OGH 9ObA25/20x

OGH9ObA25/20x25.5.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.

 Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs  Dr. Fichtenau und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir. Gabriele Svirak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. B***** R*****, vertreten durch Dr. Sieglinde Gahleitner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses (Streitwert: 50.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Dezember 2019, GZ 10 Ra 68/19x‑27, mit dem über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 26. Februar 2019, GZ 25 Cga 20/18w‑23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:009OBA00025.20X.0525.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.234,70 EUR (darin 372,45 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin absolvierte bei der Beklagten, einer Stiftung des öffentlichen Rechts mit der Bezeichnung „Österreichischer Rundfunk“ (§ 1 Abs 1 ORF‑G), zunächst ab 1. 10. 2013 ein viermonatiges Praktikum. Anschließend war sie bei der Beklagten als Honorarmitarbeiterin/freie Mitarbeiterin für die Hauptabteilung FD9 tätig.

Ab November 2015 war die Klägerin laut den schriftlichen Dienstverträgen und Vereinbarungen bei der Beklagten im Rahmen jeweils befristeter Arbeitsverträge gemäß § 4 Z 3 des Kollektivvertrags für Arbeitnehmer/innen des Österreichischen Rundfunks (ORF‑KV 2014) wie folgt beschäftigt:

von 1. 11. 2015 bis 31. 10. 2016 „im Zusammenhang mit der mutterschaftsbedingten Abwesenheit der Dienstnehmerin M*****“ bzw „im Zusammenhang mit der Abwesenheit der von Ihnen vertretenen Dienstnehmerin M*****, die eine Karenz gemäß MSchG konsumiert“ als Redakteursaspirantin in der Dienststelle Fernsehdirektion, Magazine und Servicesendungen (FD9),

von 1. 11. 2016 bis 5. 1. 2018 „im Zusammenhang mit der mutterschaftsbedingten Abwesenheit der Dienstnehmerin Mag. K*****“ bzw „für die Dauer der derzeitigen Abwesenheit der von Ihnen vertretenen Dienstnehmerin Mag. K*****, die eine Karenz gemäß MSchG konsumiert“ als Redakteurin und

von 6. 1. 2018 bis 31. 1. 2018 „bis zum Ende des Karenzurlaubs von Mag. B*****“.

Im September 2017 meldete die Klägerin der Beklagten ihre eigene Schwangerschaft. Beginn der Mutterschutzfrist war der 25. 1. 2018. Die Verlängerung des ursprünglich bis 5. 1. 2018 befristeten Dienstverhältnisses der Klägerin bis 31. 1. 2018 erfolgte über Wunsch der Klägerin, die sich dadurch einen Vorteil beim Erhalt des Kinderbetreuungsgeldes erhoffte. Mit 31. 1. 2018 lief das letzte befristete Dienstverhältnis der Klägerin aus; es wurde von der Beklagten nicht (mehr) verlängert.

Bereits im ersten schriftlichen Dienstvertrag der Klägerin wurde festgehalten, dass im Rahmen der jeweiligen Verwendung eine Zuteilung auch zu einer anderen Dienststelle erfolgen kann.

Die Hauptabteilung FD9 der Beklagten ist für verschiedene Magazine und Servicesendungen des ORF zuständig. Ihr unterfallen die Sendungsformate (Redaktionen) K*****, T*****, R*****, W*****, W*****, A*****, S*****, E*****, B*****, H*****, f*****, P***** und B*****. Die Journalisten der Hauptabteilung FD9 arbeiten im Wesentlichen für die ihnen jeweils zugeteilte Redaktion.

Die Abteilung FD9 wird seit August 2010 von Mag. W***** geleitet. Ihr unterstehen 100 Mitarbeiter, die fast ausschließlich unbefristete Dienstverträge haben: 90 Journalisten (50 Frauen und 40 Männer) und 10 Führungskräfte sowie 20 freie Mitarbeiter auf Honorarbasis. Für unbefristete Dienstverträge besteht bei der Beklagten eine Planstellenvorgabe. Wenn ein unbefristet beschäftigter Dienstnehmer, aus welchen Gründen auch immer, zumindest ein Jahr lang nicht tätig ist, wird diese Zeit durch Beschäftigung eines anderen Dienstnehmers, der einen befristeten Dienstvertrag erhält, überbrückt. Im Unternehmen der Beklagten gibt es etwa 200 solcher befristeter Dienstverträge „zur Karenzvertretung“. Aufgrund einer Vorgabe der Personalabteilung muss der Einsatz eines befristet beschäftigten Dienstnehmers in derselben (Haupt-)Abteilung erfolgen, in der die karenzierte Person tätig war.

Die Klägerin arbeitete während aller Vertragsverhältnisse mit der Beklagten ausschließlich für die Redaktion E*****. Die Klägerin hatte nie die konkreten Aufgaben der karenzierten Dienstnehmerinnen M***** (Redaktion R*****), Mag. K***** (Redaktion B*****) oder Mag. B***** (Redaktion W*****), übernommen und war auch nie in diesen Redaktionen tätig gewesen.

Die Klägerin begehrt die Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses zur Beklagten über den 31. 1. 2018 hinaus. Es lägen unzulässige Kettenarbeitsverträge vor, die ihr Dienstverhältnis zu einem unbefristeten aufrechten Dienstverhältnis machen würden. Nach § 4 Z 3 ORF‑KV 2014 sei eine befristete Tätigkeit nur für die Dauer der Abwesenheit von bestimmten Arbeitnehmern vorgesehen. Kettenarbeitsverträge seien nur dann rechtmäßig, wenn die Aneinanderreihung der Dienstverträge durch besondere soziale oder wirtschaftliche Gründe gerechtfertigt sei. Dies sei hier nicht der Fall gewesen, weil die Klägerin nie die Aufgaben der von ihr vertretenen Dienstnehmerinnen übernommen und die Arbeitsleistungen an deren Stelle erbracht habe. Außerdem sei die Nichtverlängerung ihres letzten befristeten Dienstverhältnisses wegen ihrer Schwangerschaft erfolgt.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte Klagsabweisung. Ursprünglich habe die Klägerin ihre Tätigkeit als Honorarmitarbeiterin nach § 4 Z 4 ORF‑KV 2014 auf Basis des § 32 Abs 5 ORF‑G erbracht. Die Befristungen erfolgten dann gemäß § 4 Z 3 ORF‑KV 2014. Sie seien zulässig gewesen, weil sie zur Vertretung anderer Redakteurinnen in der Hauptabteilung FD9 bzw zuletzt aus sozialen Erwägungen erfolgt seien. Die Klägerin habe in Ausübung ihrer Vertretungstätigkeit in derselben Verwendung der von ihr vertretenen Dienstnehmerinnen („Karenzvertretung“) journalistische Beiträge für die Hauptabteilung FD9 redaktionell gestaltet. Die Nichtverlängerung des letzten befristeten Dienstverhältnisses sei nicht wegen der Schwangerschaft der Klägerin erfolgt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. § 32 ORF‑G lasse – zumindest derzeit – die Aneinanderreihung von befristeten Arbeitsverhältnissen zu. Eine befristete Tätigkeit sei gemäß § 4 Z 3 ORF‑KV 2014 für die Dauer der Abwesenheit von Arbeitnehmern gemäß Z 1 oder Z 2 vorgesehen. Die Klägerin habe ebenso journalistische Tätigkeiten verrichtet, wie die von ihr vertretenen Dienstnehmerinnen. Eine Diskriminierung der Klägerin sei nicht vorgelegen, weil die neue Planstelle im Februar/März 2018 aufgrund der besseren Qualifikation an eine andere Dienstnehmerin vergeben worden sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und dem Feststellungsbegehren statt. Die Voraussetzungen des § 12 Abs 7 GlBG seien hier aber nicht gegeben, weil die neue Planstelle erst ab 1. 3. 2018 zu besetzen gewesen sei. Mehrfachbefristungen müssten zwar grundsätzlich sachlich gerechtfertigt sein, nicht aber nach § 32 Abs 5 ORF‑G. Diese Bestimmung stehe jedoch § 5 Nr 1 der RL 1999/70/EG zur Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge entgegen, weil keine geeigneten Maßnahmen vorgesehen seien, um dem missbräuchlichen Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Dienstverträge mit Dienstnehmern vorzubeugen, die von der Beklagten als journalistische und programmgestaltende Mitarbeiter beschäftigt werden. § 879 ABGB biete dafür keine geeignete Abhilfe. § 4 der Rahmenvereinbarung entfalte unmittelbare Wirkung, wobei der Begriff „sachliche Gründe“ so zu verstehen sei, dass eine unterschiedliche Behandlung nicht damit gerechtfertigt werden könne, dass sie in einer allgemeinen und abstrakten Regelung wie einem Gesetz oder einem Tarifvertrag vorgesehen sei. Der bei der Beklagten bestehende strukturelle Planstellenmangel sei kein sachlicher Grund für Mehrfachbefristungen, sodass die Klägerin in einem unbefristeten Dienstverhältnis stehe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Frage, ob § 32 Abs 5 ORF‑G der RL 1999/70/EG zur Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge entgegenstehe und ob ein abseits des Stellenplans dauerhafter Mitarbeiterbedarf bei der Beklagten Mehrfachbefristungen sachlich rechtfertigen könne, einer Klärung durch das Höchstgericht bedürfe.

In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Wiederherstellung des klagsabweisenden Ersturteils. Die vom Berufungsgericht relevierte Frage der Zulässigkeit von Befristungen nach § 32 Abs 5 ORF‑G iVm § 4 Z 4 ORF‑KV 2014 stelle sich im vorliegenden Fall aber nicht. Die hier ausschließlich zu beurteilende Frage der Befristungsmöglichkeit nach § 4 Z 3 ORF‑KV 2014 stehe (im Gegensatz zu jener nach § 4 Z 4 ORF‑KV 2014) in keinem Zusammenhang mit § 32 Abs 5 ORF‑G. Für die Dauer eines vorübergehenden Bedarfs einer Ersatzarbeitskraft würden von der Beklagten, wie auch im vorliegenden Fall, Mitarbeiter gemäß § 4 Z 3 ORF‑KV 2014 beschäftigt. Diese Kollektivvertragsbestimmung normiere eine sachliche Rechtfertigung iSd § 5 Nr 1 lit a der Rahmenvereinbarung. Da die Klägerin in Ausübung ihrer Vertretungstätigkeit in derselben Verwendung der vertretenen Dienstnehmerinnen beschäftigt gewesen sei, nämlich der redaktionellen Gestaltung von journalistischen Beiträgen für die von der Hauptabteilung FD9 produzierten Sendeformate, liege die von der Rechtsprechung geforderte Kongruenz der Aufgaben der vertretenden Person mit jenen der abwesenden Person vor. Eine völlige Deckung dieser Aufgaben sei nicht erforderlich.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung , die Revision der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben. Die Revision der Beklagten zeige zwar zutreffend auf, dass im vorliegenden Fall zuerst die Rechtsfrage zu beantworten sei, ob die seit 1. 11. 2015 „für die Dauer der vorübergehenden Abwesenheit von [...]“ befristet abgeschlossenen „Karenzvertretungen“ gemäß § 4 Z 3 ORF‑KV 2014 zulässig gewesen seien oder ob die Klägerin aufgrund eines dauerhaften Bedarfs tätig gewesen und keine sachliche Rechtfertigung für die Befristungen vorgelegen sei. Die Zulässigkeit der Befristung sei aber zu verneinen, weil die Klägerin niemals jene Person vertreten habe, für deren Karenz sie angeblich befristet aufgenommen worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zulässig (RS0109942). Sie ist jedoch nicht berechtigt.

1.1. Nach der Rechtsprechung ist die Aneinanderreihung befristeter Arbeitsverhältnisse mit einer für den Arbeitnehmer nachteiligen Unsicherheit für seine weitere berufliche Zukunft verbunden und birgt in hohem Maß die Gefahr der Umgehung zwingender Rechtsnormen. Wenn gesetzliche Bestimmungen mehrere befristete Arbeitsverhältnisse in Aufeinanderfolge zulassen, ist eine auf den Normzweck Bedacht nehmende Interpretation vorzunehmen; es ist daher zu prüfen, ob im konkreten Fall die Vereinbarung mehrerer, sich unmittelbar aneinanderreihender Arbeitsverhältnisse zulässig ist (RS0021824 [T7]). Aus diesen Gründen ist die Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverhältnisse im allgemeinen Arbeitsrecht nur dann zulässig, wenn besondere wirtschaftliche oder soziale Gründe das rechtfertigen. Andernfalls sind solche „Kettenarbeitsverträge“ als unbefristete Arbeitsverhältnisse zu behandeln (RS0021824). Im Allgemeinen gilt, dass die erste Befristung eines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich zulässig ist, ohne dass es außerhalb sondergesetzlicher Regelungen, wie etwa des § 11 Abs 2 Z 4 AÜG oder des § 10a MSchG, einer sachlichen Rechtfertigung bedarf (8 ObA 5/19x Pkt 1.1. mwN). Aber bereits die erste Verlängerung auf bestimmte Zeit ist darauf zu prüfen, ob damit nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers die Bestimmungen des Kündigungsschutzes oder (auch) die gesetzlichen Vorschriften über Kündigungsfristen und Kündigungstermine umgangen werden (RS0105948). Je öfter die Aneinanderreihung von Befristungen erfolgt, desto strenger sind die inhaltlichen Anforderungen an die Rechtfertigungsgründe (RS0028327 [T3, T17]). Auch die Dauer der Befristung und die Art der Arbeitsleistung sind in die Überlegungen einzubeziehen (RS0028327 [T7]); dies im Hinblick auf die durch die mehrfache Verlängerung verstärkte Erwartung des Arbeitnehmers, es werde zu weiteren Verlängerungen kommen, sowie im Hinblick auf die gegenüber dem Verlust des Kündigungsschutzes immer mehr zurücktretenden Vorteile für den Arbeitnehmer aus der Befristung (RS0021818).

1.2. Teilweise normieren Sondergesetze weitere Beschränkungen (zB § 4 Abs 4 VBG) oder lassen – nach ihrem Wortlaut – wiederholt Befristungen ohne Beschränkungen zu, wie die Bestimmung des § 32 Abs 5 ORF-G (vgl Spenling in KBB6 § 1158 ABGB Rz 5; Reissner in Zellkomm3 § 19 AngG Rz 24).

2. Die unionsrechtliche Sicht hat der Oberste Gerichtshof zuletzt in der Entscheidung 8 ObA 5/19x (Pkt 1.2) dargelegt:

Mit der Richtlinie 1999/70/EG des Rates über befristete Dienstverträge vom 28. 6. 1999 wurde die EGB‑UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverhältnisse vom 18. 3. 1999 übernommen. Das erklärte Ziel dieser Richtlinie gemäß § 1 der Rahmenvereinbarung ist es, durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität der befristeten Arbeitsverhältnisse zu verbessern und einen Rahmen zu schaffen, der den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse verhindert (vgl 9 ObA 222/02s). Die Rahmenvereinbarung geht von der Prämisse aus, dass unbefristete Arbeitsverträge die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses sind. Gleichzeitig wird aber anerkannt, dass befristete Arbeitsverträge für die Beschäftigung in bestimmten Branchen oder für bestimmte Berufe und Tätigkeiten charakteristisch sind. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten, eine oder mehrere der in Paragraf 5 Nr 1 lit a bis c der Rahmenvereinbarung genannten Maßnahmen zu erlassen, um die missbräuchliche Verwendung von aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen wirksam zu verhindern (C-212/04 , Adeneler ua, Rn 61, 65, 79 ECLI:EU:C:2006:443). Die Rahmenvereinbarung sieht drei mögliche Maßnahmen vor: Die Mitgliedstaaten können die Zulässigkeit einer mehrfachen Befristung vom Vorliegen sachlicher Gründe abhängig machen, sie können eine maximal zulässige Dauer aufeinanderfolgender Arbeitsverhältnisse oder die zulässige Zahl der Verlängerungen festlegen. Die Festlegung, wann befristete Arbeitsverhältnisse als aufeinanderfolgend zu betrachten sind oder als ein unbefristetes Arbeitsverhältnis gelten, wird den Mitgliedstaaten überlassen (Karl in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 19 Rz 37). Bei der Beurteilung der Frage, ob die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge oder -verhältnisse durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist, müssen die Behörden der Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten alle Umstände des Falls einschließlich der Zahl und der Gesamtdauer der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen befristeten Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse berücksichtigen (C-586/10 , Kücük, Rn 56 ECLI:EU:C:2012:39).

3.1. Nach § 4 Z 3 des auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien anwendbaren Kollektivvertrags für Arbeitnehmer/innen des Österreichischen Rundfunks (ORF‑KV 2014), auf den die Beklagte die Zulässigkeit der befristeten Arbeitsverhältnisse mit der Klägerin ab 1. 11. 2015 ausschließlich stützt, erfolgt die Einstellung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin durch die Geschäftsführung entsprechend der auszuübenden Tätigkeit und deren voraussichtlicher zeitlicher Erforderlichkeit befristet für Tätigkeiten nach dem Verwendungsgruppenschema gemäß § 23 für die Dauer der Abwesenheit von Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen gemäß Z 1 und 2 oder eines vorübergehenden zusätzlichen Bedarfs für ein konkretes Projekt.

3.2. Alles, was typischer Inhalt eines Individualvertrags sein kann, kann auch Inhalt eines Kollektivvertrags sein (RS0050933). Im Revisionsverfahren ist zwischen den Parteien daher nicht mehr strittig, dass auch Fragen der Befristung des Arbeitsverhältnisses in die grundsätzliche Regelungsbefugnis der Kollektiv-vertragsparteien fallen (vgl Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 2 ArbVG Rz 48 mwN).

4.1. Die Beklagte geht – zutreffend – davon aus, dass auch eine Befristung des Arbeitsverhältnisses nach § 4 Z 3 ORF‑KV 2014 sachlich gerechtfertigt sein muss. Die Beantwortung der Frage, ob eine Befristung des Arbeitsverhältnisses nach § 4 Z 3 ORF‑KV 2014 auch dann sachlich gerechtfertigt ist, wenn, wie hier, eine Dienstnehmerin zur Vertretung der abwesenden Personen zwar in „derselben Verwendung“ der vertretenen Dienstnehmerinnen beschäftigt wird, aber die konkreten Aufgaben der von ihr vertretenen Personen auch nicht zum Teil übernimmt, bedarf einer Auslegung dieser Kollektivvertragsbestimmung.

4.2. Nach ständiger Rechtsprechung ist der normative Teil eines Kollektivvertrags nach den Grundsätzen der §§ 6, 7 ABGB, also nach der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und der Absicht des Normgebers auszulegen (RS0008782, RS0008807 ua). In erster Linie ist der Wortsinn – auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen – zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrags ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (RS0010089). Den Kollektivvertragsparteien darf dabei grundsätzlich unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten, sodass bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben ist, die diesen Anforderungen am meisten entspricht (RS0008828, RS0008897).

4.3. § 4 Z 3 ORF‑KV 2014 kann zunächst – vor dem Hintergrund einer hier an strikte Vorgaben geknüpften Planstellenbewirtschaftung und in richtlinienkonformer Auslegung (vgl RS0111214; 8 ObA 70/18d) – der grundsätzliche Wille der Sozialpartner entnommen werden, die Notwendigkeit der Beschäftigung von Ersatzkräften für die Dauer der Abwesenheit von Arbeitnehmern als zulässigen Grund für die Befristung von Verträgen ausdrücklich anzuerkennen und zu regeln.

4.4. § 4 Z 3 ORF‑KV 2014 spricht davon, ein befristetes Dienstverhältnis für Tätigkeiten nach dem Verwendungsgruppenschema gemäß § 23 für die Dauer der Abwesenheit von Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen gemäß Z 1 und 2 abzuschließen. Ein verständiger Leser kann diesem Text entnehmen (RS0010088), dass dadurch die Möglichkeit geschaffen werden sollte, im Fall der Verhinderung (Abwesenheit) einer bestimmten zur Beklagten in einem Vertragsverhältnis stehenden Person, eine andere Person befristet zur (zumindest teilweisen) Übernahme der Verpflichtungen des Vertretenen einzustellen (vgl 9 ObA 10/96). Die Kollektivvertragsbestimmung zielt erkennbar auf die Deckung eines zeitweiligen, vorübergehenden Bedarfs („für die Dauer der Abwesenheit“) ab. Den Kollektivvertragsparteien darf unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen wollten, weil die Zulassung der Befristung für Vertretungsfälle gerade hinsichtlich der bei der Beklagten für unbefristete Dienstverhältnisse herrschenden Planstellenvorgabe ihre sachliche Rechtfertigung findet. Die befristete Einstellung eines Arbeitnehmers für die Dauer der Abwesenheit eines anderen iSd § 4 Z 3 ORF KV 2014, wobei aber der befristet eingestellte Arbeitnehmer – entgegen der hier vorliegenden dienstvertraglichen Vereinbarung („… der von Ihnen vertretenen Dienstnehmerin …“) – tatsächlich nicht einmal teilweise die Arbeit des abwesenden Arbeitnehmers übernimmt, steht mit § 4 Z 3 ORF‑KV 2014 und der im Dienstvertrag begründeten Befristung nicht in Einklang. Damit wären die Fälle der Befristung für die Dauer der Abwesenheit eines Arbeitnehmers nach § 4 Z 3 ORF‑KV 2014 nicht von Fällen sonstiger Vakanz, bei denen es an der Person des Vertretenen mangelt, abgrenzbar (vgl RS0081579).

5. Im vorliegenden Fall befristete die Beklagte zwar in den schriftlichen Dienstverträgen die Dienstverhältnisse der Klägerin ab 1. 11. 2015 und ab 1. 11. 2016 „gemäß § 4 Z 3 ORF KV 2014“ „im Zusammenhang mit der mutterschaftsbedingten Abwesenheit bzw Karenz“ für die Dauer der Abwesenheit zweier bestimmter Dienstnehmerinnen und damit als Ersatzarbeitskraft für die Dauer des vorübergehenden Bedarfs, setzte die Klägerin aber nicht einmal zum Teil als Ersatz dieser Dienstnehmerinnen ein. Die Klägerin arbeitete auch ab 1. 11. 2016, so wie schon bisher ausschließlich für die Redaktion E***** weiter. Sie hatte nie die Aufgaben der abwesenden Dienstnehmerinnen übernommen. Richtig ist, dass eine völlige Kongruenz der Aufgaben des Vertreters und des Abwesenden nicht erforderlich und häufig auch gar nicht möglich ist (vgl 9 ObA 10/96). Dass die Klägerin in Fortführung ihrer bisherigen Tätigkeit wie schon vorher nur „in der gleichen Verwendung“ wie die Abwesenden beschäftigt war, stellte keinen Sachverhalt dar, für den die Befristung nach § 4 Z 3 ORF‑KV 2014 geschaffen wurde.

6. Zusammengefasst sind die gemäß § 4 Z 3 ORF KV 2014 erfolgten Befristungen der zwischen den Parteien ab 1. 11. 2015 und 1. 11. 2016 abgeschlossenen Dienstverhältnisse sachlich nicht gerechtfertigt, weil sie entgegen dem Inhalt der Befristungsvereinbarungen nichts mit der Abwesenheit namentlich genannter Dienstnehmerinnen zu tun hatten. Es ist daher mangels sachlichen Grundes dieser Befristungen von einem unbefristeten Dienstverhältnis der Klägerin auszugehen (RS0028327 [T11]). Ob die Verlängerung des zuvor mit 6. 1. 2018 befristeten letzten Dienstverhältnisses bis 31. 1. 2018 aus sozialen Gründen (Wunsch der Klägerin) erfolgte, ist nicht entscheidungsrelevant.

7. Da die Beklagte in ihrer Revision die Befristungen der Dienstverhältnisse mit der Klägerin ausdrücklich nicht auf § 32 Abs 5 ORF‑G stützt, ist auf Überlegungen zur Richtlinienkonformität dieser Bestimmung nicht einzugehen.

8. Da die Rechtfertigung der Befristungen auf § 4 Z 3 ORF‑KV 2014 gestützt wurde, kann hier auch die vom Berufungsgericht in seiner Zulassungsbegründung relevierte Frage, ob ein abseits des Stellenplans dauerhafter Mitarbeiterbedarf bei der Beklagten Mehrfachbefristungen sachlich rechtfertigen könnte, unerörtert bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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