe bezögen, notwendig sei. Die Bestimmung verstoße daher gegen Art7 B‑VG und §1 DSG. Die Bedenken der Antragsteller richten sich gegen den Umfang der zu übermittelnden Daten, die in der Anlage Z1 litk SH-SG festgelegt sind. Vor diesem Hintergrund haben die Antragsteller die falsche Rechtsgrundlage angefochten. Der Antrag, §1 Abs2 SH‑SG aufzuheben, ist daher zurückzuweisen.
Im Übrigen ist der Antrag – soweit er sich gegen §1 Abs1 SH-SG richtet – zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
2.2. Zu den Bedenken im Hinblick auf Art12 B‑VG (Antrag Punkt 1.1. und 1.3.)
2.2.1. Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit wegen "Überdeterminierung"
2.2.1.1. Die Antragsteller bringen vor, dass §4 SH‑GG bindend festlege, wer vom Bezug der Sozialhilfe auszuschließen sei. Dem Ausführungsgesetzgeber sei es daher verwehrt, Personen, die zwar ausreisepflichtig seien, aber die faktisch dauerhaft nicht abgeschoben werden könnten (etwa weil die Staatsangehörigkeit unklar sei), in die Sozialhilfe einzubeziehen. Da diese Personengruppe keinen Zugang zum Arbeitsmarkt habe, sei sie aber im besonderen Maße auf die Sozialhilfe angewiesen. Gegen die Begrenzung von Sozialhilfeleistungen an subsidiär Schutzberechtigte auf Grundversorgungsniveau hegen die Antragsteller unionsrechtliche Bedenken (Art29 Abs2 der Richtlinie 2011/95/EU über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes). Außerdem bringen die Antragsteller in Bezug auf ihre Bedenken zu Art12 B‑VG vor, dass in Österreich geborene Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger seien, vor dem Erreichen des sechsten Lebensjahres vom Anspruch auf Sozialhilfe ohne erkennbaren sachlichen Grund ausgeschlossen seien, wenn ihre Eltern trotz Bedarfs nicht zum Sozialhilfebezug berechtigt seien. Die in §4 Abs1 SH‑GG vorgesehene Anhörung der Fremdenbehörde sei eine direkte Vollzugsanweisung an die Länder und daher kompetenzrechtlich überschießend.
Zu §5 Abs2 SH‑GG bringen die Antragsteller vor, dass der Ausführungsgesetzgeber die vorgegebenen Höchstsätze für Sozialhilfeleistungen nicht überschreiten dürfe; dem Ausführungsgesetzgeber sei es daher nicht möglich, eine bedarfsorientierte Sozialhilfe vorzusehen. Soweit der Grundsatzgesetzgeber die gleichmäßige Aufteilung der Geldleistungen auf minderjährige Personen (§5 Abs3 SH-GG), die Befristung der Leistungsdauer auf zwölf Monate (§3 Abs6 SH-GG), die Berücksichtigung von Leistungen Dritter und eigener Mittel (§7 Abs1 SH-GG), Bedingungen für einen anrechnungsfreien Freibetrag (§7 Abs6 SH-GG), die Begrenzung der Summe aller Geldleistungen (§5 Abs4 SH-GG), Bedingungen für die Gewährung einer Wohnkostenpauschale (§5 Abs5 SH-GG), Voraussetzungen für die Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt (§5 Abs6 bis 9 SH-GG) und Leistungskürzungen bei schuldhaften Pflichtverletzungen (§9 Abs3 SH-GG) vorsehe, handle es sich um Vollzugsanweisungen ohne jeglichen Umsetzungsspielraum. Der Grundsatzgesetzgeber habe die ihm gemäß Art12 Abs1 Z1 B‑VG zukommende Kompetenz zur Grundsatzgesetzgebung daher überschritten.
2.2.1.2. Dem entgegnet die Bundesregierung, dass das Interesse an einer weitreichenden Harmonisierung der Sozialhilfesysteme ohne einheitliche Regelung des Kreises der Bezugsberechtigten nicht erreicht werden könne. Die Bundesregierung führt näher aus, aus welchen Gründen sie von der Vereinbarkeit mit Unionsrecht ausgeht, und weist abschließend darauf hin, dass ausreisepflichtige Fremde auch bisher keine nähere Erwähnung in den Mindestsicherungsgesetzen der Länder gefunden hätten.
Zu den in §5 Abs2 SH‑GG vorgesehenen Höchstsätzen führt die Bundesregierung aus, dass sie keine absolute Obergrenze darstellten: Die Sozialhilfesätze könnten sich etwa bei Zuerkennung einer Wohnkostenpauschale um bis zu 30 % erhöhen. Außerdem könnten gemäß §6 SH-GG weitere Sachleistungen im Einzelfall vorgesehen werden. Höchstsätze bewirkten eine "Dämpfung der Zuwanderung in das österreichische Sozialsystem" und verminderten Anreize zu einer Binnenwanderung innerhalb Österreichs. Die Bundesregierung beruft sich darauf, dass für die Sicherstellung der langfristigen bundesweiten Finanzierung der Armutsbekämpfung – zumindest auch – die erfolgreiche Reintegration von Leistungsempfängern in den Arbeitsmarkt von Bedeutung sei. Die gleichmäßige Verteilung der Sozialhilfeleistungen auf Minderjährige (§5 Abs3 SH-GG) sei gleichheitsrechtlich geboten. Die in §5 Abs4 SH-GG vorgesehene Deckelung betreffe nur volljährige Bezugsberechtigte und sei auf Geldleistungen beschränkt. Es stehe dem Ausführungsgesetzgeber daher frei, darüber hinaus Sachleistungen zu gewähren. Die Deckelungsregelung könne überdies im Rahmen des §5 Abs4 SH-GG anders ausgestaltet werden. Die Bundesregierung weist insbesondere darauf hin, dass es möglich sei, die in §5 Abs6 Z1 bis 8 SH‑GG genannten Personengruppen von der Regelung auszunehmen. Zu §5 Abs5 SH-GG bringt die Bundesregierung vor, dass die Wohnkostenpauschale den Grundsatz des Sachleistungsvorranges verwirkliche und dem Ausführungsgesetzgeber ermögliche, auf regionale Besonderheiten in den Bundesländern einzugehen. Es stehe dem Ausführungsgesetzgeber frei, zu regeln, ob und in welchen Fällen die Wohnkostenpauschale von Amts wegen oder auf Antrag zur Anwendung gelange.
Die Bundesregierung führt außerdem aus, dass §5 Abs6 bis 9 SH-GG den Grundsatz aufstellten, dass Personen, die Sozialhilfe beziehen und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, so rasch wie möglich grundlegende Basiskompetenzen erwerben sollten. Die in §7 Abs1 SH‑GG vorgesehene Anrechnung von Einkommen und Vermögen entspreche der geltenden Rechtslage in den Bundesländern und stelle sicher, dass die tatsächlich ausgezahlten Sozialhilfesätze in den einzelnen Bundesländern gleich hoch seien. Zu §7 Abs6 SH-GG bringt die Bundesregierung vor, dass der Grundsatzgesetzgeber lediglich Vorgaben für Personen treffe, die während des Bezugs von Sozialhilfe eine Beschäftigung aufnähmen. Demzufolge stehe es den Ländern frei, Regelungen für Personen zu treffen, die schon vor Bezugsbeginn einer Erwerbsarbeit nachgegangen seien. Die in §3 Abs6 SH-GG vorgesehene zwölfmonatige Befristung der Sozialhilfeansprüche diene der regelmäßigen Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen durch die Behörde. Es stehe dem Ausführungsgesetzgeber aber frei, diese Frist zu verkürzen. Abschließend bringt die Bundesregierung vor, dass §9 Abs3 SH-GG lediglich Mindestsanktionen für eine schuldhafte Verletzung der integrationsrechtlichen Pflichten vorsehe. Es obliege dem Ausführungsgesetzgeber, diese Sanktionssysteme zu konkretisieren.
2.2.1.3. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, hat sich die Grundsatzgesetzgebung auf die Aufstellung von Grundsätzen zu beschränken; dem Bundesgesetzgeber ist es verwehrt, über diese in Art12 B‑VG gezogene Grenze hinaus Detailregelungen zu erlassen, die der Landesgesetzgebung vorbehalten sind. Einzelregelungen dieser Art, die ihrem Inhalt nach unmittelbar anwendbar sind, wenn sie in das Ausführungsgesetz übernommen werden (dazu VfSlg 3340/1958), sind nur zulässig, wenn die Regelung Fragen von grundsätzlicher Bedeutung betrifft, die daher einer für das ganze Bundesgebiet wirksamen einheitlichen Regelung bedürfen (VfSlg 17.232/2004 mwN).
Vor diesem Hintergrund hat der Grundsatzgesetzgeber seine durch Art12 B‑VG eingeräumte Gesetzgebungskompetenz nicht überschritten, zumal es ihm freisteht, umfangreiche Grundsätze – wie etwa bezüglich der Ziele, der Bedarfsbereiche, der Bezugsberechtigung und des Umfangs der Sozialhilfeleistungen – aufzustellen und dabei auch Detailregelungen zu treffen, die Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für das ganze Bundesgebiet betreffen. Bei den angefochtenen Bestimmungen handelt es sich um solche Regelungen von grundsätzlicher Bedeutung.
Bei der Auslegung eines Grundsatzgesetzes ist im Zweifelsfall diejenige Möglichkeit als zutreffend anzusehen, die der Ausführungsgesetzgebung den weiteren Spielraum lässt (vgl VfSlg 3649/1959). Dies ergibt sich aus der verfassungsrechtlichen Überlegung, dass die Ausführungsgesetzgebung frei ist, soweit sie nicht durch den Grundsatzgesetzgeber gebunden ist (VfSlg 16.244/2001). Solche Freiräume bestehen auch bei den angefochtenen Regelungen:
2.2.1.4. Zu §3 Abs6 SH‑GG
Der Grundsatzgesetzgeber gibt in §3 Abs6 SH-GG vor, dass Leistungen der Sozialhilfe längstens für zwölf Monate gewährt werden dürfen, räumt dem Ausführungsgesetzgeber aber die Möglichkeit ein, Ausnahmen von dieser Leistungsbefristung vorzusehen. Er stellt demnach den Grundsatz auf, dass Leistungen in der Regel befristet zu gewähren sind, es aber Ausnahmen für Personengruppen geben kann, bei denen davon auszugehen ist, dass sie länger als zwölf Monate nicht erwerbsfähig sein werden. Im Sinne der oben angeführten Judikatur ist das Grundsatzgesetz so auszulegen, dass dem Ausführungsgesetzgeber im Zweifel der weitere Rahmen zur Umsetzung der Grundsätze offensteht. Daraus ergibt sich, dass die in §3 Abs6 SH-GG genannte Ausnahme für "dauerhaft erwerbsunfähige Bezugsberechtigte" weit auszulegen ist. Der Ausführungsgesetzgeber kann daher in Umsetzung dieses Grundsatzes umfangreiche Ausnahmeregelungen treffen, insbesondere etwa für alleinerziehende Personen, die wegen Kinderbetreuungspflichten und des Fehlens von Betreuungsplätzen über einen längeren Zeitraum keine Beschäftigung aufnehmen können.
2.2.1.5. Zu §4 Abs1 und Abs2 Z3 SH-GG
Der Grundsatzgesetzgeber stellt in §4 SH-GG den Grundsatz auf, dass Personen, die nicht über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügen, erst nach einem fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet einen Anspruch auf Sozialhilfe erwerben. Der Ausführungsgesetzgeber hat jedoch Ausnahmen für Unionsbürger und für Drittstaatsangehörige festzulegen, soweit dies aus völker- und unionsrechtlichen Gründen geboten ist. Die Ausführungsgesetze haben außerdem die Anhörung der zuständigen Fremdenbehörde vorzusehen. Der Ausführungsgesetzgeber muss daher nach Maßgabe völker- und unionsrechtlicher Vorgaben (vgl bspw. Art12 Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels, BGBl III 10/2008) auch Fremden, die weniger als fünf Jahre in Österreich aufhältig sind, einen Sozialhilfeanspruch einräumen.
Nach §4 Abs1 letzter Satz SH-GG sollen subsidiär Schutzberechtigte nur Kernleistungen der Sozialhilfe auf dem Niveau der Grundversorgung erhalten (vgl VfSlg 20.177/2017). Ausreisepflichtige Fremde haben keinen Anspruch auf Sozialhilfe (§4 Abs2 Z3 SH-GG). Dem Ausführungsgesetzgeber kommt jedenfalls ein Regelungsspielraum im Hinblick auf die Bezugsberechtigung von Drittstaatsangehörigen nach fünfjährigem Aufenthalt zu.
2.2.1.6. Zu §5 Abs2 bis 5 SH‑GG
In §5 Abs2 SH-GG wird zunächst der Grundsatz aufgestellt, dass Leistungen aus der Sozialhilfe – je nach Haushaltskonstellation (alleinstehende, volljährige, minderjährige Personen usw) – bundesweit einen bestimmten Prozentsatz des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende nicht überschreiten sollen. Nach den Gesetzesmaterialien folgen die nach Haushaltsgröße differenzierenden Höchstsätze dem Grundsatz, dass in Haushaltsgemeinschaft lebende Personen geringere Wohnkosten und – in einem gewissen Ausmaß – auch geringere Lebenshaltungskosten zu tragen haben (vgl Erläut RV 514 BlgNR 26. GP , 5). §5 Abs3 SH-GG bestimmt, dass die für minderjährige Personen vorgesehenen Geldleistungen gleichmäßig zu verteilen sind. §5 Abs4 SH-GG legt fest, dass die Geldleistungen für volljährige Bezugsberechtigte, die in Haushaltsgemeinschaft leben, bei 175 % des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes (im Jahr 2019 ca. € 1.549,–) zu begrenzen und anteilig zu kürzen sind. Die in §5 Abs5 SH-GG vorgesehene Wohnkostenpauschale soll dem Ausführungsgesetzgeber die angemessene Berücksichtigung ortsbedingt höherer Wohnkosten ermöglichen (vgl Erläut RV 514 BlgNR 26. GP , 6).
Im Hinblick auf §5 Abs2 bis 5 SH-GG bleibt dem Ausführungsgesetzgeber ein Regelungsspielraum, insbesondere kann er gemäß §6 SH‑GG zusätzliche Sachleistungen zur Vermeidung besonderer Härtefälle vorsehen. Die Bundesregierung führt zwar in ihrer Äußerung aus, dass die Behörde gemäß §6 SH-GG im Einzelfall weitere Sachleistungen zur Verfügung stellen könne, dabei übersieht sie aber, dass ein Grundsatzgesetz nicht an die Vollziehung gerichtet ist (vgl dazu VfSlg 6885/1972). Die Härtefallklausel des §6 SH‑GG kann daher nicht als Vollzugsanweisung interpretiert werden, vielmehr steht es dem Ausführungsgesetzgeber frei, Regelungen zu treffen, die insbesondere unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Bundeslandes zusätzliche Sachleistungen vorsehen, um Härtefälle zu vermeiden. So sind in manchen Bundesländern die Wohnkosten erwiesenermaßen höher als in anderen Bundesländern, auch können etwa Leistungen zur Verhinderung von Delogierungen vorgesehen werden. Der Regelungsspielraum des Ausführungsgesetzgebers ist gemäß §6 SH-GG aber nicht auf die Wohnkosten beschränkt, sondern erfasst alle denkbaren außerordentlichen Leistungen zur Vermeidung von Härtefällen (bspw. auch für Kosten, die auf Grund einer Behinderung entstehen, deren Grad unter 50 % liegt).
Überdies ist – wie die Bundesregierung ausdrücklich festhält – zu berücksichtigen, dass der Sachleistungsvorrang gemäß §3 Abs5 SH‑GG nur insoweit besteht, als dadurch eine höhere Effizienz der Erfüllung der Leistungsziele zu erwarten ist. Leistungen für den Wohnbedarf sind in Form von Sachleistungen zu gewähren, sofern dies nicht unwirtschaftlich oder unzweckmäßig ist.
§5 Abs4 SH-GG verwirklicht den Grundsatz, Höchstsätze für Haushaltsgemeinschaften hinsichtlich volljähriger Bezugsberechtigter bundesweit festzulegen. Von der im Grundsatzgesetz vorgesehenen Deckelung sind alle als Sachleistungen gewährten Sozialhilfeleistungen und Sozialhilfeleistungen an minderjährige Personen nicht umfasst. In die Berechnung der Deckelung fließen somit ausschließlich tatsächlich in Geld geleistete Sozialhilfeleistungen an volljährige Personen ein, welche bei einer Überschreitung anteilig zu kürzen sind. §5 Abs4 letzter Satz SH-GG räumt dem Ausführungsgesetzgeber insbesondere die Möglichkeit ein, bestimmte Personengruppen gänzlich von der Deckelung auszunehmen.
§5 Abs5 SH-GG stellt einerseits den Grundsatz auf, dass Sachleistungen auf Geldleistungen anzurechnen sind. Hiebei steht es dem Ausführungsgesetzgeber frei, nähere Bestimmungen zu erlassen. Andererseits erhöht die in §5 Abs5 SH‑GG vorgesehene Wohnkostenpauschale die gemäß §5 Abs2 SH-GG festgesetzten Höchstsätze. Hinzukommt, dass der Ausführungsgesetzgeber für Härtefälle gemäß §6 SH‑GG Zusatzleistungen vorsehen kann. Außerdem besteht für den Ausführungsgesetzgeber insoweit ein Spielraum, als er die Wohnkostenpauschale vorsehen und gestalten kann oder auch nicht.
Im Hinblick auf das Ergebnis unter Punkt 2.3.3. kann dahinstehen, ob §5 Abs6 bis 9 SH-GG dem Ausführungsgesetzgeber Regelungsfreiräume belässt.
2.2.1.7. Zu §7 Abs1 und 6 SH‑GG
§7 Abs1 SH‑GG sieht die Anrechnung von Einkünften und Vermögen sowohl im In- als auch im Ausland vor; auch das Einkommen von im gleichen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Personen oder von Lebensgefährten ist grundsätzlich auf den Sozialhilfebezug anzurechnen. Der Grundsatzgesetzgeber sieht §7 Abs1 SH-GG als Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips (vgl Erläut RV 514 BlgNR 26. GP , 9). Nach §7 Abs6 SH-GG sind bis zu 35 % des Einkommens aus einer Erwerbstätigkeit, die während des Bezugs von Sozialhilfe aufgenommen wird, nicht auf den Sozialhilfebezug anzurechnen. Diese Regelung soll Personen, die Sozialhilfe beziehen, motivieren, eine Erwerbsarbeit aufzunehmen (Erläut RV 514 BlgNR 26. GP , 9).
Es steht dem Ausführungsgesetzgeber frei, nähere Bestimmungen – etwa zum Begriff des verwertbaren Vermögens – zu erlassen. Wie die Bundesregierung zu Recht ausführt, hatte der Grundsatzgesetzgeber mit §7 Abs6 SH-GG "eine spezielle (Teil)-Gruppe von Leistungsbeziehenden im Auge", die erst während des Bezugs von Sozialhilfe eine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Hingegen werden Leistungsbezieher, die von vornherein Sozialhilfe neben einem Erwerbseinkommen beziehen (sog "Aufstocker"), nicht von der Regelung erfasst. Für diese ist der Landesgesetzgeber daher frei, geeignete sachliche Regelungen über anrechnungsfreie Einkommensbestandteile zu schaffen.
2.2.1.8. Zu §9 Abs3 SH‑GG
Der Grundsatzgesetzgeber sieht in §9 Abs3 SH-GG vor, dass Leistungen der Sozialhilfe bei schuldhaften Verstößen gegen §16c Abs1 IntG für mindestens drei Monate um zumindest 25 % zu kürzen sind. Auch hier bleibt dem Ausführungsgesetzgeber ein Regelungsspielraum: Er kann etwa bestimmen, unter welchen Umständen von einer schuldhaften oder einer entschuldbaren Verletzung der Pflichten gemäß §16c Abs1 IntG auszugehen ist, bzw ein effektives Maßnahmensystem einrichten.
2.2.1.9. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes besteht somit kein Zweifel, dass die unter dem Bedenken der kompetenzwidrigen "Überdeterminierung" angefochtenen Regelungen des SH‑GG über die Einrichtung eines einheitlichen Systems der Sicherung und Gewährung von Sozialhilfeleistungen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung behandeln. Auch bleiben unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben entsprechende Regelungsfreiräume für den Ausführungsgesetzgeber.
2.2.2. Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit von §1 und §5 Abs6 bis 9 SH‑GG wegen "kompetenzrechtlich unzulässiger Zielbestimmungen und Regelungsinhalte" (Antrag Punkt 2.2.)
2.2.2.1. Die Antragsteller erachten §1 und §5 Abs6 bis 9 SH-GG in zweierlei Hinsicht als kompetenzwidrig: Zum einen würden damit integrations- und arbeitsmarktpolitische sowie fremdenpolizeiliche Ziele verfolgt, die nicht unter den Kompetenztatbestand nach Art12 B‑VG, sondern unter Art10 B‑VG fielen. Zum anderen setze der Kompetenztatbestand "Armenwesen" gemäß Art12 Abs1 Z1 B‑VG voraus, dass der Lebensunterhalt und der Wohnbedarf von Personen, die Sozialhilfe beziehen, zur Gänze gedeckt werde. Soweit §1 Z1 SH‑GG eine bloße Unterstützung zur Bedarfsdeckung vorsehe, widerspreche dies dem Begriff des "Armenwesens" iSd Art12 Abs1 Z1 B‑VG und sei auch aus diesem Grund verfassungswidrig.
2.2.2.2. Die Bundesregierung wendet ein, Art12 B‑VG komme nach der für die Interpretation von Kompetenztatbeständen maßgeblichen Versteinerungstheorie grundsätzlich jener Inhalt zu, den er zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens am 1. Oktober 1925 gehabt habe, wobei eine intrasystematische Fortentwicklung zulässig sei. Aus den vor dem Versteinerungszeitpunkt ergangenen Rechtsgrundlagen und der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ergebe sich, dass auch Regelungen über den Einsatz der Arbeitskraft vom Kompetenztatbestand "Armenwesen" erfasst seien. Dies werde durch eine Reihe an Sozialhilfegesetzen der Länder aus den 1970er Jahren bestätigt. Auf die Wiedereingliederung in das Erwerbsleben hätten zudem auch jüngere Rechtsgrundlagen im Bereich der Mindestsicherung abgestellt. Sprach- und berufsqualifizierende Maßnahmen dienten diesen Zielen und könnten daher auch im Rahmen des Kompetenztatbestandes "Armenwesen" vorgesehen werden.
Dem Bedenken der Antragsteller, dass eine bloße Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts nicht mit Art12 B‑VG vereinbar sei, der eine Bedarfsdeckung verlange, entgegnet die Bundesregierung, dass dem Gesetzgeber bei der Beurteilung und Ausgestaltung sozialer Bedarfslagen ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zukomme. Zudem enthielten weder das B‑VG noch das StGG soziale Grundrechte, aus denen sich gesicherte Mindestansprüche auf Sozialleistungen ableiten ließen.
Schließlich vermeint die Bundesregierung, die Gewährung von Sozialhilfe könne – wie auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage darlegten – wirtschaftliche Anreize einer Arbeitsaufnahme wie auch Anreize für Fremde zur Integration vermindern. §1 Z2 SH-GG wolle dies verhindern und nicht schlechthin integrationspolitische und fremdenpolizeiliche Ziele fördern. Mit der Zielbestimmung sollten daher keinesfalls gesetzgeberische Kompetenzen in den Bereichen des Fremdenwesens, der Integration und des Arbeitsmarktes auf die Länder überbürdet werden.
2.2.2.3. Der Verfassungsgerichtshof vermag dem Vorbringen der Antragsteller zur Kompetenzwidrigkeit von §1 und §5 Abs6 bis 9 SH-GG nicht zu folgen:
Nach der Zielbestimmung in §1 SH-GG sollen Leistungen der Sozialhilfe zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohnbedarfs der Bezugsberechtigten beitragen (Z1), integrationspolitische und fremdenpolizeiliche Ziele berücksichtigen (Z2) und insbesondere die (Wieder)Eingliederung von Bezugsberechtigten in das Erwerbsleben und die optimale Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes weitest möglich fördern (Z3).
In §5 Abs6 bis 9 SH-GG ist der Arbeitsqualifizierungsbonus geregelt, wonach ein Teil der Sozialhilfeleistung für volljährige Personen grundsätzlich von deren Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt abhängig gemacht werden soll, sofern diese Personen nicht explizit vom Kriterium der Vermittelbarkeit ausgenommen sind, wie etwa Invalide oder Personen, die das Regelpensionsalter nach dem ASVG erreicht haben. Als "vermittelbar" gilt, wer bestimmte Deutschkenntnisse aufweist und gesetzlich festgelegte integrationsrechtliche Verpflichtungen erfüllt bzw den Abschluss einer geeigneten beruflichen Qualifizierungsmaßnahme nachweisen kann. Jene Personen, die nicht als "vermittelbar" zu qualifizieren sind, erhalten anstelle des Arbeitsqualifizierungsbonus sprach- oder berufsqualifizierende Sachleistungen.
2.2.2.3.1. Im Hinblick auf die Bedenken der Antragsteller ist zunächst zu ermitteln, ob derartige Regelungen vom Kompetenztatbestand "Armenwesen" gedeckt sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Bestimmungen über die bundesstaatliche Kompetenzverteilung sind verfassungsrechtliche Begriffe, die in der Verfassung selbst nicht näher umschrieben sind, in dem Sinn zu verstehen, der ihnen nach dem Stand und der Systematik der Rechtsordnung zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der die entsprechenden Begriffe enthaltenden Verfassungsnormen zugekommen ist (sog "Versteinerungstheorie", vgl VfSlg 9337/1982, 10.831/1986, 14.266/1995, jeweils mwH auf die Vorjudikatur, zuletzt auch VfSlg 19.954/2015, 20.206/2017).
Der Kompetenztatbestand "Armenwesen" (Art12 Abs1 Z1 B‑VG) ist demnach in dem Sinn zu verstehen, der ihm nach dem Stand und der Systematik der Rechtsordnung zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens, das war der 1. Oktober 1925, zukam.
Die öffentliche Armenversorgung, die den Kernbereich dieses Kompetenztatbestandes darstellt, wurde erstmals durch das Heimatgesetz 1863, RGBl. 105/1863, eingehender geregelt; das Heimatgesetz 1863 bildete auch die Grundlage für die in weiterer Folge erlassenen Landesgesetze, durch die das Armenwesen weitere Ausgestaltung erfuhr (vgl Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, 1989, 35 f.; auch Mayrhofer/Pace, Handbuch für den politischen Verwaltungsdienst, 5. Band, 1901, 216). Diese Gesetze folgten dem Grundsatz, dass die Gemeinde für den notwendigen Lebensunterhalt von Personen aufzukommen hatte, die nicht imstande waren, sich und ihre Familie durch eigene Kraft selbst zu versorgen. Die öffentliche Versorgung umfasste etwa die Beschaffung einer Wohnung samt Beheizung, die Beistellung von Bekleidung, Nahrung, Verpflegung im Krankheitsfall sowie bei Minderjährigen die Erziehung (vgl dazu Ernst, Die Bedeutung von Grundrechten im Bereiche der Behinderten- und Sozialhilfe im österreichischen Recht, FS Floretta, 1983, 157). Im Hinblick auf den Einsatz der eigenen Arbeitskraft regelte das Heimatgesetz 1863 Folgendes: Gemäß §26 leg.cit. trat die Armenversorgung nur soweit ein, als sich der Arme den notwendigen Unterhalt nicht mit eigenen Kräften zu verschaffen vermochte. Arbeitsfähige Bedürftige waren nach dieser Bestimmung zur Leistung geeigneter Arbeit gegebenenfalls sogar zwangsweise zu verhalten. Gleichgelagerte Bestimmungen fanden sich auch in den Landesgesetzen zum Armenwesen, so beispielsweise in §17 OÖLGBl 12/1880 und §5 StmkLGBl 63/1896. Mitunter regelten die Landesgesetze auch die "Vorbeugung der Armut": So wurde etwa den Gemeinden in §9 SbgLGBl 7/1875 empfohlen, Vereine und Anstalten ins Leben zu rufen und zu fördern, die die ärmere Bevölkerung "erwerbsfähig machen" bzw deren Erwerbsfähigkeit erhalten.
Aus dieser zum Versteinerungszeitpunkt bestehenden Rechtslage lässt sich ableiten, dass der Kompetenztatbestand "Armenwesen" auch Regelungen umfasst, die auf die Förderung der (Wieder-)Eingliederung von Bezugsberechtigten in das Erwerbsleben abzielen.
2.2.2.3.2. Zur kompetenzrechtlichen Zuordnung von Unterstützungsleistungen durch die öffentliche Hand hat der Verfassungsgerichtshof zudem bereits ausgesprochen, dass die Erbringung von Geldleistungen grundsätzlich kompetenzrechtlich neutral ist (siehe dazu VfSlg 4609/1963 und 17.942/2006). Wie in VfSlg 4609/1963 festgestellt, ist im Hinblick auf die Zuordnung einer Geldleistung zu einem Kompetenztatbestand auf das Motiv der Gewährung dieser Leistung abzustellen: "Wenn Geldleistungen aus dem Gesichtspunkt der sozialen Hilfsbedürftigkeit gewährt werden, ist daher zu untersuchen, ob sie im Rahmen einer bestimmten Verwaltungsmaterie gewährt werden, oder ob die soziale Hilfsbedürftigkeit das einzige Motiv der Gewährung ist; in letzterem Falle wäre eine derartige Regelung dem Armenwesen zuzuordnen, auch wenn es sich um Geldleistungen zum Zwecke der Hilfe gegen Krankheit handelt. Auch im Rahmen des Gesundheitswesens können daher Regelungen getroffen werden, mit denen einer sozialen Hilfsbedürftigkeit begegnet wird."
Es kommt sohin auf den Zusammenhang der Leistung mit jener Verwaltungsmaterie an, in deren Rahmen sie gewährt wird; wird die Leistung ohne Zusammenhang mit einer bestimmten Verwaltungsmaterie allein aus dem Motiv der Hilfsbedürftigkeit gewährt, kommt der Kompetenztatbestand "Armenwesen" in Betracht (VfSlg 17.942/2006). Nach dem SH-GG sollen Leistungen der Sozialhilfe zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohnbedarfs der Bezugsberechtigten beitragen. Primär werden die Sozialhilfeleistungen daher aus dem Motiv der Hilfsbedürftigkeit gewährt und unterfallen folglich dem Kompetenztatbestand "Armenwesen"; dass dabei auch arbeitsmarktpolitische und fremdenpolizeiliche Aspekte berücksichtigt werden, ändert im Lichte der Vorjudikatur nichts an der Subsumtion unter Art12 Abs1 Z1 B‑VG.
Die in §1 SH-GG vorgesehene Berücksichtigung insbesondere integrationspolitischer Ziele sowie die Förderung der (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt sind daher von Art12 Abs1 Z1 B‑VG gedeckt. In Anbetracht der Ausführungen unter Punkt 2.3.3. kann eine Beurteilung von §5 Abs6 bis 9 SH-GG in diesem Lichte dahinstehen.
2.2.2.3.3. Auch das Bedenken der Antragsteller, dass eine bloße Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts nicht mit Art12 B‑VG vereinbar sei, da dieser eine Bedarfsdeckung verlange, geht ins Leere: Es ist für den Verfassungsgerichtshof nicht ersichtlich, weshalb eine Leistung, die den Lebensunterhalt unterstützt, nicht vom Kompetenztatbestand "Armenwesen" umfasst sein soll. Wie bereits festgestellt, kommt es bei der kompetenzrechtlichen Zuordnung von Leistungen auf das Motiv an; es ist dabei nicht erforderlich, dass die konkrete Leistung für sich genommen den Lebensunterhalt zur Gänze abdeckt.
2.3. Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz (Antrag Punkt 2.1. sowie 3. bis 6.)
2.3.1. Zu §5 Abs2 und 3 SH-GG (Antrag Punkt 2.1., 3.1. und 4.)
2.3.1.1. Im Hinblick auf §5 Abs2 und 3 SH‑GG machen die Antragsteller im Wesentlichen geltend, dass die Höchstsätze nicht geeignet seien, den konkreten Bedarf der Sozialhilfe beziehenden Personen zu decken. Dazu bringen die Antragsteller vor, dass Personen, deren Grad der Behinderung unter 50 % liege, ein erhöhter Sozialhilfeanspruch verwehrt sei (vgl §5 Abs2 Z5 SH‑GG). Die Antragsteller weisen zudem auf die Regelsätze im Unterhaltsrecht und die Sätze im Ausgleichszulagenrecht hin, die weitaus höher seien als die in §5 Abs2 Z3 SH‑GG vorgesehenen Höchstsätze für Kinder. Daran ändere auch die gleichmäßige Verteilung der Sozialhilfeleistungen (§5 Abs3 SH‑GG) nichts, zumal keine Untergrenze vorgesehen sei und es dadurch zu sprunghaften Kürzungen komme. Diese abrupte Kürzung verstoße auch gegen Art1 Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern. Die gleichmäßige Verteilung nach §5 Abs3 SH‑GG sei für den Ausführungsgesetzgeber ferner nicht umsetzbar. §5 Abs3 SH‑GG entspreche auch nicht den Bestimmtheitsanforderungen gemäß Art18 B‑VG. Ein konkreter Anspruch nach dem SH‑GG sei kaum berechenbar und auch nicht vorhersehbar, da sich eine Veränderung in der Bedarfsgemeinschaft unmittelbar auf den jeweiligen Sozialhilfeanspruch der einzelnen Mitglieder auswirke. Allgemein bringen die Antragsteller unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes auch vor, der Grundsatzgesetzgeber würde die Vorgaben aus dem Tatbestand "Armenwesen" nur unzureichend umsetzen, da dieser ein entsprechendes "Existenzminimum" sichere.
2.3.1.2. Die Bundesregierung entgegnet zunächst, dass Grundsatzgesetze nicht am Legalitätsprinzip nach Art18 B‑VG zu messen seien. Im Hinblick auf den Gleichheitssatz macht die Bundesregierung geltend, dass die Deckung des tatsächlichen Bedarfs Minderjähriger den zum Unterhalt verpflichteten Personen obliege, denen zum Ausgleich entsprechender Mehrbelastungen die Familienbeihilfe zustehe. Im Gegensatz zum Antragsvorbringen trage §5 Abs2 Z3 SH‑GG dem Umstand Rechnung, dass mit jedem weiteren Kind ein zusätzlicher Aufwand entstehe, der zu berücksichtigen sei. Da die Deckelung in §5 Abs4 SH‑GG Minderjährige nicht erfasse, liegt nach Auffassung der Bundesregierung keine Verletzung des Art1 Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern vor. §5 Abs2 Z3 litc SH‑GG stelle außerdem sicher, dass pro minderjähriger Person ein weiterer Sozialhilfeanspruch hinzukomme. Der Zuschlag für Personen, deren Grad der Behinderung über 50 % betrage (§5 Abs2 Z5 SH‑GG), diene der bundesweiten Vereinheitlichung.
2.3.1.3. Dem Gesetzgeber steht bei der Beurteilung sozialer Bedarfslagen und bei der Ausgestaltung der an diese Bedarfslagen anknüpfenden sozialen Maßnahmen ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu (vgl VfSlg 18.885/2009 zur unterschiedlichen Anhebung von Pensionsbezügen nach Pensionshöhe bei gleichzeitiger Anhebung des Ausgleichszulagenrichtsatzes, der nicht allen Pensionsbeziehern zusteht). Der Gesetzgeber ist daher nicht gehalten, Leistungen der Sozialhilfe in unbeschränkter Weise zu gewähren, wenn dies eine Förderung rechtspolitisch unerwünschter Ziele zur Folge hätte (vgl VfSlg 20.244/2018; VfGH 1.12.2018, G308/2018).
Es steht dem Gesetzgeber frei, besondere Regelungen für Haushaltsgemeinschaften zu schaffen, weil in Haushaltsgemeinschaft lebende Personen geringere Wohnkosten und – in einem gewissen Ausmaß – auch geringere Lebenshaltungskosten aufweisen, die sich beispielsweise in degressiven Sozialhilfeleistungen niederschlagen können; es ist jedoch immer noch je weitere Person ein Aufwand in einiger Höhe erforderlich (vgl zur bedarfsorientierten Mindestsicherung VfGH 11.12.2018, G156/2018). Davon unabhängig muss das eingerichtete System seinem Zweck entsprechen sowie in sich sachlich sein (vgl VfSlg 19.698/2012).
Der Verfassungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass gegen eine am Ausgleichszulagenrichtsatz orientierte, pauschalierte Festsetzung von Leistungen der Sozialhilfe keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (vgl VfSlg 20.244/2018).
2.3.1.3.1. Der Grundsatzgesetzgeber sieht in §5 Abs2 Z1 bis 3 SH‑GG Höchstsätze für unterschiedliche Haushaltskonstellationen vor. Soweit er bei der Regelung der Höchstsätze und deren Abstufung nachvollziehbar am System der Ausgleichszulage (§293 ASVG) anknüpft, ist ihm nicht entgegenzutreten: Der Grundsatzgesetzgeber legt in §5 Abs2 Z1 SH‑GG als Höchstsatz für Alleinstehende und Alleinerziehende 100 % des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes fest und orientiert sich damit unmittelbar an diesem System. Bei Haushaltsgemeinschaften zweier Erwachsener werden ebenso vergleichbare Sätze normiert: Nach dem Ausgleichszulagenrichtsatz erhalten beide Erwachsene jeweils 75 % des Richtsatzes für Alleinstehende, nach dem SH‑GG stehen ihnen jeweils maximal 70 % des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes zu. Die Bedenken der Antragsteller hinsichtlich §5 Abs2 Z1 und 2 lita SH‑GG gehen daher ins Leere (zur Frage der Sachlichkeit der Leistungsbegrenzung für Haushaltsgemeinschaften mit mehr als zwei volljährigen Bezugsberechtigten siehe Punkt 2.3.2.). Nach der Härtefallklausel gemäß §6 SH‑GG bleibt es dem Ausführungsgesetzgeber zudem unbenommen, zusätzliche Sachleistungen vorzusehen, um Härtefälle zu vermeiden: So sind in manchen Bundesländern die Wohnkosten erwiesenermaßen höher als in anderen Bundesländern, auch können etwa Leistungen zur Verhinderung von Delogierungen vorgesehen werden. Der Regelungsspielraum des Ausführungsgesetzgebers ist gemäß §6 SH-GG aber nicht auf die Wohnkosten beschränkt, sondern erfasst alle denkbaren außerordentlichen Leistungen zur Vermeidung von Härtefällen (vgl Punkt 2.2.1.6.).
2.3.1.3.2. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wäre der Ausführungsgesetzgeber seiner freien Gestaltungsmöglichkeit in dem nicht durch Grundsätze vorgebildeten und eingeengten Bereich (vgl VfSlg 2820/1955) beraubt, wenn er in diesem Bereich darauf Bedacht nehmen müsste, allfällige Verstöße gegen das Gleichheitsgebot seitens des Grundsatzgesetzgebers auszugleichen — sofern überhaupt eine solche Möglichkeit im Einzelfall bestünde (VfSlg 7720/1975). Die durch das Grundsatzgesetz geregelten Höchstsätze müssen daher jeder für sich, aber auch im Verhältnis zueinander den Anforderungen des Gleichheitssatzes entsprechen.
Anders als die bisherigen Mindestsicherungs- und Sozialhilfegesetze der Länder sieht der Grundsatzgesetzgeber ein System von Höchstsätzen, nicht aber ein System von Mindestsätzen für die Sozialhilfeleistung vor. Während sich die Höchstsätze für erwachsene Bezugsberechtigte im Wesentlichen am System des Ausgleichszulagenrichtsatzes orientieren (zur Frage der Sachlichkeit der Leistungsbegrenzung für Haushaltsgemeinschaften mit mehr als zwei volljährigen Bezugsberechtigten siehe Punkt 2.3.2.), legt der Grundsatzgesetzgeber bei Kindern abweichende Höchstsätze fest. Nach §293 ASVG steht jedem Kind ein gleich hoher Zuschlag von 15,4 % des Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende zu (derzeit € 143,97). Im Gegensatz dazu wird durch §5 Abs2 Z3 SH‑GG ein Höchstsatz für die Sozialhilfeleistung für das erste Kind mit 25 %, für das zweite mit 15 % und ab dem dritten Kind mit 5 % des Netto‑Ausgleichszulagenrichtsatzes bestimmt. Ein solches System von Höchstsätzen muss für die jeweiligen Haushaltskonstellationen und Bedarfslagen in sich sachlich ausgestaltet sein.
Für den Verfassungsgerichtshof ist aber kein sachlicher Grund für das vorliegende Missverhältnis zwischen der Anknüpfung der Sozialhilfehöchstsätze für Erwachsene an das System der Ausgleichszulage einerseits und der davon abweichenden Gestaltung der Höchstsätze bei Kindern andererseits ersichtlich: Der Grundsatzgesetzgeber ermöglicht dem Ausführungsgesetzgeber, im Hinblick auf den Höchstsatz für Erwachsene eine Bedarfsdeckung sicherzustellen, während jedenfalls ab dem dritten Kind nur mehr eine geringfügige Unterstützung (weniger als ein Drittel des im System der Ausgleichszulage zustehenden Betrages) durch den Ausführungsgesetzgeber vorgesehen werden kann. Damit hat der Grundsatzgesetzgeber das System der Höchstsätze unsachlich ausgestaltet, da eine gleichwertige Bedarfsdeckung bei Mehrkindfamilien im Verhältnis zu Haushaltskonstellationen mit weniger Personen nicht gewährleistet werden kann.
Dem Ausführungsgesetzgeber bleibt bei der Ausgestaltung der Sozialhilfesätze bei Mehrkindfamilien kein Regelungsspielraum mehr. Der aus dem Höchstsatz nach §5 Abs2 Z3 litc SH‑GG resultierende Betrag ist bei Einhaltung der Zweckwidmung einer gemäß §1 iVm §5 SH‑GG geforderten Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und Befriedigung des Wohnbedarfs nicht mehr ausreichend (vgl VfGH 11.12.2018, G156/2018).
Da der Grundsatzgesetzgeber für Kinder bloße – sachlich nicht gerechtfertigte –Höchstsätze festlegt, vermag auch eine Zusammenschau mit §5 Abs3 SH‑GG an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Selbst bei Zugrundelegung der Höchstsätze nach §5 Abs2 Z3 SH‑GG für Minderjährige durch den Ausführungsgesetzgeber kann es dazu kommen, dass – auch bei degressiver Ausgestaltung der Sozialhilfesätze – der notwendige Lebensunterhalt bei Mehrkindfamilien nicht mehr gewährleistet ist, weil ein Mindestsatz für jedes Kind nicht festgelegt ist (vgl VfSlg 20.244/2018).
Das für Kinder durch §5 Abs2 Z3 SH‑GG vorgesehene Höchstsatzsystem ist daher als solches in sich nicht sachlich ausgestaltet, es verstößt sohin gegen Art7 B‑VG.
2.3.1.3.3. Bei Kinder betreffenden Maßnahmen hat der Gesetzgeber überdies das Kindeswohl als vorrangige Erwägung zu berücksichtigen (VfSlg 20.018/2015). Danach hat jedes Kind Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig sind, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie auf die Wahrung seiner Interessen auch unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit. §5 Abs2 Z3 SH‑GG ist daher auch in Anbetracht des Art1 Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern verfassungswidrig, da der Grundsatzgesetzgeber bei der Ausgestaltung der Höchstsätze Kinder in Mehrkindfamilien in unsachlicher Weise benachteiligt (siehe dazu auch VfGH 1.12.2018, G308/2018). Es liegt sohin auch ein Verstoß gegen Art1 Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern vor.
2.3.1.3.4. Zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit genügt es, §5 Abs2 Z3 SH‑GG aufzuheben. §5 Abs2 Z3 SH‑GG ist sohin wegen Verstoßes gegen Art7 B‑VG und gegen Art1 Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern als verfassungswidrig aufzuheben.
2.3.1.3.5.
Ferner bringen die Antragsteller vor, dass es unsachlich sei, den Zuschlag gemäß §5 Abs2 Z5 SH‑GG nur Personen zu gewähren, deren Grad der Behinderung 50 % übersteigt. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits festgestellt hat, steht dem Gesetzgeber bei der Beurteilung sozialer Bedarfslagen ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu. Für den Verfassungsgerichtshof ist daher nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die in §5 Abs2 Z5 SH‑GG getroffene Regelung unsachlich ist, zumal der Grundsatzgesetzgeber in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise an §40 Abs1 und 2 Bundesbehindertengesetz anknüpft. Zur Vermeidung besonderer Härtefälle sieht der Grundsatzgesetzgeber außerdem in §6 SH‑GG vor, dass der Ausführungsgesetzgeber zusätzliche Leistungen gewähren kann.
2.3.2. Zu §5 Abs4 SH-GG (Antrag Punkt 3.2.)
2.3.2.1. Die Antragsteller bringen vor, dass die in §5 Abs4 SH-GG festgelegte Deckelung der Geldleistungen idHv 175 % des Netto‑Ausgleichszulagenrichtsatzes bereits bei einer Haushaltsgemeinschaft mit drei erwachsenen Personen eine Kürzung der Sozialhilfeleistungen bewirke. Die Regelung treffe insbesondere Familien mit mehreren – vor allem erwachsenen – Kindern, deren Bedarf keine Berücksichtigung finde. Zudem verstoße die Bestimmung gegen das Legalitätsprinzip, da zur Ermittlung des jeweiligen Höchstsatzes ein mehrstufiges Verfahren erforderlich sei.
2.3.2.2. Dem entgegnet die Bundesregierung, dass die Deckelung ausschließlich die Summe aller Geldleistungen von volljährigen Bezugsberechtigten innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft betreffe. Die Bestimmung sei somit nur auf Geldleistungen anwendbar; minderjährige Bezugsberechtigte seien von der Deckelung nicht betroffen. Der Anreiz zur Bildung von gewillkürten Haushaltsgemeinschaften volljähriger Personen solle damit verringert werden. Zudem handle es sich um eine Grundsatzbestimmung, von der der Ausführungsgesetzgeber auch abweichen und beispielsweise eine allgemeine Deckelung für Haushaltsgemeinschaften vorsehen könne. Grundsatzgesetze seien nicht an die Vollziehung gerichtet und deshalb nicht an Art18 Abs1 B‑VG zu messen.
2.3.2.3. §5 Abs4 SH-GG normiert, dass der Ausführungsgesetzgeber eine bestimmte Obergrenze für Geldleistungen festzulegen hat, die volljährige Bezugsberechtigte innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft nach §5 SH-GG erhalten. Dabei haben alle als Sachleistungen gewährten Sozialhilfeleistungen und Sozialhilfeleistungen an minderjährige Personen außer Betracht zu bleiben. In die Berechnung der Deckelung fließen somit ausschließlich tatsächlich in Geld geleistete Sozialhilfeleistungen an volljährige Personen ein, welche bei einer Überschreitung anteilig zu kürzen sind.
Soweit mit dieser Regelung der Anreiz zur Bildung gewillkürter Haushaltsgemeinschaften von volljährigen Personen verringert werden soll (vgl Erläut RV 514 BlgNR 26. GP , 6), kann der Verfassungsgerichtshof nicht erkennen, dass der Grundsatzgesetzgeber eine verfassungswidrige Rechtslage geschaffen hätte, zumal für solche Haushaltsgemeinschaften im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Disposition auch offen steht, die Größe der Haushaltsgemeinschaft entsprechend festzulegen (vgl VfGH 11.12.2018, G156/2018).
Dem Ausführungsgesetzgeber steht es auch frei, bestimmte Personengruppen von der Deckelung auszunehmen. Vor diesem Hintergrund verstößt §5 Abs4 SH‑GG nicht gegen den Gleichheitssatz, weshalb der Antrag in dieser Hinsicht abzuweisen ist.
Der Antrag ist auch hinsichtlich der Bedenken zum Legalitätsprinzip unbegründet: Das Grundsatzgesetz richtet sich nicht an die Vollziehung und kann Art18 Abs1 B‑VG daher nicht widersprechen (vgl VfSlg 6885/1972).
2.3.3. Zu §5 Abs6 bis 9 SH-GG (Antrag Punkt 3.3. und 6.)
2.3.3.1. Im Hinblick auf §5 Abs6 bis 9 SH‑GG machen die Antragsteller zunächst geltend, dass die in §5 Abs7 SH‑GG festgelegten Sprachniveaus (Deutsch: B1, Englisch: C1) für die Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt nicht erforderlich seien. Diesbezüglich führen sie zum einen aus, es sei unter Arbeitsmarktgesichtspunkten sachlich nicht gerechtfertigt, ausschließlich auf Deutsch- oder Englischkenntnisse abzustellen und dabei andere Sprachen wie zB Polnisch, Serbokroatisch oder Französisch nicht zu berücksichtigen. Zum anderen bringen die Antragsteller vor, dass weder das Integrationsgesetz noch das Arbeitslosenversicherungsgesetz derartige Sprachkenntnisse voraussetzten. Ferner führe das Erfordernis eines bestimmten Sprachniveaus zu einer mittelbaren Diskriminierung von Drittstaatsangehörigen, insbesondere von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten. Des Weiteren sei es unsachlich, dass nicht auf die individuelle Mitwirkungsbereitschaft Rücksicht genommen werde, insbesondere auf Personen mit Lern- oder Leseschwächen, mit psychischen Erkrankungen sowie auf ältere Personen. Diese Personengruppen würden nicht von den in §5 Abs6 und 8 SH‑GG festgelegten Ausnahmen erfasst. Es sei ihnen aber unmöglich, die hohen Anforderungen zu erfüllen, sodass sie auf Dauer vom vollen Bezug der Sozialhilfe ausgeschlossen wären. Schließlich hegen die Antragsteller unionsrechtliche Bedenken: Die Regelung diskriminiere Unionsbürger, weil die Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt ausschließlich von Deutsch- und Englischkenntnissen abhängig gemacht würde, diese Sprachkenntnisse aber bei Unionsbürgern nicht vorausgesetzt werden könnten.
2.3.3.2. Die Bundesregierung weist in ihrer Äußerung darauf hin, dass der Grundsatzgesetzgeber mit dem Arbeitsqualifizierungsbonus legitime Ziele verfolge: die "Dämpfung der Zuwanderung in das österreichische Sozialsystem", die Einführung von höheren Restriktionen beim Zugang zur (vollen) Sozialhilfe für Neuzugewanderte sowie die Überwindung der eingeschränkten Vermittelbarkeit. Die Bundesregierung entgegnet dem Antrag darüber hinaus, dass der Arbeitsqualifizierungsbonus niemanden schlechter stelle, zumal den Betroffenen in diesem Ausmaß Sachleistungen (bspw. in Form von Sprachkursen) zukämen. Außerdem weist die Bundesregierung auf die umfassenden Ausnahmeregelungen hin.
2.3.3.3. Dem Grundsatzgesetzgeber ist zuzubilligen, dass Bezugsberechtigte so rasch wie möglich grundlegende Basiskompetenzen für die Aufnahme einer Beschäftigung erwerben sollen. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, steht es dem Gesetzgeber frei, Leistungen der Sozialhilfe an die Bereitschaft zu knüpfen, die eigene Arbeitskraft einzusetzen und Maßnahmen zur Steigerung der Vermittelbarkeit zu ergreifen (vgl VfGH 1.12.2018, G308/2018). Dabei kann der Grundsatzgesetzgeber auch eine entsprechende Bemühungspflicht zum Erwerb der erforderlichen Sprachkenntnisse oder zum Erwerb anderer zumutbarer Qualifizierungsmaßnahmen vorsehen. Die Regelung des Arbeitsqualifizierungsbonus in §5 Abs6 bis 9 SH‑GG ist jedoch nicht sachlich ausgestaltet:
Der in §5 Abs6 bis 9 SH-GG geregelte Arbeitsqualifizierungsbonus hat zur Folge, dass Personen, die die sprachlichen und beruflichen Erfordernisse nach §5 Abs7 SH‑GG nicht erfüllen, über 35 % ihres Sozialhilfeanspruches nicht frei verfügen können. Dieser Anteil wird in Form von sprach- und berufsqualifizierenden Sachleistungen gewährt und ist sohin zweckgewidmet. Drittstaatsangehörige müssen zum einen nach §5 Abs7 Z1 SH‑GG zumindest das Sprachniveau B1 (Deutsch) oder C1 (Englisch) aufweisen. Zum anderen müssen Drittstaatsangehörige gemäß §5 Abs7 Z2 SH‑GG iVm §16c Abs1 IntG eine B1‑Integrationsprüfung des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) sowie einen Werte- und Orientierungskurs absolvieren (§16c IntG wurde gleichzeitig mit dem SH‑GG erlassen). Da die B1‑Integrationsprüfung den erfolgreichen Abschluss von Deutschkursen auf B1‑Niveau beinhaltet, verlangt der Gesetzgeber von Drittstaatsangehörigen, dass sie jedenfalls Deutsch auf B1‑Niveau beherrschen, und zwar auch dann, wenn sie Englisch auf C1‑Niveau sprechen. Die in §5 Abs7 Z1 SH‑GG genannte Alternative, Englisch auf C1-Niveau, besteht für Drittstaatsangehörige daher nicht. Unionsbürger und österreichische Staatsbürger müssen das in §5 Abs7 Z1 SH‑GG festgelegte Sprachniveau erfüllen. Anstatt der integrationsrechtlichen Verpflichtungen (B1-Integrationsprüfung, Werte- und Orientierungskurs) haben Unionsbürger und österreichische Staatsbürger eine geeignete berufliche Qualifizierungsmaßnahme abzuschließen.
Von den sprachlichen und beruflichen Erfordernissen (§5 Abs7 SH‑GG) und von der dauerhaften Bereitschaft zum Einsatz der Arbeitskraft (§3 Abs4 SH‑GG) sind nach §5 Abs6 SH‑GG bestimmte Personen ausgenommen, so etwa jene, die Angehörige pflegen, das Regelpensionsalter erreicht haben, von Invalidität betroffen oder aus vergleichbar gewichtigen, besonders berücksichtigungswürdigen Gründen am Einsatz ihrer Arbeitskraft gehindert sind. Im Gegensatz dazu nimmt der Grundsatzgesetzgeber bei den in §5 Abs8 SH‑GG genannten Personengruppen an, dass sie am Arbeitsmarkt vermittelbar sind, verlangt von ihnen jedoch weiterhin die dauerhafte Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft (siehe §3 Abs4 SH‑GG). Davon umfasst sind Personen, deren Behinderung einen erfolgreichen Spracherwerb gemäß §5 Abs7 Z1 SH‑GG ausschließt, Personen, die über einen Pflichtschulabschluss mit Deutsch als primärer Unterrichtssprache verfügen, und Personen, die ein monatliches Nettoeinkommen aus selbständiger oder unselbständiger Tätigkeit idHv mindestens 100 % des Ausgleichszulagenrichtsatzes erzielen.
2.3.3.3.1. Die Regelungen zum Arbeitsqualifizierungsbonus in §5 Abs6 bis 9 SH‑GG verstoßen gegen den Gleichheitssatz bzw gegen ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung:
Der Grundsatzgesetzgeber hat in §5 Abs6 bis 9 SH‑GG schon deshalb eine unsachliche Regelung getroffen, weil keine Gründe ersichtlich sind, weshalb ausschließlich bei Deutsch- und Englischkenntnissen auf diesem hohen Niveau eine Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt anzunehmen sein soll. Es ist offenkundig, dass für viele Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt weder Deutsch auf B1-Niveau noch Englisch auf C1-Niveau erforderlich sind. Dies stellt der Gesetzgeber auch in §4 Abs3 IntG klar, wonach Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen, wenn sie über keine oder geringe Deutschkenntnisse verfügen. Der Bundesgesetzgeber hat überdies im Rahmen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (vgl §7 AlVG) keine derartigen bundesweit einheitlichen Voraussetzungen vorgesehen. Ferner lässt der Grundsatzgesetzgeber außer Acht, dass Personen aus mannigfaltigen Gründen (Lern- und Leseschwächen, Erkrankungen, Analphabetismus uvm.) nicht in der Lage sein können, ein derart hohes Sprachniveau zu erreichen, aber dennoch am Arbeitsmarkt vermittelbar sein können. Die in §5 Abs6 und 8 SH‑GG festgelegten Ausnahmen sind nicht geeignet, die Sachlichkeit der Regelung zu gewährleisten.
2.3.3.3.2. Auch im Hinblick auf Unionsbürger verletzt §5 Abs6 bis 9 SH-GG den Gleichheitssatz:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes findet der Staatsbürgervorbehalt des Art7 B‑VG im Anwendungsbereich des Unionsrechts keine Anwendung, da das Verbot der Diskriminierung von Unionsbürgern aus Gründen der Staatsangehörigkeit (Art18 AEUV) verlangt, dass Unionsbürger gegenüber Staatsbürgern nicht schlechter gestellt werden dürfen. Das nach Art7 B‑VG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz kommt diesfalls auch Unionsbürgern zu (VfSlg 19.118/2010).
§5 Abs7 Z1 SH‑GG stellt im Rahmen der Sozialhilfe auf Sprachkenntnisse ab. Wenngleich diese Regelung ihrem Inhalt nach keine Differenzierung ausdrücklich nach dem Kriterium der Staatsangehörigkeit vornimmt (vgl zB VfSlg 13.558/1993), schlägt sie doch auf Grund der tatsächlichen Gegebenheiten überwiegend zum Nachteil von Unionsbürgern aus, die – im Gegensatz zu österreichischen Staatsbürgern – regelmäßig keine Deutschkenntnisse auf B1‑Niveau aufweisen. Auch die in §5 Abs7 Z1 SH‑GG genannte Alternative – Englischkenntnisse auf C1-Niveau – vermag diese Ungleichbehandlung nicht zu rechtfertigen, zumal nicht davon ausgegangen werden kann, dass Unionsbürger üblicherweise Englisch auf einem derart hohen Niveau beherrschen. Gleiches gilt für die Ausnahmeregelung gemäß §5 Abs8 Z2 SH‑GG, da Unionsbürger – anders als österreichische Staatsbürger – im Regelfall über keinen Pflichtschulabschluss mit Deutsch als primärer Unterrichtssprache verfügen. Auch aus diesem Grund ist §5 Abs6 bis 9 SH‑GG verfassungswidrig.
2.3.3.3.3. §5 Abs6 bis 9 SH‑GG verletzt zudem im Hinblick auf Asylberechtigte ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung:
Gemäß §5 Abs7 SH-GG iVm §16c IntG müssen – wie oben ausgeführt – Asylberechtigte, um am Arbeitsmarkt vermittelbar zu sein, Deutsch auf B1‑Niveau beherrschen und bestimmte integrationsrechtliche Verpflichtungen erfüllen.
Asylberechtigte haben ihr Herkunftsland nicht aus freiem Entschluss verlassen und ihren Wohnsitz in Österreich nicht frei gewählt (vgl VfGH 1.12.2018, G308/2018 mwN). Vielmehr mussten sie ihr Herkunftsland wegen "wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden" verlassen und können aus denselben Gründen (derzeit) nicht dorthin zurückkehren. Für den Verfassungsgerichtshof ist daher nicht ersichtlich, inwiefern der Arbeitsqualifizierungsbonus hinsichtlich Asylberechtigter eine geeignete Maßnahme zur Erreichung des Ziels – "Dämpfung der Zuwanderung in das österreichische Sozialsystem" – darstellt. Im Hinblick auf das Ziel der Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt ist diese Regelung, wie bereits dargestellt, überschießend (siehe zur Gleichbehandlung von Asylberechtigten und österreichischen Staatsbürgern VfGH 1.12.2018, G308/2018 mwN).
2.3.3.3.4. Aus den genannten Gründen ist §5 Abs6 bis 9 SH‑GG sohin als verfassungswidrig aufzuheben.
2.3.4. Zu §7 Abs6 SH-GG (Antrag Punkt 5.)
2.3.4.1. Die Antragsteller bringen vor, dass die Anrechnung von Eigeneinkommen nach §7 Abs6 SH-GG unsachlich rigide sei, weil die Bestimmung zahlreiche "Aufstocker" von den Sozialhilfeleistungen ausschließe und der Ausführungsgesetzgeber keine günstigeren Regelungen vorsehen könne.
2.3.4.2. Dem hält die Bundesregierung entgegen, dass diese Bestimmung nur den Fall der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit während des Sozialhilfebezugs regle. Hingegen stehe es dem Landesgesetzgeber frei, festzulegen, ob und in welchem Ausmaß andere erwerbstätige Personen Begünstigungen erhalten könnten.
2.3.4.3. Nach §7 Abs6 SH-GG ist Personen, die während des Sozialhilfebezugs eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, ein Freibetrag idHv bis zu 35 % des hieraus erzielten monatlichen Nettoeinkommens für maximal zwölf Monate einzuräumen. Wie auch die Bundesregierung ausführt, hat der Grundsatzgesetzgeber damit lediglich den Fall des (Wieder-)Einstiegs in das Erwerbsleben von bezugsberechtigten Personen geregelt. Der Landesgesetzgeber kann somit andere Konstellationen – im verfassungsgesetzlichen Rahmen – regeln, wie etwa Freibetragsgrenzen für (bereits) im Erwerbsleben stehende Sozialhilfebezieher ("Aufstocker"). Vor diesem Hintergrund kann der Verfassungsgerichtshof keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz erkennen. Der Antrag ist daher in dieser Hinsicht abzuweisen.
2.3.5. Zu der Wortfolge "innerhalb von sieben Monaten" in §10 Abs2 sowie §10 Abs3 SH‑GG (Antrag Punkt 3.4.):
2.3.5.1. Die Antragsteller bringen vor, dass die Frist von sieben Monaten nach Inkrafttreten des Grundsatzgesetzes (§10 Abs2 SH-GG), innerhalb der die Länder Ausführungsgesetze zum SH-GG zu erlassen haben, unverhältnismäßig kurz sei. Zudem müsse gemäß §10 Abs3 SH-GG eine Überführung sämtlicher Ansprüche in das neue Sozialhilfesystem bis 1. Juni 2021 erfolgen. Dies sei vor dem Hintergrund des Vertrauensschutzes verfassungsrechtlich bedenklich.
2.3.5.2. Dazu führt die Bundesregierung aus, dass das Ermessen des Grundsatzgesetzgebers, eine Frist von sieben Monaten für die Erlassung von Ausführungsgesetzen festzulegen, an Art15 Abs6 B‑VG und daher nicht mehr am Gleichheitssatz zu messen sei. Hinsichtlich des Vertrauensschutzes würden keine Bedenken bestehen, zumal zwei Jahre für die Überführung in das neue System vorgesehen seien und es sich um steuerfinanzierte Transferleistungen handle, denen keine Anwartschaft oder Beitragsleistung gegenüberstehe.
2.3.5.3. Vor dem Hintergrund des Antragsvorbringens bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen. Das Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage als solches genießt keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl zB VfSlg 19.411/2011 mwN). Dies gilt im Besonderen für steuerfinanzierte Transferleistungen, denen keine Anwartschaft oder Beitragsleistung der berechtigten Person gegenübersteht (vgl VfSlg 19.434/2011 mwN, vgl etwa auch VfSlg 19.698/2012). Nur unter besonderen Umständen muss den Betroffenen zur Vermeidung unsachlicher Ergebnisse die Gelegenheit gegeben werden, sich rechtzeitig auf die neue Rechtslage einzustellen (vgl VfSlg 19.411/2011 mwN, 20.177/2017). Derartige besondere Umstände wurden von den Antragstellern nicht vorgebracht.
2.3.6. §5 Abs2 Z3 und Abs6 bis 9 SH‑GG ist daher wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz gemäß Art7 B‑VG, gegen ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung sowie gegen Art1 Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern als verfassungswidrig aufzuheben.
2.4. Zu den Bedenken im Hinblick auf §1 DSG (Antrag Punkt 7.)
2.4.1. Die Antragsteller bringen im Wesentlichen vor, §1 Abs1 SH-SG genüge den Anforderungen des §1 DSG insbesondere deshalb nicht, weil die Regelung zu unbestimmt sei.
2.4.2. Die Bundesregierung entgegnet dem Vorbringen, dass §1 Abs1 SH‑SG dem wirtschaftlichen Wohl des Landes diene und zur Zielerreichung geeignet sowie verhältnismäßig sei: Der Kreis der nach §1 Abs1 SH‑SG zu übermittelnden Datenarten werde durch die in der Bestimmung angeführten Übermittlungszwecke beschränkt. Die Übermittlungspflicht erstrecke sich überdies auch nur auf solche Daten, die von den übermittlungspflichtigen Behörden verarbeitet würden, wobei diese ebenso dem Erfordernis der Rechtmäßigkeit nach der DSGVO unterlägen. Eine abschließende Aufzählung der einzelnen zu übermittelnden Datenarten sei im Hinblick auf den Kreis der übermittlungspflichtigen Behörden nicht möglich und zur Zielerreichung nicht geeignet. Außerdem könne eine taxative Aufzählung der zu übermittelnden Datenarten sowie die Festlegung eines Zeitraums eine erheblich weitere Übermittlungspflicht zur Folge haben als das Anküpfen an die Erforderlichkeit. Entgegen dem Antragsvorbringen sei auch die Form der Übermittlung gesetzlich geregelt, da die zu übermittelnden Daten elektronisch zur Verfügung zu stellen seien.
2.4.3. Der Verfassungsgerichtshof kann in einem auf Grund eines Antrages eingeleiteten Normenprüfungsverfahren nur die vom Antragsteller geltend gemachten Bedenken aufgreifen (zB VfSlg 14.802/1997, 16.374/2001). Aus Anlass des vorliegenden Antrages ist klarzustellen, dass sich der Verfassungsgerichtshof mit §1 Abs1 SH-SG nur unter dem Gesichtspunkt der Determinierung im Hinblick auf §1 DSG, nicht aber mit der Frage zu beschäftigen hat, ob der Bundesgesetzgeber zur Erlassung dieser Bestimmung überhaupt zuständig war. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes erweist sich das Vorbringen der Antragsteller als begründet:
Nach §1 Abs1 DSG hat jedermann Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit er daran ein schutzwürdiges Interesse, insbesondere im Hinblick auf die Achtung des Privat- und Familienlebens, hat.
Beschränkungen dieses Grundrechts sind nach dem Gesetzesvorbehalt des §1 Abs2 DSG (abgesehen von lebenswichtigen Interessen des Betroffenen an der Verwendung personenbezogener Daten oder seiner Zustimmung hiezu) bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen zulässig, die aus den in Art8 Abs2 EMRK genannten Gründen notwendig sind und die ausreichend präzise, also für jedermann vorhersehbar, regeln, unter welchen Voraussetzungen die Ermittlung bzw die Verwendung personenbezogener Daten für die Wahrnehmung konkreter Verwaltungsaufgaben erlaubt ist (vgl VfSlg 16.369/2001, 18.146/2007, 18.963/2009, 18.975/2009, 19.657/2012, 19.738/2013, 19.886/2014, 19.892/2014, 20.213/2017). Der jeweilige Gesetzgeber muss somit nach den Vorgaben des §1 Abs2 DSG eine materienspezifische Regelung in dem Sinn vorsehen, dass die Fälle zulässiger Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz konkretisiert und begrenzt werden (VfSlg 18.643/2008).
Eine solche ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten liegt hier vor.
§1 Abs1 SH-SG genügt jedoch den in §1 Abs2 DSG normierten qualifizierten Anforderungen an die Determinierung von Grundrechtseingriffen nicht, weil die Bestimmung als eine spezifische materiengesetzliche Regelung keine klaren Begrenzungen und Vorgaben hinsichtlich des Eingriffs vorsieht. Die Bestimmung legt vielmehr pauschal und ohne Einschränkungen fest, dass (neben ausdrücklich genannten staatlichen Stellen) "sämtliche Behörden" verpflichtet sind, den Ländern "die zu Zwecken der Aufrechterhaltung und Vollziehung des österreichischen Sozialhilfewesens erforderlichen Daten" elektronisch zur Verfügung zu stellen.
2.4.4. Damit wird weder hinreichend klar abgegrenzt, wer konkret zur Datenverarbeitung verpflichtet ist, noch ausreichend determiniert, welche personenbezogenen Daten von der Übermittlung erfasst sein sollen. Die angefochtene Bestimmung ist sohin wegen Verstoßes gegen §1 DSG als verfassungswidrig aufzuheben.
V. Ergebnis
1. §5 Abs2 Z3 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, BGBl I 41/2019, ist daher wegen Verstoßes gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz gemäß Art7 B‑VG und wegen Verstoßes gegen Art1 Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern als verfassungswidrig aufzuheben. Auch §5 Abs6 bis 9 Sozialhilfe‑Grundsatzgesetz, BGBl I 41/2019, sind wegen Verstoßes gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz gemäß Art7 B‑VG und ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung als verfassungswidrig aufzuheben. Ferner ist §1 Abs1 Sozialhilfe-Statistikgesetz, BGBl I 41/2019, wegen Verstoßes gegen §1 DSG als verfassungswidrig aufzuheben.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren im Antrag dargelegten Bedenken.
2. Die Verpflichtung der Bundeskanzlerin zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B‑VG und §64 Abs2 VfGG iVm §3 Z3 BGBlG.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Kosten sind nicht zuzusprechen, weil ein Kostenersatz in Gesetzesprüfungsverfahren (vom – hier nicht gegebenen – Fall des §65a VfGG abgesehen) im VfGG nicht vorgesehen ist.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)