OGH 17Os17/17d

OGH17Os17/17d19.3.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. März 2018 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann S***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 8. März 2017, GZ 10 Hv 29/15h‑168, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0170OS00017.17D.0319.000

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Punkten I/A und B, demgemäß auch im Strafausspruch, aufgehoben, und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Leoben verwiesen.

Im gegen die Punkte I/C und II gerichteten Umfang wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit ihren gegen den Strafausspruch gerichteten Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten gegen den Privatbeteiligtenzuspruch werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann S***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB (I) und des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall, „§ 313“ (vgl dazu RIS-Justiz RS0111831) StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er

I/ als Bürgermeister der Gemeinde F*****, mithin als Beamter, mit dem Vorsatz, „(teilweise) den Gemeinderat der Gemeinde F***** und die Steiermärkische Landesregierung in nachangeführten Rechten“ zu schädigen, seine Befugnis, im Namen der Gemeinde F***** als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, und zwar

A/ „den Gemeinderat der Gemeinde F***** in dem in § 43 Abs 1 Stmk. GemO“ (in der [auch im Folgenden jeweils zitierten] zur Tatzeit geltenden Fassung) „verankerten Recht auf Beratung und Beschlussfassung über aufzunehmende Darlehen und die Steiermärkische Landesregierung in ihrem in § 90 Abs 1 zweiter Fall und Abs 3 der Stmk. GemO verankerten Recht auf Genehmigung und gegebenenfalls Ablehnung der beabsichtigten Aufnahme von Darlehen“, nämlich

1/ am 15. September 2006, indem er der R***** den Auftrag erteilte, aus dem aufzunehmenden Abstattungskredit von zwei Millionen Euro einen Teil von 200.000 Euro auf das Konto der T***** GmbH zu überweisen, ohne dass er zuvor einen Beschluss des Gemeinderats noch eine Genehmigung der Steiermärkischen Landesregierung gemäß § 90 Abs 1 Stmk GemO einholte;

2/ am 12. Oktober 2006, indem er den Auftrag erteilte, aus dem zu Punkt 1 genannten Abstattungskreditvertrag, der am 21. September 2006 vom Gemeinderat genehmigt worden war, den Rest von 1.799.700,25 Euro auf das Konto der T***** GmbH zu überweisen, ohne zuvor die gemäß § 90 Abs 1 Stmk GemO notwendige Genehmigung der Aufsichtsbehörde einzuholen;

3/ am 12. Oktober 2007, indem er den Auftrag erteilte, den aus dem am 20. September 2007 vom Gemeinderat beschlossenen Abstattungskreditvertrag bei der R***** über eine Million Euro gegen Verpfändung eines Wertpapierdepots bei der S***** AG stammenden Betrag in dieser Höhe auf ein Konto der T***** GmbH zu überweisen, ohne die für die Aufnahme des Kredits gemäß § 90 Abs 1 Stmk GemO vorgeschriebene Zustimmung der Aufsichtsbehörde einzuholen;

B/ am 29. Juni und 22. Dezember 2009 „den Gemeinderat der Gemeinde F***** in dem in § 43 Abs 1 Stmk GemO verankerten Recht auf Beratung und Beschlussfassung über vorzunehmende, nicht in die laufende Verwaltung der Gemeinde fallende Zahlungen (§ 45 Abs 2 lit c GemO) sowie in dem in § 79 Abs 3 verankerten Recht auf Beratung und Beschlussfassung über im Voranschlag nicht vorgesehene und den Voranschlag überschreitende Ausgaben, und die Gemeinde F***** in ihrem in § 79 Abs 1 GemO verankerten Recht auf Bindung der für Auszahlungen befugten Gemeindeorgane an den Voranschlag“ dadurch, dass er Zahlungen über jeweils 302.727,27 Euro an die K***** AG und 200.000 Euro (am 29. Juni 2009) an die T***** GmbH als Darlehen vom Gemeindekonto ohne Herbeiführung eines Gemeinderatsbeschlusses anordnete;

C/ von 9. August 1999 bis Ende 2010 „den Gemeinderat der Gemeinde F***** in seinem in § 43 Abs 1 der Stmk GemO verankerten Recht auf Beratung und Beschlussfassung über die Gewährung von finanziellen Vorteilen für die beabsichtigte Betriebsansiedlung, die Gemeinde F***** in ihrem und der Abgabenpflichtigen der Gemeinde in den §§ 92 und 183 LAO normierten Rechten auf Erfassung und gleichmäßige Behandlung aller Abgabenpflichtigen, Verhinderung der unrechtmäßigen Verkürzung von Abgabeneinnahmen und Nachsicht bereits fälliger Abgabenschuldigkeiten ausschließlich auf Antrag des Abgabenpflichtigen durch den Gemeindevorstand (§ 44 Abs 1 lit c Stmk GemO) in begründeten Fällen in Bescheidform, wenn die Einhebung der Abgaben nach Lage des Falles unbillig wäre“, indem er mit den Vertretern der D***** GmbH & CoKG (kurz: D***** GmbH & CoKG) namens der Gemeinde F***** einen Vertrag aushandelte, nach dessen Inhalt die Gemeinde F***** der genannten GmbH & CoKG gestaffelt nach Jahren und Besucherzahl einen Nachlass auf die Lustbarkeitsabgabe im Ausmaß zwischen 100 und 55 % der gesetzlich anfallenden Abgabe – als „Wirtschaftsförderung“ ohne Überprüfung der Voraussetzungen für eine Abgabennachsicht – gewähren werde, diesen Vertrag dem Gemeindevorstand (entgegen § 43 Abs 1 Stmk GemO) zur Genehmigung vorlegen und darüber Beschluss fassen ließ und ihn auch selbst unterfertigte, wobei in der Folge von der D***** GmbH & CoKG aufgrund dieses Vertrags keine oder nur geringe Beträge an Lustbarkeitsabgabe eingehoben wurden und dadurch ein Schaden von mindestens 628.766,12 Euro entstand;

II/ von Anfang 2001 bis Anfang 2011 sowie am 30. März 2001, 6. Juni 2003, 28. Dezember 2006, 3. April 2008 und 28. Mai 2010 als Bürgermeister der Gemeinde F*****, „sohin als Beamter unter Ausnützung seiner ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit“, seine Befugnis (§ 45 Abs 1 Stmk GemO), über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, dadurch wissentlich missbraucht, dass er einerseits Arbeitskräfteüberlassungsverträge samt Nachträgen mit seinem Dienstgeber, den Ös***** (kurz: Ö*****) ohne Genehmigung durch den Gemeinderat unterfertigte, nach deren Inhalt die Ö***** den Angeklagten der Gemeinde F***** als Beschäftigten gegen Bezahlung von ihm für die Gemeinde erbrachter Leistungen überließ, und entsprechende Auszahlungen an die Ö***** anordnete, wodurch der Gemeinde ein 5.000 Euro übersteigender Schaden „im Ausmaß der den Bürgermeisterbezug (§ 6 Steiermärkisches Gemeinde-Bezügegesetz, kurz: Stmk GBezG) übersteigenden Aufwendungen“ von 183.204,09 Euro entstand.

Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5 sowie 9 lit a und b StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist teilweise im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Folgender Sachverhalt liegt den Schuldsprüchen im Wesentlichen zugrunde:

Die Gemeinde F***** errichtete die KW***** GmbH (kurz: KW*****) für die Wahrnehmung verschiedener nicht-öffentlicher Tätigkeitsbereiche der Gemeinde. 2003 gründete die KW***** eine – später in T***** GmbH (kurz: T*****-GmbH) umbenannte – Gesellschaft zum Zweck der Errichtung und des Betriebs einer Therme auf dem Gemeindegebiet. Der Angeklagte war von 21. Juni 2003 bis 22. Dezember 2009 Geschäftsführer dieser Gesellschaft. Nach dem Gesellschaftsvertrag hatte die Gemeinde einen Eigenmittelanteil von zwei Millionen Euro in die T*****-GmbH einzubringen, wofür sie einen Kredit in dieser Höhe bei der R***** aufnahm und als Sicherheit ein Wertpapierdepot verpfändete. Noch vor Beratung und Beschlussfassung des Gemeinderats über diese Kreditaufnahme und deren Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde erteilte der Angeklagte der R***** den Auftrag, 200.000 Euro vom neu eingerichteten Kreditkonto der Gemeinde (für welches er allein zeichnungsberechtigt war) auf ein Konto der T*****-GmbH zu überweisen (I/A/1).

Am 21. September 2006 beschloss der Gemeinderat der Gemeinde F***** die Aufnahme des zuvor bezeichneten Kredits und die Einbringung der Mittel in die T*****-GmbH. Der Rest aus diesem Kredit von 1.799.700,25 Euro wurde am 12. Oktober 2006 auf deren Konto überwiesen. Die Genehmigung durch die Steiermärkische Landesregierung wurde erst am 12. Juli 2007 erteilt (I/A/2).

Zur Finanzierung des Thermenprojekts bedurfte die T*****-GmbH weiterer finanzieller Mittel. Der Gemeinderat der Gemeinde F***** beschloss am 20. September 2007, zu diesem Zweck einen weiteren Kredit über eine Million Euro gegen Verpfändung des erwähnten Wertpapierdepots aufzunehmen und diese Summe der T*****-GmbH als Gesellschafterdarlehen zur Verfügung zu stellen. Die Überweisung des Kreditbetrags an diese Gesellschaft erfolgte am 18. Oktober 2007; zu diesem Zeitpunkt lag noch keine Genehmigung der Aufsichtsbehörde vor. Der Angeklagte unterließ es, vor der Kreditaufnahme einen Nachtragsvoranschlag (vgl § 78 Stmk GemO) zu erstellen und diesen dem Gemeinderat zur Beratung und Beschlussfassung vorzulegen (I/A/3).

Die Gemeinde F***** hatte (genehmigt durch Beschluss des Gemeinderats vom 19. Oktober 2006) eine Haftung in Form einer Garantieerklärung für die von der T*****-GmbH bei der K***** AG aufgenommene Annuitätenanleihe von 13,25 Millionen Euro übernommen. Die Abgabe der Garantieerklärung wurde von der Aufsichtsbehörde am 6. November 2006 genehmigt. Auf Grund von bereits Anfang 2009 auftretender finanzieller Schwierigkeiten konnte die T*****-GmbH die Rückzahlungsraten der Anleihe nicht zahlen. Am 29. Juni 2009 ordnete der Angeklagte an, die für das zweite Quartal 2009 fällige Rate von 302.727,27 Euro aus Gemeindemitteln zu begleichen und der T*****-GmbH weitere 200.000 Euro zu überweisen, damit diese laufende Lohn- und Gehaltskosten zahlen könne. In der Sitzung vom 24. September 2009 genehmigte der Gemeinderat sowohl diese Anordnungen nachträglich als auch die Begleichung der für das dritte Quartal fälligen Rate aus der Anleihe der T*****-GmbH. Der Angeklagte ordnete schließlich am 22. Dezember 2009 auch die Zahlung der für das vierte Quartal fälligen Rate von 302.727,27 Euro aus Gemeindemitteln an, was vom Gemeinderat erst am 7. Jänner 2010 nachträglich genehmigt wurde. Bei keiner der inkriminierten Überweisungen hatte der Gemeinderat zuvor einen Nachtragsvoranschlag beschlossen. Ebenso wenig lag jeweils ein Garantiefall im Sinn der zwischen der Gemeinde und der K***** AG abgeschlossenen Vereinbarung vor (I/B).

Nach der im Tatzeitraum geltenden Lustbarkeitsabgabeordnung der Gemeinde F***** fiel die Vorführung von Laufbildern unter die abgabepflichtigen Veranstaltungen (§ 2). Nach § 20 dieser Abgabeordnung konnte „zur Vermeidung außergewöhnlicher Härten“ vom Bürgermeister „in besonders gearteten Einzelfällen die Abgabe ermäßigt oder erlassen werden“. Über die Zuerkennung von Zuschüssen im Rahmen der Wirtschaftsförderung hatte nach Maßgabe der hiefür bestehenden Richtlinien der Gemeinde F***** (die einen Höchstförderbetrag von 21.801,85 Euro vorsahen) der Gemeinderat zu entscheiden (vgl § 43 Abs 1 Stmk GemO). 1999 verhandelte der Angeklagte mit DI Wolfgang D***** über die Errichtung eines Kinos im Einkaufszentrum „A*****“. Als Voraussetzung für die Betriebsansiedlung verlangte DI Wolfgang D*****, dass sein Unternehmen keine Lustbarkeitsabgabe für den Betrieb des Kinos entrichten müsse. Am 9. August 1999 beschloss der Gemeindevorstand entsprechend dem über Weisung des Angeklagten eingebrachten Antrag, der D***** GmbH & CoKG „für die ersten beiden Betriebsjahre einen 'Kulturförderungsbeitrag' in Höhe von 100 % der fällig zu stellenden Lustbarkeitsabgabe zu gewähren“ und für den Zeitraum danach „die Lustbarkeitsabgabe gestaffelt nach Besucherzahlen zu refundieren“. Die Gemeinde F***** „verzichtete“ ab Zustandekommen der Vereinbarung mit der D***** GmbH & CoKG bis zum Ende des Jahres 2010 „auf erhebliche Teile“ der Lustbarkeitsabgabe in der Höhe von zumindest 628.766,12 Euro. Demzufolge entrichtete die D***** GmbH & CoKG ab 2004 „kaum Lustbarkeitsabgabe bzw. lediglich in vernachlässigbarer Höhe“ (von 9.089,33 Euro). Der Gemeinderat wurde rechtswidrig (vgl § 43 Abs  1 Stmk GemO) nicht mit der Genehmigung der Vereinbarung mit der D***** GmbH & CoKG befasst. Weder im Voranschlag der Gemeinde noch im Rechnungsabschluss waren Ansätze über den „Erlass der Lustbarkeitsabgabe als Wirtschaftsförderung“ enthalten. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde F***** vom 30. September 2013 wurde der D***** GmbH & CoKG Lustbarkeitsabgabe für den Zeitraum 2007 bis 31. August 2013 samt Säumniszuschlag vorgeschrieben. Der dagegen gerichteten Berufung der Abgabenpflichtigen gab der Gemeinderat nicht Folge (I/C).

Neben seiner Tätigkeit als Bürgermeister der Gemeinde F***** stand der Angeklagte auch in einem Dienstverhältnis zur Ö*****. Die Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverhältnisse bei den Ö***** (AVB) sahen eine § 78a BDG vergleichbare Möglichkeit der Karenzierung vor. „Da der Angeklagte – seiner Ansicht nach – mit der Tätigkeit als Bürgermeister und später vor allem auch als Geschäftsführer der KW***** und der T*****-GmbH zeitlich völlig ausgelastet war und zur Vermeidung möglicher Nachteile im Zusammenhang mit Gehaltsvorrückungen und Pensionsansprüchen in seinem Beschäftigungsverhältnis zu den Ö*****“, überließ diese ihn – im nicht von der Karenzierung betroffenen Beschäftigungsausmaß – auf seinen Wunsch der Gemeinde F***** (teils auch der KW***** und der T*****-GmbH) als Arbeitskraft, wofür sie dieser die jeweiligen (Soll-)Arbeitsstunden verrechnete. Der Angeklagte unterfertigte mehrere Verträge mit derartigem Inhalt als Vertreter der Gemeinde F***** und ordnete Zahlungen derselben an die Ö***** in Erfüllung dieser Vereinbarungen an. Der (hiefür zuständige) Gemeinderat wurde mit der (nachträglichen) Genehmigung der zwischen der Gemeinde und den Ö***** geschlossenen Verträge erst am 28. Mai 2010 befasst. Am 15. Februar 2001 und am 17. August 2005 beschloss der Gemeinderat – unter Vorsitzführung des Angeklagten (vgl aber §§ 52 Abs 1 und 58 Abs 1 und 2 Stmk GemO) – teils für vergangene, teils für künftige Zeiträume „Abgeltungszahlungen an die Ö*****“ für „die Abgleichung von Arbeitsstunden des Bürgermeisters“ zu zahlen, ohne jedoch die vertragliche Grundlage (im Detail) zu kennen. Insgesamt zahlte die Gemeinde F***** den Ö***** aus diesem Grund 183.204,09 Euro. Von Mai 2002 bis Dezember 2005 stellten die Ö***** die Hälfte der für die Überlassung der Arbeitskraft des Angeklagten fälligen Beträge der KW*****, von Februar 2006 bis Dezember 2009 der T*****-GmbH in Rechnung. Diese Gesellschaften zahlten die Beträge jeweils direkt an die Ö*****. Die Gemeinde F***** und die T*****-GmbH schlossen am 29. November 2006 einen Vertrag, nach welchem der Angeklagte letzterer „für sämtliche Geschäftsführungs-, Vertretungs- und Verwaltungsagenden abgestellt“ werde, ohne dass die T*****-GmbH hiefür der Gemeinde F***** ein Entgelt zu leisten habe. Vielmehr habe „die Verrechnung direkt zwischen der T*****-GmbH und den Ö*****“ zu erfolgen.

Aufzeichnungen über die vom Angeklagten tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden wurden nicht geführt. Er erbrachte jedoch „alleine für die Gemeinde F***** keine über die übliche Tätigkeit eines Bürgermeisters einer Gemeinde vergleichbarer Größe hinausgehenden und damit nicht mit dem Bezug des Bürgermeisters nach § 6 Stmk GBezG abgegoltenen Leistungen“ (Punkt II).

Zur subjektiven Tatseite konstatierten die Tatrichter zu sämtlichen Schuldsprüchen Wissentlichkeit des Angeklagten hinsichtlich des jeweiligen Befugnismissbrauchs, zu Punkt I Schädigungsvorsatz in Bezug auf im Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) angeführten Rechte und zu Punkt II den Vorsatz, durch seinen Befugnismissbrauch einen Vermögensschaden der Gemeinde F***** im 5.000 Euro übersteigenden Ausmaß herbeizuführen.

Zutreffend zeigt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) auf, dass den Schuldsprüchen I/A/1 bis 3 und I/B durchwegs Handlungen und Unterlassungen des Beschwerdeführers im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung zugrunde liegen. Der Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt setzt aber Befugnisfehlgebrauch „in Vollziehung der Gesetze“, also im Rahmen der Hoheitsverwaltung, voraus (RIS-Justiz RS0105870). Hoheitsverwaltung liegt jedenfalls dann vor, wenn der Beamte typisch hoheitliche Rechtsformen (Verordnung, Bescheid, Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) gebraucht. Davon abgesehen sind Amtsgeschäfte (etwa tatsächliche Verrichtungen) der Hoheitsverwaltung zuzurechnen, wenn sie einen spezifischen Zusammenhang zu Hoheitsakten aufweisen (RIS-Justiz RS0130809; Raschauer , Allgemeines Verwaltungsrecht 5 Rz 684 ff; Grabenwarter/Holoubek , Verfassungsrecht – Allgemeines Verwaltungsrecht 3 Rz 736 ff, 953 f; zur ständigen Rechtsprechung des VfGH grundlegend VfSlg 3.262).

Der Betrieb einer Therme durch eine gemeindeeigene Gesellschaft gehört unzweifelhaft zur Privatwirtschaftsverwaltung (vgl schon die Feststellung zum privatwirtschaftlichen Unternehmensgegenstand der KW***** [der Muttergesellschaft der T*****-GmbH] auf US 6). Gleiches gilt für in diesem Zusammenhang erfolgte Kreditaufnahmen der Gemeinde und Darlehensgewährungen durch diese an die T*****-GmbH. Dass einzelne dieser Handlungen (nach dem Organisationsrecht der Gemeinde) der (vorherigen) Zustimmung des Gemeinderats oder der Aufsichtsbehörde bedurft hätten, und dem Beschwerdeführer Missachtung von Vorschriften des öffentlichen Rechts (der Stmk GemO) zur Last gelegt wird, ändert nichts an dieser Einordnung (RIS-Justiz RS0129612). Auch der vom Erstgericht offenbar missverstandenen (vgl US 72) Entscheidung 13 Os 96/92 ist übrigens nicht zu entnehmen, dass ein Bürgermeister, der Zahlungen anweist, jedenfalls „in Vollziehung der Gesetze“ tätig sei. Diese Entscheidung bezog sich nämlich auf Zahlungen der Gemeinde als Dienstbehörde, die also aus diesem Grund hoheitlich waren (zur Gewährung eines Darlehens durch die Gemeinde vgl hingegen RIS-Justiz RS0096763).

Zudem habe der Schädigungsvorsatz des Beschwerdeführers nach den Feststellungen durchwegs bloß das „Recht“ des Gemeinderats auf Beratung und Beschlussfassung und jenes der Aufsichtsbehörde auf Genehmigung erfasst (US 9, 10, 12 und 15 f), womit – nach ständiger Rechtsprechung unzureichend (RIS-Justiz RS0096270 [insbesondere T10, T12]) – der Sache nach lediglich das Recht „des Staates“ (der jeweiligen Gebietskörperschaft) auf Einhaltung jener Vorschriften (und nicht etwa ein von diesen verfolgter Regelungszweck) angesprochen wird, deren Verletzung den tatbildlichen Befugnisfehlgebrauch begründete.

Schon diese Rechtsfehler erfordern die Aufhebung der Punkte I/A/1 bis 3 und I/B des Schuldspruchs, demgemäß auch des Strafausspruchs bei der nichtöffentlichen Beratung. Da das Erstgericht allfällige Untreuestrafbarkeit des insoweit vorgeworfenen Verhaltens nicht geprüft, dazu auch keine (entgegenstehenden) Feststellungen getroffen hat, hatte eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst noch nicht einzutreten, sondern war mit Rückverweisung zu neuer Verhandlung und Entscheidung vorzugehen.

Bleibt anzumerken, dass der zu den Punkten I/A/2, I/A/3 und I/B (US 11, 12, 15, 73 f und 76)– freilich ohne sachverhaltsmäßige Klärung (vgl RIS-Justiz RS0119090) der Voraussetzungen nach § 78 Abs 1 Stmk GemO und ohne Auseinandersetzung mit dem Recht der Gemeinde auf Überprüfung der Gebarung durch den Gemeinderat (vgl erneut RIS-Justiz RS0096270 [T28]) – erhobene Vorwurf, der Angeklagte habe es jeweils unterlassen, dem Gemeinderat (auch) einen Nachtragsvoranschlag zur Beschlussfassung vorzulegen, nichts an der strafrechtlichen Beurteilung ändert.

Der Voranschlag entfaltet Bindungswirkung gegenüber den Gemeindeorganen in Bezug auf die Deckung von Ausgaben. Er entfaltet keine Außenwirkung (gegenüber Gemeindebürgern) und wird daher als Verwaltungsverordnung (nicht Rechtsverordnung) qualifiziert (17 Os 45/14t, EvBl 2015/109, 760 = JBl 2016, 341 [ Wessely ]; Hengstschläger , 12. Teil, Gemeindehaushaltsrecht Rz 1 bis 4 und 140 bis 145, in Pabel [Hrsg] Gemeinderecht; Neuhofer , Gemeinderecht 2 , 493). Verwaltungsverordnungen sind– jedenfalls unter dem Aspekt von § 302 Abs 1 StGB – (generellen) Weisungen gleichzuhalten (vgl Raschauer , Allgemeines Verwaltungsrecht 5 Rz 741 ff; Öhlinger/Eberhard , Verfassungsrecht 11 Rz 1005; Mayer/Muzak , B-VG 5 Art 139 I.1.; Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger , Bundesverfassungs-recht 11 Rz 594, 616, 1105). (Missbräuchliche) Weisungen, die sich im Außenverhältnis auf nicht-hoheitliches Verwalten beziehen, sind nicht dem Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt zu subsumieren (RIS-Justiz RS0131762). Der Nachtragsvoranschlag unterscheidet sich von der Genehmigung außer- oder überplanmäßiger Ausgaben durch Beschluss des Gemeinderats (§ 79 Abs 3 Stmk GemO) nicht in seiner Rechtswirkung, sondern nur durch besondere Publizitätserfordernisse seiner Erzeugung ( Hengstschläger , 12. Teil, Gemeindehaushaltsrecht Rz 98, in Pabel [Hrsg] Gemeinderecht). Hingegen stellt der jährliche Voranschlag die bindende Grundlage für die Verwaltung aller Einnahmen und Ausgaben – auch im Bereich der Hoheitsverwaltung – dar (§§ 75 und 79 Abs 1 Stmk GemO) und bildet solcherart den Anknüpfungspunkt für Verrichtungen im Rahmen der Gemeindebuchhaltung als tatbildliche Amtsgeschäfte (RIS‑Justiz RS0130017; vgl auch RS0097076). Unrichtige Verbuchung der inkriminierten Kreditaufnahmen durch die Gemeinde F***** und der Zahlungen an die T*****-GmbH stehen hier (anders als zu Punkt I/C) jedoch nicht in Rede (vgl im Übrigen § 13 Voranschlags- und RechnungsabschlussVO 1997).

Das gegen die Punkte I/C und II des Schuldspruchs erstattete Vorbringen ist hingegen nicht im Recht.

Ob der Gemeindevorstand für die Nachsicht von Gemeindeabgaben zuständig war (vgl § 44 Abs 1 lit c Stmk GemO [idF LGBl 1999/1]), betrifft eine im Zusammenhang mit dem Schuldspruch I/C relevante Rechtsfrage, die nicht Gegenstand von Feststellungen ist ( Ratz , WK-StPO § 288 Rz 19). Die dazu getroffenen Urteilsannahmen (US 19 f) sind daher einer Anfechtung mit Mängelrüge (Z 5) entzogen.

Der Kritik zum Schuldspruch II zuwider steht die Urteilsannahme, der Beschwerdeführer habe keine Aufzeichnungen über die von ihm tatsächlich für die Gemeinde F***** geleisteten Arbeitsstunden geführt, weshalb eine Kontrolle, ob die von ihm der Gemeinde in Rechnung gestellte Anzahl an monatlichen Arbeitsstunden nicht möglich sei, nicht in logischem Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zur Feststellung, er habe „keine über die übliche Tätigkeit eines Bürgermeisters einer Gemeinde vergleichbarer Größe hinausgehenden und damit nicht mit dem Bezug des Bürgermeisters nach § 6 Stmk GemeindebezügeG (GBezG) abgegoltenen Leistungen“ erbracht (US 21). Dass die Gründe für diese Konstatierung (insbesondere US 62 f), mit denen sich die Rüge argumentativ nicht auseinandersetzt (vgl RIS‑Justiz RS0119370), den Gesetzen logischen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprächen (vgl RIS‑Justiz RS0118317), wird (zu Recht) nicht behauptet.

Der Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch I/C, bei der Gewährung von Subventionen im Rahmen der „Wirtschaftsförderung“ handle es sich um eine Maßnahme der Privatwirtschaftsverwaltung, trifft zwar grundsätzlich zu (17 Os 45/14t, EvBl 2015/109, 760; 17 Os 14/16m), geht jedoch nicht von der Gesamtheit des Urteilssachverhalts aus (RIS-Justiz RS0099810). Nach diesem liegt dem Beschwerdeführer (auch) zur Last, es infolge der Vereinbarung mit der D*****-GmbH (jedoch ohne gesetzliche Grundlage [vgl VwGH 2003/17/0233; Raschauer , Allgemeines Verwaltungsrecht 5 Rz 1219 ff; Doralt/Ruppe/Ehrke-Rabel , Grundriss II 7 Rz 26 ff) unterlassen zu haben, die von dieser geschuldete Lustbarkeitsabgabe (hoheitlich) festzusetzen und einzuheben (US 19; vgl zur Zuständigkeit des Bürgermeisters für die Abgabeneinhebung vgl § 11 Stmk LustbarkeitsabgabenG und § 45 Abs 2 lit b Stmk GemO).

Das weitere Vorbringen der Rechtsrüge, im Sinn des § 20 der Lustbarkeitsabgabenordnung der Gemeinde F***** könne „die Erlassung einer Abgabe als Vermeidung außergewöhnlicher Härten in Form der gewährten Wirtschaftsförderung ausgelegt werden“, erschöpft sich in einer nicht methodengerecht aus dem – oben wiedergegebenen – Wortlaut der Bestimmung abgeleiteten Rechtsbehauptung (vgl auch § 183 Abs 1 Stmk LAO; zu den Voraussetzungen einer Abgabennachsicht nach [dem wortidenten] § 236 BAO vgl Ritz , BAO 6 § 236 Rz 1, 6, 10 und 13 mwN).

Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Rechtsrüge (der Sache nach Z 5 zweiter Fall [weil die Feststellung zur Höhe des durch unterbliebene Abgabenfestsetzung herbeigeführten Schadens bekämpft wird]) moniert, das Erstgericht habe eine von der Verteidigung vorgelegte Stellungnahme zu „finanzausgleichsrechtlichen Kompensationseffekten durch kommunale Steuereinnahmen“ (infolge Ansiedlung der D*****-GmbH in der Gemeinde F*****) nicht berücksichtigt, übersieht er, dass es sich bei derartigen Schlussfolgerungen einer Person mit besonderem Fachwissen, die nicht vom Gericht als Sachverständiger beigezogen wurde, um keine erörterungspflichtigen Beweisergebnisse handelt (RIS-Justiz RS0097540, RS0115646 [T10]). Zudem spricht das Beschwerdevorbringen keine subsumtionsrelevante Tatsache an, weil der ins Treffen geführte „Kompensationseffekt“ ohne Einfluss auf das Überschreiten der Qualifikationsgrenze des § 302 Abs 2 zweiter Fall StGB wäre.

Der weitere Einwand zum Schuldspruch I/C (Z 9 lit b), angesichts der konstatierten Beschlussfassung des Gemeindevorstands (US 18) sei von einer (rechtfertigenden) „Einwilligung des betroffenen Gemeindevorstands und somit des Verfügungsberechtigten“ auszugehen, entfernt sich zum einen vom Urteilssachverhalt, demzufolge der Gemeindevorstand nicht eine Abgabennachsicht, sondern (dafür nicht zuständig) eine Subvention an die D*****-GmbH beschlossen habe (US 18). Zum anderen bleibt unklar, weshalb sich aus der (organisatorischen) Zuständigkeit des Gemeindevorstands für die Nachsicht von Gemeindeabgaben (§ 44 Abs 1 lit c Stmk GemO [idF LGBl 1999/1]) dessen Befugnis zu einer solchen vor Fälligkeit der Abgabenschuldigkeiten und ohne Prüfung der in § 183 Abs 1 Stmk LAO normierten Voraussetzungen ergeben soll. Ebenso wenig wird dargelegt, warum dieses Organ Träger des durch das inkriminierte Verhalten verletzten Rechts auf Abgabeneinhebung schlechthin und „verfügungsberechtigt“ über das Gemeindevermögen sein soll (zu den Voraussetzungen rechtfertigender Einwilligung Fuchs AT I 9 16/16 und 26; Lewisch in WK 2 Nachbem zu § 3 Rz 222 f; vgl auch 17 Os 1/12v, EvBl 2012/136, 922 = JBl 2013, 193 [ Hinterhofer/Müller ]).

Das zum Schuldspruch II vorgetragene Argument, das Erstgericht habe die von § 6 Abs 2 Stmk GBezG (idF LGBl 1999/13) eingeräumte Möglichkeit des Gemeinderats, den Bezug des Bürgermeisters (einer Gemeinde bis zu 10.000 Einwohnern) durch Beschluss um 25 % zu erhöhen, wenn „auf Grund der besonderen Aufgabenstellung in wirtschaftlicher, kultureller, sozialer oder sonstiger Hinsicht eine erhöhte Arbeitsbelastung anfällt“, unberücksichtigt gelassen, entfernt sich ein weiteres Mal vom Urteilssachverhalt (RIS-Justiz RS0099810), demzufolge der Beschwerdeführer (nur) für die Gemeinde keine solche erhöhte Arbeitsleistung erbracht habe (US 21). Davon abgesehen fände die durch das inkriminierte Verhalten des Beschwerdeführers herbeigeführte Mehrbelastung der Gemeinde in einer – vom Gemeinderat gar nicht beschlossenen – Erhöhung des Bürgermeisterbezugs (im Sinn des § 6 Abs 2 Stmk GBezG), jedenfalls in einem § 153 Abs 3 erster Fall StGB übersteigenden Ausmaß, nicht Deckung.

Weshalb – nach den Urteilsannahmen (vgl US 22 f iVm US 64 f) ohne ausreichende Sachverhaltskenntnis und großteils erst nachträglich gefasste – Beschlüsse des Gemeinderats über „Abgeltungszahlungen“ der Gemeinde „an die Ö*****“ (gemeint offenbar [vgl RIS‑Justiz RS0130392]) tatbestandsausschließende Wirkung haben sollten, legt die weitere Rüge nicht dar (vgl RIS-Justiz RS0094784, RS0094764; Kirchbacher in WK 2 StGB § 153 Rz 43).

Mit dem Argument, aus verschiedenen – im Urteil ohnehin erörterten (US 64) – Zeugenaussagen ergebe sich, dass der Beschwerdeführer „zahlreiche Leistungen erbracht hat, die im Sinne der Gemeinde waren“, wird bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung bekämpft.

Im gegen die Punkte I/C und II des Schuldspruchs gerichteten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zurückzuweisen.

Mit ihren Berufungen gegen den Strafausspruch waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf die aufhebende Entscheidung zu verweisen.

Über die Berufung gegen den Privatbeteiligtenzuspruch hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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