OGH 9ObA222/02s

OGH9ObA222/02s2.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter DI Walter Holzer und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dagmar F*****, Bürokauffrau, *****, vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Land Tirol, Landhausplatz 1, 6020 Innsbruck, vertreten durch Dr. Markus Orgler und Dr. Josef Pfurtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen EUR 2.383,09 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. August 2002, GZ 15 Ra 77/02i-14, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist, dass nach § 35 Abs 2 Z 1 VBG 1948 (idF vor der Änderung durch das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz [BMVG], BGBl I 2002/100) - abgesehen von einem hier nicht relevanten Ausnahmefall - kein Abfertigungsanspruch eines Vertragsbediensteten bestand, wenn das Dienstverhältnis auf bestimmte Zeit (§ 4 Abs 3 VBG 1948) eingegangen wurde und durch Zeitablauf geendet hat (siehe jetzt § 84 Abs 2 Z 1 VBG 1948 idF BMVG).

Die Revisionswerberin, die in der Zeit vom 1. 12. 1998 bis 31. 12. 1999 in einem befristeten Vertragsbedienstetenverhältnis zur beklagten Partei stand, stützt ihre Zulassungsbeschwerde lediglich darauf, dass die (nach § 2 lit a Tiroler Vertragsbedienstetengesetz [T-VBG], LGBl 1998/84, gebotene) Anwendung des § 35 Abs 2 Z 1 VBG 1948 aF in ihrem Fall der Richtlinie 1999/70/EG des Rates über befristete Arbeitsverträge vom 28. 6. 1999 widerspreche. Sie räumt dabei selbst ein, dass § 35 Abs 2 Z 1 VBG 1948 aF isoliert betrachtet sachlich durchaus gerechtfertigt gewesen sein könne, weil befristete Dienstverhältnisse in der Regel nicht über einen drei Jahre übersteigenden Zeitraum abgeschlossen wurden und einem Vertragsbediensteten gemäß § 35 Abs 4 VBG 1948 aF eine Abfertigung ohnehin erst dann gebührte, wenn das Dienstverhältnis zumindest drei Jahre gedauert hatte; im vorliegenden Fall wäre ihr jedoch gemäß § 35 Abs 5 VBG 1948 aF die frühere Dienstzeit zum Bund anzurechnen. Es werde deshalb angeregt, den EuGH mit der Anfrage um Vorabentscheidung zu befassen, ob die Anwendung des § 35 Abs 2 Z 1 VBG 1948 aF im Falle der Klägerin gegen die Richtlinie 1999/70/EG verstoße. Hängt die Entscheidung von der Lösung einer Frage des Gemeinschaftsrechts ab, so ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofs nur zulässig, wenn der zweiten Instanz eine gravierende Fehlbeurteilung unterlief (vgl 1 Ob 216/02z). Eine solche wird von der Revisionswerberin mit den vorstehenden Ausführungen nicht aufgezeigt:

Mit der Richtlinie 1999/70/EG des Rates über befristete Dienstverträge vom 28. 6. 1999 wurde die EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverhältnisse vom 18. 3. 1999 übernommen. Richtig ist, dass es das erklärte Ziel dieser Richtlinie gemäß § 1 der Rahmenvereinbarung ist, durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität der befristeten Arbeitsverhältnisse zu verbessern und einen Rahmen zu schaffen, der den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse verhindert. Gemäß § 4 der Rahmenvereinbarung dürfen befristet beschäftigte Arbeitnehmer in ihren "Beschäftigungsbedingungen" nur deswegen, weil für sie ein befristeter Arbeitsvertrag oder ein befristetes Arbeitsverhältnis gilt, gegenüber vergleichbaren Dauerbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt (vgl RV 951 BlgNR XXI. GP 5). Die Richtlinie trat am 10. 7. 1999, dem Tage ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EG (ABl Nr L 175), in Kraft und war an die Mitgliedstaaten gerichtet. Die Revisionswerberin lässt jedoch bei ihren Überlegungen zur behaupteten Verletzung der Richtlinie außer Acht, dass die Richtlinie erst bis zum 10. 7. 2001 - sohin einem rund eineinhalb Jahre nach der Beendigung ihres Dienstverhältnisses per 31. 12. 1999 durch Zeitablauf (§ 30 Abs 1 Z 8 VBG 1948) liegenden Zeitpunkt - durch die Erlassung der erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in das nationale Recht umzusetzen war. Eine unmittelbare Anwendung der Richtlinie scheidet aber nach der Rechtsprechung des EuGH aus, solange die Umsetzungsfrist nicht abgelaufen ist; diese Wirkung entsteht erst am Ende des festgesetzten Zeitraums (EuGH 5. 4. 1979, Rs 148/78 , Ratti, Slg 1979, 1629; EuGH 3. 3. 1994, Rs C-316/93 , Vaneetveld, Slg 1994, I-763). Da diese Frist den Mitgliedstaaten insbesondere die für den Erlass der Umsetzungsmaßnahmen erforderliche Zeit geben soll, kann ihnen kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie die Richtlinie nicht vor Ablauf dieser Frist umsetzen. Der Mitgliedstaat, an den diese Richtlinie gerichtet ist, darf allerdings während der Umsetzungsfrist keine Vorschriften erlassen, die geeignet sind, die Erreichung des in der Richtlinie vorgeschriebenen Ziels bei Ablauf der Umsetzungsfrist ernstlich in Frage zu stellen (EuGH 18. 12. 1997, Rs C-129/96 , Wallonie ASBL, Slg 1997, I-7411; Thun-Hohenstein/Cede, Europarecht³ 189; Hetmeier in Lenz, EG-Vertrag² Art 249 Rz 11; Nettesheim in Grabitz/Hilf, EGV Art 249 Rz 138 ua). Derartiges wird von der Revisionswerberin aber ohnehin nicht behauptet. Zur angeregten Vorabanfrage an den EuGH besteht keine Veranlassung.

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