BVwG L510 2144522-1

BVwGL510 2144522-118.11.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:L510.2144522.1.00

 

Spruch:

L510 2144522-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.12.2016, Zl: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.10.2019, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 Abs. 1 Z. 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, §§ 52 Abs. 2 Z. 2 u. Abs. 9, 46, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

1. Die beschwerdeführende Partei (bP) stellte nach nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 27.06.2015 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei ihrer Erstbefragung am 27.06.2019 gab die bP zum Fluchtgrund an, dass es im Irak für sie zwei Probleme gebe. Erstens wegen dem Krieg und dem IS. Sie gehöre zu den Sunniten. Aufgrund ihres Namens könne sie jederzeit erschossen werden.

Die niederschriftliche Einvernahme beim BFA am 23.11.2015 gestaltete sich im Wesentlichen folgend:

"...

LA: Sie sind völlig gesund, ist das richtig?

AW: Ja.

...

LA: Hat sich seit der Erstbefragung an den Gründen Ihrer Flucht aus dem Irak etwas

geändert?

AW: Es hat sich nichts geändert.

LA: Sie wurden vom Bundesamt angeschrieben dass Sie Dokumente vorlegen sollen.

Insbesondere Dokumente, die Ihre Identität bezeugen. Haben sie solche Dokumente.

AW: Der AW legt vor: Kursbestätigung VHS A1/2

Kursbestätigung VHS 2/1

Zertifikat VHS A1

LA: Sie gaben an, nicht verheiratet zu sein. Es gibt also keine traditionelle Ehe und keine

registrierte staatliche Ehe? Stimmt das?

AW: Ja.

LA: Haben Sie eigenen Kinder, Adoptivkinder und Obsorge Verpflichtungen?

AW: Nein.

LA: Haben Sie eine gesetzliche Vertretung von Personen im Irak übernommen?

AW: Nein.

LA: Gibt es mittlerweile weitere Angehörige in Österreich oder im Raum der EU?

AW: Der Cousin von meinem Vater in Finnland. Zwei Cousins in Deutschland.

LA: Haben Sie Kontakt zu Ihren Eltern, Geschwistern oder anderen Angehörigen oder

Freunden im Irak?

AW: Ich kommuniziere mit meinen Eltern täglich über das Internet, sowie kommuniziere

ich mit meiner Schwester gelegentlich. Mit den Freunden kommuniziere ich auch,

jedoch selten.

LA: Leben noch Verwandte im Irak, wenn ja wo?

AW: Meine Eltern in Bagdad, meine Schwester lebt in Bagdad/ XXXX . Meine

Großeltern leben in XXXX (zwischen Bagdad und Karch).

LA: Sie gaben an, dass Sie und Ihre Familie aus dem Irak stammen. Wie leben Sie dort?

Gibt es ein eigenes Haus, Grundstücke, eine Landwirtschaft?

AW: Mein Vater besitzt ein Haus in Bagdad/ Azameya

LA: Wie lange haben Sie im Irak gelebt?

AW: Seit meiner Geburt.

LA: Geht es Ihrer Familie gut bzw. werden sie bedroht?

AW: Meine Familie wird nicht bedroht, jedoch leben sie aufgrund der allgemeinen Lage im

Irak nicht in Sicherheit.

LA: Woher stammen die Eltern, welche Provinz, welcher Distrikt?

AW: Beide aus Bagdad.

LA: Sie gaben an eine Schule besucht zu haben. Stimmt das?

AW: 12 Jahre Schule in Bagdad.

LA: Sie können demnach schreiben und lesen?

AW: Ja.

LA: Sie verstehen und sprechen schon etwas Deutsch (Ohne Übersetzung)?

AW: Können Sie mir einen Satz auf Deutsch sagen: Ich gehe zweimal in der Woche

Schule und das ist sehr wenig.

Wann sind Sie gestern Schlafen gegangen: In der Nacht.

LA: Haben Sie im Irak gearbeitet? Haben Sie eine berufliche Ausbildung, was haben Sie

bisher alles gearbeitet?

AW: Ich habe eine Ausbildung als Elektriker für drei Jahre gemacht mit Abschluss. Ich

habe im Irak nicht gearbeitet ich war ein Schüler.

LA: Wie viel haben Sie im Monat verdient?

AW: Ich wurde durch meinen Vater erhalten, ich habe meinem Vater gelegentlich im

Geschäft geholfen.

LA: Wie viel haben Sie im Monat zum Leben gebraucht?

AW: Ich weiß es nicht wie viel ich Monat gebraucht habe, am Tag waren es ca. 25 €.

LA: Den Alltag im Irak konnten Sie und die Familie soweit ohne weitere Probleme

bestreiten?

AW: Ja.

LA: Wann genau hatten Sie das erste Mal daran gedacht, dass Sie den Irak verlassen

müssen?

AW: August 2014, an diesem Datum habe ich den Irak verlassen.

LA: Warum haben Sie den Irak verlassen, erzählen Sie mir Ihre Fluchtgeschichte die Ihre

Person betrifft, warum Sie nicht mehr in den Irak zurück können?

AW: Beginn der freien Erzählung:

Im Juni 2014 musste ich meine berufliche Praxis in einem anderen Stadtteil von

Bagdad machen ( XXXX ), dieser Stadtteil wurde von den schiitischen Milizen

kontrolliert. Es gab viele Straßenkontrollen von dem staatlichen Militär und den

Milizen. Ich hatte einen gefälschten Ausweis mit dem Namen Amar und einen

anderen Familiennamen, damit ich bei den Kontrollen keine Probleme hatte. Zu

diesem Zeitpunkt wurden Menschen getötet wenn sie einen sunnitischen Namen

hatten. Bei einer Kontrolle wurde mein Ausweis genau überprüft und der

kommandierende Offizier hat mir gesagt, dass mein Ausweis nicht registriert ist. Es

sagte mir ich könnte dafür eine Strafe von zwei Jahren Gefängnis bekommen. Er hat

mir gesagt, dass er auch versteht, dass ich mich schützen will. Ich konnte passieren

und der Ausweis verblieb bei den Beamten. Seit diesem Zeitpunkt hatte ich Angst,

mich in Bagdad zu bewegen. Es war für mich nur in Azameya sicher. Das ist der

Grund warum ich den Irak verlassen habe.

Ende der freien Erzählung:

Anmerkung:

Der AW möchte festhalten: Im Jahre 2007, als ich auf dem Nachhauseweg von der

Moschee war, wurde ich von uniformierten Personen angehalten. Es waren Milizen,

welche Polizeiuniformen trugen. Ich wurde aufgefordert meinen Ausweis

vorzuweisen, wegen meines sunnitischen Namens Omar wurde ich festgenommen.

Ich wurde drei Tage festgehalten, ich wurde gefoltert. Ich habe davon noch eine

Narbe auf meiner rechten Hand. Es wurde von meinem Vater Lösegeld verlangt.

Mein Vater hat ca. 4800 $ gezahlt. Ich wurde daraufhin freigelassen. Ich war zu

diesem Zeitpunkt 14 - 15 Jahre alt, sowie gaben es zu diesem Zeitpunkt noch wenige

Konflikte zwischen den Parteien und den Milizen. Nachgefragt gebe ich an, dass ich

nicht zu einer Polizisten gebracht wurde, ich wurde zu einem Platz gebracht wo Leute

gefoltert werden, deshalb wusste ich, dass es Milizen waren. Ich wurde freigelassen

und wurde auf einem Markt ausgesetzt.

LA: Wurde dieser Vorfall bei der Polizei angezeigt, wen nein warum nicht?

AW: Nein es wurde nicht angezeigt, weil es nutzlos ist.

LA. Dieser Vorfall war aber nicht der fluchtauslösende Grund, weshalb Sie den Irak

verlassen haben?

AW: Ja, aber ich war von diesem Zeitpunkt überzeugt, dass ich den Irak verlassen muss.

LA: Sie haben gewusst, dass Sie den Irak verlassen müssen und sind sieben Jahre

danach ausgereist?

AW: Zu diesem Zeitpunkt (2007) war es noch zum Aushalten und die Lage war noch nicht

so schlimm wie jetzt. Eine Woche nach diesem Vorfall erhielten meine Eltern einen

Drohbrief, dass wir das Haus in Al-Shaeb verlassen mussten. Zu diesem Zeitpunkt

lebten wir bei den Großeltern.

LA: Wo befindet sich Ihr Reisepass?

AW: Bei dem Schlepper in der Türkei.

LA: Bekanntlich gibt es sehr viele freiwillige Rückkehrentscheidungen, wobei viele Ihrer

Landsleute in den Irak zurückkehren, wieso sollte dies bei Ihnen nicht funktionieren

wenn es bei anderen Irakern auch funktioniert?

AW: Für mich ist eine Rückkehr in den Irak gefährlich, die Iraker welche freiwillig

zurückkehren sind vermutlich Schiiten, diese sind nicht Verfolgt wie ich.

LA: Sie haben nichts von einer Verfolgung erzählt?

AW: Ich fühle mich als Sunnit verfolgt, es war und gab keine persönliche Verfolgung und

Bedrohung meiner Person, jedoch wenn ich meinen richtigen Ausweis mit meinem

sunnitischen Ausweis vorweise, werde ich sicher umgebracht oder entführt werden.

LA: Kann es sein, dass Sie aus rein wirtschaftlichen Gründen aus den Irak geflohen sind,

bzw. Sie sich hier in Österreich ein besseres Leben erhoffen?

AW: Nein.

LA: Schildern Sie mir bitte die konkrete Fluchtroute mit Nennung der verwendeten

Verkehrsmittel von ihrer Heimat bis nach Österreich.

AW: Im August 2014 flog ich mit dem Flugzeug von Bagdad nach Istanbul wo. Weiter nach

Izmir wo ich neun Monate verblieb, ich wollte die Lage im Irak abwarten, wenn sich

die Lage verbessert hätte wäre ich in den Irak zurückgekehrt. Weiter nach Farmakos

weiter nach Linos und mit dem Schiff nach Athen wo ich 13 Tage verblieb. Weiter

nach Saloniki, schlepperunterstützt weiter nach Mazedonien, Serbien/ Belgrad wo ich

acht Tage verblieb, weiter nach Ungarn und mit einem Kleintransporter bis nach

Österreich.

LA: Warum wählten sie ausgerechnet Österreich dazu aus, um Asyl zu beantragen?

AW: Ich blieb in Österreich, weil es das erste Land nach Ungarn war.

LA: Sie hätten doch in Griechenland oder in der Türkei bleiben können, da wären Sie

doch auch in Sicherheit?

AW: Ich kann in beiden Ländern kein Asyl beantragen.

LA: Was würde passieren wenn Sie in den Irak zurückkehren?

AW: Ich kann nicht zurück, überall sind die schiitischen Milizen, sie regieren auch mit den

Staatsbehörden. Die irakischen Behörden können uns, als Sunniten keine Sicherheit

geben.

LA: Sie machten sehr detaillierte Angaben zu Ihrer Reise nach Österreich. Sind diese

Angaben soweit richtig, wollen Sie da etwas berichtigen?

AW: Ich habe alles gesagt.

LA: Wie ist Ihre Religionszugehörigkeit und welcher Volksgruppe gehören Sie an?

AW: Ich bin Sunnit, arabische Volksgruppe, Moslem.

LA: Ich bin mit den Fragen zu den Fluchtgründen soweit fertig. Wollen Sie dazu noch

etwas sagen? Haben Sie alle Ihre Gründe geltend gemacht? Hatten Sie genug Zeit

und Möglichkeit, alle Ihre Gründe geltend zu machen?

AW: Ja, alles gesagt.

LA: Haben Sie nun alle Ihre Gründe genannt, dass Sie nicht zurück in den Irak können?

AW: Ja.

LA: Sie leben in einer betreuten Unterkunft der Grundversorgung. Stimmt das?

AW: Wir wohnen in Salzburg/ XXXX .

LA: Haben Sie außerhalb der Betreuungsstelle bereits soziale Kontakte zur

österreichischen Gesellschaft?

AW: Ich kenne Leute vom Fitnesscenter.

LA: Betätigen Sie sich bei karitativen Organisationen oder anderen Vereinen?

AW: Nein.

LA: Haben Sie in Österreich schon einmal Probleme mit Behörden, Polizei, Gericht oder

anderen Institutionen gehabt?

AW: Nein.

LA: Wurden Sie schon einmal strafgerichtlich verfolgt bzw. verurteilt? Hatten Sie

Probleme mit Verwaltungsbehörden aufgrund schwerer Verwaltungsstraftaten?

AW: Nein.

LA: Haben Sie sich jemals im oder außerhalb vom Irak politisch betätigt, gehören Sie

irgendeiner politischen Organisation oder Partei an?

AW: Nein.

LA: Gab es jemals eine konkrete Verfolgung Ihrer Person alleine aufgrund Ihrer

Volksgruppenzugehörigkeit?

AW: Nein.

LA: Haben Sie versucht in einem andern Landesstrich im Irak unter zu kommen und neu

Fuß zu fassen?

AW: Nein, habe ich nicht.

LA: Gab es jemals eine Verfolgung Ihrer Person alleine aufgrund Ihrer

Religionszugehörigkeit?

AW: Ja, weil ich Sunnit bin, wegen meinem sunnitischen Namen, immer wenn ich

angehalten und kontrolliert wurde, wurde ich beschimpft. Nachgefragt gebe ich an,

dass ich wegen meines Namens verfolgt werde.

LA: Sie sind nach wie vor gläubiger Moslem?

AW: Ja, ich bete vier Mal pro Tag.

LA: Sunnitische Glaubensrichtung?

AW: Ja.

LA: Haben oder hatten Sie jemals irgendwelche Schwierigkeiten/Probleme mit irakischen

oder internationalen Behörden (Polizei, Gericht etc.)?

AW: Nein.

LA: Haben oder hatten Sie jemals irgendwelche Probleme - außer den genannten - mit

privaten Personen, Personengruppen, Banden, kriminellen Organisationen?

AW: Nein.

LA: Gibt es außer den genannten Problemen und Befürchtungen sonst noch

irgendwelche Sie betreffende Schwierigkeiten, die noch nicht zur Sprache gekommen

sind?

AW: Nein.

LA: Die Verständigung mit dem Dolmetscher war immer gut?

AW: Ja.

LA: Möchten Sie zu den von Ihnen im Zuge der Befragung gemachten Angaben,

insbesondere zu ihrer Person, Ihrem Reiseweg oder betreffend vorhandener

Dokumente, Fluchtgrund etwas berichtigen, ergänzen oder hinzufügen? Sie werden

nochmals darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben die Grundlage für die

Entscheidung im Asylverfahren sind und dass hervorkommende Widersprüche,

Abweichungen von bereits getätigten Angaben oder sonstige

Tatsachenabweichungen ihre Glaubwürdigkeit maßgeblich beeinflussen.

AW: Nein, ich habe alles gesagt.

LA: Ich beende somit die Einvernahme. Wollen Sie noch ergänzende Angaben machen,

die noch nicht zur Sprache gekommen sind und ihrer Ansicht nach für das Verfahren

wesentlich sein könnten?

AW: Nein.

Verfahrensleitende Verfügung:

Ihnen werden nun mit "A" bezeichnete und mit Quellenangaben versehene landeskundliche

Feststellungen zum Staat Irak ausgehändigt. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl

beabsichtigt diese Unterlagen zur Entscheidungsfindung in Ihrem Asylverfahren

heranzuziehen. Es steht Ihnen frei dazu binnen zwei Woche ohne Setzung einer Nachfrist

eine Stellungnahme abzugeben.

Zum Umstand, dass Sie in deutscher Sprache zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert

wurden, wird auf Folgendes hingewiesen:

§ 39a AVG regelt nur den mündlichen Verkehr mit der Behörde, begründet aber keinen

Anspruch auf die Verwendung einer fremden Sprache im Schriftverkehr mit den Beteiligten;

insbesondere ist die Beifügung einer Übersetzung eines Schriftstückes nicht vorgesehen

(Ringhofer I, 367; VwGH 11.1.1989, Zl 88/01/0187; 1.2.1989, Zl. 88/01/0330). Aufgrund der

Verweisungsnorm des § 23 AsylG gilt dies auch im Asylverfahren.

LA: Wollen Sie diese landeskundliche Feststellungen ausgehändigt haben?

AW: Nein, ich möchte das nicht LIB haben.

Anmerkung: Die obigen Angaben werden dem Antragsteller rückübersetzt.

Nach erfolgter Rückübersetzung

LA: Wurde alles aufgeschrieben und richtig protokolliert was Sie mündlich angegeben

haben? Sollte das nicht der Fall sein, so können Sie jetzt noch weitere Angaben

tätigen, Sie können auch sonst noch Aussagen treffen, die Sie Ihrer Meinung nach in

der Entscheidung des Bundesasylamtes berücksichtigt haben wollen. Erläuternd darf

dazu angemerkt werden, dass Sie in weiterer Folge in diesem Verfahren keine neuen

Sachverhalte mehr vorbringen können, diese würden nicht mehr berücksichtigt

werden. Weiter wird festgehalten, dass die Verständigung in Arabisch problemlos

war, Sie alles verstanden haben und auch alles so schildern konnten, wie Sie wollten.

AW: Ja.

LA: Wollen Sie eine Kopie der Niederschrift?

AW: Ja.

..."

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom BFA gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.).

Gem. § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.).

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.).

Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Mit Verfahrensanordnung vom selben Tag wurde der bP ein Rechtsberater von Amts wegen zur Seite gestellt.

Das BFA gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ein relevantes, die öffentlichen Interessen übersteigendes, Privat- und Familienleben würde nicht vorliegen.

2. Gegen den genannten Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Im Wesentlichen wurde das Ermittlungsverfahren des BFA moniert und wurden allgemeine Darlegungen in Bezug auf eine mangelnde Beweiswürdigung getätigt. Es wurden diverse Länderberichte aus dem Jahr 2016 zitiert, wonach Sunniten von schiitischen Milizen verfolgt werden würden bzw. Sunniten mit dem Namen Omar an Kontrollstellen Probleme haben würden. Es wurden Ausführungen zur innerstaatlichen Fluchtalternative getätigt. Es sei das Verbot der näheren Befragung zu den Fluchtgründen bei der Erstbefragung außer Acht gelassen worden. Das BFA hätte aufgrund der Länderfeststellungen zum Schluss kommen müssen, dass die bP einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sei und sie keine innerstaatliche Fluchtalternative habe. Hätte das BFA seine Ermittlungspflicht wahrgenommen, hätte subsidiärer Schutz erteilt werden müssen. Die Rückkehrentscheidung hätte auf Dauer für unzulässig erklärt werden müssen. Es hätte eine Aufenthaltsberechtigung (plus) erteilt werden müssen. Es wurde der Antrag gestellt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

3. Der Verfahrensakt wurde aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 20.10.2017 der GA L510 neu zugewiesen.

4. Am 25.10.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der bP sowie im Beisein ihres bevollmächtigten Vertreters eine Verhandlung durch. Das BFA nahm an der Verhandlung teil.

Mit der Ladung wurde die bP auch umfassend auf ihre Mitwirkungsverpflichtung im Beschwerdeverfahren hingewiesen und sie zudem auch konkret aufgefordert, insbesondere ihre persönlichen Fluchtgründe und sonstigen Rückkehrbefürchtungen durch geeignete Unterlagen bzw. Bescheinigungsmittel glaubhaft zu machen, wobei eine demonstrative Aufzählung von grundsätzlich als geeignet erscheinenden Unterlagen erfolgte.

Zugleich mit der Ladung wurden der bP ergänzend Berichte zur aktuellen Lage im Irak übermittelt bzw. namhaft gemacht, welche das Verwaltungsgericht in die Entscheidung ergänzend miteinbezieht. Eine Stellungnahmefrist wurde dazu eingeräumt. Eine solche schriftliche Stellungnahme wurde nicht abgegeben. In der Verhandlung wurde durch die bP auf die derzeitigen Demonstrationen im Irak hingewiesen, welche sich gegen Korruption und Misswirtschaft richten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Die Identität der bP steht fest. Sie führt den im Spruch genannten Namen und das dort angeführte Geburtsdatum.

Die bP ist Staatsangehöriger des Irak, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist muslimisch sunnitischen Glaubens.

Die bP stammt aus Bagdad. In Bagdad leben ihre Eltern in einem eigenen Haus. Ihre Schwester ist verheiratet und wohnt ebenfalls in Bagdad, jedoch in einem eigenen Haus. Die Mutter der bP war Lehrerin und erhält jetzt eine Pension. Ihr Vater arbeitet noch in seinem Geschäft, in welchem er XXXX verkauft. Vor der Ausreise hat die bP ihrem Vater in seinem Geschäft geholfen. Sie machte auch eine Ausbildung als Elektriker. Die bP hat über das Internet Kontakt mit ihrer Familie, welcher es grundsätzlich gut geht.

Die bP reiste damals legal mit ihrem Reisepass aus Bagdad aus. Sie hatte keine Probleme bei der Ausreise. Ihr Reiseziel war Finnland, jedoch wurde sie in Österreich von der Polizei aufgegriffen, weshalb sie einen Asylantrag in Österreich stellte.

In Österreich lebte die bP seit ihrer Einreise bis September 2019 von der Grundversorgung. Nunmehr übt sie eine Tätigkeit in einer Tankstelle an der Kassa aus. Seit einem Jahr hat sie eine Freundin, mit welcher sie seit eineinhalb Monaten gemeinsam wohnt. Eine gegenseitige Abhängigkeit besteht nicht. Die bP geht mit ihrer Freundin und deren Freunden aus, ansonsten trainiert sie in einem Fitnessstudio. Sie kann sich sehr gut in deutscher Sprache verständigen. Sie ist gesund und arbeitsfähig.

1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:

Die von der bP vorgebrachten Fluchtgründe werden den Feststellungen nicht zugrunde gelegt.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, konkret ihre Herkunftsregion Bagdad, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer glaubhaften, asylrelevanten Verfolgungsgefahr oder einer realen Gefahr von Leib und/oder Leben ausgesetzt wäre.

1.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Im Juni 2014 startete der sog. Islamische Staat Irak (IS) oder Da'esh, einen erfolgreichen Angriff auf Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak. Der IS übernahm daraufhin die Kontrolle über andere Gebiete des Irak, einschließlich großer Teile der Provinzen Anbar, Salah al-Din, Diyala und Kirkuk. Im Dezember 2017 erklärte Premierminister Haider al-Abadi den endgültigen Sieg über den IS, nachdem die irakischen Streitkräfte die letzten Gebiete, die noch immer an der Grenze zu Syrien unter ihrer Kontrolle standen, zurückerobert hatten. Der IS führt weiterhin kleine Angriffe vorwiegend auf Regierungstruppen und Sicherheitspersonal an Straßenkontrollpunkten aus.

Am 25. September 2017 hat die kurdische Regionalregierung (KRG) ein unverbindliches Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Region im Irak sowie über umstrittene Gebiete, die unter Kontrolle der KRG stehen, abgehalten. Das Referendum wurde für verfassungswidrig erklärt.

Bei den nationalen Wahlen im Mai 2018 gewann keine Partei die Mehrheit, obwohl die meisten Stimmen und Sitze an die Partei des schiitischen Klerikers Muqtada al-Sadr gingen, ein ehemaliger Anti-US-Milizenführer.

Genaue, aktuelle offizielle demographische Daten sind nicht verfügbar. Die letzte Volkszählung wurde 1987 durchgeführt. Das US-Außenministerium schätzt die Bevölkerung im Irak auf rund 39 Millionen. Araber (75 Prozent) und Kurden (15 Prozent) bilden die beiden wichtigsten ethnischen Gruppen. Andere Ethnien sind Turkmenen, Assyrer, Yazidis, Shabak, Beduinen, Roma und Palästinenser.

97 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Schiiten machen 55 bis 60 Prozent der Bevölkerung aus und umfassen Araber, Shabak und Faili-Kurden. Der Rest der Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Sunniten, einschließlich der sunnitischen Araber, die schätzungsweise 24 Prozent der Gesamtbevölkerung des Irak ausmachen. Die meisten Kurden sind auch Sunniten und machen etwa 15 Prozent der nationalen Bevölkerung aus.

Die schiitischen Gemeinden leben in den meisten Gebieten des Irak, konzentrieren sich jedoch im Süden und Osten. Die Mehrheit der Bevölkerung von Bagdad sind Schiiten, insbesondere Vororte wie Sadr City, Abu Dashir und Al Dora. Sunniten leben hauptsächlich im Westen, Norden und im Zentralirak. Die Anzahl der in Bagdad als gemischt betrachteten Gebiete nimmt ab. In einigen Bezirken Bagdads gibt es immer noch bedeutende sunnitische Gemeinden, darunter Abu Ghraib. Die Bezirke A'adamia, Rusafa, Za'farania, Dora und Rasheed haben kleinere Gebiete sunnitischer Gemeinschaften. Gemischte sunnitische-schiitische Gemeinden leben in den Bezirken Rusafa und Karada, kleinere gemischte Gemeinden auch in den Bezirken Doura, Rasheed, Karkh, Mansour und Kadhimiya.

Die irakische Verfassung garantiert grundlegende Menschenrechte einschließlich Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit, Privatsphäre und Unabhängigkeit der Justiz. Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität, der Herkunft, der Hautfarbe, der Religion, der Meinung, des wirtschaftlichen oder sozialen Status.

Die Verfassung macht den Islam zur offiziellen Religion des Staates. Es garantiert die Glaubens- und Religionsfreiheit für alle Personen, einschließlich Christen, Yazidis und Sabäer-Mandäer.

Auf der Scharia beruhende Regelungen verbieten zwar eine Konversion vom islamischen Glauben, doch ist keine Strafverfolgung hierfür bekannt.

Nach irakischem Recht wird ein Kind unter 18 Jahren automatisch zum Islam konvertiert, wenn auch einer seiner nicht-muslimischen Eltern konvertiert ist.

Nach der Absetzung von Saddam Hussein und der (von Sunniten dominierten) Ba'ath-Partei aus der Regierung fühlten sich viele Sunniten ausgegrenzt.

Das US-Außenministerium und internationale Menschenrechtsgruppen berichten von regierungsnahen Streitkräften, die sunnitische Männer anzugreifen versuchen, die aus IS-kontrollierten Gebieten fliehen und verhindern, dass Sunniten die von der Regierung kontrollierten Gebiete verlassen. Außerhalb der vom IS kontrollierten Gebiete wurden Sunniten in der Form belästigt und diskriminiert, dass sie bei Kontrollpunkten in aufdringlicher Weise kontrolliert wurden und Dienste minderer Qualität in sunnitischen Gebieten bereitgestellt werden.

Sunniten sind außerhalb von Gebieten, die kürzlich vom IS kontrolliert wurden, aufgrund ihrer Religion einem geringen Risiko gesellschaftlicher Gewalt ausgesetzt. In Gebieten, in denen sie eine Minderheit sind, sind Sunniten einem mäßigen Risiko von Diskriminierung durch die Behörden und der Gesellschaft ausgesetzt. Das Risiko der Diskriminierung variiert je nach lokalem Einfluss und Verbindungen (Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 09.10.2018).

Im Irak ging die Zahl der Sicherheitsvorfälle (zB Schießereien, IED's, Angriffe auf Checkpoints, Entführungen, Selbstmordattentate, Autobomben) von Jänner bis Dezember 2018 um etwa 60% zurück. Zu Beginn des Jahres waren es 224 Vorfälle. Im März gab es einen Anstieg der Vorfälle, die sich vor allem in Anbar, Diyala, Kirkuk und Salahaddin ereigneten. Im April sanken sie auf 139. Von Juni bis Oktober gab es Schwankungen, beginnend in Diyala und Kirkuk, danach in Ninewa und schließlich in Anbar, Bagdad, Kirkuk und Ninewa. Seit dem Rückzug des sog. Islamischen Staates gab es in den letzten beiden Monaten des Jahres die wenigsten Vorfälle, die jemals im Land verzeichnet wurden.

Auch Bagdad, das früher ein Hauptangriffsziel war, entwickelte sich zu einem Nebenschauplatz. Im Jänner gab es 71 Vorfälle. Diese Zahl sank kontinuierlich und lag bei 13 Vorfällen im Juni. Danach erfolgte wieder ein Anstieg und es gab im September 47 Vorfälle. Seither kam es wieder zu einem Rückgang und 13 Vorfällen im November 2018. Bei fast allen Angriffen handelte es sich um kleinere Vorfälle wie Schießereien und IED's. Die meisten Vorfälle ereigneten sich auch in Städten im äußern Norden (Joel Wing, Musings on Iraq, 15.01.2019).

Nach einer Zusammenstellung von ACCORD auf Basis von ACLED (Armed Conflict Location & Event Data Project) gehen im Berichtszeitraum September 2016 bis September 2018 die Konfliktvorfälle mit Todesopfern kontinuierlich zurück. In diesem Zeitraum ereigneten sich die meisten Vorfälle mit Todesopfern in Salah ad-Din, gefolgt von Diyala, At-Tamim (Kirkuk) und Al-Anbar. Die meisten Todesopfer gab es in Salah ad-Din und Al-Anbar, gefolgt von At-Tamim (Kirkuk) und Diyala. In Al-Anbar wurden 80 Vorfälle mit 308 Toten erfasst, in Al-Basra 84 Vorfälle mit 42 Toten. In At-Ta'mim (Kirkuk) gab es 115 Vorfälle mit 251 Toten, in Bagdad wurden 58 Vorfälle mit 38 Toten erfasst. In Diyala wurden 136 Vorfälle mit 220 Toten, in Ninawa 65 Vorfälle mit 184 Toten und in Sala ad-Din 114 Vorfälle mit 308 Toten verzeichnet (ACCORD Irak, 3. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), aktualisierte 2. Version vom 20.12. 2018).

In der ersten Juliwoche 2019 wurden 20 Vorfälle registriert. In der Provinz Diyala passierten die meisten Vorfälle, nämlich acht. In der Provinz Bagdad gab es zwei sicherheitsrelevante Vorfälle (Musings on Iraq, 09.07.2019).

In der zweiten Juliwoche 2019 wurden 13 Vorfälle registriert. In Bagdad gab es vier Vorfälle, bei denen drei Personen getötet wurden (Musings on Iraq, 17.07.2019)

Die meisten der Schutzmauern, die in den letzten zehn Jahren errichtet wurden, um öffentliche und private Gebäude zu sichern, wurden abgerissen. Stattdessen finden sich dort jetzt Parks und Grünflächen. Im Zuge der Veränderungen wurde in Bagdad auch das erste Frauencafé eröffnet. Dort können sich Frauen ohne Begleitung von Männern treffen und ihre Kopftücher und die lange Abaya ablegen, die auf den Straßen so verbreitet sind.

Im Café "La Femme" werden Wasserpfeifen angeboten und von einer Frau zubereitet. Es werden alkoholfreie Champagnercocktails, Softgetränke und Snacks serviert. Bisher haben sich noch keine Männer in dieses weibliche Heiligtum gewagt - obwohl sich das Café in einem Hochhaus zusammen mit anderen Restaurants, einer Sporthalle für Männer und nur einem Aufzug befindet. Der Kundenkreis von Adel-Abid umfasst vor allem Frauen aus der Mittel- und Oberschicht. Für ihre jungen Kundinnen organisiert sie reine Frauenfeste zu Geburtstagen, Verlobungen und Abschlussfeiern. Die ältere Generation trinkt lieber Kaffee und hört den alten irakischen Sängern zu, die auf der Musikanlage bevorzugt gespielt werden.

Frauen können jetzt Unternehmen führen. Da der "Islamische Staat" verdrängt und die gegenwärtige politische Stabilität zu spüren ist, fordern irakische Frauen immer mehr ihren Anteil am öffentlichen Raum der Stadt. In Mansour, dem Stadtviertel, in dem sich "La Femme" befindet, sind die meisten Cafés und Restaurants heute gemischt, und auch Frauen rauchen dort Wasserpfeife.

Der frische Wind des Wandels hat auch das Straßenbild verändert. Frauen kleiden sich wieder bunter, anstatt sich hinter schwarzen Schleiern zu verstecken. Die Entwicklung geht so weit, dass junge Frauen sich immer seltener ein Kopftuch umbinden.

Ehen zwischen Sunniten und Schiiten erleben ein Comeback im Irak; unter den Jugendlichen in Bagdad sind sie sogar zum neuen Standard geworden. So wie bei Merry al-Khafaji, die kürzlich Mustafa al-Ani geheiratet hat. Gemeinsam sitzen die beiden Mittzwanziger bei einer Wasserpfeife in einem beliebten Bagdader Garten, sie trägt ihr dunkles Haar offen und ein grünes T-Shirt mit Jeans. Traditionell wählen Eltern die Partner ihrer Kinder, aber Merry al-Khafaji und Mustafa al-Ani lernten sich in dem Telekommunikationsunternehmen kennen, für das sie beide arbeiten. Mittlerweile entwickeln sich immer mehr Liebesbeziehungen bei der Arbeit, im Studium oder in Workshops.

Auch soziale Medien haben eine starke Wirkung. Sie eröffnen jungen Menschen einen neuen Weg, neue Freunde in der konservativen irakischen Gesellschaft zu finden (Die neuen Freiheiten von Bagdad, qantara.de 01.07.2019).

Mitglieder rivalisierender irakischer Motorrad-Clubs, die in Leder mit Nieten und schwarzen Baskenmützen gekleidet waren, tanzten Breakdance und ließen mit ihren tätowierten Armen Neon-Leuchtstäbe kreisen. Der Tanzkreis des Mongols Motorcycle Club war einer von mehreren bei der 'Riot Gear Summer Rush', einer Automobilshow samt Konzert in einem Sportstadion im Herzen von Bagdad. Die Szene hatte etwas ganz anderes als jene Bilder, die üblicherweise aus der Stadt der Gewalt und des Chaos ausgestrahlt wurden. Aber fast zwei Jahre, nachdem der Irak den islamischen Staat besiegte, hat die Hauptstadt ihr Image stillschweigend verändert. Seit die Explosionsschutzwände - ein Merkmal der Hauptstadt seit der US-geführten Invasion im Jahr 2003, bei der Saddam Hussein gestürzt wurde - gefallen sind, hat sich eine weniger restriktive Lebensweise etabliert. "Wir haben diese Party veranstaltet, damit die Leute sehen können, dass der Irak auch über diese Art von Kultur verfügt und dass diese Menschen das Leben und die Musik lieben", sagte Arshad Haybat, ein 30-jähriger Filmregisseur, der die Riot Gear Events Company gründete. Riot Gear hat bereits zuvor ähnliche Partys im Irak veranstaltet, aber dies war die erste, die für die Öffentlichkeit zugänglich war. Der Tag begann damit, dass junge Männer importierte Musclecars und Motorräder vorführten. Bei Einbruch der Dunkelheit wurde die Show zu einer lebhaften Veranstaltung für elektronische Tanzmusik (EDM). Das irakische Hip-Hop-Kollektiv "Tribe of Monsters" spielte eine Mischung aus EDM- und Trap-Musik, während junge Männer Verdampfer in ihren Händen hielten und neben Blitzlichter und Rauchmaschinen tanzten, während sie ihre Bewegungen live auf Snapchat und Instagram übertrugen. Es war eine berauschende Mischung aus Bagdads aufkeimenden Subkulturen: Biker, Gamer und EDM-Enthusiasten. Was die meisten gemeinsam hatten, war, dass sie im Irak noch nie einer solchen Veranstaltung beigewohnt hatten. Obwohl von jungen Männern dominiert, nahmen auch viele Frauen an der Veranstaltung teil. Einige von ihnen tanzten in der Nähe der Hauptbühne. Die Veranstalter stellten jedoch sicher, dass eine "Familiensektion" zur Verfügung stand, damit Frauen, Familien und Liebespaare auch abseits der wilden Menschenmenge tanzen konnten (Tanzpartys kehren nach Bagdad zurück, mena-watch, 22.08.2019).

Die Zahl der Binnenvertriebenen (IDP's) wird seit April 2014 aufgezeichnet, jene der Rückkehrer seit April 2015. Seit Juni 2017 sinkt die Zahl der IDPs kontinuierlich. Zum 30.04.2019 wurden ca. 1,67 Millionen IDPs (277.518 Familien), verteilt auf 18 Gouvernements und 106 Distrikte identifiziert. Die Zahl der Rückkehrer steigt seit April 2015 kontinuierlich an. Die Zahl der Rückkehrer betrug zum 30.04.2019 4,27 Millionen (711.147 Familien) in 8 Gouvernements und 38 Distrikten. Im Zeitraum März und April 2019 gab es 54.900 Rückkehrer. Die meisten kehrten nach Ninewa (19.110 Personen), Salah al-Din (18.750) und Anbar (9.264) zurück. Die Zahl der IDPs geht langsam zurück. Im März und April 2019 wurde ein Rückgang von 79.872 IDPs verzeichnet, davon die meisten in Ninewa (-45.360, -8 %), Salah al-Din (-11.238, -9 %) und Bagdad (-5.418, -8 %).

Nahezu alle Familien (95%, 4.048.206 Personen) kehrten an ihren vor der Vertreibung gewöhnlichen Wohnsitz zurück, der sich in einem guten Zustand befand. Zwei Prozent (74.124) leben in anderen privaten Einrichtungen (gemietete Häuser, Hotels, Gastfamilien). Drei Prozent der Rückkehrer (144.552) leben in kritischen Unterkünften (informelle Siedlungen, religiöse Gebäude, Schulen, unfertige, aufgegebene oder zerstörte Gebäude).

Die drei Distrikte mit den meisten in kritischen Unterkünften lebenden Familien sind Mossul (29.982), Tikrit (12.714) und Khanaqin (11.016). Die Gründe für die konstanten Rückkehrraten sind die verbesserte Sicherheitslage, die Bereitstellung von Dienstleistungen sowie der Wiederaufbau der Häuser in den Herkunftsorten (Displacement Tracking Matrix, Round 109, April 2019).

Anfang Oktober 2019 kam es in zahlreichen Städten und Provinzen im Irak zu Demonstrationen, die sich gegen Korruption und Misswirtschaft richten. Die Proteste gingen nicht von einer bestimmten politischen Gruppe aus. Die zumeist jungen Demonstranten wiesen jede politische Vereinnahmung von sich. Angesichts der gewaltsamen Proteste versucht die irakische Regierung, die Protestierenden mit einem sozialen Maßnahmenpaket zu beruhigen. Unter anderem sollen im ganzen Land 100.000 neue Wohnungen gebaut werden, wie Ministerpräsident Adil Abd al-Mahdi nach einer Sitzung des Kabinetts am 06.10.2019 sagte. Zudem sollen 150.000 arbeitslose Irakerinnen und Iraker in Weiterbildungsprogrammen gefördert werden (Über hundert Menschen sterben bei Protesten gegen die Regierung Zeit.de, 06.10.2019).

Ende Oktober 2019 kam es erneut zu Protesten, wobei acht Menschen in Bagdad starben, als Sicherheitskräfte mit Tränengas gegen Demonstranten in der Nähe des Regierungsviertels vorgingen. In Bagdad hatten am 25.10.2019 Tausende Demonstranten versucht, in die besonders geschützte Grüne Zone zu gelangen. Dort liegen viele der Regierungsgebäude und Botschaften. Die Lage hatte sich am folgenden Tag zunächst beruhigt. Auf dem zentralen Tahrir-Platz errichteten jedoch Hunderte Demonstrierende Zelte, um weiter zu protestieren (42 Tote bei erneuten regierungskritischen Protesten, Zeit.de, 25.10.2019).

In Bezug auf den Namen Omar:

Gemäß Al-Monitor, einer US-amerikanischen Website mit Sitz in Washington, DC, die sich auf Berichte und Analysen zum Thema Naher Osten spezialisiert, ist das Problem von konfessionell konnotierten Namen im Irak nicht neu. Das Phänomen der Namensänderungen aufgrund von Verfolgung und Angst von Sunniten hat sich jedoch seit den Eroberungen des IS in 2014, vor allem der Stadt Mosul und der Vertreibungen, die ihnen folgten, weit verbreitet. Das gegenwärtige "Spiel der Namen" ist offensichtlich ein Resultat des konfessionellen und politischen Konflikts, der seit der US-amerikanischen Invasion des Landes in 2003 eskaliert hat.

Al-Monitor (17.6.2015): From Omar to Hussain: Why Iraqis are changing their names,

http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2015/06/iraq-sectarian-killing-name-changing.html , Zugriff 21.8.2017

Der jüngste Bericht des UK Home Office vom Juni 2017 berichtet unter Bezugnahme auf eine Quelle vom 29.04.2015 (Finnish Immigration Service, 'Security Situation in Baghdad - the Shia militias', 29 April 2015, pp. 16-17,

http://www.migri.fi/download/61225_Security_Situation_in_Baghdad_-_The_Shia_Militias_29.4.2015.pdf?01abe06266acd288 , accessed 26 July 2016 ) dazu:

"Allerdings ist es schwer zu wissen, ob eine Person sunnitisch oder schiitisch ist, einfach auf der Grundlage ihres Namens. Im Irak gibt es Sunniten namens Ali und Hussein und Schia namens Omar, obwohl einige Quellen darauf hindeuten, dass auch weltliche Schia-Eltern ihre Kinder Omar, Abu Bakri, Othman oder Aisha nicht nennen würden. Traditionelle Namen wie Omar, Abu Bakr und Yazid sind sunnitische Namen, während Ali, Hassan und Hussein Shia Namen sind. Mohammed und Fatima sind bei Sunniten und Schiiten beliebt. Omar scheint einer der Namen zu sein, die Schwierigkeiten für Sunniten verursacht.

"Es gab bereits Probleme mit dem Namen Omar während des Bürgerkriegs im Jahr 2006. Im Juli 2006 fand die Polizei 14 junge Männer in Bagdad tot. Sie waren alle Sunniten, die in den Kopf geschossen worden waren. Alle hatten den gleichen Vornamen, Omar. Mittlerweile haben Schiiten Berichten zufolge Probleme in den Händen von sunnitischen militanten Gruppen wie ISIS aufgrund ihrer Namen erlebt.

"In diesen Tagen kann es für die Eltern leichter sein, ihrem neugeborenen Kind einen neutralen Namen zu geben, der nicht klar sunnitisch oder schiitisch ist. In Angst vor Konflikten geben einige irakische Eltern ihren Kindern Namen, die keine besondere religiöse Orientierung widerspiegeln. Neutrale Namen sind Muhammed, Abdullah und Mariam. Die Namen Ali und Hussein können als ziemlich neutral betrachtet werden, da sie bei Sunniten und Schiiten beliebt sind. Die Namen Zina, Raneen, Atasi und Safad sind sehr säkular und zeigen daher nicht direkt die religiöse Orientierung einer Person an

Aus der Berichtslage lässt sich zwar entnehmen, dass es in Bezug auf Personen mit dem Vornamen Omar Problemlagen geben kann. Dass dadurch jedoch nicht generell jede Person mit diesem Vornamen einer realen Gefährdung von Leib und/oder Leben ausgesetzt ist, ergibt alleine die Schilderung der bP. Auch fällt bei der Berichtslage über mögliche Probleme auf, dass diese im Wesentlichen im Jahr 2015 endet. Aktuelle, nach dem Jahr 2019 stammende Berichte über derartige Probleme konnten amtswegig nicht gefunden werden.

Dass dies etwa daraus resultieren würde, weil keine Personen mit dem Vornamen Omar mehr im Irak leben würden, entspricht auch nicht der Realität, wie sich etwa leicht alleine aus Google-Recherchen ergibt. Lediglich bespielhaft sei etwa der lange im Irak tätige Schriftsteller Omar al-Jaffal erwähnt oder ein von UNHCR am 03.05.2017 im Internet (abrufbar auf youtube.com) unter dem Titel "Omar the big man in Mosul" veröffentlichtes Video, in dem UNHCR über ein zehnjähriges Kind mit dem Vornamen Omar berichtet, welches mit seiner Mutter und zwei Brüdern nach der Befreiung von Mosul wieder dorthin zurückkehrte. Nachdem der Vater vermisst werde, sei Omar nun quasi das Familienoberhaupt. In diesem Beitrag von UNHCR finden sich keinerlei Anmerkungen von UNHCR auf eine Gefährdungslage für Omar durch Milizen oder andere Akteure auf Grund seines Vornamens.

Aus einem Interview mit der deutschen Journalistin S. vom 04.10.2018, welche seit etwa 15 Jahren in Bagdad lebt, ergibt sich eine gewisse Liberalisierung und Tendenz der vorherrschenden jungen Bevölkerung in Bagdad, die auch dahingeht, die Trennung von Schiiten und Sunniten verschwimmen zu lassen und sich in einem Trend und offensichtlich weitgehender Tolerierung von Ehen zwischen Sunniten und Schiiten zeigt.

2. Beweiswürdigung

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der bP, der von ihr vorgelegten Beweismittel, des bekämpften Bescheides, des Beschwerdeschriftsatzes, durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG und die Einsichtnahme in die vom Bundesverwaltungsgericht beigeschafften länderkundlichen aktuelle Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat der bP, welche der Rechtsvertretung wie bereits ausgeführt übermittelt wurden.

2.1 Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich der bP ergeben sich aus ihren in diesem Punkt einheitlichen, im Wesentlichen widerspruchsfreien, Angaben, sowie ihrem im Verfahren vorgelegten Staatsbürgerschaftsnachweis und ihrem Personalausweis. Von den Deutschkenntnissen konnte sich das BVwG im Rahmen der Verhandlung überzeugen. Zudem erfolgte Einsichtnahme in das ZMR, das IZF, den SA, das GVS und wurden durch die bP in der Verhandlung eine Gewerbeanmeldung und ein Nachunternehmervertrag vorgelegt.

2.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:

Im Verfahren ergaben sich erhebliche Widersprüche im Vorbringend der bP.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA legte sie dar, dass sie im Juni 2014 ihre berufliche Praxis in einem anderen Stadtteil habe machen müssen ( XXXX ). Es habe Straßenkontrollen vom Militär und den Milizen gegeben. Sie habe einen gefälschten Ausweis verwendet um keine Probleme bei den Kontrollen zu haben. Zu diesem Zeitpunkt seien Menschen getötet worden, weil sie einen sunnitischen Namen gehabt hätten. Ihr Ausweis sei genau kontrolliert worden und habe ihr ein Offizier gesagt, dass dieser nicht registriert sei. Der Offizier habe ihr gesagt, dass er verstehe, dass sie sich schützen wolle. Sie habe passieren können, jedoch sei der Ausweis bei den Beamten geblieben. Seither habe sie Angst gehabt sich in Bagdad zu bewegen. Dies sei der Grund, warum sie den Irak verlassen habe.

Weiter führte die bP an, dass sie im Jahr 2007, als sie auf dem Nachhauseweg von der Moschee gewesen sei, von uniformierten Personen angehalten worden sei. Es seien Milizen gewesen, welche Polizeiuniformen getragen hätten. Sie sei aufgefordert worden ihren Ausweis vorzuweisen, wegen ihres sunnitischen Namens Omar sei sie festgenommen worden. Sie sei drei Tage festgehalten und gefoltert worden. Sie habe davon noch eine Narbe auf ihrer rechten Hand. Es sei von ihrem Vater Lösegeld verlangt worden. Ihr Vater habe ca. 4800 $ gezahlt. Sie sei daraufhin freigelassen worden. Sie sei zu einem Platz gebracht worden, wo Leute gefoltert würden, deshalb habe sie gewusst, dass es Milizen gewesen seien. Sie sei frei gelassen worden und auf dem Markt ausgesetzt worden. Dieser Vorfall sei nicht angezeigt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Lage noch auszuhalten gewesen. Eine Woche nach diesem Vorfall hätten ihre Eltern einen Drohbrief erhalten, dass sie das Haus verlassen müssten. Zu diesem Zeitpunkt hätten sie noch bei den Großeltern gelebt.

An anderer Stelle der Einvernahme legte die bP demgegenüber dar, dass sie zwar persönlich nicht verfolgt oder bedroht worden sei, jedoch fühle sie sich als Sunnit verfolgt. Sie würde wegen ihres sunnitischen Namens sicher umgebracht werden.

In der Verhandlung vor dem BVwG wurde die bP nochmals aufgefordert, sämtliche Fluchtgründe zu nennen. Sie legte dar, dass viele Sunniten getötet worden seien, weil sie den Namen Omar gehabt hätten. Sie habe deshalb einen gefälschten Ausweis verwendet. Mit diesem habe sie die Uni besuchen können, jedoch sei sie manchmal gedemütigt oder geschlagen worden, weil sie aus dem Ort Al Azamiya stammte, wo vorwiegend Sunniten wohnhaft seien.

Auch habe es Anschläge und Repressalien gegen Sunniten gegeben.

In Bezug auf die Namensführung Omar wurden der bP in der Verhandlung nachfolgende Feststellungen übersetzt. Diese wurden auch von der Rechtsvertretung und der Behördenvertretung eingesehen:

Gemäß Al-Monitor, einer US-amerikanischen Website mit Sitz in Washington, DC, die sich auf Berichte und Analysen zum Thema Naher Osten spezialisiert, ist das Problem von konfessionell konnotierten Namen im Irak nicht neu. Das Phänomen der Namensänderungen aufgrund von Verfolgung und Angst von Sunniten hat sich jedoch seit den Eroberungen des IS in 2014, vor allem der Stadt Mosul und der Vertreibungen, die ihnen folgten, weit verbreitet. Das gegenwärtige "Spiel der Namen" ist offensichtlich ein Resultat des konfessionellen und politischen Konflikts, der seit der US-amerikanischen Invasion des Landes in 2003 eskaliert hat.

Al-Monitor (17.6.2015): From Omar to Hussain: Why Iraqis are changing their names,

http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2015/06/iraq-sectarian-killing-name-changing.html , Zugriff 21.8.2017

Der jüngste Bericht des UK Home Office vom Juni 2017 berichtet unter Bezugnahme auf eine Quelle vom 29.04.2015 (Finnish Immigration Service, 'Security Situation in Baghdad - the Shia militias', 29 April 2015, pp. 16-17,

http://www.migri.fi/download/61225_Security_Situation_in_Baghdad_-_The_Shia_Militias_29.4.2015.pdf?01abe06266acd288 , accessed 26 July 2016 ) dazu:

"Allerdings ist es schwer zu wissen, ob eine Person sunnitisch oder schiitisch ist, einfach auf der Grundlage ihres Namens. Im Irak gibt es Sunniten namens Ali und Hussein und Schia namens Omar, obwohl einige Quellen darauf hindeuten, dass auch weltliche Schia-Eltern ihre Kinder Omar, Abu Bakri, Othman oder Aisha nicht nennen würden. Traditionelle Namen wie Omar, Abu Bakr und Yazid sind sunnitische Namen, während Ali, Hassan und Hussein Shia Namen sind. Mohammed und Fatima sind bei Sunniten und Schiiten beliebt. Omar scheint einer der Namen zu sein, die Schwierigkeiten für Sunniten verursacht.

"Es gab bereits Probleme mit dem Namen Omar während des Bürgerkriegs im Jahr 2006. Im Juli 2006 fand die Polizei 14 junge Männer in Bagdad tot. Sie waren alle Sunniten, die in den Kopf geschossen worden waren. Alle hatten den gleichen Vornamen, Omar. Mittlerweile haben Schiiten Berichten zufolge Probleme in den Händen von sunnitischen militanten Gruppen wie ISIS aufgrund ihrer Namen erlebt.

"In diesen Tagen kann es für die Eltern leichter sein, ihrem neugeborenen Kind einen neutralen Namen zu geben, der nicht klar sunnitisch oder schiitisch ist. In Angst vor Konflikten geben einige irakische Eltern ihren Kindern Namen, die keine besondere religiöse Orientierung widerspiegeln. Neutrale Namen sind Muhammed, Abdullah und Mariam. Die Namen Ali und Hussein können als ziemlich neutral betrachtet werden, da sie bei Sunniten und Schiiten beliebt sind. Die Namen Zina, Raneen, Atasi und Safad sind sehr säkular und zeigen daher nicht direkt die religiöse Orientierung einer Person an

Aus der Berichtslage lässt sich zwar entnehmen, dass es in Bezug auf Personen mit dem Vornamen Omar Problemlagen geben kann. Dass dadurch jedoch nicht generell jede Person mit diesem Vornamen einer realen Gefährdung von Leib und/oder Leben ausgesetzt ist, ergibt alleine die Schilderung der bP. Auch fällt bei der Berichtslage über mögliche Probleme auf, dass diese im Wesentlichen im Jahr 2015 endet. Aktuelle, nach dem Jahr 2019 stammende Berichte über derartige Probleme konnten amtswegig nicht gefunden werden.

Dass dies etwa daraus resultieren würde, weil keine Personen mit dem Vornamen Omar mehr im Irak leben würden, entspricht auch nicht der Realität, wie sich etwa leicht alleine aus Google-Recherchen ergibt. Lediglich bespielhaft sei etwa der lange im Irak tätige Schriftsteller Omar al-Jaffal erwähnt oder ein von UNHCR am 03.05.2017 im Internet (abrufbar auf youtube.com) unter dem Titel "Omar the big man in Mosul" veröffentlichtes Video, in dem UNHCR über ein zehnjähriges Kind mit dem Vornamen Omar berichtet, welches mit seiner Mutter und zwei Brüdern nach der Befreiung von Mosul wieder dorthin zurückkehrte. Nachdem der Vater vermisst werde, sei Omar nun quasi das Familienoberhaupt. In diesem Beitrag von UNHCR finden sich keinerlei Anmerkungen von UNHCR auf eine Gefährdungslage für Omar durch Milizen oder andere Akteure auf Grund seines Vornamens.

Aus einem Interview mit der deutschen Journalistin S. vom 04.10.2018, welche seit etwa 15 Jahren in Bagdad lebt, ergibt sich eine gewisse Liberalisierung und Tendenz der vorherrschenden jungen Bevölkerung in Bagdad, die auch dahingeht, die Trennung von Schiiten und Sunniten verschwimmen zu lassen und sich in einem Trend und offensichtlich weitgehender Tolerierung von Ehen zwischen Sunniten und Schiiten zeigt.

Der bP wurde die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Sie legte dar, dass es typische sunnitische Namen im Irak wie Omar, Othman, Yazid gebe und es auch typische schiitische Namen wie Ali und Hussein gebe. Die Leute würden einen nicht nur wegen des Namens kennen, sondern auch wegen dem Gesicht. Es gebe verschiedene Dialekte.

Auf die Frage, was aktuell gegen eine Rückkehr in den Irak spreche, gab die bP zu Protokoll, dass sie nicht zurückkönne, weil momentan so viele Demonstrationen stattfinden würden. Diese Demos hätten von 01.10.2019 bis 12.10.2019 stattgefunden. Es sei keine Sicherheit im Irak vorhanden und es gebe wenig Arbeit. Die Landwirtschaft sei schwach und die allgemeinen Umstände seien schlecht. Falls sie zurückkehren müsste, dann würde sie auch bei Demos teilnehmen und es könnte sein, dass sie dabei verletzt oder sogar getötet würde. Die Armee gehe gegen die Demonstranten vor, bei der Armee handle es sich um Iraner und Iraker, die vom Iran unterstütz würden. Während den Demos im Oktober hätten sie direkt auf die Demonstranten geschossen. Heute gebe es im Irak einen großen Aufstand gegen die Regierung.

Seitens des BVwG ist resümierend festzustellen, dass die bP in Kernpunkten ihres Fluchtvorbringens völlig widersprüchliche Angaben tätigte und im Verfahren ihr Vorbringen teils sehr drastisch darlegte, bis hin zu Folterungen, während sie an anderer Stelle wiederum ausführte, dass sie persönlich nicht bedroht oder verfolgt worden sei.

So führte sie ursprünglich vor dem BFA unter anderem aus, dass sie einmal wegen ihres sunnitischen Namens Omar durch Milizen festgenommen worden sei. Sie sei drei Tage lang festgehalten und gefoltert worden. Nachdem ihr Vater Lösegeld bezahlt habe, sei sie auf einem Marktplatz ausgesetzt worden.

Vor dem BVwG erwähnte die bP einen derartigen Vorfall überhaupt nicht, obwohl sie aufgefordert wurde, alle Erlebnisse darzulegen, weshalb sie den Irak verlassen habe.

Auch vor dem BFA führte die bP an anderer Stelle der Niederschrift aus, dass sie selbst nie persönlich bedroht oder verfolgt worden sei.

Vor dem BFA äußerte die bP, dass sie einen Ausweis mit einem gefälschten Namen verwendet habe, da zu diesem Zeitpunkt Menschen mit sunnitischen Namen getötet worden seien.

Vor dem BVwG gab die bP zu Protokoll, dass es Schwierigkeiten bei den Checkpoints gegeben habe. Sie sei manchmal gedemütigt oder auch geschlagen worden, weil sie aus dem Ort Al Azamiya stammte, wo vorwiegend Sunniten wohnen würden.

Zuvor äußerte sich die bP nie dahingehend, dass sie wegen ihrer Wohnadresse Probleme gehabt habe. Sie berief sich nur auf ihren Namen. Zudem sprach die bP auch nie davon, bei den Checkpoints geschlagen worden zu sein, sondern lediglich davon, dass ihr der gefälschte Ausweis abgenommen worden sei. Sie brachte somit dieses Vorbringen erstmals in der Verhandlung vor.

Auch entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkannt werden, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleichbleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (vgl. zB. VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

Insgesamt war die bP ist deshalb persönlich als nicht glaubwürdig zu würdigen. Das Fluchtvorbringen war somit unglaubhaft und nicht geeignet, der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt zu werden.

2.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Die Länderfeststellungen basieren auf mannigfaltigen Quellen, denen keine Voreingenommenheit unterstellt werden kann. Die bP ist diesen nicht konkret und substantiiert entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Nichtzuerkennung des Status als Asylberechtigter

1. § 3 AsylG

(1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.

(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern, ob eine vernunftbegabte Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen aus Konventionsgründen wohlbegründete Furcht erleiden würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Dies trifft auch nur dann zu, wenn die Verfolgung von der Staatsgewalt im gesamten Staatsgebiet ausgeht oder wenn die Verfolgung zwar nur von einem Teil der Bevölkerung ausgeübt, aber durch die Behörden und Regierung gebilligt wird, oder wenn die Behörde oder Regierung außerstande ist, die Verfolgten zu schützen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0555 ua.).

Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005 ist eine Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie. Demnach sind darunter jene Handlungen zu verstehen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (Recht auf Leben, Verbot der Folter, Verbot der Sklaverei oder Leibeigenschaft, Keine Strafe ohne Gesetz) oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon - wie in ähnlicher beschriebenen Weise - betroffen ist.

Nach der auch hier anzuwendenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verfolgung weiters ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 14.10.1998, Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

Verfolgung kann nur von einem Verfolger ausgehen. Verfolger können gemäß Art 6 Statusrichtlinie der Staat, den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschende Parteien oder Organisationen oder andere Akteure sein, wenn der Staat oder die das Staatsgebiet beherrschenden Parteien oder Organisationen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor Verfolgung zu gewähren.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und bescheinigt werden, aus denen die von der zitierten Konventionsbestimmung geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl zB vom 8. 11. 1989, 89/01/0287 bis 0291 und vom 19. 9 1990, 90/01/0113). Der Hinweis eines Asylwerbers auf einen allgemeinen Bericht genügt dafür ebenso wenig wie der Hinweis auf die allgemeine Lage, zB. einer Volksgruppe, in seinem Herkunftsstaat (vgl VwGH 29. 11. 1989, 89/01/0362; 5. 12. 1990, 90/01/0202; 5. 6. 1991, 90/01/0198; 19. 9 1990, 90/01/0113).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

2. Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Der Antrag war nicht bereits gemäß §§4, 4a oder 5 AsylG zurückzuweisen.

Nach Ansicht des BVwG sind die dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status als Asylberechtigter, nämlich eine glaubhafte Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK angeführten Grund nicht gegeben.

Wie sich aus den Erwägungen ergibt, ist es der bP nicht gelungen eine solche aus ihrer dargelegten Fluchtgeschichte glaubhaft zu machen, weshalb diese vorgetragenen und als fluchtkausal bezeichneten Angaben bzw. die daraus resultierenden Rückkehrbefürchtungen gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung somit gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

Auch die allgemeine Lage ist im gesamten Herkunftsstaat nicht dergestalt, dass sich konkret für die beschwerdeführende Partei eine begründete Furcht vor einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden asylrelevanten Verfolgung ergeben würde.

Dafür, dass aktuell keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende asylrelevante Verfolgungsgefahr für Personen mit dem Vornamen Omar oder generell wegen der bloßen Zugehörigkeit zu den (arabischen) Sunniten (ca. 6,5 bis 8,4 Millionen der Gesamtbevölkerung) - ohne Hinzutreten weiterer, individueller, also in der jeweiligen Person gelegener Gefährdungsmomente - gegeben ist, finden sich insbesondere in aktuellen Vorfallrecherchen, welche in der Verhandlung mit der bP erörtert wurden, keine Hinweise die dies ansatzweise belegen würden.

Dafür, dass es etwa im Irak keine Personen mehr geben würde, die den Namen Omar öffentlich führen, finden sich auch bei Recherchen via google keine Hinweise. Sowohl via google oder auch auf Facebook finden sich Personen, welche nicht davor zurückscheuen ihren Namen Omar und - wie etwa auf Facebook - Aufenthaltsort für Dritte wahrnehmbar bekannt zu geben. Auch dies ein Indiz dafür, dass aktuell keine Lage im Irak vorherrscht, die zu einer mit maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohenden asylrelevanten Verfolgung führen würde, alleine, weil jemand als Omar und damit auch als Sunnit erkennbar ist.

Selbst die bP führte dazu aus, dass einen die Leute nicht nur wegen dem Namen kennen, sondern auch wegen dem Gesicht und gibt es verschiedene Dialekte. Auf die Frage, was aktuell gegen eine Rückkehr in den Irak spricht, nannte die bP nur die allgemeine Lage, wie die schwache Landwirtschaft, allgemein schlechte Umstände, wenig Arbeit und die Demos.

Eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer drohende asylrelevante Verfolgungsgefahr legte somit selbst die bP nicht dar.

Es war daher die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II.

Nichtzuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter

1. § 8 AsylG

(1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK [Recht auf Leben], Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

(3a) Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

(5) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass die zu erteilende Aufenthaltsberechtigung gleichzeitig mit der des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, endet.

(6) Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diesfalls ist eine Rückkehrentscheidung zu verfügen, wenn diese gemäß § 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG nicht unzulässig ist.

(7) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten erlischt, wenn dem Fremden der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird.

Art. 2 EMRK lautet:

"(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.

(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt: a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen; b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern; c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken."

Während entsprechend des 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.

Art. 3 EMRK lautet:

"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."

Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).

Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).

Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).

Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Rückkehrentscheidung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffenen Person im Falle seiner Rückkehrentscheidung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der bP zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex: "Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). So auch der EGMR in stRsp, welcher anführt, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt - so weit als möglich - Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005).

Aus jüngster Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB. 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mwN) ergeben sich für die Auslegung von § 8 AsylG folgende Leitlinien:

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH hat ein Drittstaatsangehöriger "nur dann Anspruch auf subsidiären Schutz ..., wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass er bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, eine der drei in Art. 15 der Richtlinie definierten Arten eines ernsthaften Schadens zu erleiden" (vgl. zuletzt EuGH 24.4.2018, C-353/16 , MP, Rn. 28, mwN).

Artikel 15 der RICHTLINIE 2011/95/EU lautet:

VORAUSSETZUNGEN FÜR SUBSIDIÄREN SCHUTZ

Ernsthafter Schaden

Als ernsthafter Schaden gilt

a) die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder

b) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers im Herkunftsland oder

c) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

Der EuGH hat im Urteil vom 18.12.2014, C-542/13 , M¿Bodj, klargestellt, dass der Umstand, dass ein Drittstaatsangehöriger nach Art. 3 MRK nicht abgeschoben werden kann, nicht bedeutet, dass ihm subsidiärer Schutz zu gewähren ist. Subsidiärer Schutz (nach Art. 15 lit. a und b der Statusrichtlinie) verlangt nach dieser Auslegung durch den EuGH dagegen, dass

der ernsthafte Schaden "durch das Verhalten von Dritten (Akteuren) verursacht" werden muss und dieser "nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland" ist.

Zur letztgenannten Voraussetzung (lit. c) des Art 15 der Statusrichtlinie (bewaffneter Konflikt) hat der EuGH bereits festgehalten, dass das "Vorliegen einer solchen Bedrohung ... ausnahmsweise als gegeben angesehen werden" kann, "wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt (...) ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region 'allein durch ihre Anwesenheit' im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein" (vgl. EuGH 17.2.2009, C-465/07 , Elgafaji, Rn. 35). Auch wenn der EuGH in dieser Rechtsprechung davon spricht, dass es sich hiebei um "eine Schadensgefahr allgemeinerer Art" handelt (Rn. 33), so betont er den "Ausnahmecharakter einer solchen Situation" (Rn. 38), "die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die fragliche Person dieser Gefahr individuell ausgesetzt wäre" (Rn. 37). Diesen Ausnahmecharakter betonte der EuGH in seiner jüngeren Rechtsprechung, Urteil vom 30. Jänner 2014, C-285/12 , Diakite, Rn. 30.

Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 18.12.2014, M'Bodj, C- 542/13 ) widerspricht es der Statusrichtlinie und ist es unionsrechtlich unzulässig, den in dieser Richtlinie vorgesehenen Schutz Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck dieses internationalen Schutzes aufweisen, etwa aus familiären oder humanitären Ermessensgründen, die insbesondere auf Art. 3 MRK gestützt sind.

2. Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Im gegenständlichen Fall ist es der bP nicht gelungen, ihre vorgebrachte individuelle Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr im dargestellten Ausmaß glaubhaft zu machen, weshalb sich daraus auch kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte.

Die beschwerdeführende Partei hat im Verfahren keine relevanten Erkrankungen dargelegt, weshalb sich daraus kein Rückkehrhindernis ergibt.

Unter Berücksichtigung der individuellen Situation der beschwerdeführenden Partei ist festzuhalten, dass hinsichtlich der Lebensbedingungen in ihrem Herkunftsstaat von einer lebensbedrohenden Notlage, welche bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung iSd Art 3 EMRK indizieren würde, aus Sicht des BVwG nicht gesprochen werden kann.

Bei der bP handelt es sich um einen gesunden, arbeitswilligen und erwerbsfähigen Mann, der im Irak, in Bagdad, aufgewachsen ist und dort auch über familiäre und verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte verfügt. Die bP hat im Verfahren auch gar nicht vorgebracht, dass sie im Falle einer Rückkehr nicht in der Lage sein würde, ihre Existenz zu sichern.

Die bP war im Irak bereits erwerbstätig und unterstützte ihren Vater in seinem eigenen Geschäft. Es kam nicht hervor, weshalb es der bP nicht erneut möglich sein sollte, im Falle der Rückkehr erneut ihrem Vater im familieneigenen Geschäft zu helfen und wäre es der bP auch zumutbar, durch eigene und notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite, zB. Verwandte, sonstige sie schon bei der Ausreise unterstützende Personen, Hilfsorganisationen, religiös-karitativ tätige Organisationen - erforderlichenfalls unter Anbietung ihrer gegebenen Arbeitskraft als Gegenleistung - dazu beizutragen, um das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen zu können. Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören dabei auch Tätigkeiten, für die es keine oder wenig Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa, weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können, auch soweit diese Arbeiten im Bereich einer "Schatten- oder Nischenwirtschaft" stattfinden, wobei hier auf kriminelle Aktivitäten nicht verwiesen wird.

Ergänzend ist anzuführen, dass auch eine Rückkehrhilfe (über diese wird im erstinstanzlichen Verfahren schon informiert) als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens in gewährt werden kann. Im Rahmen der Rückkehrhilfe wird dabei der Neubeginn zu Hause unterstützt, Kontakt zu Hilfsorganisationen im Heimatland vermittelt, finanzielle Unterstützung geleistet und beim Zugang zu Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten geholfen.

Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ergibt sich somit kein "reales Risiko", dass es derzeit durch die Rückführung der bP in den Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.

Es kam im Verfahren nicht hervor, dass konkret für die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückverbringung in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr bestünde, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt zu sein. Dies bezieht sich auch auf die momentanen Demonstrationen in Bagdad, die sich gegen Korruption und Misswirtschaft richten, da diese nicht derartigen Ausmaßes sind, dass mit einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts für einzelne dort wohnhafte Personen, leidglich aufgrund ihres dortigen Aufenthaltes, zu rechnen ist.

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht kein Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren, die Entscheidung des BFA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt II. abzuweisen.

Zu Spruchpunkt III.

Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen / Rückkehrentscheidung

1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt wird.

1.1. Gegenständlich wurde der Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch in Bezug auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen.

1.2. Wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich, erfolgte die Abweisung auch nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 [Ausschluss v. subs. Schutz] und ist auch keine Aberkennung [v. subs. Schutz] gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen.

1.3. Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

1.4. Ein Sachverhalt, wonach der bP gem. § 57 Abs. 1 Z. 1-3 AsylG eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen wäre, liegt hier nicht vor, weshalb eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" vom Bundesamt zu recht nicht zu erteilen war.

2. Da sich die bP nach Abschluss des Verfahrens nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG [Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung] fällt und ihr auch amtswegig kein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG zu erteilen war, ist diese Entscheidung gem. § 10 Abs 2 AsylG mit einer Rückkehrentscheidung gem. dem 8. Hauptstück des FPG [Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Fremde] zu verbinden.

Dem zur Folge hat das Bundesamt gemäß § 52 Abs 1 FPG [Rückkehrentscheidung] gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z2).

Gemäß Abs. 2 leg cit hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z2) und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

2.1. Die bP ist Staatsangehöriger des Irak und kein begünstigter Drittstaatsangehöriger. Es kommt ihr auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Daher ist gegenständlich gem. § 52 Abs 2 FPG grundsätzlich die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung zu prüfen.

3. Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens in Österreich käme:

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens:

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

Für die Beurteilung ob ein relevantes Privat- und/oder Familienleben iSd Art 8 EMRK vorliegt sind nach der höchstgerichtlichen Judikatur insbesondere nachfolgende Umstände beachtlich:

Privatleben:

Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Rückkehrentscheidungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

Bei der Schutzwürdigkeit des Privatlebens manifestiert sich der Grad der Integration des Fremden insbesondere an intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124; 11.10.2005, 2002/21/0124).

Familienleben:

Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben;

das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00); etwa bei Zutreffen anderer Faktoren aus denen sich ergibt, dass eine Beziehung genügend Konstanz aufweist, um de facto familiäre Bindungen zu erzeugen: zB Natur und Dauer der Beziehung der Eltern und insbesondere, ob sie geplant haben ein gemeinsames Kind zu haben; ob der Vater das Kind als eigenes anerkannt hat; ob Unterhaltszahlungen für die Pflege und Erziehung des Kindes geleistet wurden; und die Intensität und Regelmäßigkeit des Umgangs (EGMR v. 8.1.2009, Zl 10606/07, Fall Grant gg. Vereinigtes Königreich).

Kinder werden erst vom Moment ihrer Geburt an rechtlich Teil der Familie. Zu noch ungeborenen Kindern liegt somit bis dahin (noch) kein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK vor (vgl. zB VfGH 24.02.2003, B 1670/01; EGMR 19.02.1996, GÜL vs Switzerland).

Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere "de facto Beziehungen" ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).

Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; des Weiteren auch das Erkenntnis des VwGH vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0423 und die darauf aufbauende Folgejudikatur, etwa die Erkenntnisse vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0235, vom 8. Juni 2006, Zl. 2003/01/0600, vom 22. August 2006, Zl. 2004/01/0220 und vom 29. März 2007, Zl. 2005/20/0040, vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479).

Die Beziehung der bereits volljährigen Kinder zu den Eltern ist vor allem dann als Familienleben zu qualifizieren, wenn jene auch nach Eintritt der Volljährigkeit im Haushalt der Eltern weiterleben, ohne dass sich ihr Naheverhältnis zu den Eltern wesentlich ändert (Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 860 unter Hinweis auf Wiederin in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 8 EMRK Rz 76).

Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind Beziehungen zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern, die wegen des Fehlens von über die üblichen Bindungen hinausgehenden Merkmalen der Abhängigkeit nicht (mehr) unter den Begriff des Familienlebens fallen, unter den Begriff des ebenfalls von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Privatlebens zu subsumieren (VwGH 21.4.2011, 2011/01/0093-7 [vgl. dazu die Urteile des EGMR vom 9. Oktober 2003, Slivenko gegen Lettland, Beschwerde Nr. 48321/99, Randnr. 97, vom 15. Juni 2006, Shevanova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 58822/00, Randnr. 67, vom 22. Juni 2006, Kaftailova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 59643/00, Randnr. 63, und vom 12. Jänner 2010, A.W. Khan gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 47486/06, Randnr. 31 ff]).

Alle anderen verwandtschaftlichen Beziehungen (zB zwischen Enkel und Großeltern, erwachsenen Geschwistern [vgl. VwGH 22.08.2006, 2004/01/0220, mwN; 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723-8], Cousinen [VwGH 15.01.1999, 97/21/0778; 26.6.2007, 2007/01/0479], Onkeln bzw. Tanten und Neffen bzw. Nichten) sind nur dann als Familienleben geschützt, wenn eine "hinreichend starke Nahebeziehung" besteht. Nach Ansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist für diese Wertung insbesondere die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung (vgl. VfSlg 17.457/2005). Dabei werden vor allem das Zusammenleben und die gegenseitige Unterhaltsgewährung zur Annahme eines Familienlebens iSd Art 8 EMRK führen, soweit nicht besondere Abhängigkeitsverhältnisse, wie die Pflege eines behinderten oder kranken Verwandten, vorliegen.

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR im Fall Cruz Varas gegen Schweden). In diesen Fällen ist nach der Judikatur des EGMR der Eingriff in das Privatleben gegebenenfalls separat zu prüfen (Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 856 mwN).

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

3.1. Die bP hat seit etwa einem Jahr eine Freundin in Österreich, mit welcher sie seit etwa 1 1/2 Monaten einen gemeinsamen Wohnsitz in Österreich hat. Ansonsten leben keine Angehörigen oder sonst der bP nahestehende Personen in Österreich. Die Rückkehrentscheidung bildet somit einen Eingriff in das Recht Familienleben.

Die bP ist seit mehr als 4 Jahren im Bundesgebiet aufhältig und möchte ihr zukünftiges Leben in Österreich gestalten. Seit kurzer Zeit geht die bP einer Beschäftigung nach. Es liegt somit ein relevantes Privatleben in Österreich vor.

Da die Rückkehrentscheidung somit einen Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben darstellt, bedarf es diesbezüglich einer Abwägung gem. Art 8 Abs 2 EMRK.

Im vorliegenden Fall ist der Eingriff gesetzlich vorgesehen und verfolgt gem. Art 8 Abs 2 EMRK legitime Ziele, nämlich

- die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, worunter auch die geschriebene

Rechtsordnung zu subsumieren ist;

- zur Verhinderung von strafbaren Handlungen.

Öffentliche Ordnung / Verhinderung von strafbaren Handlungen (insb. im Bereich des Aufenthaltsrechtes):

Der EGMR geht davon aus, dass die Konvention kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat garantiert. Der EGMR erkennt in stRsp weiters, dass die Konventionsstaaten nach völkerrechtlichen Bestimmungen berechtigt sind, Einreise, Rückkehrentscheidung und Aufenthalt von Fremden ihrer Kontrolle zu unterwerfen, soweit ihre vertraglichen Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen (vgl. uva. zB. Urteil Vilvarajah/GB, A/215 § 102 = NL 92/1/07 und NL 92/1/27f.). Die Schaffung eines Ordnungssystems mit dem die Einreise und der Aufenthalt von Fremden geregelt wird, ist auch im Lichte der Entwicklungen auf europäischer Ebene notwendig. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) daher ein hoher Stellenwert zu (VfGH 29.9.2007, B 328/07, VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251 uva.). Die öffentliche Ordnung, hier va. das Interesse an einer geordneten Zuwanderung, erfordert es daher, dass Fremde, die nach Österreich einwandern wollen, die dabei zu beachtenden Vorschriften einhalten. Die öffentliche Ordnung wird zB. schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Rückkehrentscheidung kann in solchen Fällen trotz eines vielleicht damit verbundenen Eingriffs in das Privatleben und Familienleben erforderlich sein, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte (VwGH 21.2.1996, 95/21/1256). Dies insbesondere auch deshalb, weil als allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz grundsätzlich gilt, dass aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen. (VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007). Der VwGH hat weiters festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Rückkehrentscheidung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190). Aus Art 8 EMRK ist zudem kein Recht auf Wahl des Familienwohnsitzes ableitbar (VfGH 13.10.2007, B1462/06 mwN).

Die rechtswidrige Einreise und der rechtswidrige Aufenthalt im Bundesgebiet stellen eine Verwaltungsübertretung dar. Im darin enthaltenen Strafrahmen des FPG lässt der Gesetzgeber das hohe öffentliche Interesse an der Verhinderung bzw. Bekämpfung des nicht rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet erkennen. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung stellt daher ein Instrument zur Verhinderung eines derartigen unter Strafe gestellten Verhaltens bzw. Unterlassens dar. Die allgemeine Lebenserfahrung zeigt, dass die Mehrzahl der Fremden nach rechtskräftigem Abschluss ihres Asylverfahrens der durch die Rückkehrentscheidung bestehenden auferlegten Ausreiseverpflichtung nicht (freiwillig) nachkommt. Nur für den Fall der Erlassung eines den Aufenthalt des Fremden beendenden Titels besteht (unbeschadet der sonstigen Zuständigkeit der Sicherheitsbehörde für Aufenthaltsbeendigungen von Fremden) für diesen Fremden nach Abschluss seines Asylverfahrens die gesetzliche Verpflichtung Österreich zu verlassen und können Organe des öffentlichen Sicherheitsdienste nur diesfalls im Falle der Weigerung im Auftrage der Sicherheitsbehörde diese im öffentlichen Interesse notwendige Aufenthaltsbeendigung auch mit behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durchführen.

Wenn das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten, ist dies bei der Abwägung gegebenenfalls als die persönlichen Interessen mindernd in Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5.9.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562, Fall Nnyanzi gg. Vereinigtes Königreich, Fall Darren Omoregie u.a. gg. Norwegen).

Privatleben iSd Art 8 Abs 1 EMRK kann grundsätzlich nur im Rahmen eines legalen Aufenthaltes entstehen. Eine während des laufenden Asylverfahrens bloß vorläufige Aufenthaltsberechtigung ist nicht geeignet berechtigterweise schon die Erwartung hervorzurufen, in Österreich bleiben zu dürfen (EGMR in den Sachen Ghiban v. 7.10.04, 33743/03 und Dragan NVwZ 2005, 1043, Nnyanzi gg. Norwegen).

Der Asylwerber kann während seines Asylverfahrens nicht darauf vertrauen, dass ein in dieser Zeit entstehendes Privat- bzw. Familienleben auch nach der Erledigung seines Asylantrages fortgesetzt werden kann. Die Rechte aus der GFK dürfen nicht dazu dienen, die Einwanderungsregeln zu umgehen (ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 857 mwN).

Verfügt die beschwerdeführende Partei über einen gesicherten Aufenthalt und ist sie nicht straffällig geworden, so bewirken diese Umstände keine relevante Verstärkung ihrer persönlichen Interessen (Hinweis E 24. Juli 2002, 2002/18/0112; 31.10.2002, 2002/18/0190).

Das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration ist weiters dann gemindert, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen ist (VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479 mwN). Beruht der bisherige Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten (insbesondere bei Vortäuschung eines Asylgrundes [vgl VwGH 2.10.1996, 95/21/0169]), relativiert dies die ableitbaren Interessen des Asylwerbers wesentlich [vgl. die Erkenntnisse vom 28. Juni 2007, Zl. 2006/21/0114, und vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0246] (VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168).

Bei der Abwägung der Interessen ist auch zu berücksichtigen, dass es der beschwerdeführenden Partei bei der asylrechtlichen Rückkehrentscheidung grundsätzlich nicht verwehrt ist, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren (vgl. ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 861, mwN).

3.2. Im Einzelnen ergibt sich unter zentraler Beachtung der in § 9 Abs. 1 Z 1-9 BFA-VG genannten Determinanten Folgendes:

- Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:

Die beschwerdeführende Partei reiste nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet ein.

Erst ab Stellung des Antrages auf internationalen Schutz hatte die beschwerdeführende Partei eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gem. AsylG.

Nach Abweisung dieses Antrages und Verfügung einer asylrechtlichen Rückkehrentscheidung durch das BFA wurde die vorläufige Aufenthaltsberechtigung durch Einbringung der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht für die Dauer des Beschwerdeverfahrens verlängert.

Abgesehen von der aus der bloßen Asylantragstellung resultierenden vorläufigen Aufenthaltsberechtigung für die Dauer des Verfahrens kam nicht hervor, dass die beschwerdeführende Partei zu irgendeinem Zeitpunkt über einen anderen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet verfügt hätte.

Es kam nicht hervor, dass die beschwerdeführende Partei zu irgendeiner Zeit versucht hätte unter Einhaltung des geltenden Einreise- bzw. Aufenthaltsrechtes nach Österreich zu gelangen.

- das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens:

Die bP hat in Österreich eine Freundin, mit welcher sie seit etwa 1 1/2 Monaten einen gemeinsamen Wohnsitz hat.

- Schutzwürdigkeit des Privatlebens, die Frage, ob das Privat- und Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstaates bewusst waren:

Während des bisherigen Aufenthaltes im Bundesgebiet hat die bP die o. a. privaten und familiären Anknüpfungspunkte in Österreich erlangt.

Diese Anknüpfungspunkte in Österreich wurden zur Gänze in einer Zeit erlangt, in der der Aufenthalt durch die bloß vorläufige Aufenthaltsberechtigung für die Dauer des Asylverfahrens stets prekär war.

Einem Asylwerber muss (spätestens) nach der erstinstanzlichen Abweisung seines Asylantrages - auch wenn er subjektiv Hoffnungen auf ein positives Verfahrensende haben sollte - im Hinblick auf die negative behördliche Beurteilung des Antrages von einem nicht gesicherten weiteren Aufenthalt ausgehen [Hinweis E 25. März 2010, 2010/21/0064 bis 0068] (VwGH 29.4.2010, 2010/21/0085). Weiters kommt hinzu, dass davon auszugehen ist, dass dieser als unbegründet zu erachtende Asylantrag zudem hinsichtlich der Fluchtgründe auf falsche Gegebenheiten gestützt und damit versucht wurde die Asylinstanzen zu täuschen.

Nach der erstinstanzlichen Entscheidung war der weitere Aufenthalt lediglich durch Ergreifung eines Rechtsmittels gegen diese Entscheidung und der dadurch bedingten Verlängerung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung möglich.

- Grad der Integration:

Die bP geht seit kurzer Zeit einer Beschäftigung nach. Es liegt somit eine Teilnahme am sozialen Leben vor. Die bP kann sich in deutscher Sprache sehr gut verständigen und legte im Verfahren Deutschkursbestätigungen und ein Zertifikat über die bestandene Prüfung ÖSD Zertifikat A1 vor. Die bP wohnt mit ihrer Freundin zusammen. Jedoch wurde die bP seit ihrer Einreise bis einschließlich September 2019 im Rahmen der Grundversorgung versorgt.

- Bindungen zum Herkunftsstaat:

Die beschwerdeführende Partei ist im Irak geboren, absolvierte dort ihre Schulzeit, kann sich im Herkunftsstaat verständigen und hat ihr überwiegendes Leben in diesem Staat verbracht. Sie erlernte dort den Elektrikerberuf und half ihrem Vater in dessen Geschäft. Ihre Eltern leben in Bagdad in einem eigenen Haus. Der Vater arbeitet noch in seinem Geschäft, wo er XXXX verkauft. Die Mutter bekommt eine Pension als Lehrerin. Die Schwester ist verheiratet und wohnt in einem eigenen Haus in Bagdad. Die bP hat via Internet Kontakt zu ihrer Familie.

Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass die beschwerdeführende Partei als vom Irak entwurzelt zu betrachten wäre.

- strafrechtliche Unbescholtenheit:

In der Datenbank des österreichischen Strafregisters scheinen keine Vormerkungen wegen gerichtlicher Verurteilungen auf.

- Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-. Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts:

Die beschwerdeführende Partei reiste nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet ein was grundsätzlich als relevanter Verstoß gegen das Einwanderungsrecht in die Interessensabwägung einzubeziehen ist (vgl. zB. VwGH 25.02.2010, 2009/21/0165; 25.02.2010, 2009/21/0070).

Sie legalisierte ihren Aufenthalt erst durch die Stellung des Antrages auf internationalen Schutz.

Die beschwerdeführende Partei verletzte durch die nichtwahrheitsgemäße Begründung ihres Antrages auf internationalen Schutz ihre Mitwirkungsverpflichtung im Asylverfahren.

- Mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden in Bezug auf die Verfahrensdauer:

Es kann vertretbar davon ausgegangen werden, dass das Verfahren, wenn die beschwerdeführende Partei schon anfänglich wahrheitsgemäß ihre Ausreisegründe dargelegt hätte, in kürzerer Zeit abgeschlossen hätte werden können.

3.3. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die Anknüpfungspunkte zu bzw. in Österreich während eines Zeitraumes erlangt wurden, in dem der Aufenthaltsstatus stets ungewiss war, was der beschwerdeführenden Partei auch bewusst sein musste.

Hinzu kommt erschwerend, dass der Asylantrag von vornherein unbegründet war, sie die Asylbehörden offensichtlich durch Behauptung falscher Tatsachen versuchte in die Irre zu führen, um unberechtigt einen Aufenthaltstitel über das Asylverfahren zu erlangen. Erst durch Missachtung der österreichischen Rechtsordnung konnte sich die Partei diese Vorteile verschaffen.

Hinsichtlich der Verfahrensdauer ist anzumerken, dass die beschwerdeführende Partei insbesondere durch ihre nicht gehörige Mitwirkung am Asylverfahren und Täuschung über wahre Tatsachen nicht unwesentlich zur Verlängerung des Verfahrens beitrug und gerade dieses Verhalten im Verfahren eine tatsächliche Integration in Österreich kontraindiziert.

Bestandteil einer gelungenen Integration ist ua., dass sich die asylwerbende Person auch im Asylverfahren im Wesentlichen regelkonform verhält, worüber sie überdies ausdrücklich zu Beginn und im Laufe des Verfahrens belehrt wird. Das Verhalten im Asylverfahren, also konkret vor den staatlichen Behörden des Aufnahmestaates in dem sie behauptet Schutz vor Verfolgung zu benötigen, kann somit bei einer Bewertung der Integration in Österreich nicht ausgeblendet werden. Auf Grund von nicht wahrheitsgemäßen Angaben führt dies gegenständlich zu einer Minderung der privaten Interessen der beschwerdeführenden Partei und zu einer Stärkung der genannten öffentlichen Interessen.

Zu bedenken ist auch, dass der beschwerdeführenden Partei spätestens seit der negativen erstinstanzlichen Entscheidung bewusst sein musste, dass sie mit ihren Täuschungen im Asylverfahren keine begründete Aussicht auf Erlangung eines dauerhaften Aufenthaltes über das Asylverfahren erlangen konnte. Die wesentlichen privaten- und familiären Anknüpfungspunkte wurden danach begründet und erst durch die Ergreifung eines Rechtsmittels und damit eine Verlängerung des vorläufigen Aufenthaltsrechtes ermöglicht.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit wirkt sich in der Bewertung neutral aus und führt nicht zur Verstärkung privater Interessen.

Einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren kommt nach der Rechtsprechung

des Verwaltungsgerichtshofs ohne Hinzutreten weiterer maßgeblicher Umstände noch keine

maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH vom 15.03.2016, Zl. Ra 2016/19/0031 mwN). Diesbezüglich ist auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht und sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt, weshalb diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (VwGH vom 06.11.2009, Zl. 2008/18/0720; und vom 25.02.2010, Zl. 2010/18/0029).

Die Umstände, dass der Fremde einen großen Freundes- und Bekanntenkreis hat und er der deutschen Sprache mächtig ist, können seine persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht maßgeblich verstärken (vgl. VwGH 26.11.2009, 2007/18/0311; 29.6.2010, 2010/18/0226).

Auch die berufliche Tätigkeit der bP kann gegenständlich ihr persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht maßgeblich verstärken, wenn man bedenkt, dass die bP seit ihrer Einreise in Österreich bis einschließlich September 2019 vom österreichischen Staat versorgt wurde.

Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und unter Einbeziehung der oa. Judikatur der Höchstgerichte ist gegenständlich ein überwiegendes öffentliches Interesse - nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, konkret das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung und Stärkung der Einwanderungskontrolle sowie zur Verhinderung von strafbaren Handlungen insbesondere in Bezug auf den verwaltungsstrafrechtlich pönalisierten, nicht rechtmäßigen Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet, an der Aufenthaltsbeendigung der beschwerdeführenden Partei festzustellen, das ihre Interessen an einem Verbleib in Österreich überwiegt. Die Rückkehrentscheidung ist daher als notwendig und nicht unverhältnismäßig zu erachten.

Die persönlichen Bindungen in Österreich lassen keine besonderen Umstände im Sinn des Art. 8 EMRK erkennen, die es der beschwerdeführenden Partei schlichtweg unzumutbar machen würde, auch nur für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Aufenthalts- bzw. Niederlassungsverfahrens in ihr Heimatland zurückzukehren (vgl. zB. VwGH 25.02.2010, 2008/18/0332; 25.02.2010, 2008/18/0411; 25.02.2010, 2010/18/0016; 21.01.2010, 2009/18/0258; 21.01.2010, 2009/18/0503; 13.04.2010, 2010/18/0087; 30.04.2010, 2010/18/0111; 30.08.2011, 2009/21/0015), wobei bei der Rückkehrentscheidung mangels gesetzlicher Anordnung hier nicht auf das mögliche Ergebnis eines nach einem anderen Gesetz durchzuführenden (Einreise- bzw. Aufenthalts)Verfahrens Bedacht zu nehmen ist (vgl. VwGH 18.9.1995, 94/18/0376).

Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass einwanderungswillige Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Asylantragstellung, allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet, in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrages unterlassen und in rechtskonformer Art und Weise vom Ausland aus ihren Antrag auf Erteilung eines Einreise- bzw. Aufenthaltstitels stellen, sowie die Entscheidung auch dort abwarten, letztlich schlechter gestellt wären, als jene Fremde, welche, einer geordneten Zuwanderung widersprechend, genau zu diesen verpönten Mitteln greifen, um ohne jeden sonstigen anerkannten Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich zu erzwingen bzw. zu legalisieren. Dies würde in letzter Konsequenz wohl zu einer unsachlichen Differenzierung der einwanderungswilligen Fremden untereinander führen (vgl. Estoppel-Prinzip bzw. auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007) und würde angesichts der Publizitätswirksamkeit der Asylentscheidungen wohl den Nachzieheffekt für andere einwanderungswillige Fremde in Richtung nicht rechtmäßiger Zuwanderung in Verbindung mit rechtsmissbräuchlicher, unbegründeter Asylantragstellung verstärken.

Es erfolgte daher zu Recht die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs 2 Z 2 FPG.

4. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

4.1. Die Zulässigkeit der Abschiebung der bP in den Herkunftsstaat Irak ist gem. § 46 FPG gegeben, da nach den die Abweisung ihres Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würden.

Es waren unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher die Entscheidungen des BFA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt III. abzuweisen.

Zu Spruchpunkt IV.

Frist für freiwillige Ausreise

1. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

1.2. Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, wurde die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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