OGH 5Ob52/21i

OGH5Ob52/21i27.5.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin E***** GmbH, *****, vertreten durch Sauerzopf & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts und Löschung eines Vorkaufsrechts ob der Liegenschaft EZ ***** KG *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. Jänner 2021, AZ 47 R 15/21k, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 17. Dezember 2020, TZ 11704/2020, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00052.21I.0527.000

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragstellerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Mit Kaufvertrag vom 20. 8. 2020 erwarb die Antragstellerin als Käuferin von der Verkäuferin A***** deren 1/6tel‑Anteil an einer Liegenschaft um einen Kaufpreis von 990.000 EUR. Ob dieses Liegenschaftsanteils war zu TZ 11673/2016 das Vorkaufsrecht gemäß Punkt IV des Schenkungsvertrags vom 21. 12. 2015 und des Nachtrags vom 4. 11. 2016 für F***** einverleibt. Der Kaufvertrag sah daher unter Punkt V vor, dass seine Rechtswirksamkeit unter der aufschiebenden Bedingung steht, dass dieses Vorkaufsrecht löschungsfähig ist (nämlich durch Vorlage einer grundbuchsfähigen Löschungserklärung des Begünstigten oder einer grundbuchsfähigen Intimation oder eines grundbuchsfähigen, auf Löschung lautenden Gerichtsurteils). Der Kaufpreis sollte binnen 21 Tagen nach Eintritt der aufschiebenden Bedingung beim Vertragserrichter und Treuhänder erlegt werden.

[2] Mit Intimationsprotokoll vom 7. 9. 2020 bestätigte der Vertragserrichter als Notar, dass er an diesem Tag dem Vorkaufsberechtigten den Kaufvertrag vom 20. 8. 2020 ausgefolgt und ihn aufgefordert habe, sein Vorkaufsrecht innerhalb von drei Monaten auszuüben, wobei die Erklärung vom Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen ausschließlich an ihn zu richten sei. Der Kaufvertrag war diesem Protokoll angeschlossen. Am 4. 12. 2020 setzte der Notar das Protokoll fort und bestätigte, dass der Vorkaufsberechtigte in seiner Amtskanzlei erklärt habe, das Vorkaufsrecht einzulösen. Laut Protokoll wies er den Vorkaufsberechtigten darauf hin, dass gemäß § 1075 ABGB neben der Erklärung auch die Zahlung des Kaufpreises und der Nebengebühren oder die Übermittlung eines realen Zahlungsangebots innerhalb der Frist zu erfolgen habe.

[3] Am 9. 12. 2020 setzte der Notar das Protokoll fort und hielt fest, dass auf – näher bezeichneten – Treuhandanderkonten jeweils kein Betrag vom Vorkaufsberechtigten erlegt worden und keine Bankgarantie über die Zahlung des Kaufpreises und/oder der Nebengebühren bei ihm eingelangt sei.

[4] Die Antragstellerin beantragte unter Vorlage des Kaufvertrags und des Intimationsprotokolls am 17. 12. 2020 die Einverleibung der Löschung des Vorkaufsrechts und die Einverleibung ihres Eigentumsrechts.

[5] Das Erstgericht bewilligte diese Anträge.

[6] Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Vorkaufsberechtigten Folge und wies die Einverleibungsbegehren ab. Der Käufer einer mit einem Vorkaufsrecht belasteten Liegenschaft müsse, um die Einverleibung seines Eigentumsrechts zu erwirken, dem Grundbuchsgericht in Form einer einverleibungsfähigen Urkunde nachweisen, dass die Liegenschaft dem Vorkaufsberechtigten zum Kauf angeboten wurde oder dieser mit der beantragten Einverleibung einverstanden ist. Sei der Käufer dazu nicht imstande, müsse er sich diesen Nachweis im Prozessweg beschaffen. Es sei zwar nicht ausgeschlossen, den ungenützten Ablauf der Frist schon im Grundbuchsgesuch zur Einverleibung eines neuen Eigentümers nachzuweisen; diesfalls müsse aber der Inhalt des Angebots ebenso wie Beginn und ungenützter Ablauf der Frist durch verbücherungsfähige Urkunden nachgewiesen werden. Notare seien nach § 76 Abs 1 lit f NO zur Beurkundung über Bekanntmachung von Erklärungen und die Zustellung von Urkunden befugt, so etwa die in § 83 Abs 5 NO näher geregelte Beurkundung über rechtsgeschäftliche Erklärungen, die eine Partei einer anderen machen wolle (Intimation). Das vom Antragstellervertreter verfasste Intimationsprotokoll sei eine öffentliche Urkunde iSd § 31 GBG, die nachweise, dass dem Vorkaufsberechtigten die Ausübung seines Rechts angeboten worden sei, er innerhalb der Frist erklärt habe, sein Vorkaufsrecht auszuüben und der Kaufpreis nicht innerhalb der gesetzten Frist auf einem Treuhandkonto des Vertragserrichters erlegt worden sei. Der Notar habe die in § 83 Abs 5 NO vorgesehene Frist aber nur für die Abgabe der Erklärung und nicht auch für den Erlag des Kaufpreises gesetzt, dessen Fälligkeit bestimme sich daher nach der im Kaufvertrag vorgesehenen Fälligkeitsfrist. Ausgehend von der Erklärung, das Vorkaufsrecht auszuüben, habe die Frist zur Zahlung des Kaufpreises und tatsächliche Einlösung erst am 28. 12. 2020 geendet, zum Antragszeitpunkt sei das Vorkaufsrecht daher noch nicht erloschen gewesen.

[7] Den Entscheidungsgegenstand bewertete das Rekursgericht mit 30.000 EUR übersteigend. Den Revisionsrekurs ließ es mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zu.

[8] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin, in der sie die Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

[10] 1. Die Revisionsrekurswerberin macht im Wesentlichen geltend, das Rekursgericht weiche von höchstgerichtlicher Rechtsprechung und herrschender Lehre zum Erfordernis der wirklichen Einlösung ab. § 1075 ABGB verlange vom Vorkaufsberechtigten hiefür neben der Zahlung des Kaufpreises auch die geschuldete Nebenleistung oder ihre Sicherstellung anzubieten. Unterbleibe dies während der Einlösungsfrist, erlösche das Vorkaufsrecht. Wirkliche Einlösung sei nur die Leistung des Kaufpreises oder ein reales Zahlungsangebot. Das Setzen einer Erfüllungsfrist sei für das Auslösen der dem Drittkäufer zustehenden Erlagsfrist nicht erforderlich, eine derartige Verpflichtung ergebe sich auch nicht aus § 83 Abs 5 NO.

[11] Hiezu wurde erwogen:

[12] 2.1. § 1072 ABGB versteht unter dem Vorkaufsvorbehalt einen Nebenvertrag zum Kaufvertrag, durch den sich der Käufer schuldrechtlich verpflichtet, das Kaufobjekt vor Veräußerung an einen anderen dem Verkäufer zur Einlösung anzubieten. Der Begünstigte erhält dadurch das (an seine Person gebundene) Gestaltungsrecht, ein Vertragsverhältnis durch einseitige Erklärung ohne Mitwirkung der Gegenseite zustande zu bringen. Dem Vorkaufsberechtigten steht dann, wenn im Verhältnis zwischen dem Eigentümer und dem potentiellen Käufer zumindest eine bindende Vertragsofferte vorliegt, die Option offen, ohne weitere Einflussmöglichkeit und ohne weiteres Tätigwerden des Eigentümers und des potentiellen Käufers an dessen Stelle zu treten (RIS‑Justiz RS0123147). Die Frist zur Einlösung beginnt in jenem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Verpflichtete dem Berechtigten die Kenntnis aller Tatsachen verschafft hat, welcher dieser kennen muss, wenn er sich über die Ausübung des Vorkaufsrechts schlüssig werden soll, wie Gegenstand, Preis, Zahlungsmodalitäten, Bedingungen, Nebenrechte und Nebenpflichten (RS0020180).

[13] 2.2. Für die „wirkliche Einlösung“ genügt – entgegen der älteren Rechtsprechung (RS0020189) – nicht die bloß fristgerechte Ausübungserklärung (5 Ob 51/19i; Apathy/Perner in KBB6 § 1075 ABGB Rz 1 f; Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1075 Rz 5; Verschraegen in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.06 § 1075 Rz 2). Es bedarf vielmehr auch der Leistung des Kaufpreises wie ihn der Drittkäufer zu leisten hätte oder zumindest eines realen Zahlungsangebots innerhalb der Einlösungsfrist (RS0021984 [T7, T11]). Eine im Auftrag des Vorkaufsberechtigten zugunsten des aus dem Vorkaufsrecht Verpflichteten erstellte Bankgarantie über den vom Käufer vertragsgemäß insgesamt zu entrichtenden Betrag, die ohne vorangehende Prüfung des Rechtsgrundes und unter Verzicht auf jedwede Einrede abrufbar ist, ist nach der Rechtsprechung (RS0123235) ein reales Zahlungsangebot und somit eine wirkliche Einlösung iSd § 1075 ABGB. Auch der treuhändige Erlag des Kaufpreises wäre ein reales Zahlungsangebot, selbst wenn die Treuhandabwicklung im Kaufvertrag nicht vorgesehen war (5 Ob 231/13a). Falls der Vorkaufsberechtigte die Zahlung ohne Mitwirkung des Verpflichteten nicht bewerkstelligen kann und bei Untunlichkeit kann in Ausnahmefällen zur „wirklichen Einlösung“ auch das verbale Angebot der Zahlung ausreichen (5 Ob 306/04t; 7 Ob 559/85). 2 Ob 200/07m sah vor dem Hintergrund, dass dem Vorkaufsberechtigten die Kontonummer des Treuhänders nicht bekannt gegeben worden war, die Beurteilung der Übergabe der die jederzeitige Abbuchung des Kaufpreises ermöglichenden Finanzierungsunterlagen einer Bank als für die wirkliche Einlösung ausreichendes Zahlungsangebot des Vorkaufsberechtigten nicht als korrekturbedürftige Fehlbeurteilung an. Der bloße Abschluss eines Kreditvertrags über einen den Kaufpreis übersteigenden Betrag führt hingegen für sich allein noch zu keiner ausreichenden Sicherung für den Vorkaufsverpflichteten, den Kaufpreis auch tatsächlich zu erhalten (vgl 6 Ob 9/20x).

[14] 2.3. § 1075 ABGB sieht bei unbeweglichen Sachen eine Einlösungsfrist von 30 Tagen vor. Sie beginnt, wenn der Vorkaufsfall eingetreten ist und der Verpflichtete ein gehöriges Einlösungsangebot an die Berechtigten gerichtet hat (Apathy/Perner aaO Rz 2; RS0020180). Diese Bestimmung ist aber dispositiv, eine abweichende Frist kann vereinbart werden (vgl RS0020430). Auch auf die wirkliche Einlösung kann verzichtet und eine wirksame Einlösung etwa durch bloße Erklärung vereinbart werden (Apathy/Perner aaO Rz 3). Nach der Lehre kann dies auch schlüssig geschehen (F. Bydlinski in Klang/Gschnitzer IV/2² 844 f). Unterbleibt die „wirkliche Einlösung“ während der Einlösungsfrist, erlischt das Vorkaufsrecht (RS0119205 [T5]).

[15] 2.4. Grundsätzlich erfordert die „wirkliche Einlösung“ nach § 1075 ABGB mangels abweichender Vereinbarung auch, dass der Vorkaufsberechtigte die im bestehenden Vertrag mit dem Dritten enthaltenen Nebenbestimmungen annimmt, darunter sind etwa Vertragsbestimmungen über Zahlungskonditionen, Gefahrtragung und Gewährleistung oder die Vertragserrichtungskosten zu verstehen (RS0020216). Der Kaufpreis ist so zu erlegen, wie sich der Käufer hiezu verpflichtet hatte (RS0021984 [T4]). Der Vorkaufsberechtigte ist an die Fälligkeit der Kaufpreisforderung nach Maßgabe des Drittvertrags gebunden (RS0132672). Allerdings betrifft die „aufschiebende Bedingung“ im Kaufvertrag, wonach der Vertrag nur bei Nichtausübung des Vorkaufsrechts „rechtskräftig“ werden soll, ausschließlich das Verhältnis zwischen den Parteien des Kaufvertrags und ist für den Eintritt des Vorkaufsfalls bedeutungslos (RS0017494 [T4] = 2 Ob 27/13d mwN; 5 Ob 215/05m). Eine solche mit dem Dritten vereinbarte Bedingung soll ihrem eindeutigen, rechtlich unbedenklichen Zweck nach nur Rechtswirkungen zwischen dem Verpflichteten und dem Dritten haben, für die Beziehung zum Berechtigten dagegen unbeachtlich sein (5 Ob 215/05m).

[16] 3.1. Für das Grundbuchsgericht bildet ein einverleibtes Vorkaufsrecht grundsätzlich ein Eintragungshindernis. Das Grundbuchsgericht darf die Einverleibung des Eigentumsrechts an einer Liegenschaft, bei der ein Vorkaufsrecht einverleibt ist, nur bewilligen, wenn a) kein Vorkaufsfall vorliegt oder b) der Vorkaufsberechtigte zustimmt oder c) der urkundliche Nachweis erbracht wird, dass die Liegenschaft dem Vorkaufsberechtigten zum Kauf angeboten wurde und er von seinem Recht nicht Gebrauch machte (5 Ob 7/16i mwN; RS0021839 [T5]; jüngst 5 Ob 28/19g). Im letzteren Fall muss der Inhalt des Angebots ebenso wie Beginn und ungenützter Ablauf der Frist durch verbücherungsfähige Urkunden nachgewiesen werden (vgl RS0024878). Ist der Käufer dazu nicht im Stande, muss er sich diesen Nachweis im Prozessweg beschaffen (RS0020157 [T1]; RS0021839 [T3]).

[17] 3.2. Unstrittig liegt hier ein Vorkaufsfall vor, eine Zustimmung des Vorkaufsberechtigten fehlt. Strittig ist, ob die Antragstellerin in grundbuchsfähiger Form nachgewiesen hat, dass der Vorkaufsberechtigte innerhalb der Einlösungsfrist von seinem Recht nicht wirksam Gebrauch gemacht hat. Dies ist im Grundbuchsverfahren als reinem Urkundenverfahren ausschließlich aufgrund des vorgelegten Kaufvertrags und des Intimationsprotokolls zu beurteilen; die vom Vorkaufsberechtigten in seinem Rekurs vorgelegte Urkunde (Finanzierungszusage seiner Bank) und das dazu erstattete Vorbringen müssen aufgrund des im Grundbuchsverfahren geltenden Neuerungsverbots (§ 122 GBG) außer Betracht bleiben. Dies hat auch das Rekursgericht berücksichtigt, das seine Entscheidung nur auf die in erster Instanz vorgelegten Urkunden stützte; der behauptete Mangel des Rekursverfahrens liegt daher nicht vor (§ 71 Abs 3 AußStrG).

[18] 3.3. Notare sind befugt, über Tatsachen, aus welchen Rechte abgeleitet werden, öffentliche Urkunden auszufertigen, wobei sie in dieser Eigenschaft hoheitlich tätig sind (5 Ob 63/14x). Die Notariatsordnung (NO) regelt dazu in ihrem I. Teil, V. Hauptstück, III. Abschnitt die Beurkundung von Tatsachen und Erklärungen. Beurkundet werden Tatsachenfeststellungen, abgegebene Wissenserklärungen sowie sonstige Vorgänge, wenn dadurch eine rechtliche Wirkung begründet werden soll (Wagner/Knechtl, Notariatsordnung6 § 76 NO Rz 1; 5 Ob 63/14x). Nach diesem Abschnitt ausgestellten Bestätigungen kommt nach § 76 Abs 2 NO die Beweiskraft öffentlicher Urkunden zu, wenn sie den Vorschriften der §§ 77 bis 90 NO entsprechen. Sie begründen vollen Beweis dessen, was amtlich erklärt oder vom Notar bezeugt wird (5 Ob 63/14x). Gemäß § 76 Abs 1 lit f NO sind Notare unter anderem zur Beurkundung über Bekanntmachung von Erklärungen sowie über Zustellung von Urkunden befugt. Dabei handelt es sich um die in §§ 83 ff NO näher geregelte Beurkundung über rechtsgeschäftliche Erklärungen, welche eine Partei einer anderen machen will (Intimation).

[19] 3.4. In der Entscheidung 5 Ob 63/14x hat der Fachsenat eine vom Antragsteller vorgelegte Intimationsurkunde mit der Aufforderung an den Vorkaufsberechtigten, vom Vorkaufsrecht innerhalb der Einlösungsfrist gegenüber dem beurkundenden Notar Gebrauch zu machen, wenn der Notar in der Fortsetzung des Protokolls festgehalten hat, dass innerhalb der gesetzten Frist keine Antwort vom Vorkaufsberechtigten eingelangt ist, als öffentliche Urkunde iSd § 31 GBG gewertet. Damit war dort der Nachweis erbracht, dass die Liegenschaft dem Vorkaufsberechtigten zum Kauf angeboten wurde und er sein Vorkaufsrecht nicht ausgeübt hat. Dass eine Intimation grundsätzlich geeignet sein kann, dem Grundbuchsgericht die Nichtausübung oder auch die nicht fristgerechte Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Berechtigten in grundbuchsfähiger Form nachzuweisen, hat schon das Rekursgericht zutreffend erkannt.

[20] 3.5. Hinsichtlich der vom Notar hiebei zu setzenden Frist ist auf die durch die NO‑Novelle 1993, BGBl 692/1993 angefügte Bestimmung des § 83 Abs 5 NO abzustellen. Enthält die Erklärung die Aufforderung an die Gegenpartei, von einem ihr eingeräumten Recht innerhalb der in der Erklärung angeführten Frist Gebrauch zu machen, wobei dies wirksam nur gegenüber dem die Bekanntmachung beurkundenden Notar innerhalb der zur Verfügung stehenden Frist erfolgen kann, so hat der Notar mit der Bekanntmachung der Erklärung der Partei die Gegenpartei darauf ausdrücklich hinzuweisen und, dass dies geschehen sei, in das fortgesetzte Protokoll aufzunehmen. In einem solchen Fall ist auch anzugeben, ob der Notar die Gegenpartei kennt oder auf welche Art ihm ihre Identität bestätigt worden ist (§ 55 NO). Unmittelbar nach Ablauf der Frist hat der Notar eine neuerliche Fortsetzung des Protokolls aufzunehmen und darin anzuführen, ob innerhalb der Frist eine Antwort eingelangt ist und welchen Inhalt die Antwort hat. Die Materialien (ErlRV 1133 XVIII. GP  19) verweisen darauf, dass der Anwendungsbereich der Beurkundungsmöglichkeit des § 83 NO mit dem neuen Absatz 5 den Bedürfnissen der Praxis entsprechend auch für Erklärungen anwendbar gemacht werden soll, die eine Aufforderung an die Gegenpartei enthalten, von einem ihr eingeräumten Recht innerhalb einer bestimmten Frist Gebrauch zu machen, also etwa für das Anbieten der Einlösung beim Vorkaufsrecht. Um dem Notar in der Folge eine Beurkundung über die Geltendmachung oder Nichtgeltendmachung des Rechts zu ermöglichen, sei es erforderlich, dass die entsprechende Erklärung der Gegenpartei nur gegenüber dem die Bekanntmachung beurkundenden Notar erfolgen könne, weil er nur dann weiß, ob das Recht fristgerecht geltend gemacht wurde. Die Aufforderung müsse daher auch die Bedingung enthalten, dass eine wirksame Geltendmachung nur gegenüber dem Notar möglich sei. Mangels besonderer materiell‑rechtlicher Grundlagen könne dies allerdings derzeit nur dann Rechtsfolgen auslösen, wenn zwischen den Parteien eine diesbezügliche vertragliche Vereinbarung geschlossen worden sei. Der Notar habe in einem solchen Fall gemäß § 83 Abs 5 NO die Gegenpartei ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass ihre Erklärung (schriftlich oder mündlich) nur innerhalb der entsprechenden Frist und wirksam nur ihm gegenüber abgegeben werden könne und dies im fortgesetzten Protokoll festzuhalten (vgl auch Wagner/Knechtl, Notariatsordnung6, § 83 NO Rz 9). Nach § 84 Abs 1a NO hat der Notar, wenn er eine Erklärung mit einer Aufforderung nach § 83 Abs 5 NO bekanntgemacht hat, in der Beurkundung auch anzugeben, ob innerhalb der in der Erklärung angeführten Frist von der Gegenpartei eine Antwort eingelangt ist. Der wörtliche Inhalt der fristgerecht eingelangten Antwort sowie Jahr, Monat, Tag und erforderlichenfalls Stunde des Einlangens der Erklärung der Gegenpartei sind ebenfalls in die Beurkundung aufzunehmen.

[21] 3.6. Sowohl aus dem Gesetzeswortlaut des § 83 Abs 5 NO als auch dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung geht nach Auffassung des Senats eindeutig hervor, dass der Notar im Weg der Intimation nur eine solche Frist „setzen“ kann, die entweder der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung oder aber der diesbezüglichen dispositiven Rechtslage entspricht. (Nur) dazu ist er nach § 83 Abs 5 NO verpflichtet. Für das Setzen einer davon abweichenden „Erfüllungsfrist“ durch den Notar im Weg der Intimation – wovon das Rekursgericht auszugehen scheint – fehlt es hingegen an einer gesetzlichen Grundlage.

[22] 4.1 Das vom vertragserrichtenden Notar am 7. 9. 2020 verfasste Intimationsprotokoll entsprach daher sowohl in inhaltlicher als auch formeller Hinsicht zunächst den von der NO vorgegebenen Anforderungen. Dem Vorkaufsberechtigten wurde der konkrete Kaufvertrag betreffend den 1/6tel‑Anteil der Verkäuferin im Detail (durch Anschluss einer Kopie dieses Vertrags) kundgemacht und der Vorkaufsberechtigte aufgefordert, das ihm zustehende Vorkaufsrecht innerhalb der Frist von drei Monaten auszuüben. Bei dieser Frist, die von der gesetzlichen Vorgabe des § 1075 ABGB abweicht, orientierte sich der Notar zutreffend an dem in der Urkundensammlung aufliegenden Schenkungsvertrag vom 21. 12. 2015, in dem dem Vorkaufsberechtigten – unstrittig – diese Frist eingeräumt worden war. Auch die Fortsetzung des Intimationsprotokolls vom 4. 12. 2020 ist inhaltlich und formell unbedenklich, soweit sie bestätigt, dass der Vorkaufsberechtigte, dessen Identität der Notar sich nachweisen ließ, ihm erklärte das Vorkaufsrecht einzulösen. Der dort enthaltene Hinweis an den Vorkaufsberechtigten, neben der Erklärung müsse die Zahlung des Kaufpreises und der Nebengebühren oder die Übermittlung eines realen Zahlungsangebots innerhalb der Frist erfolgen, entspricht zwar grundsätzlich den in der Rechtsprechung zur „wirklichen Einlösung“ vertretenen Grundsätzen. Allerdings berücksichtigte der Notar dabei nicht, dass die Verkäuferin und der Vorkaufsberechtigte nicht nur eine abweichende Frist für die Einlösung des Vorkaufsrechts vereinbarten, sondern in dem im Grundbuch als Grundlage des Vorkaufsrechts ausdrücklich genannten Nachtrag zum Schenkungsvertrag Vereinbarungen zur „wirklichen Einlösung“ getroffen hatten, die vom gesetzlichen Konzept des § 1075 ABGB (und naturgemäß damit auch von der dazu entwickelten Rechtsprechung) abweichen. So hielten die Vertragsparteien etwa fest, dass der für die Einlösung zu leistende Preis durch einen einvernehmlich zu bestimmenden Schätzmann gemäß § 305 ABGB oder gemäß § 4GrEStG zu ermitteln sei und vom Dritten allenfalls angebotene Nebenbedingungen unmaßgeblich sein sollen. Dieser Nachtrag zum Schenkungsvertrag oder die darin abweichend zu § 1075 ABGB getroffenen Regelungen werden im Intimationsprotokoll aber gar nicht erwähnt. Dieses müsste aber in grundbuchsfähiger Form zweifelsfrei nachweisen, dass der Vorkaufsberechtigte das ihm konkret eingeräumte Recht nicht fristgerecht ausgeübt hat. Auch die Fortsetzung des Protokolls vom 9. 12. 2020 bestätigt (nur) den Nichterlag eines Betrags auf den Treuhandanderkonten und das Nichteinlangen einer Bankgarantie über die Zahlung des Kaufpreises und/oder der Nebengebühren. Zur Übermittlung eines realen Zahlungsangebots (abgesehen von einer Bankgarantie) oder eines – im Hinblick auf die besonderen Regelungen im Nachtrag zum Schenkungsvertrag allenfalls hier ausreichenden – verbalen Anbots enthält diese Fortsetzung des Protokolls hingegen ebensowenig eine Aussage wie zu den abweichenden Vereinbarungen im Nachtrag zum Schenkungsvertrag selbst.

[23] 4.2. Damit lässt sich aufgrund des Intimationsprotokolls nicht ohne jeglichen Zweifel sagen, ob der Vorkaufsberechtigte sein ihm konkret durch den Schenkungsvertrag mit der Verkäuferin und dessen Nachtrag eingeräumtes Vorkaufsrecht nicht allenfalls doch rechtzeitig ausgeübt haben könnte. Unter welchen Voraussetzungen im konkreten Fall von einer wirklichen Einlösung auszugehen sein soll, bedarf hier nämlich der Auslegung der vom dispositiven Recht in wesentlichen Punkten abweichenden Vereinbarungen zwischen der Verkäuferin und dem Vorkaufsberechtigten. Das Grundbuchsgericht dürfte das Ansuchen aber nur dann bewilligen, wenn auch bezüglich der materiell‑rechtlichen Frage keinerlei Zweifel bestehen (vgl RS0060878), was hier nicht der Fall ist. Damit wirkt das verbücherte Vorkaufsrecht aber wie ein vom Grundbuchsgericht amtswegig zu beachtendes Veräußerungsverbot, das ohne den – hier fehlenden – urkundlichen Nachweis der Zustimmung des Vorkaufsberechtigten oder der Nichtannahme des gehörigen Einlösungsangebots der Einverleibung des Eigentumsübergangs entgegensteht, weil solche Zweifelsfragen im Grundbuchsverfahren als reinem Urkundenverfahren nicht gelöst werden können (vgl RS0020201).

[24] 5. Damit war dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

[25] 6. Ein Kostenzuspruch findet im Grundbuchsverfahren nach ständiger Rechtsprechung des Fachsenats nicht statt (RS0035961). Die Revisionsrekurswerberin hat die Kosten ihres im Übrigen erfolglosen Rechtsmittels daher selbst zu tragen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte